Verhängnisvolles Video by Michi
Summary: Ein junger Mann, der mit seinem Handy einen Mord filmt. Ein Mann, dem eben dieses Handy unbemerkt zugesteckt wird. Noch mehr Männer, die dieses Handy um jeden Preis zurück haben wollen, bevor jemand den Film sieht. Und natürlich die Frage aller Fragen: werden Gibbs und Tony endlich ein Paar???
Categories: Slash Characters: Abby Sciuto, Anthony DiNozzo, Donald Mallard, Jenny Shephard, Jimmy Palmer, Leroy Jethro Gibbs, Ron Sacks, T.C. Fornell, Timothy McGee, Ziva David
Genre: Action, Angst, Established relationship, Friendship, Humor
Pairing: Gibbs/DiNozzo
Warnings: None
Challenges:
Series: None
Chapters: 41 Completed: Yes Word count: 118941 Read: 406515 Published: 06/03/2007 Updated: 06/11/2007
Story Notes:
So, dass ist nun die Fortsetzung zu "Nur ein Auftrag???" Diese Story ist doppelt so lange, also habt ihr viel zu lesen^^
Und die Geschichte ist wie die vorherige aus der Sicht von Tony geschrieben, aber ich lasse Gibbs nicht außen vor!
Ich wünsche euch viel Spaß damit!!!

1. Chapter 1 by Michi

2. Chapter 2 by Michi

3. Chapter 3 by Michi

4. Chapter 4 by Michi

5. Chapter 5 by Michi

6. Chapter 6 by Michi

7. Chapter 7 by Michi

8. Chapter 8 by Michi

9. Chapter 9 by Michi

10. Chapter 10 by Michi

11. Chapter 11 by Michi

12. Chapter 12 by Michi

13. Chapter 13 by Michi

14. Chapter 14 by Michi

15. Chapter 15 by Michi

16. Chapter 16 by Michi

17. Chapter 17 by Michi

18. Chapter 18 by Michi

19. Chapter 19 by Michi

20. Chapter 20 by Michi

21. Chapter 21 by Michi

22. Chapter 22 by Michi

23. Chapter 23 by Michi

24. Chapter 24 by Michi

25. Chapter 25 by Michi

26. Chapter 26 by Michi

27. Chapter 27 by Michi

28. Chapter 28 by Michi

29. Chapter 29 by Michi

30. Chapter 30 by Michi

31. Chapter 31 by Michi

32. Chapter 32 by Michi

33. Chapter 33 by Michi

34. Chapter 34 by Michi

35. Chapter 35 by Michi

36. Chapter 36 by Michi

37. Chapter 37 by Michi

38. Chapter 38 by Michi

39. Chapter 39 by Michi

40. Chapter 40 by Michi

41. Chapter 41 by Michi

Chapter 1 by Michi
Author's Notes:
Ein junger Mann, der mit seinem Handy einen Mord filmt.
Ein Mann, dem eben dieses Handy unbemerkt zugesteckt wird.
Noch mehr Männer, die dieses Handy um jeden Preis zurück haben wollen, bevor jemand den Film sieht.
Und natürlich die Frage aller Fragen: werden Gibbs und Tony endlich ein Paar???
Washington D.C.
Mittwoch, 15. Juni
02:47 Uhr


Die Nacht lag pechschwarz über Washington und nicht einmal die Straßenlaternen vermochten die Dunkelheit zu verdrängen. Dicke Wolken hingen am Himmel und seit einer halben Stunde goss es wie aus Eimern. Die Gebäude der Stadt verschwanden beinahe in dem dichten Regenschleier und waren nur mehr verschwommen zu erkennen. In der Ferne grollte ein Donner, aber das Gewitter wollte nicht so richtig in Fahrt kommen, verschwand jedoch auch nicht. Die Nacht war viel zu kühl für diese Jahreszeit und genauso wie der Mai wunderschön gewesen war, war der Juni verregnet und kalt. Die Schlechtwetterfront sollte noch bis Freitagmorgen anhalten, dann würde sich endlich wieder die Sonne durchsetzen – das verhießen jedenfalls die Meteorologen, wobei man dieser Berufsgruppe nicht immer trauen konnte.
Normalerweise waren um diese späte Uhrzeit noch einige Nachtschwärmer unterwegs, die von den zahlreichen Clubs, die sieben Tage die Woche offen hatten, nach Hause zurückkehrten. Heute war es jedoch anders. Auf den Straßen war niemand zu sehen, da viele einfach im Trockenen blieben oder gleich die restlichen Stunden bis zum Morgengrauen in den Bars verbrachten, in der Hoffnung, der Regen würde weniger werden. Die Wartezeit überbrückten sie mit viel Alkohol und nicht Wenige würden wahrscheinlich einen schlimmen Kater davontragen.
Die Straßen gehörten in der Dunkelheit üblicherweise Drogendealern und sonstigen Kriminellen, aber sogar diese Menschen zogen es vor, nicht nach draußen zu gehen. Und so konnte man lediglich die Wassertropfen hören, die auf dem Asphalt aufschlugen. Nur selten heulte ein Automotor auf und durchbrach das monotone Plätschern, das manchen Personen ganz schön auf die Nerven gehen konnte.
Wenn man seine Aufmerksamkeit von Washingtons Innenstadt abwandte und sich den ärmeren Vierteln zuwandte, konnte man eine einsame Gestalt erkennen, die mit eingezogenen Schultern durch den Regen lief. Die Straßen hier waren eng, es gab nur selten Bürgersteige und wenn es hell war, konnte man die verschiedensten Graffitis auf den Hauswänden bewundern. Nur wenige davon konnte man als Kunstwerke bezeichnen. Die meisten bunten Schriftzüge beschränkten sich auf Obszönitäten und Schimpfwörter, die ein gut gebildeter Mensch nicht einmal kannte. In diesem Stadtteil gab es eine hohe Kriminalitätsrate und nur ein Verrückter wagte sich alleine nachts in diese Gegend. Hier galt das reine Überleben, denn viele Bewohner der meist schäbigen und kleinen Apartments hatten nicht genug Geld, um über die Runden zu kommen und so standen Überfälle und nicht selten Raubmord an der Tagesordnung.
Clive Erickson bezeichnete sich nicht als Verrückter, obwohl das seine Freunde – zwei an der Zahl – oft behaupteten. Er war vor mehr als vier Jahren nach Washington gezogen, in der Hoffnung, groß Karriere zu machen, landete aber schließlich in einer zwei Zimmerwohnung mit Aussicht auf einen briefmarkengroßen Innenhof, in dem sich nur Unrat stapelte. Seit mehr als sechs Monaten war er arbeitslos und hielt sich mit kleineren Gaunereien über Wasser. Seine Spezialität war das Kartenspielen. Von seinem verstorbenen Vater hatte er sämtliche Tricks gelernt und diese halfen ihm nun, sein Essen nicht durch betteln erwerben zu müssen. Nicht selten betrog er seine Mitspieler und zog ihnen somit die Dollars aus den Taschen. Vor vier Tagen hatte Clive eine wahre Glückssträhne gehabt und sich von dem saftigen Gewinn, den er gemacht hatte, ein brandneues Handy gekauft, welches in seiner Jackentasche steckte und so vor dem dichten Regen geschützt wurde.
Seine kurzen dunklen Haare waren durchnässt und das Wasser rann ihm über das Gesicht. Er verfluchte sich immer wieder dafür, dass er so dämlich gewesen war, sein kleines rostiges Auto drei Blocks von der Bar – in der er heute 300 Dollar gewonnen hatte - entfernt zu parken. Hätte er doch nur auf den Wetterbericht im Radio gehört, aber am Nachmittag hatte er gedacht, es würde nicht so schlimm werden. Leise vor sich hinmurmelnd bog er in eine kurze Seitenstraße ab und blieb abrupt stehen, als er laute Stimmen durch das Plätschern hindurch wahrnahm.
Nicht einmal zwei Meter vor Erickson drängten drei große Männer einen Vierten gegen eine schmutzige Hauswand. Sie waren so miteinander beschäftigt, dass sie den dunkel gekleideten Beobachter nicht entdeckten. Diesem war jedoch sofort klar, dass in Kürze ein Verbrechen stattfinden würde, das spürte er einfach in seinen Knochen. Ein wenig erschrocken darüber, trat er ein paar Schritte zurück, um sicher zu gehen, dass er nicht entdeckt wurde. Er wollte sich schon umdrehen und einen anderen Weg zu seinem Wagen suchen, als ihm eine Idee kam – eine Idee, die er für genial hielt. Das war seine Chance, endlich an mehr Geld zu kommen, denn er wusste, dass die Inhaber von Zeitungen gerne viel Kohle für Fotos springen ließen, auf denen Verbrechen zu sehen waren. Und ein Video wäre sicher noch viel besser, fand der junge Mann. Mit zitternder Hand holte er sein neues, flaches Handy hervor, klappte es auf und spähte langsam um die Ecke in die enge Gasse hinein Innerlich betete er, dass die Männer das Licht des Displays nicht bemerken würden.
„Verdammt, was soll das?!" schrie derjenige, der gegen die Wand gedrängt worden war. Gleich darauf war ein lautes Klicken zu hören, als eine Waffe entsichert wurde. Clive versuchte seine Hand ruhig zu halten, als er das Geräusch vernahm und sein Hals wurde staubtrocken. „Tja, Frankie, du hättest eben nicht versuchen sollen, mich hinter das Licht zu führen. Ich habe dir von Anfang an gesagt, dass dir das nicht gut bekommen würde", antwortete ein anderer mit Furcht einflößender Stimme. Erickson zoomte ein wenig heran und versuchte das Gesicht des Mannes mit der Waffe einzufangen, musste aber feststellen, dass er in einem ungünstigen Winkel stand. Durch den Alkohol, den er heute Abend getrunken hatte, war er mutiger als sonst und so wagte er es, einen Schritt nach vorne zu machen. Er wollte einfach das Antlitz aufnehmen, denn er hatte das Gefühl, dadurch würde er noch mehr Geld kassieren. „Nein, nicht", flehte der Bedrohte, aber es half alles nichts. Ein lauter Knall ließ Clive zusammenzucken und für den Bruchteil einer Sekunde blitzte das Mündungsfeuer auf, bevor die Dunkelheit in die Gasse zurückkehrte. Und dann geschah etwas, was seinen Herzschlag kurz aussetzen ließ. Der Mann, der geschossen hatte, drehte sich um und blickte ihn direkt an. Keiner konnte sagen, wer überraschter war und er erstarrte zur Salzsäule. Seine Hand zitterte so sehr, dass er Mühe hatte, das kleine Handy nicht fallen zu lassen. Erst ein lauter Schuss und eine Kugel, die seinen Kopf nur um Millimeter verfehlte, rissen ihn aus seiner Starre. Ohne zu überlegen, wandte er sich um und rannte um sein Leben. Wie aus weiter Ferne drangen die Stimmen der Männer an seine Ohren und die Gefahr erschossen zu werden, verlieh Clive Flügel. Keuchend bog er in die nächste Straße ab und konnte seinen Wagen erkennen, der ein paar Meter weiter geparkt war. Er klappte sein Handy zu, steckte es in die Tasche und zog dafür seine Schlüssel hervor. Da seine Hände stark zitterten, schaffte er es erst beim dritten Anlauf, die Tür des alten Autos aufzuschließen. Eine Kugel schlug neben seinem rechten Fuß in den Asphalt und erst jetzt warf Erickson einen Blick zurück. Seine Verfolger hatten aufgeholt. „Verdammt", fluchte er laut, quetschte sich hinter das Lenkrad, verriegelte die Tür und versuchte den Motor zu starten, von dem jedoch nur ein Stottern kam. „Nun mach schon!" schrie er panisch, schlug auf das Lenkrad und versuchte es noch einmal, diesmal mit Erfolg. Der Wagen erwachte zum Leben und gerade als eine Kugel hinten im Kofferraum einschlug, trat er fest auf das Gaspedal und schoss die Straße hinunter. Erleichtert atmete Clive auf und blickte in den Rückspiegel, um die Männer in dem dichten Regen verschwinden zu sehen.

15 Minuten später erreichte Erickson sein Apartment, schloss die Tür hinter sich und als er sie fest verschlossen hatte, fühlte er sich etwas wohler. Mittlerweile war ihm seine Panikattacke mehr als peinlich und die Gier nach Geld gewann die Oberhand. Sein schneller Herzschlag hatte sich schon lange beruhigt und das Zittern seiner Hände hatte nachgelassen. Mit der Aussicht, bald mehr Kohle als sonst in der Hand zu haben, nahm er das Handy aus der Jackentasche und hängte diese zum Trocknen an einen Haken an der Tür. Anschließend ließ er sich auf sein Bett fallen, das in dem 30 m² großen Raum – der einzige Raum in der Wohnung, abgesehen vom Bad - stand, der zusätzlich als Wohnzimmer diente. In der rechten hinteren Ecke befand sich eine kleine Kochnische, bestehend aus einer einzelnen Platte und einem mehr als kleinen Kühlschrank, dessen Tür schmierige Flecken aufwies. Clive besaß nicht einmal eine Couch, sondern nur einen runden Holztisch mit vielen Kratzern und zwei billige Sessel, die darum gruppiert waren. Neben der Tür, die in das kleine Bad führte, stand auf einem niedrigen Regal der Fernseher, der mehr gekostet hatte, als die gesamte schäbige Einrichtung zusammen. Der graue Teppichboden wölbte sich an mehreren Stellen und die einst weiße Tapete löste sich bereits von den Wänden. Zum ersten Mal war das dem jungen Mann egal, denn in seinen Händen hielt er sein Ticket für ein besseres Apartment. Liebevoll strich er über das Handy, legte es schließlich auf das Nachtkästchen und ließ sich rücklings auf die Matratze fallen. Zufrieden betrachtete er die große fette Spinne, die sich gerade ein Netz über ihm spann. Grinsend schloss er die Augen und empfand den Mord, den er beobachtet hatte, als ein großes Abenteuer. Sicher, der Mann, der wahrscheinlich Familie hatte, tat ihm leid, aber er musste eben über die Runden kommen und mit dem Video würde er das schaffen. Über die Männer, die ihn verfolgt hatten, machte er sich keine Gedanken mehr, da er nicht wusste, wie sie herausfinden sollten, wo er wohnte. Mit dem Gedanken an viele Dollarscheine auf seiner Hand glitt er bei eingeschalteter Lampe in einen tiefen Schlaf.

Ein Klopfen riss Clive aus einem Traum, in dem er in einem großen Pool geschwommen war – nackt und zusammen mit einer großbusigen Blondine. Verwirrt öffnete er seine Augen und starrte aus dem Fenster. Draußen regnete es immer noch, aber mittlerweile war der Morgen angebrochen und verdrängte das künstliche Licht, welches durch die Glühbirne erzeugt wurde. Erneut klopfte es an seiner Tür und so versuchte er sich den Schlaf aus den Augen zu reiben, was ihm nicht wirklich gelang. „Wer ist da?" fragte er müde und setzte sich auf. „Ich habe ein Paket für einen gewissen Mister Erickson", drang eine tiefe Stimme zu ihm in die Wohnung. Verwundert hob er seine Augenbrauen. Wer schickte ihm bloß ein Paket? Er hatte auch nichts bestellt, jedenfalls so weit er sich erinnerte. Aus einem Impuls heraus steckte er sich das Handy in seine Hosentasche, stand auf und warf einen kurzen Blick durch den Spion. Plötzlich hatte er das Gefühl, in Ohnmacht zu fallen. Vor seiner Tür standen drei finster dreinschauende Männer und jeder hielt eine Waffe in der Hand. Und einer davon war der Typ, der in der Nacht jemanden ermordet hatte – einen Mord, den er mit seinem neuen Handy gefilmt hatte. Erschrocken stolperte er zurück und wäre beinahe auf seinem Allerwertesten gelandet, konnte aber gerade noch das Gleichgewicht finden. ‚Wie kann das nur sein?' schoss es ihm durch den Kopf. ‚Wie haben die erfahren, wo ich wohne?' Angst schnürte ihm die Kehle zu und ihm wurde bewusst, wenn er länger hier bleiben würde, wäre er innerhalb von Sekunden mausetot.
Clive war mit drei Schritten beim Fenster, schob es nach oben und kletterte auf die Feuerleiter hinaus. Regen peitschte ihm ins Gesicht, aber das war ihm egal. Aus seiner Wohnung war ein Splittern zu hören und bevor er in den Innenhof hinunter sprang – sein Apartment befand sich im ersten Stock – konnte er die Männer sehen, die in das Zimmer stürmten. Erickson landete in einer Pfütze, aber da er bereits bis auf die Knochen durchnässt war, war ihm das egal. Ohne sich umzusehen, rannte er aus dem Innenhof auf die Straße hinaus und bog nach rechts ab. Er kannte sich in dieser Gegend hervorragend aus und er wusste, in etwa 400 Meter Entfernung gab es ein Einkaufszentrum, das um fünf Uhr öffnete und jetzt war es schon kurz vor halb sieben. Während Clive so schnell wie noch nie zuvor in seinem Leben lief, wurde ihm bewusst, dass er in dieser Nacht einen schweren Fehler begangen hatte. Seine Gier nach Geld hatte ihm die Sinne betäubt und jetzt waren hinter ihm Männer her, die ihn wahrscheinlich deswegen umbringen und danach sein Handy zerstören würden. Deshalb beschloss er - so schwer es ihm auch fiel – dass er das kleine Gerät loswerden musste – sein Leben war ihm definitiv mehr Wert.
Keuchend erreichte er das Einkaufszentrum, auf dessen Parkplatz bereits einige Autos standen. Erickson warf keinen Blick über seine Schulter, da er spürte, dass er noch immer verfolgt wurde. Zwar war kein Schuss zu hören, aber trotzdem verriet ihm sein Instinkt, dass er mächtig in der Tinte saß. Er quetschte sich durch eine Gruppe Jugendlicher, die vor dem Eingang standen und denen der Regen nichts auszumachen schien. Im Inneren war es herrlich warm und trocken und die Schritte der Menschen hallten auf dem Fliesenboden wider. Clive orientierte sich kurz und rannte nach links, da er wusste, dass sich dort ein Seitenausgang befand. Auf dem Weg dorthin zog er das Handy aus seiner Hosentasche, blickte auf und sah einen Mann vor sich, der zwei Kaffeebecher in der Hand hielt. Ein Grinsen huschte ihm über das Gesicht und er drosselte sein Tempo. Als sie auf gleicher Höhe waren, rempelte er ihn an und ließ im selben Moment mit einer fließenden Bewegung das kleine Handy in die Jackentasche des anderen gleiten. „Hey!" rief ihm dieser hinterher, da Erickson sich nicht entschuldigt hatte. Dieser lief einfach weiter – unendlich erleichtert. Jetzt war er sein Problem los. Sollte sich doch dieser Fremde mit den verrückten Killern herumschlagen.
Kurz darauf erreichte er den Seitenausgang und trat in eine schmale Gasse hinaus, in der Müll gelagert wurde, der noch nicht abgeholt worden war. Gerade als er das Einkaufszentrum ganz verlassen wollte, traf ihn ein wuchtiger Schlag im Rücken und warf ihn auf den nassen Boden. Sterne blitzten vor seinen Augen auf. Der Sturz presste ihm die gesamte Luft aus seinen Lungen und als er wieder klar sah, blickte er in die Mündung einer Waffe. „Wo ist es?" fragte ihn der Mann und an der Stimme erkannte Clive denjenigen, der vor ein paar Stunden bereits gemordet hatte. Angst überkam ihn und er fing zu zittern an, so als ob er an Schüttelfrost leiden würde. „Ich… ich weiß nicht, wovon Sie sprechen", stotterte er. Sein Gegenüber nickte, machte mit der Hand einen Schlenker und innerhalb von ein paar Sekunden wurde er auf die Füße gezerrt. Ein Schalldämpfer wurde auf den Lauf der Waffe geschraubt und ihm mitten auf die Stirn gedrückt. „Bitte nicht. Ich…" „Wo ist das verdammte Handy?" wiederholte er seine Frage und der Blick aus den dunklen Augen des Mannes schien Clive zu durchbohren. „Ich weiß genau, dass du uns heute gefilmt hast, also, wo ist es?" Er schluckte und da er sich sicher war, wenn er nichts sagen würde, dann würde er hier und jetzt sterben, begann er zu sprechen. „Ich… ich habe es so einem Kerl in die Tasche gesteckt, ohne dass er es gemerkt hat. Ich dachte, so wäre ich aus dem Schneider und…" Sein Körper zitterte, aber nicht vor Kälte und beinahe hätte seine Blase den Dienst versagt. „Das ist die Wahrheit. Ich weiß nicht, wer der Typ ist." Ericksons Gegenüber kniff seine Augen zusammen und bevor der junge Mann reagieren konnte, wurde die Waffe entsichert. Gleich darauf bohrte sich eine Kugel in sein Gehirn und trat an seinem Hinterkopf wieder aus. Leblos knallte er auf den Boden und er merkte nicht einmal mehr den Regen, der ihm auf das Gesicht fiel.
„Werft ihn in einen der Müllcontainer", befahl der Mörder knapp und steckte seine Waffe in das Holster an seiner Hüfte, wobei er vorher den Schalldämpfer entfernte und in einer Jackentasche verschwinden ließ. „Was wirst du machen?" fragte der Größere der beiden, während er mit seinem Kumpel scheinbar mühelos den Toten aufhob. „Ich werde mir die Bänder der Überwachungskameras besorgen. Wir müssen herausfinden, wer der Kerl ist, dem das Handy zugesteckt wurde. Dieser Film würde sonst zu unserem Verhängnis werden." Er drehte sich um und ging in das Einkaufszentrum zurück. Niemand schien bemerkt zu haben, dass soeben in dieser verlassenen Seitenstraße jemand ermordet worden war. Jetzt musste er nur den Mann finden, der das Handy hatte, ihn ausschalten und den Film vernichten. Erst dann würde er wieder ruhig schlafen können.

Fortsetzung folgt...
End Notes:
So, dass ist nun die Fortsetzung zu "Nur ein Auftrag???" Diese Story ist doppelt so lange, also habt ihr viel zu lesen^^
Und die Geschichte ist wie die vorherige aus der Sicht von Tony geschrieben, aber ich lasse Gibbs nicht außen vor!
Ich wünsche euch viel Spaß damit!!!
Chapter 2 by Michi
Mit dem verführerischen Duft frisch gemahlenen Kaffees in der Nase, verließ ich den kleinen Coffeeshop, der sich in einem Einkaufszentrum etwas außerhalb von Washington befand. Es war ein großes Areal, das sich über eine Ebene erstreckte. Genau in der Mitte des Gebäudes gab es einen runden Platz, der von einem Springbrunnen dominiert wurde, um den herum zahlreiche Bänke gruppiert worden waren, damit sich die Einkäufer erholen konnten - oder die Ehemänner, die darauf warteten, dass ihre Frauen endlich bereit waren, wieder nach Hause zu fahren. An diesem frühen Morgen waren sie jedoch nur teilweise besetzt, vorwiegend von Jugendlichen, die auf ihre Freunde warteten, um sich ein üppiges Frühstück vor dem Unterricht zu gönnen.
Von dem Platz zweigten sternförmig fünf Gänge ab, wo hintereinander – wie bei einer Perlenkette – ein Geschäft nach dem anderen angeordnet war. An diesem Ort konnte man alles erwerben, was das Herz begehrte. Der Boden des Einkaufszentrums war durchgehend mit beigefarbenen Fliesen ausgelegt, die in dem Licht der Lampen glitzerten. Normalerweise fiel durch das Glasdach genügend Licht, aber heute war es eher düster und beklemmend. Über Washington hing eine dicke graue Wolkendecke, aus der es unablässig regnete und einen unbarmherzig durchnässte, wenn man das Pech hatte, in der Eile den Regenschirm vergessen zu haben – so wie ich. Alleine der kurze Weg vom Parkplatz zum Eingang hatte gereicht, um festzustellen, dass ich mir heute Morgen umsonst die Haare gewaschen hatte. Wenigstens war meine schwarze Jacke Wasserabweisend, sodass mein Lieblingshemd trocken geblieben war. Wie ich dieses Wetter hasste. Schon seit Tagen regnete es hin und wieder, aber dieser Morgen setzte allem die Krone auf. Auf der Fahrt von meinem Haus hierher war im Radio von nichts anderem die Rede gewesen, als davon, dass die Feuerwehr bereits Straßen wegen lokaler Überflutungen sperren hatte müssen. Und es sollte noch mindestens bis morgen Früh so weiter regnen. Da konnte ich nur hoffe, dass wir heute keinen neuen Fall bekommen würden, denn da wäre die Spurensuche im Freien kein Zuckerschlecken, sofern sie nicht bereits von dem Wasser fortgespült worden waren.
Langsam ging ich Richtung Ausgang, in meinen Händen zwei Becher Kaffee haltend, wobei jedoch meiner mit einem Schuss Haselnusssirup und Zucker entkräftet worden war. Es war für mich nach wie vor ein Rätsel, wie Gibbs seinen Kaffee extra stark trinken konnte. Alleine der Geruch reichte, um bei mir Bluthochdruck auszulösen und er schaffte mehrere Becher davon, ohne tot umzufallen. Ein kleines Lächeln huschte bei dem Gedanken an meinem Boss über meine Lippen und mein Herz machte einen freudigen Hüpfer, so wie jedes Mal, wenn ich an ihn dachte. Dabei hatte ich geglaubt, durch die zwei Wochen, die er nicht im Dienst gewesen war, würden sich meine Gefühle verflüchtigen, aber genau das Gegenteil war passiert – sie waren immer stärker geworden. Ohne es mir äußerlich anmerken zu lassen - und zugegeben hatte ich es schon gar nicht - hatte ich ihn vermisst und mich öfters gefragt, was er wohl den ganzen Tag über machte. Ich hatte mir Jethro vorgestellt, wie er mit nur einem gesunden Arm an seinem Boot bastelte und dabei vor sich hinfluchte, da er nicht schnell vorwärts kam. So eine Schussverletzung konnte ganz schön behindernd sein, vor allem wenn man Rechtshänder war und genau in diese Schulter von einer Kugel getroffen worden war. Mittlerweile hatte ich eingesehen, dass es nicht meine Schuld gewesen war, aber dennoch quälten mich manchmal immer noch Gewissensbisse. Vielleicht hatte ich Gibbs gerade deswegen am Tag seiner Entlassung aus dem Krankenhaus angeboten, ihn ein wenig zu unterstützen, aber er hatte mein Angebot abgelehnt, womit ich innerlich bereits gerechnet hatte. Dennoch hatte ich versucht, ihn zu überzeugen, was mir lediglich eine Kopfnuss eingebracht hatte. Aber er hatte sich wenigstens von mir nach Hause fahren lassen, wo er uns einen Kaffee zubereitet hatte – überraschend schnell, obwohl er nur seinen linken Arm gebrauchen konnte. Das viele Koffein hätte mich beinahe umgehauen und als ich mir Zucker in meine Tasse geschüttet hatte, hatte mir dies einen belustigten Blick seinerseits eingebracht. Während wir alleine in Jethros Küche gewesen waren, hatten wir über alles geredet, nur nicht über das, was zwischen uns vorgefallen war. Es war so, als ob wir mit unserem Gespräch ein stillschweigendes Abkommen getroffen hätten, aber wenigstens waren wir normal miteinander umgegangen, ohne dass ich gleich das Bedürfnis verspürt hatte, die Flucht zu ergreifen. Nicht einmal mir selbst gestand ich ein, dass ich seine Nähe genoss und so hatten wir uns voneinander verabschiedet, ohne dass etwas Nennenswertes geschehen wäre.
Während den zwei Wochen, in denen Gibbs im Krankenstand gewesen war, hatte mir Direktor Sheppard die vorübergehende Leitung des Teams übertragen, was ich weidlich ausgenutzt hatte, um meine Kollegen herumzuscheuchen. Es war ein gutes Gefühl gewesen, für ein paar Tage der Boss zu sein, obwohl ich mir der großen Verantwortung mehr als bewusst gewesen war und ein klein wenig Versagensangst hatte mich ständig begleitet. Jedoch hatte ich das mit meiner üblichen Art vor den anderen verbergen können. Aber bereits nach dem ersten Tag war mir klar geworden, dass mit dem Chefermittler ein wichtiges Teammitglied fehlte. Es gab keinen, der mich anbrüllte, mir Kopfnüsse verpasste oder sonst die Leviten las – und ich hatte ihn die ganze Zeit über schrecklich vermisst, vor allem seine Blicke aus den blauen Augen, seinen schroffen Ton in der Stimme, seine mürrische Art, sein Unwissen, wenn es um Technik ging. Aber am allermeisten vermisste ich seine Berührungen, die Küsse, die wir geteilt hatten und die zärtlichen Wörter, die er mir ins Ohr geflüstert hatte, als wir uns geliebt hatten. Ich hatte wirklich geglaubt, zwei Wochen ohne ihn würden die Erinnerungen ein wenig verblassen lassen, aber das war nie geschehen – im Gegenteil. Jedes Mal, wenn ich zu Jethros leerem Schreibtisch geblickt hatte, hatte ich ihn vor mir gesehen und seine Liebkosungen gespürt, so als ob es erst gestern gewesen wäre. Äußerlich war ich stets ruhig geblieben, hatte mir nicht anmerken lassen, was in mir vorging und meine Gefühle überspielt – nur Ducky hatte mich durchschaut. Ihm war klar, dass ich Gibbs vermisste und mir den Rat gegeben, ihn zu besuchen, was ich jedoch nicht geschafft hatte. Obwohl wir uns ausgesprochen hatten, war dennoch ein wenig Angst in mir, dass wir uns erneut auseinander leben könnten und so spielte ich Tag für Tag den anderen den fröhlichen Tony vor.
Die Fälle, die uns in der Zwischenzeit ins Haus geflattert waren, hatten mich kurzzeitig von meinem Gefühlchaos abgelenkt und obwohl wir ein Teammitglied weniger waren, schafften wir es dennoch, die Verbrecher ihrer gerechten Strafe zuzuführen. Zu dritt hatten wir viel mehr Arbeit gehabt, aber wir hatten es trotzdem geschafft – mit zahlreichen Überstunden.
Ich war schließlich nicht der Einzige, der am Montag vor einer Woche erleichtert gewesen war, als Gibbs vor sieben Uhr an seinem Schreibtisch gesessen und ungeduldig auf unser Auftauchen gewartet hatte. Sein Anblick hatte mir ein breites Lächeln auf die Lippen gezaubert, mein Herz hatte wild zu klopfen angefangen und ich hatte den Eindruck gehabt, mein Puls würde nie wieder in den normalen Bereich zurückkehren. Jedoch hatte mich ein Klaps auf den Hinterkopf – ich war 10 Minuten zu spät erschienen, da ein Unfall eine Kreuzung zum Teil blockiert hatte – in die Realität zurückgeholt. Ich hatte mich so sehr darüber gefreut, dass er endlich wieder arbeiten würde, dass ich ihm nicht einmal wegen dem Schlag böse sein konnte.
Die Schlinge, die seinen Arm ruhig gestellt hatte, war verschwunden, aber es war ihm ein wenig anzumerken, dass ihm die Schussverletzung immer noch schmerzte. Wenn er dachte, niemand würde ihn beobachten, rieb er sich über die Stelle und ließ vorsichtig seine Schultern kreisen. Noch am selben Tag hatte er eine lautstarke Auseinandersetzung mit Direktor Sheppard gehabt, die unbedingt gewollt hatte, dass er noch länger im Krankenstand blieb und sich vollkommen auskurierte. Aber Jethro war nun mal stur - selbst Drohungen, ihn zu feuern hatten nicht gefruchtet - und eine Stunde später waren wir zu einem Mordfall gerufen worden. Bereits wie er im Krankenhaus gesagt hatte, behandelte er mich wie immer, verpasste mir Kopfnüsse, wenn ich einen blöden Spruch von mir gab oder drohte mir mit Aktenarbeit, wenn ich am Morgen ein paar Minuten zu spät kam. Man hätte den Eindruck haben können, dass zwischen uns nie etwas gelaufen wäre, aber wenn wir einmal alleine waren, verschwand seine schroffe Art mir gegenüber ein wenig. So hatten wir letzten Donnerstag gemeinsam eine Nacht lang im Wagen ausgeharrt und dabei die Wohnung eines Verdächtigen observiert. Zuerst hatte ich Bedenken gehabt – unbegründet, wie sich herausgestellt hatte. Gibbs hatte sogar Pizza – und natürlich jede Menge Kaffee - mitgebracht, da ich bei solchen Aktionen immer nach weinigen Stunden Hunger bekam. Dass er an meinen Magen gedacht hatte, hatte mich auf eine seltsame Art gerührt.
Wir hatten über alles und jeden geredet und ich hatte ihn sogar ab und zu zum Lachen gebracht. Je näher der Morgen gerückt war, desto mehr hatte die Luft zwischen uns geknistert und hätte der Verdächtige – der schlussendlich doch unschuldig gewesen war – nicht seine Wohnung verlassen, hätten wir wahrscheinlich etwas getan, dass wir beide hinterher vielleicht bereut hätten. Und so hatten wir uns zurückgehalten – so schwer es uns auch fiel - obwohl das Verlangen nach Berührung auf beiden Seiten vorhanden war. Immerhin könnte es ja wieder passieren, dass wir danach gehemmt miteinander umgingen und sich unsere privaten Probleme auf die Arbeit auswirken könnten. Und so kam es, dass wir es über eine Woche ausgehalten hatten, ohne die Beherrschung zu verlieren.

Ein heftiger Rempler riss mich aus meinen Gedanken über Gibbs und beinahe hätte ich die beiden Kaffeebecher fallen gelassen. Nur mit Mühe behielt ich sie in meinen Händen und als ich mich umdrehte, um den Störenfried auszumachen, erhaschte ich nur noch einen Blick auf den Rücken eines großen Mannes mit dunklen kurzen Haaren. Er war von oben bis unten durchnässt und schien es mehr als eilig zu haben. „Hey!" rief ich ihm hinterher, aber er reagierte nicht. Kopfschüttelnd sah ich ihm hinterher, entschied aber, dass es sinnlos wäre, ihm zu folgen. Er schien nicht einmal bemerkt zu haben, dass er mich gerammt hatte und dass ziemlich hart. Aber ich war heute guter Laune, obwohl ich bereits vor sechs Uhr aufgewacht war, und so ließ ich den Fremden ziehen. Ich rückte den Deckel von Gibbs' Becher zurecht und ging weiter Richtung Ausgang. Mein Blick blieb auf dem Schaufenster eines Juweliers hängen und so bemerkte ich die drei Männer nicht, die an mir vorbeistürmten. Ich konzentrierte mich auf die Ohrringe, die in der Auslage ausgestellt waren. Die meisten waren mehr als protzig und mit einem Stirnrunzeln fragte ich mich, wer sich so etwas kaufte. Als ich zwei Tage nachdem Gibbs angeschossen worden war, den Ring des Toten Waffenschmugglers entfernt und mir selbst einen gekauft – einen einfachen silbernen. Obwohl ich dem Verkäufer meinen Wunsch mehr als präzise geäußert hatte, war er mit einer ganzen Palette wieder aus dem Hinterzimmer aufgetaucht und hatte tatsächlich versucht, mir die teuersten Sachen anzudrehen. Im Nachhinein musste ich zugeben, dass mir ein paar der Ohrringe durchaus gefallen haben, aber da Jethro gemeint hatte, mir würde der silberne stehen, hatte ich schlussendlich auch wieder so einen genommen. Und es war die richtige Entscheidung gewesen. Ein Grinsen huschte über mein Gesicht, als ich an die verblüfften Gesichter von Ziva und McGee dachte, als ich am Dienstag morgen – den Montag hatte uns Direktor Sheppard netterweise freigegeben – ins Büro gekommen war. Nicht einmal eine Minute später war Tim um 20 Dollar ärmer gewesen, da er mit der jungen Frau gewettet hatte, dass ich den Schmuck entfernen würde.
Ich riss mich von der Auslage des Juweliers los und gleich darauf trat ich in den strömenden Regen hinaus. Mit eiligen Schritten lief ich zu meinem Wagen, wurde aber trotzdem durchnässt. Ich schüttelte wie ein Hund meinen Kopf, um die Wassertropfen zum größten Teil aus meinen Haaren zu bekommen – im Endeffekt ein sinnloses Unterfangen - und setzte mich hinter das Steuer. Zufrieden stellte ich fest, dass ich heute mal pünktlich erscheinen würde. Ich stellte die Kaffeebecher in die dafür vorgesehenen Halterungen und startete den Motor, um zum NCIS Hauptquartier zu fahren – ohne zu ahnen, dass in meiner Jackentasche ein kleines Handy steckte, hinter dem bald skrupellose Killer her sein würden.

Fortsetzung folgt...
Chapter 3 by Michi
Um 6:59 Uhr betrat ich das Großraumbüro, in dem bereits die übliche Geschäftigkeit herrschte. Gekonnt wich ich einem jungen Agent – der aussah, als ob er gerade mal 18 Jahre alt wäre – aus, der einen Berg Akten in den Händen hielt. Er konnte gerade genug über die Ordner linsen, um nicht gegen eine Wand zu laufen – nur mich hätte er beinahe übersehen. Heute hatte ich bereits Übung darin, mit jemandem zusammenzustoßen, jedoch konnte ich auf ein zweites Mal gut verzichten, vor allem, da ich Gibbs seinen Kaffee bringen wollte, ohne einen Tropfen zu verschütten. Er hatte ein unheimliches Gespür dafür, wenn etwas mit seinem Lieblingsgetränk nicht stimmte. Ich konnte nur hoffen, dass es ihm nichts ausmachte, dass der Kaffee ein wenig ausgekühlt war.
Die Agent stammelte eine Entschuldigung, ging weiter und als ich ihm nachsah, bekam ich gerade noch mit, wie er gegen eine Wand stieß, in dem Versuch, um die Ecke zu biegen. Grinsend schüttelte ich den Kopf, trat zu meinem Schreitisch, stellte die beiden Becher ab und ließ meinen Rucksack auf den Boden fallen. „Ich bin beeindruckt, Tony", sagte Ziva und verfolgte, wie ich meine Jacke auszog und über den Stuhl hängte. „Nachdem du die letzten paar Mal zu spät erschienen bist, hätte ich nie damit gerechnet, dass du heute pünktlich zur Arbeit kommen würdest. Hat dich deine Freundin rausgeschmissen?" Ich wollte gerade nach Jethros Kaffee greifen, hielt aber in der Bewegung inne. Obwohl ich die letzten Wochen kein einziges Mal etwas von einer Frau erzählt hatte, schien sie davon auszugehen, dass ich wieder liiert war. Ein weiterer Beweis dafür, dass Gibbs und ich unsere Rollen mehr als überzeugend spielten, aber trotzdem entschied ich mich kurzer Hand, sie nicht in ihrem falschen Glauben zu lassen. „Ich bin zurzeit Single, Ziva", erwiderte ich und grinste, als sie überrascht ihre Augenbrauen hob. „Falls du es vergessen hast, meine letzte Freundin hat sich als verrückte Waffenschmugglerin entpuppt, die versucht hat, mich umzubringen. Ich habe mir gedacht, ich suche mir meine nächste Partnerin ein wenig sorgfältiger aus." Die Worte kamen sehr schwer über meine Lippen, da sie nicht einmal annähernd der Wahrheit entsprachen. Aber ich würde ihr sicher nicht auf die Nase binden, dass ich überhaupt kein Interesse mehr an Frauen hatte, sondern mich zu Männern hingezogen fühlte – im Speziellen zu einem Mann.
Ich schnappte mir den Kaffeebecher und blickte zu Gibbs, der konzentriert in einer Akte las, wobei er seinen Kopf so weit wie möglich weg hielt, um die Buchstaben scharf zu sehen. Ich lächelte leicht und eine Welle der Zärtlichkeit überschwemmte mich, obwohl er auf mich den Eindruck machte, wütend zu sein. Seine Stirn war gerunzelt und er hatte seinen Mund ärgerlich verzogen. Ich wusste nur zu genau woran es lag und das war auch der Grund, weshalb ich mich heute Morgen entschieden hatte, in dem Einkaufszentrum einen Zwischenstopp einzulegen. Der Lieblingscoffeeshop meines Bosses war für eine Woche geschlossen, da die Inhaber der Ansicht waren, renovieren zu müssen. Und da ich wusste, wie sich Koffeinentzug auf seine Laune auswirkte, wollte ich seiner schlechten Stimmung vorbeugen. Sicher, er hätte sich beim Automaten im Foyer Kaffee kaufen können, nur schmeckte dieser mehr nach Wasser, wie ich aus Erfahrung wusste. Außerdem hegte ich die Hoffnung, dass er mir verzeihen würde, dass ich die letzten beiden Tage zu spät erschienen war, wobei es nie meine Schuld gewesen war. Ich hatte versucht ihm zu erklären, dass der Morgenverkehr mörderisch gewesen war. Jethro hatte jedoch nur gemeint, ich solle rechtzeitig losfahren und hatte mir 10 Minuten später einen großen Stapel Akten auf den Tisch geknallt, den ich immer noch nicht vollständig abgearbeitet hatte. Da hatte ich mir wirklich zum ersten Mal gewünscht, er würde mich bevorzugen, aber als er eine Viertel Stunde später McGee zusammengestaucht hatte, der zu lange gebraucht hatte, um ihm einen anständigen Kaffee zu besorgen, war ich wieder versöhnt gewesen. Vor allem als der Kopf meines jungen Kollegen gleich darauf ebenfalls hinter einem Stapel Akten verschwunden war, der noch größer als meiner gewesen war… Nur hätte ich mich nicht zu einem hämischen Grinsen hinreißen lassen sollen, was mir einen mörderischen Blick und noch mehr Akten eingebracht hatte. Ziva hatte mir schließlich von der Renovierung erzählt und da ich einen weiteren Tag Schreibtischarbeit nicht überleben würde, hatte ich extra einen kleinen Umweg über das Einkaufszentrum genommen, wo es diesen kleinen Shop gab, der äußerst köstlichen Kaffee produzierte.

„Alles in Ordnung, Tony?" riss mich Ziva aus meinen Gedanken und erst jetzt bemerkte ich, dass ich noch immer vor meinem Schreibtisch stand, Gibbs' Kaffeebecher in der Hand hielt und wahrscheinlich einen mehr als dämlichen Eindruck erweckte. Die junge Frau musterte mich kritisch und ihrer Miene konnte ich entnehmen, dass sie mich für nicht ganz zurechnungsfähig hielt. Ich setzte einen möglichst gleichgültigen Gesichtsausdruck auf und antwortete: „Sicher. Mir geht es prima." Sie hob zweifelnd eine Augenbraue und schien zu überlegen, ob sie nachbohren sollte, schüttelte aber schließlich den Kopf und schwieg. Ohne dass sie es ahnte, war ich ihr mehr als dankbar dafür, denn ich hätte sie nur anlügen müssen, hätte sie darauf bestanden zu erfahren, weshalb ich geistig abwesend vor meinem Schreibtisch stand. Wer konnte schon sagen, wie sie reagieren würde, wenn sie die Wahrheit erfuhr. Wahrscheinlich würde Ziva mich ungläubig anstarren, zu lachen anfangen, weil sie es für einen Scherz hielt und wenn sie realisiert hatte, dass ich es durchaus ernst meinte, würde sie mich schließlich damit aufziehen – natürlich nur, wenn der Boss nicht in der Nähe war.
Um ihr nicht noch einen weiteren Grund zu geben, auf mir herumzuhacken, ließ ich sie einfach sitzen, wohl wissend, dass sie mir mit erhobener Augenbraue nachblickte. Als ich mich jedoch kurz umdrehte, vergrub sie sich ganz schnell in einer Akte und setzte eine unbewegte Miene auf, die nicht einmal einem Psychiater verriet, was sie dachte.
McGee hingegen hob interessiert den Kopf, als ich zielstrebig zu Gibbs ging. Sein Stapel war seit gestern weniger geworden und da er keine Anstalten machte, sich um seine eigenen Angelegenheiten zu kümmern, beschloss ich, ihm ein paar meiner Akten unterzuschieben – natürlich ohne dass er etwas davon mitbekam. Ich unterdrückte ein Grinsen, ignorierte meinen Kollegen, der mein Gespräch mit Ziva sicher gebannt verfolgt hatte, auch wenn er sich die Mühe gab, nicht so auszusehen und trat vor Jethro, der noch immer konzentriert in der Akte las, die auf seinem Tisch lag. Seine Stirn war weiterhin ärgerlich gerunzelt, so als ob ihm die Informationen vor ihm nicht gefallen würden. Er hatte seine Lippen verzogen und schien mit seinen Gedanken ganz wo anders zu sein. Ich wusste, er war über irgendetwas wütend, was in mir den Wunsch auslöste, ihn aufzuheitern, egal wie. Mit dem Bewusstsein, seinen Zorn eventuell auf mich zu ziehen, sagte ich fröhlich: „Morgen, Boss." Als er meine Stimme vernahm, hob er prompt den Kopf. Seine blauen Augen fanden ohne zu zögern meine und alleine das genügte, um meinen Puls in die Höhe zu jagen – ich vergaß sogar, weshalb ich überhaupt zu ihm gekommen war. Die Kälte des Wetters wurde innerhalb von Sekunden aus meinem Körper vertrieben und angenehme Wärme breitete sich in meinem Inneren aus. Jethro musterte mich, registrierte meine nassen Haare, blieb kurz an meinen Lippen hängen und wandte seine Aufmerksamkeit schließlich dem Gegenstand in meiner Hand zu. Sein Gesichtsausdruck änderte sich von ärgerlich auf erfreut, wobei ich mich unwillkürlich fragte, ob das an mir oder am Kaffee lag, von dem er heute Morgen sicher noch zu wenig zu sich genommen hatte. Ich tippte eher auf das Letztere, wobei ich jedoch hoffte, er würde sich auch über meinen Anblick freuen wie über Koffein.
Gibbs verzog seinen Mund zu einem kleinen Lächeln und griff ohne zu fragen nach dem Becher, bevor ich ihn auf den Tisch stellen konnte. Dabei berührten sich eher unabsichtlich unsere Finger und wir hielten beide prompt in der Bewegung inne. Unsere Augen fanden sich erneut und auf einmal schien die Zeit still zu stehen. Jethro sah mich mit einem Ausdruck an, den ich noch nie vorher bei ihm wahrgenommen hatte, der mir jedoch wildes Herzklopfen verursachte. Mein Hals wurde staubtrocken und die Welt um mich herum verschwamm vollkommen. Ich vergaß, dass wir uns in einem Großraumbüro befanden, dass in unserer Nähe ständig ein Telefon klingelte und mir war sogar egal, dass uns Ziva und McGee beobachten konnten. In dieser kurzen Zeitspanne – denn es waren nicht mehr als drei Sekunden - in der wir uns anblickten und Körperkontakt hatten, veränderte sich plötzlich etwas zwischen uns. Die Luft war auf einmal voller Spannung und knisterte förmlich. Mein Verstand klinkte sich aus und noch nie dagewesene Gefühle überschwemmten mich. Mein Puls schoss erneut in die Höhe und ich war unfähig, meinen Blick von ihm zu lösen. In diesen drei Sekunden, die unsere Berührung insgesamt dauerte, überkam mich blitzartig die Erkenntnis – eine Erkenntnis, die mein Herz bereits seit Wochen wusste, die mein Verstand aber erst jetzt realisierte. Unglauben breitete sich in mir aus, als mir bewusst wurde, dass ich mich tatsächlich in Leroy Jethro Gibbs verliebt hatte.

Ich konnte mich nicht bewegen, es schien als ob mit der Zeit auch meine Nerven und Muskeln erstarrt waren. Unsere Finger berührten sich immer noch, gewärmt von dem Kaffee, der sich in dem Becher befand. Ein unsichtbares festes Band schien zu verhindern, dass wir unseren Blick lösen konnten und in einem hinteren Winkel meines Gehirns wusste ich, dass Ziva und McGee genau verfolgen konnten, was da vor sich ging – nur war mir das momentan mehr als egal. Wichtig war nur die neugewonnene Erkenntnis, von der ich nicht wusste, ob ich mich darüber freuen oder erschrecken sollte. Das Gefühlschaos, das mich seit unserem Undercovereinsatz gequält hatte, war innerhalb einer Sekunde entwirrt und es fühlte sich richtig gut an. Mein gesamter Körper war mit einem angenehmen Kribbeln überzogen und mein Herz schlug schneller als sonst in meiner Brust. Die ganze Situation kam mir ein wenig wie ein Traum vor, wobei ich mir nicht sicher war, ob ich lieber in meinem Bett aufwachen wollte, um den Tag erneut zu beginnen, oder ob die Zeit einfach weiter vorwärts laufen sollte.
Ein lautes Klingeln ließ mich schließlich ungewohnt heftig zusammenzucken und wie von einer Tarantel gestochen ließ ich den Kaffeebecher los, der auf den Tisch gefallen wäre, hätte ihn Gibbs nicht ebenfalls festgehalten. Dieser blinzelte kurz, schien sich neu orientieren zu müssen. Verwirrt sah er sich um und bemerkte erst nach einer Sekunde, dass es das Telefon war, das uns beide wieder in die Realität zurückgeholt hatte. Ein kleines Lächeln bildete sich auf meinen Lippen, als mir einfiel, dass ich Jethro noch nie so durch den Wind gesehen hatte.
Er nahm den Hörer ab, trank, bevor er sich meldete, einen großen Schluck Kaffee und brummte: „Gibbs." – wieder ganz der übellaunige Chefermittler. Ich trat einen Schritt zurück, um ein wenig Distanz zwischen uns zu schaffen, doch die erhoffte Wirkung blieb aus – im Gegenteil, je länger ich ihn ansah, desto stärker sehnte ich mich danach, ihn zu berühren. Das Kribbeln auf meiner Haut wurde intensiver und ich glaubte bereits, mich irgendwo in einen Ameisenhaufen gesetzt zu haben. Ich bekam nicht einmal mit, dass Ziva und McGee neugierig zu uns herüberblickten und die knappen Worte, die Jethro mit dem Anrufer wechselte, verfolgten. Er runzelte ungehalten seine Stirn – was ihn ungemein attraktiv machte, wie ich fand – knurrte etwas Unverständliches und sah zum Fenster hinaus, an dem Regentropfen hinunter rannen. Kurz darauf knallte er den Hörer wieder zurück und öffnete die oberste Schublade seines Schreibtisches, um die Waffe herauszuholen. „Wir haben einen neuen Fall", sagte er und schnappte sich seine Jacke, die über seinem Stuhl hing. Während meine Kollegen sich zum Aufbruch fertig machten, stand ich noch immer am selben Fleck, starrte ungläubig meinen Boss an und versuchte die Worte Ich liebe Gibbs zum Verstummen zu bringen, die unablässig in meinem Gehirn widerhallten. Ich war in meinem gesamten Leben noch nie richtig verliebt gewesen und ich hatte immer geglaubt, nie zu wissen, wie sich richtige Liebe anfühlen würde, aber jetzt wusste ich es und wenn ich ehrlich zu mir selbst war, wollte ich dieses Gefühl für ewig behalten.
Ein kleiner Gegenstand traf mich an der Brust und fiel leise klirrend zu Boden, was jedoch ausreichte, um mich in die Wirklichkeit zurückzuholen. Ich blinzelte und erst jetzt bemerkte ich, dass mich meine Kollegen ein wenig seltsam anblickten. Zivas Mundwinkel zuckten verräterisch, McGee versuchte ein unsichtbares Staubkorn von seiner Hose zu wischen und Jethro hob eine Augenbraue, bevor er einen weiteren Schluck Kaffee trank. Ich sah zu Boden, wo vor meinen Füßen die Schlüssel lagen, die ich nur zu gut kannte. Anscheinend war ich so in Gedanken vertieft gewesen, dass ich nicht einmal mitbekommen hatte, wie sie mir der Chefermittler zugeworfen hatte. Unwillkürlich schoss mir das Blut ins Gesicht und ich bückte mich ganz schnell, um sie aufzuheben. „Das heißt wohl, ich soll den Truck auftanken", sagte ich mit leicht belegter Stimme, als ich wieder aufrecht stand. „Ausnahmsweise hast du Recht", erwiderte Gibbs. „Na los, wir treffen uns in fünf Minuten unten." Wie auf Kommando liefen Ziva und McGee zum Fahrstuhl, während ich zu meinem Tisch ging, um meine Sachen zu holen. Noch immer war ich von meinen Gefühlen überwältigt und meine Hände zitterten ein wenig, als ich die Schublade aufzog.
„Tony?" Ich hob so schnell meinen Kopf, dass meine Halswirbel leise knackten. Vor mir stand Jethro und musterte mich intensiv aus seinen blauen Augen. Die Wut, die er auf den Anrufer gehabt hatte, war verschwunden und war erneut diesem undefinierbaren Ausdruck gewichen, mit dem er mich bereits vor einigen Minuten angesehen hatte. Ich räusperte mich, um meinen Hals frei zu bekommen und fragte: „Ja?" ‚Hat er etwas gemerkt?' schoss es mir durch den Kopf. ‚Weiß er, was ich für ihn empfinde? Oder will er mir nur die Leviten lesen, weil ich noch immer hier bin, anstatt den Truck aufzutanken?' Ich stellte mir bereits zahlreiche Szenarien vor, aber mit den nächsten Worten hätte ich nie gerechnet.
„Danke für den Kaffee", sagte er leise, so als ob er Angst hätte, dass ihn jemand belauschen könnte. Ich sah ihn überrascht an, bevor sich auf meinen Lippen ein Grinsen bildete. Er erwiderte ohne zu zögern mein Lächeln, was mich mit unglaublicher Wärme erfüllte. „Gern geschehen", meinte ich schließlich, noch immer davon überwältigt, dass er sich soeben bei mir bedankt hatte. ‚Ich weiß doch, wie unausstehlich du bist, wenn du kein Koffein bekommst', fügte ich in Gedanken hinzu. „Und jetzt tank endlich den Truck auf." „Bin schon unterwegs, Boss", erwiderte ich prompt, schnappte mir meinen Becher, den Rucksack und die Schlüssel und eilte zum Fahrstuhl, um in die Garage hinunter zu fahren. So bekam ich auch nicht mit, wie mir Gibbs sehnsuchtsvoll nachblickte, seinen Kaffee austrank und murmelte: „Ach, Tony."

Fortsetzung folgt...
Chapter 4 by Michi
Auf den Straßen herrschte akute Aquaplaninggefahr, was Jethro jedoch nicht davon abhielt, in seinem üblichen Tempo zu fahren. Mit seinem üblichen Bleifuß bewaffnet raste er durch Washington, unserem Ziel entgegen – einer kurzen Gasse in einer Gegend, die ein Mensch mit einem normal funktionierenden Verstand nicht betreten würde. Soweit wir wussten, war das Opfer nicht identifiziert und man hatte uns nur deshalb gerufen, weil sich eine Tätowierung mit den Worten Semper Fi auf dem rechten Bizeps befand.
Gibbs bremste abrupt, da vor ihm ein Wagen nach links abbog. Ich wurde hart in den Gurt gepresst und von hinten kam ein erschrockener Aufschrei. McGee war anscheinend mal wieder von einem Ausrüstungsgegenstand getroffen worden. Ziva hingegen verzog nicht einmal einen Muskel und sah weiterhin durch die Windschutzscheibe, die voller Wasser war. Der Scheibenwischer brachten es nicht fertig, gegen den Regen anzukommen und gepaart mit der hohen Geschwindigkeit hatte ich an diesem Morgen viel mehr Angst als sonst, dass wir gegen einen Baum krachen würden. Aber da ich wusste, dass ein Protest, egal in welcher Form, sinnlos war, hielt ich meinen Mund und dachte über die neue Situation nach, in der ich steckte. Jetzt wusste ich zwar, was ich wirklich für Gibbs empfand, aber ich hatte keinen Schimmer, was ich machen sollte. Sollte ich ihm sagen, dass ich ihn liebte oder sollte ich schweigen? Aber eine Sekunde später wurde mir bewusst, dass das die schlechteste Lösung wäre. Ich konnte doch nicht Tag für Tag mit dem Mann zusammenarbeiten, der mir mehr als alles andere bedeutete und so tun, als ob nichts wäre. Andererseits, was war, wenn Jethro auf meine Liebeserklärung mit Abweisung reagierte? Ich hatte ja keine Ahnung, wie es in seinem Inneren aussah. Vielleicht waren seine Gefühle mir gegenüber in den letzten Wochen abgekühlt. Aber hätte er sich dann heute überhaupt für den Kaffee bedankt? Und dann war da dieser Ausdruck in seinen Augen gewesen, den ich vorher noch nie bei ihm gesehen hatte. Bestand etwa die Möglichkeit, dass er genauso viel für mich empfand oder hatte ich mir seinen Blick vielleicht nur eingebildet?
Ich seufzte leise, als mir klar wurde, dass mit der Erkenntnis, dass ich meinen Boss liebte, nichts einfacher geworden war, sondern eher komplizierter. Momentan konnten wir normal miteinander umgehen, aber würde sich das nicht ändern, wenn ich ihm die Wahrheit sagte? Und was war mit Regel Nummer 12? Würde sie Gibbs wegen mir brechen? ‚Nun, das hat er doch bereits einmal getan, oder?' schoss es mir durch den Kopf und unsere gemeinsame Nacht kam mir in den Sinn – eine Nacht, die ich nur zu gerne wiederholen würde. ‚Ob Jethro wohl oft daran denkt?' fragte ich mich selbst, aber ich hatte keine Möglichkeit mehr, mir eine Antwort zu geben, da er erneut abrupt abbremste, aber diesmal nicht, weil ein Wagen vor ihm hielt, sondern weil wir am Tatort angekommen waren.
Vor uns war die schmale Gasse mit gelbem Flatterband abgesperrt worden, das nass glänzte. Die sich drehenden Blaulichter der Einsatzfahrzeuge warfen groteske Figuren an die heruntergekommenen Hauswände, deren schmutziger Verputz von dem Regen feucht war. Etwa ein halbes Dutzend Polizisten, die ihre Mützen mit Plastik vor dem vielen Wasser von oben schützten, liefen vor dem Absperrband umher, um die wenigen Schaulustigen fern zu halten.
Wie ich dieses Wetter hasste, aber mir blieb nichts anderes übrig, als auszusteigen, was ich gleich darauf auch tat – und landete prompt in eine tiefe Pfütze. „Na klasse", fluchte ich, als der untere Teil meiner Jeans durchnässt wurde und zog mir mein Basecap tiefer in die Stirn, in der Hoffnung, mich so ein wenig vor dem strömenden Regen zu schützen, jedoch vergeblich. Nach fünf Sekunden, die ich brauchte, um meine Ausrüstung aus dem Truck zu holen, war ich komplett durchnässt. „Ich bezweifle, dass wir überhaupt irgendwelche Spuren finden", sagte McGee, kletterte umständlich aus dem Fahrzeug und eilte uns nach, da wir bereits auf dem Weg zum Absperrband waren. Ein besonders junger Uniformierter studierte ein wenig zu lange Gibbs' Ausweis und erst als ihn ein todbringender Blick traf, ließ er uns passieren, wobei er es schaffte, dass seine Mütze auf den Boden fiel. Mit hochrotem Gesicht sah er uns nach.
„Ich glaube, ich muss McGee Recht geben", meinte Ziva und sah auf den Toten hinunter, der mit dem Rücken auf dem nassen Boden lag, mit einem äußerst hässlichen Loch in der Stirn. An der Hauswand klebte Blut, was von der Austrittwunde stammte, ansonsten lief die rote Flüssigkeit in Schlieren in Richtung des nächsten Kanaldeckels. „Es wäre ein Wunder, wenn wir hier brauchbare Spuren finden würden", fügte sie hinzu.
Ich betrachtete hingegen den Toten, dessen weit aufgerissene Augen in den grauen Himmel blickten. Er war noch relativ jung, mit kräftigen Muskeln, die sich unter dem nassen T-Shirt, das einmal weiß gewesen war, abzeichneten. Seine Haare hatten den typischen Schnitt der Marines und man konnte deutlich die Tätowierung auf dem rechten Oberarm sehen. Die Haut wirkte fahl in dem düsteren Licht des Morgens.
„Kein netter Anblick, nicht wahr?" fragte jemand hinter uns. „Und Sie sind?" wollte Gibbs wissen, als wir uns umgedreht hatten. Keinen Meter entfernt stand ein hochgewachsener Mann Anfang 30, der die Hände in den Taschen seines schwarzen Mantels stecken hatte. Seine dichten blonden Haare waren klatschnass, aber dennoch lässig zerzaust. Hellblaue Augen musterten uns neugierig und er präsentierte ein perfektes Zahnpastalächeln, als er seine vollen Lippen zu einem breiten Lächeln verzog. In beiden Ohrläppchen steckten kleine diamantene Stecker, die sicher ziemlich teuer gewesen waren. Er machte auf mich den Eindruck eines Surfers, der in der falschen Stadt gelandet war.
„Ich bin Detective Edwards", antwortete er auf Gibbs' Frage, sah jedoch mich dabei an, wodurch ich mich plötzlich unwohl fühlte. Das Lächeln des Mannes wurde noch breiter und es hatte den Anschein, als ob er sich kurz über seine Lippen lecken würde, aber ich schob diesen Eindruck schließlich auf das Zwielicht, das in dieser Gasse herrschte.
„Nun, Detective", erwiderte Jethro, dem es gar nicht passte, dass ihn jemand nicht anblickte, wenn er mit ihm sprach, „wir übernehmen ab hier. Ich hoffe, Sie haben nichts angefasst?" Der Polizist hob eine Augenbraue und verdrehte theatralisch seine Augen gen Himmel. „Bitte, ich bin ja kein Anfänger." „Aber Sie hätten wenigstens den Tatort vor dem Regen schützen können." Ärger trat in die Stimme des Chefermittlers. „Verraten Sie mir auch, wie ich das hätte machen sollen?" fragte Edwards sofort. Er ließ sich einfach nicht unterkriegen. Ich freute mich bereits auf eine handfeste Auseinandersetzung der beiden, aber im selben Moment hörten wir Ducky schimpfen, der gemeinsam mit seinem Assistenten das Absperrband passierte. „Also wirklich, Mister Palmer. Das nächste Mal fahre ich. Wo waren Sie nur mit Ihren Gedanken, als ich Ihnen gesagt habe, Sie sollen links abbiegen? Nein, stattdessen fahren Sie nach rechts." „Tut mir leid, Doktor, aber…" „Ah, Jethro", sagte dieser, als er uns erreicht hatte und erstickte somit den Versuch Jimmys, sich zu verteidigen, bereits im Keim. „Was haben wir denn heute? Ich kann dir sagen, bei diesem Wetter macht es keinen Spaß, sich im Freien aufzuhalten. Der ganze Regen erinnert mich an einen Sommer in England. Lass mich überlegen, ich glaube, das war im Jahr 1976. Damals war…" „Ducky!" unterbrach ihn Gibbs sofort, bevor dieser mit seiner endlosen Gesichte überhaupt beginnen konnte. Der Pathologe seufzte leise und stellte seine schwarze Tasche auf dem Boden ab. Bevor er das Leberthermometer herausholte, wischte er die Brille mit einem Tuch trocken – jedoch hielt das nicht lange. Ein paar Sekunden später waren die Gläser erneut mit Tropfen übersät.
„Ziva: Fotos und McGee: Spurensuche. Vielleicht findest du ja etwas", befahl Jethro knapp und wandte sich zu mir um. „Tony, Laser und Skizzen." Ich hob eine Augenbraue. „Wie soll ich bei diesem Regen eine Skizze zeichnen? Das Papier würde doch sofort nass werden." Sofort kam er einen Schritt auf mich zu und sah mich mit einem funkelnden Blick an. „Andererseits finde ich sicher eine Möglichkeit." „Davon gehe ich aus", meinte er mit einem kleinen Lächeln und trat neben Ducky, der mittlerweile die Lebertemperatur des Toten maß.
„Ist er immer so?" fragte Edwards, holte einen Streifen Kaugummi aus seiner Manteltasche und steckte ihn sich in den Mund. „Meistens ist er noch schlechter gelaunt", konnte ich mir nicht verkneifen zu sagen und sah mich um, in der Hoffnung, einen Platz zu finden, der ein wenig vor dem Regen geschützt war – jedoch vergeblich. „Und ich habe immer geglaubt, ich hätte einen griesgrämigen Vorgesetzten." Er machte eine Blase, ließ sie zerplatzen und kaute eifrig weiter. „Übrigens, netter Ohrring", sagte er wie beiläufig und kam einen Schritt näher, sodass ich einen schwachen Hauch seines Aftershaves riechen konnte. Er war mir viel zu nahe, aber trotzdem wich ich nicht zurück, da ich nicht wollte, dass er mitbekam, dass ich mich unwohl fühlte. „Äh… danke", brachte ich hervor, obwohl ein Kloß meinen Hals blockierte. Edwards lächelte mich an und wenn mich nicht alles täuschte, blitzte Verlangen in seinen Augen auf. Und auf einmal wurde mir klar, weshalb er ständig mich im Visier gehabt hatte, auch wenn er mit Gibbs gesprochen hatte. ‚Na klasse', dachte ich. ‚Das ist genau das, was ich noch gebrauchen kann: ein schwuler Detective.'
„DiNozzo!" Der laute Schrei ließ mich herumfahren und ich blickte zu Gibbs, der neben Ducky stand und mich wütend anfunkelte. Es war das erste Mal, seit er wieder im Dienst war, dass er mich derart anbrüllte und unwillkürlich zog sich mein Herz schmerzhaft zusammen. Es hatte mir noch nie etwas ausgemacht, dass er mich derart behandelte, aber jetzt fühlte ich mich mehr als elend. Sein Ärger mir gegenüber verletzte mich.
„Wir sind nicht hier, um zu tratschen oder habe ich da etwas nicht mitbekommen? Wenn die Skizze in 15 Minuten nicht fertig ist, dann werde ich so viele Akten auftreiben, dass du bis zum Monatsende beschäftigt bist!" Der Kloß in meinem Hals wurde noch größer und Zorn stieg in mir auf, aber ich hielt mich zurück. Anstatt meinen Gefühlen freien Lauf zu lassen, stellte ich den Rucksack auf den Boden und holte Block und Bleistift heraus. „Und was machen Sie überhaupt noch hier?!" rief er dem Detective zu. „Das ist jetzt unser Tatort!" Der junge Mann hob abwehrend die Hände und meinte: „Bin schon weg. Wie halten Sie es nur mit ihm aus?" fragte er leise an mich gewandt. Als Antwort zuckte ich meine Schultern und stellte mir gleichzeitig dieselbe Frage. ‚Weil du ihn liebst, deshalb', antwortete ich mir sogleich selbst.
„Vielleicht sehen wir uns ja mal wieder", sagte er und verpasste mir einen freundschaftlichen Klaps auf meinen linken Oberarm. „Ich würde mich jedenfalls freuen." Mit diesem Worten drehte er sich um und verließ die schmale Gasse. Ich atmete erleichtert auf, da ich den Polizisten endlich los war, und fing mit der Skizze an, wobei ich versuchte, das Papier ein wenig mit meinem Körper vor dem Regen zu schützen – aber ich war nicht sehr erfolgreich dabei.
Während meine Hand automatisch Strich für Strich zeichnete, waren meine Gedanken bei Jethro. Wieso musste er mich derart anbrüllen? Ich wusste, dass er mich nicht bevorzugte, egal was zwischen uns gewesen war, aber trotzdem hatte ich das Gefühl, sein Geschrei hatte diesmal nichts damit zu tun. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich meinen, er wäre auf den Detective eifersüchtig. Abrupt hielt ich inne, hob meinen Kopf und sah zu Gibbs, der sich mit Ducky unterhielt, ohne dass ich die Worte verstehen konnte. War es wirklich möglich, dass er mich nur deswegen angeschrieen hatte, um mich von Edwards abzulenken? Hatte er vielleicht Angst, er würde mich an einen anderen Mann verlieren? Ein kleines Lächeln umspielte bei diesem Gedanken meine Lippen und verdrängte ein wenig den Schmerz in meinem Inneren. Die Idee von einem eifersüchtigen Jethro gefiel mir durchaus und etwas besser gelaunt als noch vor Minuten machte ich mich erneut an die Arbeit.

Gibbs blickte dem Detective nach und mit jedem Schritt den sich dieser entfernte, verschwand seine Wut immer mehr, aber dennoch brodelte sie in seinem Inneren weiter, so als ob sie darauf warten würde, wieder an die Oberfläche zu kommen. Nicht einmal der kühle Regen schien es zu schaffen, seinen Ärger komplett zu vernichten. Wie er dieses Wetter hasste. Das Wasser ruinierte die gesamten Beweise, die der Täter eventuell am Tatort hinterlassen hatte und zusätzlich lief man Gefahr, sich eine ordentliche Grippe einzufangen. Das alleine war schon Grund genug, schlechte Laune zu haben und dann bildete sich auch noch so ein aufgeblasener Detective ein, Tony anbaggern zu müssen. Als Jethro an die lüsternen Blicke des Mannes dachte, die er selbst aus dieser Entfernung bemerkt hatte, drehte sich ihm der Magen um und DiNozzo hatte nicht einmal Anstalten gemacht, diesem Kerl zu entkommen. Nein, er war seelenruhig stehen geblieben und hatte seine Nähe ertragen. Wer wusste schon, welche Worte zwischen den beiden gefallen wären, hätte er nicht beschlossen, einzugreifen.
Erneut flammte die Wut in ihm auf, obwohl der Polizist bereits vom Tatort verschwunden war und nichts weiter als einen fahlen Nachgeschmack auf Gibbs' Zunge hinterlassen hatte. Unwillkürlich ballte er seine Hände zu Fäusten und presste seine Kiefer so fest aufeinander, bis sie schmerzten. Gleich darauf fragte er sich, weshalb er sich überhaupt über diesen Detective so aufregte. Es war ja nichts passiert und die Wahrscheinlichkeit, dass sie ihn wieder sehen würden, war genauso gering wie die Möglichkeit, dass er in absehbarer Zeit Ex-Frau Nummer vier kennen lernen würde.
Gibbs entspannte sich ein wenig und blickte zu Tony, der versuchte, mit seinem Körper den Block vor dem Regen zu schützen, während er gleichzeitig die Skizze anfertigte. Seine Finger mit dem Bleistift huschten flink über das Papier und ohne dass er etwas dagegen tun konnte verfolgte Jethro wie gebannt jede einzelne Bewegung. Beinahe wünschte er sich, er wäre der Stift, der von diesen langen Fingern gehalten wurde.
„War das denn nötig?" riss ihn Ducky aus seinen Gedanken und trat neben seinen Freund, der noch immer zu DiNozzo blickte, der sich auf seine Aufgabe konzentrierte und die Umgebung gar nicht wahrzunehmen schien. Regen tropfte von dem Schirm seiner Mütze, die seine Augen zum Teil verdeckten – Augen, in denen vor ein paar Minuten ein Schmerz aufgeglommen war, als er seine Stimme so sehr gegen ihn erhoben hatte. Bei dieser Erinnerung krampfte sich Gibbs' Herz zusammen und zum ersten Mal in seiner langjährigen Karriere als NCIS Agent wollte er sich entschuldigen. Dass er dabei eine seiner eigenen Regeln brechen würde, war ihm egal. Er konnte es einfach nicht ertragen, wenn Tony sauer auf ihn war. ‚Was ist nur los mit mir?' fragte er sich selbst und Verwirrung überlagerte die Wut, die noch immer ein wenig in ihm köchelte. Bis jetzt war es ihm immer egal gewesen, wenn er seinen Agent angeschrieen hatte, aber in diesem Moment tat es ihm leid.
„Jethro?" Ducky berührte ihn am Arm, da er ihm immer noch keine Antwort gegeben hatte. Dieser sah mit erhobener Augenbraue zu ihm, holte tief Luft und erwiderte auf die vorherige Frage, die er beinahe wieder vergessen hatte: „Was war nötig?" Der Ältere schüttelte seinen Kopf, sodass ein paar Regentropfen von dem Hut in alle Richtungen davon spritzten. Obwohl Gibbs vorgab nicht zu wissen, von was er sprach, war ihm sofort klar, dass dies nur ein Versuch war, sich vor einer Antwort zu drücken. Normalerweise würde er es akzeptieren, da dies ein Zeichen war, dass sein Freund nicht darüber reden wollte, aber diesmal bohrte er weiter, mit der Gefahr verbunden, seinen Kopf zu verlieren.
„Du weißt genau was ich meine. Warum hast du Tony derart angebrüllt? Und komm mir nicht mit der Ausrede, dass er nicht sofort deinem Befehl nachgekommen ist", fügte er hinzu, als Gibbs bereits zum Protest ansetzen wollte. Obwohl ihm überhaupt nicht danach war, bildete sich ein kleines Lächeln auf dessen Lippen. Ducky kannte ihn anscheinend ziemlich gut. „Ich kann es mir auch nicht genau erklären, weshalb ich plötzlich die Fassung verloren habe", sagte er, wobei es nur halb der Wahrheit entsprach. Ein Teil von ihm wusste bereits, was mit ihm los war, nur wollte er es sich nicht eingestehen. Dem Pathologen hingegen war sofort klar, was wirklich in seinem Freund vorging und innerlich schüttelte er seinen Kopf. Wieso konnte er sich seine Gefühle nicht einfach eingestehen? Sogar ein Blinder mit Krückstock sah doch, dass Gibbs mehr für Tony empfand. Es war zum Verzweifeln beobachten zu müssen, wie die beiden umeinander herumschlichen und keiner wagte den ersten Schritt zu machen. Nun, dann müsste er halt seinem Freund ein wenig auf die Sprünge helfen.
„Auf mich hat es den Anschein, als ob du eifersüchtig wärst", meinte Ducky und hatte das seltene Vergnügen mitbekommen zu dürfen, wie Jethro die Gesichtszüge entgleisten – jedoch nur für eine Sekunde, dann hatte er sich wieder im Griff. „Ich bin doch nicht eifersüchtig. Und schon gar nicht auf diesen Detective", stritt Gibbs ab, wobei er, ohne es zu merken, das Wort Detective hämisch betonte. Kurz darauf blickte er erneut zu Tony, der noch immer mit der Skizze beschäftigt war. Seine Jacke glänzte feucht und mittlerweile hatten sich einige Tropfen auf sein Gesicht verirrt. Er runzelte konzentriert die Stirn und der Bleistift flitzte über das Papier, das bereits ein wenig nass war. Und plötzlich durchströmte ihn ein unglaublich warmes Gefühl. Sein Herz begann ungewohnt schnell zu schlagen und er hatte auf einmal das Bedürfnis, seinen jungen Kollegen aus diesem Wetter herauszubringen. Ja, er wollte ihn sogar davor beschützen, dass er womöglich krank wurde. Zusätzlich stieg in ihm eine unglaubliche Begierde auf und er wollte Tony Zärtlichkeiten schenken – Zärtlichkeiten, die er bis jetzt mit keiner anderen Person geteilt hatte, nicht einmal mit einer seiner drei Ex-Frauen. Vor einem Monat noch war die einzige Berührung, die er DiNozzo zu Teil werden lassen wollte, eine kräftige Kopfnuss gewesen, aber jetzt sehnte er sich danach, seine Hände in seinen Haaren zu vergraben, während er seinen Mund begierig auf dessen Lippen presste.
Ducky, dem die Veränderung nicht entgangen war, lächelte wissend. „Nicht eifersüchtig, hmm?" bohrte er nach. Gibbs seufzte leise. „Ich denke, am liebsten hätte ich diesen Detective mit bloßen Händen erwürgt. Alleine der Gedanke, dass er Tony derart angesehen hat, macht mich rasend vor Wut." Ungläubig darüber, dass er soeben dabei war, seine Gefühle zu offenbaren, schüttelte er den Kopf. Normalerweise ließ er niemanden wissen, wie es in seinem Inneren aussah, aber der Pathologe hatte so eine Wirkung auf ihn, dass ihm gar nichts anderes übrig blieb, als sich alles von der Seele zu reden.
„Du liebst Tony doch, nicht wahr?" fragte Ducky, obwohl es eher eine Feststellung war. Gibbs hob abrupt seinen Kopf und blickte seinen Freund an. „Nein, ich…" begann er, brach aber von alleine wieder ab, da ihm von einer Sekunde zur anderen bewusst wurde, dass er es nicht abstreiten konnte, es nicht einmal wollte. Die letzten Wochen über hatte der das Wort mit L nicht in seine Gedanken gelassen, aus Angst, es würde alles verändern. Aber wenn er ehrlich zu sich selbst war, hatte sein Herz schon längst begriffen, dass er Tony sehr gern hatte. Jethro hielt in seinen Überlegungen inne und korrigierte im Stillen den letzten Teil des Satzes: dass er Tony liebte. Diese Erkenntnis trieb ihm ein breites Lächeln auf seine Lippen – ein Lächeln, was man bei ihm noch nie gesehen hatte – voller Wärme und Zärtlichkeit.
Gibbs drehte sich zu Ducky um, sah ihm fest in die Augen und sagte die Worte, vor denen er die ganze Zeit solche Angst gehabt hatte: „Ja, ich liebe ihn." Und auf einmal fühlte er sich erleichtert und eine Welle des Glücks überrollte ihn. Das Gewicht, welches ihm seit Wochen ständig auf seine Brust gedrückt hatte, war verschwunden und ließ ihn befreit aufatmen. Der Tag und vor allem dieser Ort des Verbrechens erschienen ihm gar nicht mehr so düster. Es war ihm, als ob ein einzelner Sonnenstrahl den Weg durch die dicke Wolkendecke gefunden hatte und ihn nun direkt anstrahlte. Wärme durchflutete seinen Körper und breitete sich bis zu seinen Zehen aus - vertrieb die Kälte des Morgens aus seinen Knochen.
Obwohl Jethros Gefühlschaos endlich entwirrt war und trotz der Freude, die er verspürte und die ihn mit Unglauben erfüllte – denn wann ergriff ihn schon einmal Freude? – wusste er, dass es dadurch nicht leichter werden würde. Wie sollte er sich jetzt Tony gegenüber verhalten? Sollte er über seinen eigenen Schatten springen und ihm sagen, was er empfand oder es für sich behalten? Nur würde er es sicher nicht schaffen, Tag für Tag mit dem Mann zusammenzuarbeiten, den er über alles liebte, ohne ihn berühren zu dürfen. Wenn er also nicht wollte, dass seine Liebe unerfüllt blieb, musste er wohl oder übel mit ihm reden. Aber was war, wenn er ihn zurückweisen sollte? Denn es war genau das, wovor er am meisten Angst hatte – und dabei hatte er so gut wie nie vor etwas Angst. Aber wenigstens war er sich endlich über seine Gefühle im Klaren, auch wenn er es immer noch nicht so recht glauben konnte, dass er sich tatsächlich in einen Mann verliebt hatte – immerhin war er drei mal verheiratet gewesen. Hätte ihm das jemand vor einem Monat erzählt, hätte er ihn wohl für verrückt erklärt – oder gleich erschossen.
Schritte, die immer näher kamen, rissen Gibbs schließlich aus seinen Gedanken und er kehrte wieder in die Realität zurück. Jimmy kam mit der Trage zurück – Ducky hatte ihn, bevor er angefangen hatte, mit dem Chefermittler zu sprechen, angewiesen sie zu holen – und das erinnerte Jethro daran, wo sie sich befanden und dass ein Toter darauf wartete, abtransportiert zu werden. Er wandte sich zu dem Pathologen um, der seinen Assistenten ebenfalls bemerkt hatte und sagte leise, aber mit fester Stimme: „Danke, Ducky." Dieser lächelte ihn weise an, nickte und erwiderte: „Gern geschehen." ‚Wird aber auch Zeit, dass du erkennst, wie viel dir Tony wirklich bedeutet', fügte er in Gedanken hinzu und betrachtete seinen Freund, in dessen Augen ein Funkeln lag, was ihm neu war. Und jetzt konnte er nur mehr hoffen, dass es sich die beiden nicht versauen und endlich zueinander finden würden.

Fortsetzung folgt...
Chapter 5 by Michi
Irgendwo in Washington D.C.
10:28 Uhr


Der Regen trommelte monoton gegen das Fenster seines Büros, in dem es ziemlich düster war, da er keine Lampen eingeschaltet hatte. Das einzige Licht kam von dem Computerbildschirm, den er seit geraumer Zeit leicht geistesabwesend anstarrte. Durch die geschlossene Tür drangen leise das Klingeln der Telefone und die Stimme seiner Arbeitskollegen an sein Ohr. Normalerweise ärgerten ihn diese Geräusche immer, aber heute nahm er sie nur als Summen wahr, so als ob Bienen um ihn herumschwirrten. Seine Laune war an einem Tiefpunkt angelangt, die ihm selbst unheimlich war.
Normalerweise war er oft ziemlich gut drauf, brachte seine Kollegen – die jedoch nichts von seinen kriminellen Machenschaften wussten und auch nichts davon ahnten – regelmäßig mit Witzen zum Lachen, aber heute war dies anders. Zu viel war in den Morgenstunden schief gelaufen.
Es hatte schon damit angefangen, dass dieser Marine geglaubt hatte, ihn aufs Kreuz legen zu können. Nun, dafür hatte er seine gerechte Strafe erhalten – eine Kugel mitten in seine Stirn, die sein erbärmliches Leben innerhalb einer Sekunde beendet hatte. Der entsetzte Ausdruck in seinen Augen würde ihn wohl noch eine Weile verfolgen, aber nicht, weil er mit Schuldgefühlen zu kämpfen hatte, sondern weil er diesen Anblick amüsant fand. Oh ja, er liebte es, wenn die Menschen Angst vor ihm hatten - was aber nicht nur darauf zurück zu führen war, dass er beinahe zwei Meter groß war. Die meisten fürchteten sich vor seiner Waffe, die er immer wieder gerne zog. Selbst seine beiden Handlanger suchten das Weite, wenn er wütend war, tarnten dies aber immer mit der Ausrede, noch etwas erledigen zu müssen. Und sie dachten jedes Mal, es würde ihm nicht auffallen, diese Idioten.
Er schüttelte kurz den Kopf, lehnte sich in seinem Stuhl zurück und brachte seine Gedanken wieder auf den richtigen Kurs. Immerhin hatte er jetzt andere Probleme als die Angst seiner Untergebenen. Wieso hatte er heute Morgen nicht schon viel früher bemerkt, dass sie beobachtet wurden? Und wieder von so einem Wurm, der um sein Leben gebettelt hatte. Hatte er wirklich gedacht, er würde nicht herausfinden, wo dieser Clive wohnte? Hatte dieser Typ noch nie was von Autokennzeichen gehört? Wobei, konnte man die Schrottlaube, die dieser gefahren hatte, noch als Auto bezeichnen? Er würde sich nicht einmal in so ein Ding reinsetzen, geschweige denn damit fahren.
Als die drei den Kerl endlich in diesem Einkaufszentrum erwischt hatten, mussten sie feststellen, dass er das Handy, mit dem er den Mord gefilmt hatte, jemandem anderen zugesteckt hatte. Und dabei hatte er gedacht, Erickson hätte kein Gehirn, da er die restliche Nacht über in seiner Wohnung geblieben war und nicht das Weite gesucht hatte. Und ausgerechnet kurz bevor sie ihn gestellt hatten, musste er anfangen zu denken. Wie er heute wieder einmal feststellen musste, war die Welt einfach ungerecht.
Obwohl er nicht sicher war, wie viel man auf dem Video sehen konnte oder was alles aufgenommen worden war, wusste er, dass er ein riesiges Problem hatte. Immerhin war es heutzutage möglich, die Qualität von solchen Filmen und unscharfe Bilder zu verbessern. Egal was er dafür tun musste, er musste den Typen, der das Handy momentan hatte, unbedingt finden. Einen Mann, dessen Foto er seit mehreren Minuten wie gebannt anstarrte. Grüne Augen blickten ihm aus einem attraktiven Gesicht entgegen, die braunen Haare waren nass und zerzaust und in seinen Händen hielt er zwei Kaffeebecher, die er sich aus dem kleinen Coffeeshop besorgt hatte, was die Überwachungskamera aufgenommen hatte. Das Band hatte er sich ohne Schwierigkeiten aneignen können. Einen der Sicherheitsmänner hatte er sogar persönlich gekannt und eine kleine Lügengeschichte später hatte er den Film in den Fingern gehabt. Und den hatte er sich in der letzten Stunde mehrmals angesehen und besonders die Szene, wo Clive mit dem anderen zusammengestoßen war und obwohl man es nicht sah, wusste er, dass das Handy in der Jackentasche des Mannes verschwunden war. Ob er es schon gefunden hatte? Diese Möglichkeit bestand durchaus, aber daran wollte er lieber nicht denken. Jedes Mal, wenn seine Gedanken in diese Richtung abschweiften, hatte er das Gefühl, ein tonnenschweres Magengeschwür zu entwickeln.
Ein leises Piepsen ließ ihn zusammenzucken, aber gleich darauf bildete sich ein breites Grinsen auf seinen Lippen. Die schlechte Laune, die ihn seit den Morgenstunden verfolgte, war auf einmal verflogen und ein Triumphgefühl breitete sich in seinem Inneren aus. Beinahe hätte er laut aufgelacht, hielt sich aber zurück, immerhin wollte er keine Aufmerksamkeit erregen.
„Habe ich dich", murmelte er, setzte sich aufrecht hin und tippte etwas in seine Tastatur. Das Bild aus der Überwachungskamera verschwand, dafür erschien ein Neues, das aber den gleichen Mann zeigte – einen Mann, der nicht länger namenlos war. Die letzten 30 Minuten hatte er damit zugebracht, herauszufinden, wer der Typ war und endlich hatte er Erfolg gehabt. Und dabei hatte er gedacht, Fortuna hätte ihn endgültig verlassen.
Gleich darauf gefror ihm aber das Grinsen auf seinem Gesicht und er ballte seine Hände zu Fäusten. „Verdammt, verdammt, verdammt", fluchte er vor sich hin und knallte die Faust auf den Tisch aus edlem Holz. Anscheinend würde er doch nicht so ein leichtes Spiel haben, wie er zuerst angenommen hatte. Was hatte er nur angestellt, dass sich plötzlich alles gegen ihn verschwor?
Wütend schnappte er sich sein Handy, klappte es auf und wählte die Nummer von Gary, einen seiner beiden Handlanger. Während er dem Freizeichen lauschte, starrte er weiter das Foto und die grünen Augen an, die ihn zu verhöhnen schienen. Ärger, aber auch gleichzeitig Angst stiegen in ihm auf. Das anfängliche Problem hatte sich zu einer wahren Katastrophe entwickelt.
„Was gibt es?" riss ihn Gary aus seinen Gedanken und erneut zuckte er zusammen. Der Angerufene klang verschlafen und das machte ihn noch wütender. Während er dem Weltuntergang entgegensah, hielt der andere einfach seelenruhig ein Nickerchen. „Wir haben mächtige Probleme", sagte er und tippte nervös mit den Fingern seiner linken Hand auf dem Tisch herum. „Was für Probleme?" wollte sein Gesprächspartner sofort wissen und gähnte herzhaft. „Ich habe endlich den Namen des Mannes herausgefunden, der jetzt das Handy hat." „Und weshalb regst du dich dann auf? Das ist doch eine gute Nachricht." „Das ist eine beschissene Nachricht!" schrie er, zügelte aber kurz darauf die Lautstärke, da er sich erinnerte, nicht alleine in dem Gebäude zu sein. „Sein Name ist Anthony DiNozzo und er ist Bundesagent", fuhr er ruhiger fort, obwohl es ihn immense Überwindung kostete. Auf einmal kam ihm sein Büro noch viel düsterer vor, das erste Mal in den letzten drei Monaten, seit er es bekommen hatte. Damals war er stolz darauf gewesen, aber jetzt engten ihn die Wände ein und selbst die Schränke, die Couch und die beiden Besucherstühle kamen ihm bedrohend vor.
„Scheiße", entfuhr es Gary, dem dämmerte was das bedeutete. „Ist er beim FBI?" „Nein, NCIS." „Ein Navycop?" Da der Jüngere für zwei Jahren selbst bei der Navy gewesen, aber unehrenhaft entlassen worden war, wusste er natürlich sofort, wofür die vier Buchstaben standen. Seine Müdigkeit war von einer Sekunde auf die andere verflogen.
„Genau. Hör mir jetzt gut zu. Du und Jerry werdet ihm von nun an überallhin folgen. Lasst ihn ja nicht aus den Augen." „Und was ist mit dem Handy? Sollen wir ihn nicht einfach umlegen und es uns schnappen?" Ein verlockender Vorschlag, das musste er zugeben, aber noch war es zu riskant. „Nein. Und schon gar nicht am helllichten Tag. Es wäre ein Wunder, wenn ihr ihn alleine erwischen würdet. Ihr wartet bis Mitternacht und stattet ihm dann einen Besuch ab." „Aber was ist, wenn er das Handy bereits gefunden hat?" „Das wissen wir nicht und deswegen werdet ihr ihm auch auf Schritt und Tritt folgen. Wenn er es tatsächlich bereits entdeckt hat, dann müssen wir uns was anderes überlegen und außerdem herausfinden, wer noch davon weiß. Wenn ihr ihn umlegt und er hat ohne unser Wissen noch jemandem davon erzählt, hat sich unser Problem nicht erledigt, du verstehst?" „Aber sicher, Boss. Keine Bange, Jerry und ich werden das Kind schon schaukeln." „Das hoffe ich", sagte er, als der andere bereits aufgelegt hatte.
Noch immer wütend klappte er das kleine Gerät zu und legte es auf den Tisch. Er konnte es einfach nicht glauben, dass alles schief lief. Jetzt musste er auch noch einen Bundesagenten verschwinden lassen – nachdem er das Handy gefunden hatte. Vielleicht hatte er Glück und niemand wusste von dem Video. Ansonsten konnte er gleich seinen Hals in jene Schlinge stecken, die Unheil verkündend über seinem Kopf baumelte.
„Anthony DiNozzo", murmelte er leise und bleckte seine Zähne. „Ich freue mich bereits darauf, dir eine Kugel durch dein Gehirn zu jagen, Bundesagent hin oder her." Er hob seine rechte Hand, bildete mit seinen Fingern eine Waffe und zielte genau zwischen die Augen. „Peng!"

Fortsetzung folgt...
Chapter 6 by Michi
NCIS Hauptquartier
11:04 Uhr


Nachdem Ducky gemeinsam mit Jimmy und dem unbekannten toten Marine den Tatort verlassen hatte, hatte Gibbs endlich befohlen, dass wir zusammenpacken konnten. Weder McGee noch Ziva hatten irgendwelche Spuren gefunden – was bei diesem Regen auch nicht verwunderlich war – außer das Blut und ein wenig Gehirnmasse, die aus der Austrittswunde am Hinterkopf des Mannes an der Mauer eines der heruntergekommenen Häuser gelandet war. Der Großteil der roten Flüssigkeit am Boden war gemeinsam mit dem Niederschlag in den nächsten Kanaldeckel geflossen und somit unwiederbringlich in der Kanalisation verschwunden.
Ich hatte die Skizze in 14 Minuten und 23 Sekunden geschafft, aber ich hatte das Papier nicht ganz mit meinen Körper vor dem Wasser schützen können, weshalb ich angenommen hatte, Gibbs würde mir, obwohl ich innerhalb der vorgegebenen Zeit fertig geworden war, eine Kopfnuss verpassen. Allerdings war dies nie geschehen – zu meiner größten Verblüffung. Er hatte das Blatt einfach an sich genommen, mir einen äußerst seltsamen Blick, den ich nicht deuten hatte können, zugeworfen und mir sogar mit einem knappen Nicken gedankt. Seine schlechte Laune war anscheinend so schnell verflogen wie sie gekommen war und er hatte halbwegs freundlich befohlen, dass wir die Ausrüstung zusammenräumen konnten. Während ich ihm nachgeblickt hatte wie er zum Truck zurückgekehrt war, hatte sich auf meinen Lippen ein kleines Lächeln gebildet und den Ärger, den ich gespürt hatte, als er mich angeschrieen hatte, verschwand einfach. Meine Vermutung, dass er auf den Detective eifersüchtig gewesen war, bestärkte sich noch mehr und verlieh mir ein ungewohnt herrlich warmes Gefühl. Der Gedanke, dass Gibbs vielleicht doch etwas für mich empfinden könnte, ließ mich nicht mehr los und selbst die waghalsige Fahrt zurück zum Hauptquartier machte mir diesmal überhaupt nichts aus – außer die Tatsache, dass Ziva zischen mir und dem Chefermittler saß und somit die Distanz zwischen uns für meinen Geschmack viel zu groß gewesen war.

Einige Hupkonzerte und schmerzhafte Aufschreie von McGee - aus dem Laderaum des Trucks - später, erreichten wir das Hauptquartier, wo ich sofort meine tropfnasse Jacke auszog und mich auf meinen Stuhl setzte, um die wohlige Wärme des Großraumbüros zu genießen. Noch nie hatte ich die Hektik, die lauten Stimmen der anderen Agents und das Telefonklingeln so sehr vermisst wie in der letzten Stunde, die ich bei dem miesen Wetter draußen hatte verbringen müssen. Allerdings war mir keine lange Pause gegönnt, denn kaum war McGee von Abby zurück – er hatte ihr die Blutproben gebracht – knallte Gibbs jedem von uns erneut einen Stapel Akten vor die Nase, der meinen Unerledigten um ein weiteres Stück anwachsen ließ. „Und was ist mit dem Fall?" fragte Ziva sofort und betrachtete leicht angewidert ihren Stoß. Sie war nicht die Einzige, die Schreibarbeit sterbenslangweilig fand, auch McGee und ich gaben ein leises Stöhnen von uns.
„Wir wissen noch nicht, wer der tote Marine ist, also müssen wir warten, bis Abby ihn aufgrund seiner Fingerabdrücke identifiziert hat. Und währenddessen könnt ihr die Zeit sinnvoll nutzen", antwortete er und schenkte ihr einen seiner berühmten Blicke aus funkelnden Augen. Deshalb zog sie es vor, sich lieber auf ihre Aufgabe zu konzentrieren, um sich nicht seinen Ärger zuzuziehen.
„Und was ist, wenn er weiter ein John Doe bleibt? Müssen wir dann bis in alle Ewigkeit Akten bearbeiten?" Jethro drehte sich zu mir um, brachte sein Gesicht so nahe an meines, dass ich seinen warmen Atem auf meiner Haut spüren konnte und sah mich durchdringend an. Mein Herz vollführte einige Purzelbäume und mein Hals war auf einmal staubtrocken. Er war wir plötzlich so unglaublich nahe, dass ich meinen Kopf nur ein wenig weiter vorbeugen hätte müssen, um ihn zu küssen. Kurz darauf wurde ich jedoch aus meinen Träumereien gerissen – in Form einer Kopfnuss. Allerdings lag diesmal nicht Ärger in Gibbs' Augen, weil ich wieder einmal einen blöden Spruch von mir gegeben hatte, sondern ein amüsiertes Funkeln. Verwundert sah ich ihn an und bevor er sich umdrehte, schenkte er mir ein kleines Lächeln. Gleich darauf setzte er sich an seinen Schreibtisch - mit seiner üblichen verschlossenen Miene - und ließ mich leicht verwirrt zurück. ‚Was war denn das?' fragte ich mich selbst und rieb mir über die schmerzende Stelle. Seit wann verpasste mir Jethro eine Kopfnuss und lächelt mich kurz darauf entschuldigend an? War ich vielleicht im falschen Film gelandet?
Aber bevor ich weiter darüber nachdenken konnte, holte mich seine gewohnt schroffe Stimme in die Realität zurück. „McGee?" „Ja, Boss?" fragte dieser sogleich und hob seinen Kopf, den er in einer Akte vergraben gehabt hatte. „Wer hat eigentlich die Leiche des toten Marines gefunden?" „Ähm…" Tim machte ein betretenes Gesicht und sah Hilfe suchend zu mir und Ziva herüber. Das Einzige, was wir tun konnten, war mit den Schultern zu zucken. Er schluckte sichtbar, sammelte seinen gesamten Mut und fügte hinzu: „Keine Ahnung." „Was soll das heißen, du hast keine Ahnung?!" schrie Gibbs und funkelte ihn mörderisch an. „Nun… es ist so, dass ich… ich meine…" Der Chefermittler schloss für einen Moment die Augen, zwang sich zur Geduld und wandte sich mir und Ziva zu: „Hat einer von euch beiden diesen Edwards danach gefragt?" Alleine bei der Erwähnung dieses Namens kamen in mir keine guten Erinnerungen hoch und selbst Gibbs wirkte noch wütender. Ich schüttelte den Kopf und meine Kollegin erwiderte: „Nein. Ich hatte angenommen, dass das Tony gemacht hat. Er hat sich ja anscheinend super mit dem Detective verstanden." Ohne dass sie es wissen konnte, traf sie mit dieser Aussage nicht nur bei mir einen wunden Punkt. Jethro kniff seine Augen zu schmalen Schlitzen zusammen, aber seine Stimme klang ruhig, als er meinte: „McGee, ruf Edwards an und frag ihn, wer den Toten gefunden hat. Und heute noch wenn es geht." „Sofort, Boss." Tim schnappte sich den Telefonhörer, sichtlich erleichtert, nicht mehr angeschrieen zu werden.
Zwei Minuten später legte er wieder auf, richtete sich seine Krawatte und sah zu Gibbs, der ihn ungeduldig musterte. „Und?" „Ähm, Edwards hat gemeint, er würde vorbeikommen." „Du meinst, er kommt hierher, Bambino?" fragte ich und leichte Panik überkam mich. „Genau das heißt es, Tony." Kraftlos ließ ich mich in meinen Stuhl zurücksinken und versuchte mir nicht anmerken zu lassen, dass ich mich auf einmal mehr als unwohl fühlte. Als der Polizist den Tatort verlassen hatte, hatte ich gedacht, ihn nie mehr wieder zu sehen, aber da hatte ich mich anscheinend gründlich geirrt. Sein Annäherungsversuch war mir noch immer deutlich in Erinnerung, genauso wie die hellblauen Augen, die mich lüstern gemustert hatten.
Mühsam schluckte ich den Kloß hinunter, setzte mich aufrecht hin und sah zu Jethro, dessen Gesicht sich verfinstert hatte. Ihm schien es ebenso wenig zu gefallen, dass uns Edwards einen Besuch abstatten würde. „Hätte er dir die Information nicht am Telefon geben können?" fragte er, wobei seine Stimme gezwungen ruhig klang. „Habe ich versucht, Boss", antwortete McGee, dem nicht entging, dass sich die Atmosphäre im Büro plötzlich verändert hatte. „Ich habe ihn dreimal gebeten, es mir einfach zu sagen, aber er hat gemeint, es wäre besser, wenn er es uns persönlich mitteilt. Dann hat er einfach aufgelegt." „Na schön." Gibbs stand auf, schnappte sich seine Jacke und zog sie an.
„Wo willst du hin?" fragte Ziva, als er an unseren Schreibtischen vorbeieilte. „Mir einen Kaffee holen", antwortete er schroff, warf mir einen kurzen Blick, der mir buchstäblich unter die Haut fuhr, zu und ging zum Fahrstuhl, dessen Türen sich kurz darauf hinter ihm schlossen.
„Was ist nur mit ihm los?" fragte meine Kollegin und hob eine Augenbraue. „Keine Ahnung", log ich und wandte mich der Akte vor mir zu. Aber ich wusste nur zu gut, was mit meinem Boss nicht stimmte. Ihm war genauso klar wie mir, weshalb Edwards wirklich ins Hauptquartier kam – um sich erneut an mich ranzumachen.

15 Minuten später ließ mich das leise Pling des Fahrstuhls aufsehen, aber es war jedoch nicht Gibbs, der heraustrat. Mein Herz rutschte mir in die Hose und nur mit Mühe widerstand ich dem Drang, aufzuspringen und die Flucht zu ergreifen. Ich konnte nicht einmal mehr so tun, als ob ich den jungen Detective nicht bemerkt hatte, da er bereits mitbekommen hatte, dass ich hin entdeckt hatte. Er verzog seine Lippen zu einem strahlenden Lächeln, steckte seine Hände in die Taschen seines schwarzen Mantels und schlenderte lässig auf meinen Schreibtisch zu. Seine blonden Haare waren mittlerweile trocken, aber weiterhin zerzaust und er kaute schon wieder auf einem Kaugummi herum – oder auf demselben, wer konnte das schon sagen.
Er ignorierte McGee, der eilig aufgesprungen war und auf uns zu kam und schenkte Ziva keinerlei Beachtung. Seine hellblauen Augen ruhten auf mir und plötzlich wünschte ich mir, dass Gibbs hier wäre, um ihn von mir wegzuzerren. Aber anscheinend hatte er für seinen Becher Kaffee einen längeren Weg einlegen müssen, denn normalerweise brauchte er nie so lange, um sich sein Lieblingsgetränk zu besorgen.
„Agent DiNozzo", sagte Edwards gut gelaunt und streckte mir seine Hand entgegen, die ich zögerlich nahm. „Schön Sie wieder zu sehen." ‚Kann ich nicht gerade behaupten', dachte ich und zwang mich zu einem Lächeln, was sich jedoch ziemlich verkrampft anfühlte. „Detective Edwards", erwiderte ich freundlich, obwohl mir eher nach Schreien zu Mute war. „Bitte, nennen Sie mich einfach Jack." Er ließ meine Hand los und ich widerstand dem Drang, sie an meiner Jeans abzuwischen. Stattdessen nahm ich eine Akte von dem noch immer großen Stoß, schlug sie auf und versuchte ihm so zu signalisieren, dass ich beschäftigt war. Ihn schien das jedenfalls nicht zu stören, denn er schob prompt den Stapel zur Seite, sodass er beinahe auf dem Boden gelandet wäre, setzte sich auf die Tischplatte und schlug lässig die Beine übereinander. Unwillkürlich rutschte ich mit meinem Stuhl zurück, um seiner Nähe zu entkommen und sah zu Ziva, deren Mundwinkel verräterisch zuckten.
„Ist Agent Gibbs gar nicht hier?" wollte er wissen und sah sich neugierig um. Auf seinem Gesicht spiegelte sich Erleichterung wider, immerhin hatte er die Begegnung mit dem Chefermittler in keiner guten Erinnerung, was mich beinahe grinsen ließ. „Nein, er ist momentan nicht hier", übernahm Tim die Antwort. „Agent McGee, wir haben miteinander telefoniert." Er streckte Jack seine Hand entgegen, die dieser für eine Sekunde schüttelte und sich wieder mir zuwandte, so als ob meine beiden Kollegen überhaupt nicht existieren würden. „Wirklich schön habt ihr es hier. Wenn ich da an unser Büro beim Morddezernat denke, wird mir ganz anders." Erneut lächelte er mich breit an und seine Augen wanderten unverhohlen über meinen Körper, sodass ich das Gefühl hatte, er würde mich alleine mit seinem Blick ausziehen. Edwards beugte sich zu mir herunter und fuhr fort: „Unsere Schreibtische sind in einen winzigen Raum gequetscht und ständig riecht es nach kaltem Zigarettenrauch und diversen anderen Ausdünstungen. Wirklich grässlich."
„Dann wechseln Sie doch den Job", sagte eine mir nur allzu bekannte schroffe Stimme hinter ihm und Erleichterung durchflutete mich. Das Lächeln gefror auf Jacks Gesicht und plötzlich sah er wie ein kleiner Junge aus, der beim Schummeln erwischt worden war. Langsam drehte er sich um und sprang beinahe von meinem Schreibtisch, als er den Mann erkannte, der ihm vorgeschlagen hatte, seine Arbeit aufzugeben. „Ah, Agent Gibbs, ich habe mich schon gefragt, wo Sie sind." „Ach, tatsächlich?" fragte dieser kalt und trank einen Schluck Kaffee, um seine Nerven zu beruhigen. Seine Haare waren von dem Regen ganz nass, seine Wangen von der kühlen Luft draußen leicht gerötet und in seinen Augen funkelte es Unheil verkündend – alles in allem war er unheimlich sexy, wie ich fand.
„Sicher", erwiderte Edwards gelassen – anscheinend hatte er seine Fassung wieder gefunden. „Immerhin wollen Sie ja wissen wer die Leiche gefunden hat." „Und das hätten Sie meinem Agent nicht am Telefon sagen können?" Jethro hob eine Augenbraue, trat ganz dicht an den Detective heran, der mühsam schluckte und schließlich einen Schritt zurückwich. Eine Spur von Schadenfreude stieg in mir auf und ich war froh, nicht in der Haut des Polizisten zu stecken, der seinen Entschluss, uns hier zu besuchen, sicher bereits bereute.
„Nun ja, wissen Sie, es ist so", begann Jack und fuhr sich nervös durch seine Haare, um sie noch mehr zu zerzausen. „In unserer Zentrale ist ein anonymer Anruf eingegangen. Wahrscheinlich irgendein Junkie, der Angst hatte, selbst wegen Mordes belangt zu werden. Und ich habe mir gedacht, da Sie sicher das Band von dem Anruf haben wollen, bringe ich es Ihnen vorbei." Er griff in seine rechte Jackentasche und holte eine kleine Kassette hervor. Gibbs nahm sie ihm aus der Hand, behielt sie aber bei sich. „Ähm, Boss, soll ich sie zu Abby bringen?" fragte McGee vorsichtig. „Nein, das werde ich selber erledigen. So weit ich mich erinnere, hast du noch einige Akten zu bearbeiten, oder?" Tim verstand sofort und bevor er Gefahr lief, eine Kopfnuss zu kassieren, eilte er zu seinem Schreibtisch.
Jethro trank seinen Kaffee aus, warf Jack einen letzten Blick zu und ging zu seinem Platz, um seinen Becher zu entsorgen und seine Jacke auszuziehen. Erleichtert darüber, dem Chefermittler entronnen zu sein, wandte sich der Detective wieder mir zu, setzte sein strahlendes Lächeln auf und fragte: „Na, wie wäre es mit einem ordentlichen Mittagessen? Ich kenne da ein wirklich nettes Restaurant in Georgetown." Hatte ich vorher noch geglaubt, er würde seine Annährungsversuche aufgeben, sah ich jetzt ein, dass ich mich gründlich geirrt hatte. „Nein, danke", erwiderte ich mit fester Stimme. „Ich habe keinen Hunger." Gleichzeitig versuchte ich irgendwie das laute Knurren meines Magens zu bändigen. Bei dem Wort Mittagessen hatte er sich lautstark zu Wort gemeldet und forderte nun sein Recht ein. „Außerdem habe ich noch einige Akten zu bearbeiten." „Schade", meinte Jack enttäuscht, griff in seine Manteltasche und holte eine Karte hervor, die er mir in die Hand drückte. „Wenn Sie es sich anders überlegen, rufen Sie mich einfach an. Wir könnten ja auch mal abends zusammen ein Bier trinken gehen. Ich würde mich freuen." Er schenkte mir noch ein letztes anzügliches Lächeln, strich über meinen Unterarm und drehte sich schließlich um, um zum Fahrstuhl zu gehen.
„Ich sicher nicht", murmelte ich, knüllte die Karte zusammen und warf sie in hohem Bogen in den Mülleimer. Anschließend schüttelte ich meinen Arm, um das Gefühl seiner Finger loszuwerden und blickte zu Gibbs, der aufstand und ebenfalls zum Lift eilte. „Wo willst du hin?" rief ihm Ziva hinterher. „Zu Abby", kam die Antwort zurück und gleich darauf quetschte er sich in die Kabine, in die gerade eben Jack verschwunden war. Eine ungute Ahnung stieg in mir auf.

Gibbs zwängte seine Hand zwischen die Fahrstuhltüren, bevor sie sich ganz schließen konnten und trat in die Kabine, in der sich bereits Edwards befand, der ihn erstaunt ansah. Erneut überkam ihn die unbeschreibliche Wut, die er vor Sekunden gefühlt hatte, als es dieser Mistkerl gewagt hatte, Tony einfach zu berühren. Eigentlich hatte er gedacht, sein Gegenüber mit seinen Blicken eingeschüchtert zu haben, aber er schien unverbesserlich zu sein. Als dieser schließlich eine Karte gezückt und sie seinem Agent gereicht hatte, wobei er ihm schon wieder ganz nahe gerückt war, wäre er beinahe aufgesprungen und hätte den Detective eigenhändig aus dem Gebäude befördert. Ihm war mehr als bewusst, dass er sich kindisch aufführte, aber er konnte einfach nichts gegen seine brodelnde Eifersucht tun. Alleine der Gedanke daran, dass es ein anderer wagte, DiNozzo derart mit seinen Blicken auszuziehen machte ihn rasend, obwohl er wusste, dass dieser niemals etwas mit einem anderen anfangen würde. Und dennoch konnte er seine Wut nicht zügeln und so hatte er kurzerhand beschlossen, ein kleines Gespräch mit Edwards zu führen, in der Hoffnung, ihn anschließend nie wieder zu sehen.
„Agent Gibbs, kann ich noch etwas für Sie tun?" fragte dieser verwirrt. Immerhin hatte er angenommen, sie hätten alles Wesentliche besprochen. Außerdem kam ihm der Lift auf einmal ziemlich eng vor und die Luft wirkte eiskalt. Unsicher musterte er die Türen, die noch immer geschlossen waren und ihn hier einsperrten.
„Allerdings", antwortete Jethro, drückte den Stoppknopf und der Fahrstuhl kam ruckend zum Stehen. Das Licht ging aus und die schwache Notbeleuchtung tauchte die beiden Männer in ein gespenstisches Licht. „Was soll das?" wollte Jack wissen und langsam überkam ihn Angst. In engen Räumen hatte er sich noch nie so richtig wohl gefühlt und noch dazu in der Gesellschaft eines wütenden Agents, denn dass dieser mehr als wütend war, war unübersehbar. Nur konnte er sich keinen Reim darauf machen, weshalb. Bereits in dem Großraumbüro war ihm aufgefallen, dass er schlechte Laune hatte, aber da er ihn heute Morgen bereits einmal angebrüllt hatte, war er davon ausgegangen, dass er immer so war und hatte sich dabei nichts weiter gedacht. Aber jetzt hatte er das Gefühl, er wäre derjenige, der ihn derart in Rage versetzte.
Gibbs kam auf ihn zu, bis Edwards mit dem Rücken gegen die kühle Wand stieß und nicht mehr weiter konnte. Hellblaue Augen sahen ihn verunsichert an. „Hey, was…?" „Jetzt hören Sie mir ganz genau zu", unterbrach er den Detective und brachte sein Gesicht bis auf wenige Zentimeter an das des anderen. Seine Stimme klang ruhig, aber gleichzeitig drohend. „Lassen Sie Ihre Finger von meinem Agent. Hören Sie auf, ihn derart anzusehen, so als ob er das Objekt Ihrer geheimen Träume wäre. Tony ist vergeben und somit für Sie tabu, haben wir uns da verstanden?" Gibbs hielt inne und konnte nicht fassen, was er da gerade gesagt hatte. Eigentlich hatte er seinem Gegenüber nur sagen wollen, dass er DiNozzo in Ruhe lassen sollte, aber dann war ihm der letzte Satz so einfach über die Lippen gekommen, ohne dass er es hätte verhindern können. Äußerlich ließ er sich jedoch nicht anmerken, was in ihm vorging und durchbohrte Edwards weiter mit seinen Blicken.
Jack hob abwehrend seine Hände – so gut es eben bei dem knappen Abstand zwischen ihren Körpern ging. „Was regen Sie sich denn so auf? Es ist ja nicht Ihr Problem, wenn Tony seinen Freund…" Er unterbrach sich selbst, als ihm ein Licht aufging. Seine Augen weiteten sich entsetzt und jetzt verstand er auch, weshalb Gibbs so wütend auf ihn war, oder besser gesagt, eifersüchtig. „Hey, ich konnte doch nicht ahnen, dass ihr beide etwas miteinander habt", fuhr er schließlich fort und ließ seine Hände sinken. Resignation überkam ihn und mit einem Mal wurde ihm bewusst, dass ihn DiNozzo wohl nie anrufen würde.
„Jetzt wissen Sie es", erwiderte Jethro und war selbst überrascht, dass er nicht berichtigte, dass sein Agent und er kein Paar waren, dieser wusste ja nicht einmal was er für ihn empfand. Aber dennoch gefiel es ihm, dass jemand annahm, Tony und er wären zusammen. Er trat einen Schritt zurück, da er wusste, dass seine Botschaft angekommen war und setzte den Fahrstuhl wieder in Gang. „Und falls Sie auf die Idee kommen sollten, ihn weiter zu belästigen, dann können Sie Ihr Testament verfassen", fügte Gibbs hinzu, in dem Bestreben, Edwards damit endgültig den Wind aus den Segeln zu nehmen. Dieser richtete sich seinen Mantel und blickte zu dem Agent. In seinen Augen erkannte er, dass er es ernst meinte und so nickte er. „Sie brauchen keine weiteren Drohungen auszustoßen. Ich werde Ihren Freund in Zukunft in Ruhe lassen."
Beschämt darüber, dass er einem anderen den Vortritt überließ – immerhin war er es gewohnt, alles zu bekommen was er wollte – verließ er fluchtartig den Fahrstuhl, als dessen Türen sich öffneten. Aber er wusste, es war besser für seine Gesundheit, wenn er diesem Mann nicht mehr in die Quere kam.
Zufrieden mit sich selbst, drückte Jethro den Knopf für die Forensik und lehnte sich gegen die kühle Wand. Die Worte Ihr Freund ließen ihn nicht mehr los. Ein unglaublich warmes Gefühl ging von seinem Herzen aus und ließ seine Wut innerhalb von Sekunden verpuffen. Ein breites Lächeln bildete sich auf seinen Lippen und noch bevor sich die Türen des Fahrstuhls erneut öffneten, hatte er einen Entschluss gefasst: heute Abend würde er Tony sagen, dass er ihn liebte.

Fortsetzung folgt...
Chapter 7 by Michi
Es waren gerade einmal 10 Minuten vergangen, als Gibbs den Fahrstuhl verließ. In seiner rechten Hand hielt er einen Becher Kaffee, der sicher von dem Automaten im Foyer stammte und der den Namen Kaffee bei Weitem nicht verdiente – immerhin schmeckte er mehr nach Wasser, als nach den gerösteten Bohnen, oder in diesem Fall, nach dem Pulver. Aber Jethro schien das überhaupt nichts auszumachen. Er trank einen großen Schluck und als er an meinem Schreibtisch vorbeiging, konnte ich einen zufriedenen Ausdruck in seinen blauen Augen erkennen. Die Wut, die ich vorhin bereits aus der Entfernung von mehreren Metern gespürt und die die Luft knistern hatte lassen, war komplett verflogen. Da McGee immer noch seinen Kopf in einer Akte vergraben hatte und Ziva nur seinen Rücken bestaunen konnte, schenkte er mir ein kurzes Lächeln, das mir einen heftigen Schauer der Erregung über meinen Körper jagte und bevor ich wirklich realisieren konnte, was da eben passiert war, hatte er wieder seine undurchdringliche Miene aufgesetzt und ging zu seinem Schreibtisch. Verwirrt blickte ich Gibbs hinterher, der sich auf seinen Stuhl setzte, seinen Kaffee austrank und den Becher gezielt in den Mülleimer warf, wo er mit einem leisen Geräusch landete.
Mir war sofort klar, dass zwischen ihm und dem Detective in dem Fahrstuhl etwas vorgefallen sein musste. Denn dass Jethro den Lift angehalten hatte, war nicht zu übersehen gewesen, da sich eine kleine Gruppe vor den Türen versammelt und sich aufgeregt hatte, dass er nicht in die dritte Etage kam. Zwei der Männer hatte es schließlich gereicht und sie hatten das Treppenhaus genommen.
Da sein Ärger verpufft war, musste die Auseinandersetzung zu seinen Gunsten ausgegangen sein und ich hatte das Gefühl, dass ich Edwards nun endgültig los war. Aber was hatte Gibbs nur zu ihm gesagt? Obwohl ich mehr als neugierig war, konzentrierte ich mich wieder auf die Akten vor meiner Nase. Das Großraumbüro war nicht der richtige Ort, um ihn danach zu fragen und außerdem würde er es mir schon sagen, sollte er sich jemals dazu entschließen, dies zu tun.
Mit den Erinnerungen an das Lächeln, das er mir zugeworfen hatte, und den Schauer der Erregung, der noch immer in meinem Körper kribbelte, schnappte ich mir einen neuen Ordner und begann ihn zu bearbeiten.

Drei Stunden später hatte ich den Stapel immer noch nicht geschafft, aber er war immerhin auf ein Drittel geschrumpft. Ziva hingegen war bereits fertig und verfluchte wieder einmal ihren Computer, der nicht das machte, was sie wollte. McGee war noch mehr im Rückstand als ich, da er kurz nach 12 Uhr zu dem Chinesen um die Ecke gegangen war und uns ein Mittagessen besorgt hatte, welches meinen Magen endlich dazu gebracht hatte, still zu sein. Während den langweiligen Stunden der Schreibtischarbeit war es draußen noch düsterer geworden. Die Wolken hingen tief über der Stadt und verliehen ihr etwas Bedrohliches. In der Ferne zuckten hin und wieder Blitze über den Himmel und selbst durch das Telefongeklingel hindurch konnte man das Donnern hören. Das schlechte Wetter drückte nicht nur mir auf die Stimmung, sondern auch allen anderen und bald hatte ich überhaupt keine Lust mehr, irgendwelche Akten zu bearbeiten. Deshalb legte ich den Kugelschreiber zur Seite, streckte mich genüsslich und überlegte bereits, wie ich Gibbs davon überzeugen konnte, eine kleine Pause einzulegen, als sein Telefon klingelte. Mit einem üblichen schroffen „Ja" meldete er sich aber gleich darauf hellte sich sein Gesichtsausdruck ein wenig auf. „Ducky ist mit der Autopsie fertig", sagte er, als er aufgelegt hatte und stand auf. Glücklich darüber, endlich dem Schreibtisch entfliehen zu können, sprang ich auf und eilte ihm hinterher, dicht gefolgt von Ziva und McGee. Ein paar Sekunden später glitten die Türen des Fahrstuhls auf und wir betraten die kleine Kabine, wobei Jethro und ich hinten an der Wand standen, während unsere beiden Kollegen direkt vor den Türen ihren Platz gefunden hatten. Wir waren uns plötzlich so nahe, dass ich das Gefühl hatte, seine Körperwärme auf meiner Haut zu fühlen. Einem inneren Drang folgend, warf ich meinem Boss einen verstohlenen Blick zu. Hätte ich gedacht, er würde es nicht merken, so hatte ich mich gründlich getäuscht. Es war so, als ob er spüren würde, dass ich ihn ansah. Er drehte leicht seinen Kopf und seine Augen begegneten den meinen. Mein Puls erhöhte sich prompt und mein Hals wurde staubtrocken – ich konnte mich nicht einmal mehr bewegen. In dem intensiven Blau lag ein Funkeln, das ich bei ihm noch nie gesehen hatte. Sein Gesicht nahm einen zärtlichen Ausdruck an und wie zufällig berührte seine Hand meine Finger. Mein Herz schlug viel zu laut in meiner Brust und ich hatte die Befürchtung, Ziva und McGee würden es hören. Unwillkürlich erwiderte ich seine Berührung, suchte seine Nähe, obwohl uns nicht einmal ein halber Meter trennte. Da war es wieder, dieses unzerreißbare Band, welches uns bereits am Morgen verbunden hatte, als ich ihm den Kaffee überreicht hatte. Ich verspürte den Drang, ihn an mich zu ziehen und ihn so lange zu küssen, bis wir beide keine Luft mehr bekamen, ihn zu liebkosen, seine warme Haut unter meinen Fingern spüren. Mein Atem beschleunigte sich unwillkürlich und ich umfasste seine Hand noch fester, wollte ihn nicht loslassen.
Mir kam es wie eine Ewigkeit vor, die unser Blickkontakt dauerte und als ein leises Pling ankündigte, dass wir im Keller angekommen waren, musste ich erstmals blinzeln, um wieder klar sehen zu können. Erst jetzt realisierte ich, dass wir uns nicht alleine in dem Fahrstuhl befanden. Ich hatte meine beiden Freunde komplett vergessen, so sehr war ich von Jethros Blick gefesselt gewesen.
Wir beide fuhren blitzschnell auseinander, so als ob uns jemand dabei erwischt hätte, dass wir verbotenerweise herumgefummelt hätten. Bevor sich die Türen ganz geöffnet hatten, hatte sich Gibbs wieder unter Kontrolle und seine normale griesgrämige Miene aufgesetzt. Allerdings erreichte diese seine Augen nicht. In ihnen lag weiterhin ein Funkeln, das ich nicht einordnen konnte, was mir aber ein ungewohnt warmes Gefühl bescherte.
„Willst du hier Bäume schlagen, Tony?" fragte Ziva und riss mich somit komplett aus meinen Gedanken. Erst jetzt bemerkte ich, dass ich der Einzige war, der noch in der Kabine stand – selbst Jethro war schon draußen und sah mich mit einer hochgezogenen Augenbraue an und er ließ mich damit wissen, dass ihm bewusst war, weshalb ich mich nicht vom Fleck rührte. Mein Gesicht fühlte sich plötzlich ganz warm an und um zu überspielen, dass ich ein wenig verlegen war, sagte ich: „Es heißt Wurzeln schlagen, Ziva." „Ist doch dasselbe", gab sie bissig zurück. Ihrer Miene konnte ich entnehmen, dass sie sich fragte, warum ich wie eine Statue im Lift stand. Um ihr keinen weiteren Grund für weitere Spekulationen zu geben, verließ ich endlich den Fahrstuhl. Ich warf Gibbs einen Blick zu, den er ruhig erwiderte, sich aber dann abwandte und der Pathologie entgegenstrebte.
‚Was ist da gerade eben passiert?' fragte ich mich selbst und versuchte erfolglos, meinen Herzschlag zu beruhigen. Automatisch setzte ich einen Fuß vor den anderen. ‚Weshalb hat er mich so seltsam angesehen? Ist es etwa möglich, dass er…?' Aber bevor ich den Gedanken zu Ende führen konnte, drang ein leises Zischen an meine Ohren und die Türen der Pathologie öffneten sich, um uns in die Hallen des Todes einzulassen.

Im Gegensatz zum Großraumbüro bekam man hier unten nichts von dem schlechten Wetter, das draußen herrschte, mit. Es war ruhig, nur das leise Summen der Klimaanlage war zu hören, genauso wie unsere Schritte, die auf dem Boden widerhallten.
Ducky stand an der gegenüberliegenden Wand und studierte eingehend die Röntgenbilder des Toten, der auf einen der beiden Stahltische lag. Deutlich konnte man seine inneren Organe sehen, die vor nicht allzu langer Zeit gewogen worden waren. Noch klaffte der Y-Schnitt in der Haut des Oberkörpers, aber Palmer machte sich gerade an die Vorbereitungen, um diesen zusammenzunähen. Er hatte sich bereits Gummihandschuhe übergezogen und in den Fingern seiner rechten Hand hielt er eine Nadel, die mit einem langen Faden bestückt war. Er hob seinen Kopf, um zu sehen, wer in die Pathologie gekommen war und nickte uns grüßend zu, bevor er sich daran machte, das spitze Instrument in der Haut der Leiche zu versenken.
Ducky drehte sich bei dem Geräusch der sich öffnenden Tür um. „Ah, da seid ihr ja endlich", sagte er und trat von der Wand weg, sodass ich einen wunderbaren Blick auf ein Bild eines Schädels hatte, in dessen Stirn ein rundes Loch prangte. Der Pathologe hatte sich bereits umgezogen und das grüne Gewand, das er bei der Autopsie normalerweise trug, durch einen weißen Arztmantel ersetzt.
„Wir wären schon eher da gewesen, wenn sich Tony nicht dazu entschlossen hätte, im Fahrstuhl zu einer Statue zu erstarren", erwiderte Ziva und warf mir ein gehässiges Lächeln zu. „Wie kann man denn in einem Fahrstuhl zu einer Statue erstarren?" wollte Jimmy neugierig wissen und vergaß für einen Moment, dass er eigentlich den Toten zusammennähen sollte. „Leiden Sie etwa unter Klaustrophobie?" „Nein", antwortete ich zischend und schenkte den beiden einen ärgerlichen Blick. „Warst du noch nie so in Gedanken, dass du für kurze Zeit vergessen hast, wo du dich befindest, Officer David?" „Woran hast du denn gedacht? Vielleicht an den Detective? Der schien dich ja sehr zu mögen." „Und wenn ihr beide nicht sofort aufhört, dann sorge ich persönlich dafür, dass ihr die Nacht im Fahrstuhl verbringt", mischte sich Gibbs ein. In seinen Augen lag das mir nur allzu bekannte Funkeln, aber gleich darauf wurde der Ausdruck milder, als er mich ansah. Wenn ich mich nicht täuschte, zuckten sogar seine Mundwinkel verräterisch – eine Sekunde später war jedoch der mürrische Chefermittler zurückgekehrt. „Tschuldigung, Boss", murmelte ich und stellte überrascht fest, dass ich das letzte Wort nur mit Mühe über meine Lippen brachte. Normalerweise hatte es mir noch nie etwas ausgemacht, ihn so zu nennen, aber jetzt? Es schien, als ob sich mit der Erkenntnis, dass ich ihn liebte, plötzlich alles verändert hatte. Nur ob es zu meinen Gunsten war, das musste ich noch herausfinden.
„Wisst ihr, eure kleinen Streitereien erinnern mich an eine Geschichte aus meiner Jugend, die, wie ihr sicher alle richtig vermutet, bereits lange zurückliegt. Dennoch kommt es mir wie gestern vor. Mein damaliger bester Freund hat…" „Ducky!" unterbrach ihn Gibbs ungeduldig und runzelte seine Stirn – ein sicheres Zeichen dafür, dass er momentan keinen Nerv dafür hatte, sich einen endlosen Vortrag über die Teenagerzeit seines Freundes anzuhören.
„Was war denn damals mit Ihrem besten Freund, Doktor?" fragte Jimmy neugierig, aber als ihn vier Paar funkelnde Augen trafen, zog er es vor, die Leiche weiter zusammenzunähen.
„Also, was hast du für uns?" nützte Jethro die Sekunde, in der wir alle schwiegen, um wieder auf das ursprüngliche Thema zurückzukommen. Er ging zu dem Toten und ohne es wirklich zu merken, blieb ich ihm dicht auf den Fersen, suchte seine körperliche Nähe, so als ob diese plötzlich lebenswichtig für mich wäre – genauso wie die Luft zum Atmen.
Ducky folgte uns und blieb neben Palmer stehen, der kurz in seiner Aufgabe inne hielt, um den Ausführungen seines Vorgesetzten zu lauschen. „Die Todesursache war eindeutig der Kopfschuss. Der Arme hat zum Glück nichts mehr gespürt. Ich schätze, er war bereits nicht mehr unter uns, als er auf dem Boden aufgeschlagen ist. Ansonsten habe ich noch ein paar bläuliche Verfärbungen an seinen Rippen gefunden." Er deutete mit seiner rechten Hand auf die Hämatome, die man auf der blassen Haut deutlich sehen konnte. „Also wurde er vor seinem Tod verprügelt", stellte McGee fest und beugte sich über die Leiche, um einen genauen Blick auf die Verletzungen zu erhaschen. „Höchstwahrscheinlich", erwiderte Ducky und bedeutete seinem Assistenten, dass er mit dem Nähen weitermachen konnte. „In seiner Kindheit hat sich unser unbekannter Marine einmal das Handgelenk gebrochen, was jedoch vollkommen verheilt ist." Bei seinen Worten deutete er auf eines der Röntgenbilder und wandte sich anschließend erneut uns zu.
„Todeszeitpunkt?" fragte Gibbs knapp. „Zwischen zwei und halb vier Uhr morgens", antwortete der Pathologe genauso knapp. „Ich habe seine Fingerabdrücke zu Abby hinaufgeschickt. Vielleicht kann sie ihn dadurch identifizieren. Es gibt nichts Schlimmeres, als wenn ein Grab ohne Name bleibt. Vor Jahren hatte ich einmal einen Fall, der…" „Danke, Ducky", unterbrach ihn Gibbs erneut und gefolgt von Ziva und McGee verließ er die Pathologie.
Ich hingegen blieb einfach stehen, denn auf einmal hatte ich das Bedürfnis, mit jemandem über meine Gefühle für Jethro sprechen zu müssen und wer wäre dafür besser geeignet als der Pathologe? Immerhin wusste er alles, was zwischen uns vorgefallen war und ich war mir sicher, er würde mir einen Rat geben können, wie ich jetzt weiter vorgehen sollte.
„Willst du nicht mitkommen, Tony?" fragte Ziva, bereits unter der Tür stehend. „Geht schon einmal vor. Ich will noch kurz mit Ducky sprechen." Verwundert hob sie eine Augenbraue und selbst McGee war überrascht. Ich blickte zu Gibbs, der mich mit leicht geneigtem Kopf musterte und als er den Mund aufmachte, rechnete ich bereits mit seiner Widerrede. Umso erstaunter war ich über seine nächsten Worte: „In Ordnung. Aber bleib nicht zu lange. Wir sind in der Zwischenzeit bei Abby." Damit drehte er sich um und ging zum Fahrstuhl. McGee sah ihm mit offenem Mund nach und auch Ziva schien nicht wirklich zu realisieren, dass er mir so ohne weiteres erlaubt hatte, hier zu bleiben. „Braucht ihr beide eine Extraeinladung?!" hallte Jethros Stimme aus dem Lift und mit einem letzten Blick in meine Richtung verließen sie die Pathologie. Kurz darauf schloss sich hinter ihnen zischend die Tür.
Zurück blieben ein neugieriger Palmer, Ducky, der mich interessiert ansah und in dessen Augen Verständnis aufblitze und meine Wenigkeit, die leicht nervös an der Unterlippe herumkaute. Ich blickte zu dem Pathologen und da ich keine Anstalten machte, etwas zu sagen, verstand er sofort. „Mister Palmer, könnten Sie uns bitte kurz alleine lassen?" wandte er sich deshalb an seinen Assistenten, dem das nicht sonderlich gefiel. Immerhin hatte er sicher gedacht, etwas Interessantes zu erfahren. „Aber ich soll doch den Toten zusammennähen", wagte er einen Versuch, seinen Vorgesetzten überreden zu können, hier zu bleiben – dieser blieb jedoch eisern. „Das können Sie auch nachher noch machen. Gönnen Sie sich eine Pause, trinken Sie eine Tasse Kaffee oder machen Sie einen Spaziergang." Jimmy nickte nach ein paar Sekunden, legte die Nadel aus der Hand und verließ schließlich die Pathologie.
Erleichtert darüber setzte ich mich auf den freien Stahltisch und sah Ducky dabei zu, wie er das Licht an dem Kasten ausmachte, auf dem die Röntgenbilder aufgehängt waren. „Also, was hast du auf dem Herzen, Tony?" fragte er, nachdem er sich zu mir umgedreht hatte. Ich seufzte leise und erwiderte: „Nicht was, sondern wen, Ducky." Dieser hob eine Augenbraue, aber da er keine Anstalten machte, etwas zu sagen, fuhr ich fort: „Es geht um Gibbs." Ein kleines Lächeln huschte über seine Lippen. „Ja, das habe ich mir bereits gedacht." Er kam langsam auf mich zu und setzte sich neben mich auf den Tisch, sodass ich den Kopf drehen musste, um ihn weiter anzusehen. Es überraschte mich keineswegs, dass er wusste, weshalb ich mit ihm reden wollte. Immerhin hatte ich ihm vor etwas mehr als drei Wochen schon einmal mein Herz ausgeschüttet und er schien ein Gespür dafür zu haben, weshalb jemand zu ihm kam – außer von ihm obduziert zu werden.
„Was hat Jethro denn angestellt?" wollte er wissen, da ich zögerte, als Erster das Wort zu ergreifen und ich war ihm dankbar dafür, dass er mir einen Faden hingeworfen hatte, den ich jetzt aufnehmen konnte. „Er hat gar nichts angestellt", antwortete ich und stützte mich mit meinen Händen rechts und links von meinen Oberschenkeln auf dem Tisch ab, da ich nicht wusste, was ich mit ihnen anstellen sollte. „Oder besser gesagt, er macht mich alleine durch seine Anwesenheit fast verrückt. In seiner Nähe habe ich das Gefühl, nicht mehr denken zu können und die Umwelt wird auf einmal vollkommen unwichtig. Vorher im Fahrstuhl haben wir uns angesehen, so als ob es nur uns beide geben würde und mir war sogar egal, dass Ziva und McGee sich vor uns befanden und möglicherweise alles mitbekommen haben. Wir haben sogar für ein paar Sekunden Händchen gehalten." Ich hielt inne und ließ meine Beine baumeln. „Jetzt verstehe ich, weshalb Ziva vorhin gemeint hat, du wärst im Lift zu einer Statue erstarrt." Ducky rutschte ein wenig umher, um eine bequemere Position zu finden und fixierte mich dann mit seinen Augen. „Ich konnte mich einfach nicht mehr bewegen. Meine Muskeln haben mir einfach nicht mehr gehorcht und Gibbs wusste natürlich, weshalb ich mich nicht vom Fleck gerührt habe." „Nun, Jethro war schon immer intelligent und er scheint zu wissen, welche Wirkung er auf dich hat." „Tja, dagegen kann ich wohl nichts machen", sagte ich und fing erneut an, an meiner Unterlippe zu kauen. Dass mein Boss eventuell von meinen Gefühlen ihm gegenüber wusste, machte mir ein wenig Angst, denn diese Empfindungen machten sogar mir Angst, mehr als ich mir zurzeit eingestehen wollte. Ich hatte einfach keine Ahnung, wie ich damit umgehen sollte.
„Heute morgen ist mir etwas klar geworden", sagte ich beinahe flüsternd und ließ meinen Blick kurz in der Pathologie schweifen, bevor er erneut auf Ducky landete, der an seiner Hose herumzupfte, um mir die Möglichkeit zu geben, die richtigen Worte zu finden. Eine Sekunde später sah er auf und mir direkt in die Augen, wobei in den seinigen nichts weiter als Gutmütigkeit lag. Seine Miene verriet nicht, was er dachte, aber trotzdem ahnte ich bereits, dass er wusste, was jetzt kommen würde – ihm entging eben nichts.
Ich holte noch einmal tief Luft und sagte die Worte, die seit Stunden in meinem Inneren herumspukten und die ich noch niemandem verraten hatte. „Ich liebe Jethro." Für einen kurzen Moment war es totenstill und ich nahm nur das Rauschen meines Blutes in den Ohren wahr. Obwohl es jetzt heraus war, fühlte ich mich nicht wirklich erleichtert, aber trotzdem tat es gut, dass es jemand wusste – jemand, der sicher einen Rat für mich parat hatte.
Auf Duckys Lippen bildete sich ein Lächeln und er legte seinen Kopf ein wenig schief. „Das ist nicht zu übersehen, Tony", erwiderte er schließlich und bei meinem verdutzten Gesichtsausdruck lächelte er noch breiter. „Hast du etwa geglaubt, ich würde es nicht mitbekommen? Seit eurem Auftrag hast du ein Funkeln in deinen Augen, was du vorher noch nie gehabt hast. Du suchst seine Nähe, selbst an Tatorten oder wie vor ein paar Minuten, als ihr hier herunter gekommen seid. Du bist ihm kein einziges Mal von der Seite gewichen. Ich hatte beinahe den Eindruck, als ob ihr beide durch ein unsichtbares Band miteinander verbunden seid. Und dann sind da die Blicke, die du ihm zuwirfst, wenn du glaubst, keiner würde es bemerken. Mir ist schon lange bewusst, dass du Jethro liebst und ich habe mich in den letzten Tagen ständig gefragt, wann du darauf kommst, wann dein Verstand realisiert, was dein Herz schon längst weiß."
„Ich hätte nicht gedacht, dass es so offensichtlich ist", murmelte ich und starrte auf den Boden. Seine Worte machten mir ein wenig Angst. Immerhin hatte ich es selbst erst heute Morgen begriffen, dass ich Gibbs liebte und nie damit gerechnet, dass es man mir ansehen konnte – noch bevor ich es selbst überhaupt realisiert hatte.
Ducky schien zu spüren, was in mir vorging, denn er legte mir beruhigend eine Hand auf meine. „Für mich war es offensichtlich, da ich weiß, was zwischen euch geschehen ist", sagte er und ich blickte erneut zu ihm auf. Das Lächeln auf seinen Lippen war verschwunden und Sanftheit hatte die Oberhand gewonnen. „Die anderen werden sich dabei sicher nichts gedacht haben. Ihr arbeitet ja ständig zusammen und da ist es nichts Ungewöhnliches, wenn du in Jethros Nähe bist." Ich entspannte mich wieder ein wenig, ließ meine Muskeln locker, die sich verkrampft hatten. Aber dennoch war das Problem noch nicht gelöst.
„Was soll ich denn jetzt machen?" fragte ich. „Ich meine, ich schaffe es einfach nicht, so zu tun, als ob ich keine Gefühle für Gibbs hätte. Es fällt mir schwer, ihn nicht zu berühren oder nicht zu lange anzusehen. Und ich bringe es nur mühsam über mich, ihn Boss zu nennen. Ich will einfach nicht, dass er weiter nur mein Vorgesetzter ist und schon gar nicht will ich, dass er mich weiterhin als seinen Untergebenen ansieht." Ich starrte erneut zu Boden, in der Hoffnung, dort eine Lösung zu finden. Für ein paar Sekunden breitete sich Schweigen zwischen uns aus und jeder hing seinen Gedanken nach.
„Rede mit Jethro", meinte Ducky schließlich und ich hob abrupt meinen Kopf. „Was?" „Rede mit ihm, Tony. Sei ehrlich zu ihm und sage ihm, was du fühlst." Ich kniff meine Augen zusammen und presste meine Kiefer aufeinander, bis sie schmerzten. „Oder hast du Angst davor, was die anderen denken werden? Mich würde das nicht verwundern. Selbst in unserer heutigen aufgeklärten Gesellschaft stehen noch viele Menschen homosexuellen Paaren kritisch gegenüber. Das erinnert mich übrigens an eine Geschichte aus dem Jahr 1988. Ich hatte einen Freund, der…" „Mir ist egal, was die anderen denken", unterbrach ich ihn, da ich momentan nicht in der Stimmung für einen seiner unendlich langen Vorträge war. „Ich würde mich sofort öffentlich zu unserer Beziehung bekennen und mich nicht verstecken – allen zeigen, wie glücklich ich bin. Aber in einem Punkt hast du Recht. Ich habe Angst, Angst davor, zurückgewiesen zu werden. Was ist, wenn Gibbs nicht dasselbe empfindet? Ich weiß nicht, ob ich es schaffen würde, dann jeden Tag mit ihm zusammenzuarbeiten, in seiner Nähe zu sein."
„Nun, diese Gefahr besteht natürlich", sagte Ducky. „Aber sei mal ehrlich, Tony. Willst du es Jethro wirklich verheimlichen? Willst du wirklich riskieren, dass deine Liebe unerfüllt bleibt? Wirst du dich in Zukunft nicht fragen, was hätte sein können, wenn du mit ihm gesprochen hättest? Und wer weiß, vielleicht empfindet er ja dasselbe für dich. Ich an deiner Stelle würde mir Gewissheit verschaffen wollen, auch wenn die Gefahr der Zurückweisung besteht. Aber ich finde, Unwissen ist noch viel schlimmer. Ich gebe dir also den Rat: rede mit Jethro und du kannst mir glauben, wenn ich dir jetzt sage, dass danach alles gut werden wird." Ein Lächeln umspielte seine Lippen, aber er machte keine Anstalten, weiter zu reden – oder die Bedeutung des letzten Satzes zu erklären. Ich hatte plötzlich das Gefühl, dass er mehr wusste als ich - mich aber nicht einweihen würde. Deshalb seufzte ich leise auf. „Dann werde ich wohl mit Gibbs sprechen", meinte ich und glitt vom Tisch herunter. „Mehr als mich feuern oder erschießen kann er nicht machen." Ich grinste breit und auf einmal fühlte ich mich erleichtert. Duckys Zuversicht, dass alles gut gehen würde, hatte sich ein wenig auf mich übertragen und die Zukunft sah nicht mehr ganz so schwarz aus. Aber dennoch begannen meine Nerven bei dem Gedanken daran, dass ich bald mit Gibbs alleine sein würde, zu flattern.
„Ihr beide werdet das sicher schaffen", sagte der Pathologe und glitt ebenfalls vom Tisch, um sich kurz darauf zu strecken. „Und jetzt solltest du besser zu Abby hinauffahren. Die anderen warten bestimmt auf dich." Ich nickte, ging zur Tür, die sich leise zischend öffnete, drehte mich aber noch einmal um. „Danke, Ducky." „Keine Ursache." Er schenkte mir ein aufmunterndes Lächeln und setzte sich kurz darauf an seinen Schreibtisch, um den Autopsiebericht zu schreiben.
Mit viel mehr Optimismus – als noch vor wenigen Minuten - ausgestattet, betrat ich den Fahrstuhl und drückte den Knopf für die Forensik – in dem Wissen, dass sich eine Etage höher der Mann befand, den ich über alles liebte und mit dem ich in Zukunft mein Leben verbringen wollte.

Fortsetzung folgt...
Chapter 8 by Michi
Nicht einmal eine halbe Minute später verließ ich den Fahrstuhl wieder und kurz darauf öffneten sich die Türen des Labors, um mich einzulassen. Normalerweise konnte man bereits am Gang laute Musik hören, aber diesmal war sie auf ein erträgliches Maß heruntergedreht worden. Dennoch das Lied, welches gerade aus den Boxen schallte, für mich nichts weiter als Krach. Was hatte denn ein Song für einen Sinn, wenn man nicht einmal den Text verstand? Abbys Musikgeschmack war eben genauso verrückt wie ihr Kleidungsstil. Heute trug sie eine schwarze Hose mit einem Nietengürtel und ein dazu passendes dunkles T-Shirt, welches ihre schlanke Figur betonte. Ihre Haare waren wie üblich zu Rattenschwänzen zusammengebunden, die lustig tanzten, als sie sich bei meinem Eintreten umdrehte. Ein breites Lächeln huschte über ihr Gesicht, als sie mich erkannte und prompt übertrug sich ihre gute Laune auf mich. In Gegenwart der Forensikerin konnte man einfach nicht lange eine miese Stimmung haben. „Da bist du ja, Tony", sagte sie fröhlich und wippte leicht auf ihren Fersen auf und ab. Meine Kollegen wandten ebenfalls ihre Aufmerksamkeit mir zu und als mich Gibbs kurz ansah, stieg in mir das bereits vertraute Kribbeln auf. Und wieder verspürte ich den Drang, ganz in seiner Nähe zu sein, aber diesmal riss ich mich zusammen – immerhin wollte ich den anderen nicht zeigen, was in mir vorging, jedenfalls jetzt noch nicht.
„Was hast du denn mit Ducky so Wichtiges besprechen müssen?" fragte McGee, auf dessen Gesicht man die Neugier richtiggehend ablesen konnte, sofort. „Nichts Interessantes", gab ich zurück, in dem Wissen, dass ich ihm auswich. Aber was hätte ich ihm auch anderes sagen sollen? Bevor ich nicht alleine mit Jethro geredet hatte, würde ich keinem anderen verraten, dass ich ihn verliebt war. Er hatte ein Recht darauf, es von mir zu erfahren und nicht durch irgendwelchen Bürotratsch.
„Dafür, dass es nichts Interessantes war, warst du ganz schön lange in der Pathologie", sagte Ziva und verschränkte ihre Arme vor der Brust. „Wenn ich mich nicht täusche, länger als 10 Minuten. Da habt ihr sicher nicht über Nichts geredet." In mir stieg Ärger auf, Ärger darüber, dass sie nicht locker lassen konnte. „Es war etwas Privates, okay?" meinte ich etwas lauter als angebracht, aber dennoch hielt ich mich nicht zurück. „Du brauchst nicht gleich so aus der Schale zu fahren." „Es heißt, aus der Haut fahren", berichtigte sie McGee, bevor ich die Gelegenheit dazu hatte. „Wo ist da der Unterschied?" wollte die junge Frau prompt wissen. „Wenn ihr nicht sofort aufhört, werdet ihr bald nichts weiter zu tun haben, als langweilige Schreibtischarbeit", mischte sich Gibbs ein, den langsam die Geduld verließ. Ein wütendes Funkeln lag in seinen blauen Augen und er schien uns alle drei mit seinen Blicken aufzuspießen. „Tschuldigung", murmelte Tim und musterte interessiert seine Schuhe. Ziva hingegen war nicht anzumerken, was sie über die Zurechtweisung dachte und ich wünschte mir, meine Kollegen würden nicht immer so neugierig sein. Hätten sie nicht einfach nicht Mund halten können?
Abby sah von einem zum anderen und amüsierte sich köstlich. „Das ist ja wie im Kindergarten", sagte sie grinsend. „Jetzt siehst du, mit womit ich täglich zu kämpfen habe", meinte der Chefermittler, aber seinen Worten wurde die Schärfe genommen, da seine Mundwinkel zuckten. Für eine Sekunde streifte mich sein Blick und erleichtert stellte ich fest, dass das wütende Funkeln aus seinen Augen verschwunden war - wobei ich jedoch nicht sagen konnte, ob es an der Fröhlichkeit Abbys lag oder an meiner Anwesenheit.
Gibbs drehte sich wieder zum Bildschirm um und besah sich die Informationen, die darauf zu erkennen waren. Sekunden des Schweigens vergingen, in denen ich seinen Rücken musterte, die breiten Schultern und seine starken Arme. Unglaubliche Sehnsucht stieg in mir auf und unwillkürlich entschlüpfte mir ein leises Seufzen, das jedoch in einem lauten Piepsen unterging – worüber ich mehr als froh war.
„Ich bin die Beste!" rief Abby aufgeregt und tippte wie wild auf ihrer Tastatur herum. Vergessen war ihr Interesse über unsere kleine Auseinandersetzung. „Sag schon, bin ich gut oder gut?" wandte sie sich an ihren Boss und strahlte ihn an. „Wenn du mir verrätst, was du herausgefunden hast?" „Habe ich das nicht erwähnt?" „Nein, hast du nicht", meinte McGee, der sich von dem Anblick seiner Schuhe losgerissen hatte und jetzt ebenfalls zu dem Computer ging, um zu sehen, was die junge Frau in Begeisterung versetzte. „Also, Ducky hat mir ja die Fingerabdrücke des unbekannten Marines heraufgebracht, obwohl, wenn ich ehrlich bin, war es Jimmy, der mir einen Besuch abgestattet hat, denn unser guter Duck war ja damit beschäftigt, den Toten zu obduzieren und…" „Abbs!" unterbrach Jethro ungeduldig ihren Redefluss. „Tschuldigung. Also, wo war ich? Ach ja, bei den Fingerabdrücken des Marines." Sie tippte einen kurzen Befehl und auf dem großen Plasmabildschirm, der an der hinteren Wand aufgehängt war, erschien ein Bild des jungen Mannes, der unten in der Pathologie lag, in der Uniform eines Marines. Seine Haare waren kurz und sein Gesichtsausdruck zeigte Langeweile, so als ob es eine Qual gewesen wäre, sich fotografieren zu lassen. „Darf ich vorstellen? Lance Corporal Frank Clarence." Sie drehte sich zu uns um und strahlte uns an. „Klasse, jetzt haben wir wieder etwas anderes zu tun als Akten bearbeiten", rutschte es mir heraus und ich zog bereits den Kopf ein, da ich die Befürchtung hatte, Gibbs würde mir einen Klaps verpassen. Er schenkte mir jedoch nur einen kurzen Blick, bevor er sagte: „Ich will alles über diesen Mann wissen, von seiner Geburt bis zu seinem Tod, was er in den Stunden vor seinem Ableben gemacht hat und wenn es geht, heute noch. McGee, setz dich mit seinem Vorgesetzten in Quantico in Verbindung und finde heraus, ob einer seiner Kameraden einen Groll gegen ihn gehegt hat." „Geht klar, Boss", erwiderte dieser und verließ sofort das Labor. „Und worauf wartet ihr beide?" wandte er sich an Ziva und mich. „Wenn ich mich recht erinnere, wollte ich alles über das Leben des Lance Corporals erfahren." „Sind schon weg", meinte ich und verließ widerwillig seine körperliche Nähe. Kurz bevor sich die Tür zischend hinter uns schloss, hörte ich noch: „Du bist die beste, Abbs."

Waren die vorherigen Stunden zäh wie geschmolzener Gummi verronnen, so verlief der Nachmittag um einiges schneller. Durch den anhaltenden Regen war es bereits früh düster geworden und in dem Großraumbüro wurden am frühen Abend Lichter eingeschaltet, die das Zwielicht halbwegs vertrieben. Die kleinen Wassertropfen hämmerten unermüdlich gegen die Fensterscheiben, wo sie in langen Schlieren hinabrannen und sich auf halber Strecke vereinigten.
Diesmal hatte ich jedoch keinen Blick für das Wetter übrig, sondern konzentrierte mich auf das Leben von Frank Clarence. Ich war froh, endlich etwas anderes tun zu können und so hatte ich einfach den unerledigten Stapel Akten auf den Boden abgestellt, um für die anderen Sachen genug Platz zu haben. Seit Stunden sammelten Ziva, McGee und ich kleine und große Details aus dem nicht gerade langen Leben des Mannes. Trotz der umfassenden Informationen kristallisierte sich kein Verdächtiger heraus und langsam begann ich daran zu zweifeln, dass es sich um einen geplanten Mord gehandelt hatte. Immerhin wurde keine Brieftasche bei dem Toten gefunden und sonst auch keine Wertgegenstände, was eher auf einen Raubmord hindeutete. Noch war es zu früh, um das bestimmt sagen zu können, zumal es nicht einmal einen Zeugen gab. Abby hatte, nachdem sie die den Marine identifiziert hatte, das Tonband mit dem anonymen Anruf bearbeitet, aber nichts dabei herausgefunden. Die Telefonnummer gehörte zu einer öffentlichen Telefonzelle vier Blocks vom Tatort entfernt. Der Anrufer war ein Mann gewesen, in dessen Stimme ein Südstaatenakzent mitgeschwungen war und der sich leicht betrunken angehört hatte. Ansonsten hatte das Band nichts hergegeben.
„Was habt ihr?" fragte Gibbs, der gerade das Büro betrat, in der rechten Hand einen Kaffeebecher haltend. Seine Haare waren von dem Regen nass, genauso wie seine Jacke, die er achtlos auf seinen Stuhl warf. Anschließend stellte er sich vor den großen Plasmabildschirm und wartete darauf, dass jemand von uns das Wort ergriff. „Ähm, ja", sagte ich, stand auf und schnappte mir die Fernbedienung, um das Bild des Lance Corporals aufzurufen. Dabei stellte ich mich dichter neben Jethro, als es nötig gewesen wäre. Er roch angenehm nach Kaffee und nach seinem Aftershave, das ich besonders gerne mochte. Ich atmete tief seinen Duft ein, bevor ich mit meinen Ausführungen begann und gleichzeitig versuchte, mein schnell klopfendes Herz zu ignorieren.
„Frank Clarence, geboren und aufgewachsen in Washington. Seine Mutter stammte aus England und sein Vater war Amerikaner. Beide sind bei einem Autounfall ums Leben gekommen, als Frank neun Jahre alt war. Da er sonst keine Verwandten hatte, nicht einmal Großeltern, kam er in ein städtisches Waisenhaus, wo er ziemlich schnell an die falschen Leute geriet. Bereits im Alter von 10 Jahren wurde er zum ersten Mal bei einem Ladendiebstahl erwischt. Sein Vorstrafenregister ist ganz schön lang, bis er mit 19 Jahren wegen Einbruchs verhaftet wurde und der Richter ihn vor die Wahl gestellt hat. Entweder tritt er dem Marine Corps bei oder er wandert in den Knast. Und wie wir alle wissen, hat er sich für das Corps entschieden, sonst würde er jetzt nicht unten bei Ducky liegen."
Gibbs trank einen großen Schluck Kaffee, nickte schließlich und sah zu Ziva, die mir die Fernbedienung aus der Hand genommen hatte und die Dienstakte aufrief. „Der Lance Corporal ist seit sieben Jahren im Dienst", fuhr sie fort und las dabei die Informationen aus der Akte ab, die sie in der Hand hielt. „Am Anfang gab es hin und wieder Schwierigkeiten, da er Probleme gehabt hatte, sich auf dem Stützpunkt in Quantico einzuleben. Er hatte öfters Streit mit Kameraden, aber das hat sich nach drei Monaten gelegt und er hat sich anscheinend in sein Schicksal gefügt. Seitdem ist seine Dienstakte weiß wie frisch gefallener Schnee." „Das stimmt auch mit dem überein, was mir sein Vorgesetzter erzählt hat", mischte sich nun McGee ein, der bis jetzt schweigend unseren Ausführungen gelauscht hatte. „Commander Travis hat mir berichtet, dass er seit Jahren keine Probleme mehr mit Frank Clarence gehabt hat. Er hat seine Arbeit zur Zufriedenheit aller erledigt und hat sich sogar mit den Kameraden gut verstanden, mit denen er am Anfang Streitereien hatte. Keiner kann sich vorstellen, dass ihn jemand tot sehen wollte, zumal er sich wirklich bemüht hat, ein neues Leben zu beginnen – jedenfalls sagen dass seine Zimmergenossen."
„Na schön", meinte Jethro, trank seinen Kaffee aus und warf den leeren Becher gezielt in den Mülleimer, der neben Tims Schreibtisch stand. „Also haben wir einen toten Lance Corporal, der anscheinend keine Feinde hatte und auch sonst mit seinem vorherigen Leben abgeschlossen hatte. Was ist mit denjenigen, die mit ihm im Waisenhaus waren und mit denen er die Einbrüche verübt hat?" „Zwei seiner damaligen Freunde sitzen wegen Mordes hinter Gitter", antwortete McGee. „Und der Dritte ist seit gut einem Jahr tot, nachdem er eine Bank ausgeraubt hat und auf der Flucht erschossen wurde." „Also haben wir zurzeit keine Verdächtigen", sagte Ziva und schlug die Akte in ihrer Hand zu. „Und was machen wir jetzt?" Gibbs sah auf seine Uhr und überlegte für ein paar Sekunden, bevor er erwiderte: „Ihr könnt Feierabend machen. Heute Abend werden wir sowieso nicht mehr viel ausrichten können." Ziva atmete erleichtert auf und auch McGee war nicht unglücklich darüber, endlich nach Hause fahren zu können – immerhin war es bereits nach 18 Uhr. Ich hingegen wurde plötzlich total nervös, denn ich wusste, entweder würde Jethro mich in etwa einer Stunde in die Wüste schicken oder mich leidenschaftlich küssen. Angst vor der ersten Variante kroch in mir empor, aber dann erinnerte ich mich an Duckys Worte, dass alles gut werden würde. Irgendwie teilte ich seine Zuversicht jedoch nicht ganz.
Langsam ging ich zu meinem Platz, hob die Akten vom Boden auf und fuhr meinen PC herunter. Ziva hatte bereits ihre Sachen gepackt, genauso wie McGee, der uns einen schönen Abend wünschte und zum Fahrstuhl eilte. „Kommst du, Tony?" fragte meine Kollegin und hängte sich ihren Rucksack um. „Ich muss noch kurz etwas erledigen. Du brauchst nicht auf mich zu warten", erwiderte ich und erhielt dafür einen verwunderten Blick. Aber da ich keine Anstalten machte, ihr zu erklären, weshalb ich länger blieb, zuckte sie die Schultern und folgte Tim, der soeben im Fahrstuhl verschwunden war.
Als ich sicher war, dass die beiden weg waren, sah ich auf und zu Gibbs, der an seinem Platz saß und etwas auf dem Bildschirm las. In meinem Hals bildete sich ein großer Kloß und mein Puls schoss in ungeahnte Höhen. „Nur Mut, Anthony", murmelte ich und bevor ich es mir anders überlegen konnte, stand ich auf und ging zu meinem Boss, der, als mein Schatten auf den Tisch fiel, aufblickte. Überrascht hob er eine Augenbraue, aber gleich darauf erhellte sich sein Gesicht etwas. „Ich dachte, du bist schon gegangen", sagte er und seine Stimme klang ganz anders als sonst, nicht so schroff, sondern eher weich. Ich schluckte, fuhr mir nervös durch meine Haare und setzte ein kleines Lächeln auf. „Nun ja, ich wollte… also, ich habe mich gefragt, ob du vielleicht Lust hast, mit mir ein Bier zu trinken. Ich habe gestern Abend ein paar Flaschen eingekühlt und ich finde es besser, sie in Gesellschaft zu leeren als alleine." Ich hielt inne und wartete mit wild klopfendem Herzen auf Jethros Reaktion, der mich mit schiefgelegtem Kopf musterte. Würde er ja sagen oder es vorziehen, an seinem Boot weiterzubauen? Mein Blut rauschte laut in meinen Ohren und ich fing an, meine Hände zu kneten, da er noch immer nichts gesagt hatte. Der Kloß in meinem Hals wurde noch größer und als er mir schließlich seine Entscheidung mitteilte, zuckte ich unwillkürlich zusammen, als seine Stimme an mein Ohr drang. „In Ordnung", meinte er. „Du hast Recht, ein Bier sollte man besser nicht alleine trinken, noch dazu bei diesem Wetter." Ich wusste nicht, ob ich erleichtert sein sollte, denn anstatt dass sich mein Puls beruhigte, erhöhte er sich noch um ein Stückchen mehr. Ich sah zu, wie Gibbs seinen PC abschaltete und sich seine Jacke schnappte. „Und ich habe schon geglaubt, du würdest lieber an deinem Boot bauen", sagte ich, um das Schweigen zu unterbrechen. „Ach, das läuft mir nicht davon", erwiderte er und ging bereits Richtung Fahrstuhl. Verwundert sah ich ihm hinterher. Hatte ich das eben richtig verstanden? Er zog mich seinem Boot vor? Ein breites Lächeln bildete sich auf meinen Lippen. „Was ist nun?!" rief er mir zu, da ich noch immer am selben Fleck stand. Deshalb nahm ich mir schnell meine Jacke, den Rucksack und quetschte mich in die Kabine, bevor sich die Türen ganz schlossen.

Fortsetzung folgt...
Chapter 9 by Michi
Während der dreißig Minuten, die die Fahrt zu meinem Haus dauerte, sah ich sicher mindestens 20 Mal in den Rückspiegel, um sicher zu gehen, dass mir Gibbs folgte. Er hatte darauf bestanden, seinen eigenen Wagen zu nehmen und ich wusste nicht, ob ich das als gutes oder als schlechtes Zeichen auffassen sollte. Es war beinahe so, als ob er damit rechnete, bald wieder aufzubrechen. „Jetzt mal nicht gleich den Teufel an die Wand", murmelte ich und schaltete das Radio ein, um mich ein wenig abzulenken. Die Scheibenwischer schafften es nur mit Mühe, den Regen von der Windschutzscheibe zu wischen und die Straßenverhältnisse verschlechterten sich auch zusehends. Ständig kamen neue Berichte von lokalen Überflutungen und Sperren. Wenigstens war die Strecke, die ich immer fuhr, halbwegs befahrbar, bis auf den dichten Verkehr, der um diese Uhrzeit herrschte.
Je näher wir meinem Haus kamen, desto größer wurde meine Nervosität. Eigentlich hatte ich mir die richtigen Worte zu Recht legen wollen, aber irgendwie fühlte sich mein Gehirn wie leergefegt an. Egal wie hartnäckig ich versuchte, mir Sätze parat zu legen, es funktionierte einfach nicht. Irgendwann gab ich es auf und konzentrierte mich nur noch auf den Verkehr.
Eine halbe Stunde später, nachdem ich beim Hauptquartier weggefahren war, bog ich in die ruhige Straße ein, in der mein Haus lag. Die Dämmerung war nun vollkommen hereingebrochen und verlieh – gepaart mit den dunklen Wolken – dem Abend etwas Düsteres. Die Laternen verströmten nur wenig Licht und waren durch den Regen verschwommen zu erkennen. Die meisten Fenster der anderen Häuser waren beleuchtet und jeder der Bewohner hielt sich im Inneren auf. Normalerweise war um diese Uhrzeit mindestens ein Rasenmäher zu hören, aber heute war niemand unterwegs – außer er hatte das Bedürfnis, sich eine Lungenentzündung zu holen.
Ich stellte meinen Wagen in der Einfahrt ab und sah im Rückspiegel, dass Gibbs hinter mir hielt. Um mir Mut zu machen, holte ich tief Luft, zog den Schlüssel ab, schnappt mir meine Sachen und öffnete die Tür. Prompt schlug mir Regen ins Gesicht und durchnässte mich innerhalb von Sekunden. „Na toll", sagte ich und wartete auf Jethro, der ebenfalls ausstieg und auf mich zukam. Aber plötzlich veränderte sich die Atmosphäre und mir stellten sich sämtliche Nackenhaare auf. Ein kalter Schauer, der nichts mit dem Wetter zu tun hatte, lief mir über den Rücken. Das Gefühl beobachtet zu werden ergriff von mir Besitz und verdrängte die Nervosität der letzten Minuten aus meinem Inneren. Ich sah mich um, konnte aber durch den dichten Regen nicht viel erkennen. Es war ruhig in der Straße, bis auf das monotone Rauschen des Wassers von oben.
„Alles in Ordnung?" fragte mich mein Boss und blieb neben mir stehen. Ich riss mich von meiner Nachbarschaft los und da ich niemanden sonst sah, schob ich meine Reaktion auf meine flatternden Nerven. „Sicher. Alles bestens." Gemeinsam eilten wir zu der Tür, die ich in Rekordtempo aufschloss, und bevor ich sie wieder zumachte, sah ich erneut nach draußen, konnte aber niemanden erkennen. Davon überzeugt, dass ich überreagiert hatte, sperrte ich das nasskalte Wetter aus und schaltete das Licht ein, das den Vorraum in angenehme Helligkeit tauchte. Links führte eine Treppe – neben der ich meinen Rucksack zu Boden fallen ließ - in die obere Etage und rechts befand sich eine Tür, hinter der sich ein Schrank verbarg. In eben jenen hängte ich auch unsere beiden tropfnassen Jacken und führte meinen Gast in das gemütlich eingerichtete Wohnzimmer. Auch hier schaltete ich das Licht ein, das die Einrichtung aus der Dunkelheit hervorholte. Die breite Glastür, die auf die Terrasse hinausführte, war von dem Regen nass und spiegelte das Innere des Raumes wider. Gegenüber befand sich ein gemauerter Kamin, den ich vor allem im Winter gerne benutzte. Rechts neben dem Kamin war ein hohes Regal, das mit Büchern gefüllt war – überwiegend Krimis. In der Mitte des Wohnzimmers standen ein großes helles Sofa, zwei dazupassende gemütliche Sessel und ein rechteckiger Holztisch, auf dem sich einige DVDs stapelten. Mein ganzer Stolz war der Flachbildfernseher, der in angemessenem Abstand vor der Couch stand.
Die in hellem Gelb gestrichenen Wände wurden von einigen Bildern verziert, die vorwiegend Landschaften oder Autos zeigten. Gibbs sah sich interessiert um und nickte dann anerkennend. „Nicht schlecht", sagte er und betrachtete die DVDs, die auf dem Tisch lagen. „Eigentlich lasse ich die nicht so herumliegen, aber ich hatte gestern keine Zeit mehr, sie wegzuräumen. Außerdem habe ich nicht damit gerechnet, heute Besuch zu haben." „Nein?" fragte er nach. Ich schüttelte den Kopf und erwiderte: „Setz dich schon mal hin. Ich hole das Bier." Ich ging auf die Tür zu, die in die Küche führte, als mich seine Stimme inne halten ließ: „Also, worüber willst du mit mir sprechen?" Irritiert drehte ich mich um. Auf Jethros Lippen bildete sich ein kleines Lächeln, als er mein verdutztes Gesicht sah. „Wir beide wissen, dass das Bier nur eine Ausrede war, Tony. Also, worüber willst du mit mir sprechen?" Und da war er wieder, dieser verdammte große Kloß in meinem Hals, der mir fast die Luft abschnürte. Seine Worte hatten mich vollkommen unvorbereitet getroffen und ich wusste nicht richtig, was ich jetzt machen sollte. Sollte ich ihm widersprechen oder gleich zur Sache kommen? Aber was sollte ich nur sagen?
„Ähm, tja", begann ich zögerlich und verwünschte meine Stimme, die auf einmal kratzig klang. Nervös fuhr ich mir durch die nassen Haare und beobachtete Gibbs, der sich auf das Sofa setzte und mir gespannt entgegenblickte. „Hat es dir die Sprache verschlagen?" fragte er amüsiert und hob eine Augenbraue. „So ähnlich", gab ich zu und ging schließlich langsam auf ihn zu. Ich wusste, ich könnte mich jetzt auf einen der Sessel niederlassen, etwas Abstand zwischen uns bringen, aber bei dem Gespräch, was ich mit ihm führen würde, wollte ich in seiner Nähe sein. Deshalb setzte ich mich neben ihn und drehte mich so, dass ich ihm direkt ins Gesicht sehen konnte – ein Gesicht, das mich Tag und Nacht verfolgte. In seinen Augen lag ein neugieriger Ausdruck, gepaart mit einer Zärtlichkeit, die mir einen wohligen Schauer verursachte. Ob er wohl ahnte, was ich gleich sagen würde? Ich holte tief Luft und obwohl ich keinen blassen Schimmer hatte, wie ich anfangen sollte, begann ich trotzdem zu sprechen.
„Du hast mir gerade einen Strich durch die Rechnung gemacht. Eigentlich wollte ich mir bei dem Bier die richtigen Worte zu Recht legen aber nun bleibt mir nichts übrig, als ein wenig zu improvisieren." Ich hielt inne und als Jethro den Mund aufmachte, fuhr ich ganz schnell fort, ohne ihm die Chance zu lassen, etwas zu erwidern. „Nein, lass mich bitte ausreden, bevor ich wieder den Faden verliere. Bei unserem Gespräch vor etwa drei Wochen im Krankenhaus habe ich dir gesagt, ich würde etwas Zeit brauchen, um mir über meine Gefühle dir gegenüber klar zu werden, erinnerst du dich?" Er legte seinen Kopf ein wenig schief und nickte. „Ja, ich erinnere mich sogar an jedes einzelne Wort." Sein Blick wurde intensiver und das Blau in seinen Augen begann zu funkeln. Für einen kurzen Moment verlor ich mich darin, bevor ich mir klar wurde, weshalb ich mit Gibbs auf der Couch saß. Ich räusperte mich und sprach weiter: „Nun, es ist so, dass ich mir jetzt über meine Gefühle im Klaren bin. In meinem Inneren herrscht kein Chaos mehr." Auf meinen Lippen bildete sich ein Lächeln und ich spürte, wie mich die Nervosität verließ und ich immer entspannter wurde. „Die letzten Tage waren die schönsten in meinem Leben, auch wenn du mich wie immer herumgescheucht, mich angeschrien und mir Kopfnüsse verpasst hast. In letzter Zeit bin ich sogar am Morgen viel leichter aufgestanden, da ich wusste, ich würde dich sehen, in deiner Nähe sein." Ich hielt inne und sah Gibbs direkt in seine Augen, die mich noch immer intensiv musterten, aber nicht verrieten, was er von meinem kleinen Monolog hielt. Ich schluckte den Kloß in meinem Hals hinunter und holte noch einmal tief Luft, bevor ich die Worte über meine Lippen brachte, die alles verändern würden, egal wie er darauf reagieren würde. „Was ich damit sagen will, ist, Jethro, ich liebe dich."

Fortsetzung folgt...
Chapter 10 by Michi
Die Sekunden verstrichen, ohne dass einer von uns etwas sagte. Gibbs saß direkt vor mir und sah mich lediglich an, aber seiner Miene konnte ich nicht entnehmen, was er über mein Geständnis dachte. Unwillkürlich hielt ich den Atem an, aus Angst, ich würde sonst die Worte überhören, die er eventuell von sich geben würde. War vor kurzem meine Nervosität verschwunden gewesen, so kehrte sie jetzt mit aller Macht zurück. Mein Herzschlag wurde schneller und dröhnte laut in meinen Ohren. Angst kroch in mir empor und ich stieß den angehaltenen Atem wieder aus, wartete auf seine Reaktion. ‚Wieso sagt er nichts?' fragte ich mich selbst und fing an, an meiner Unterlippe herumzukauen. Der Kloß in meinem Hals bildete sich erneut und erschwerte mir das Luft holen. Das Schweigen zwischen uns dehnte sich weiter aus und nur das monotone Plätschern des Regens, der gegen die Fensterscheiben prasselte, war zu hören. Ich schluckte krampfhaft und da ich die Stille nicht mehr länger ertragen konnte, öffnete ich meinen Mund, um etwas zu sagen. Bevor ich jedoch die erste Silbe hervorbringen konnte, rührte sich Jethro endlich und rückte dichter an mich heran, sodass nur wenige Zentimeter Abstand zwischen uns herrschten. Ich konnte die Wärme, die von seinem Körper ausging, richtiggehend fühlen und der Geruch nach Sägespänen, der ihn stets zu begleiten schien, umnebelte meine Sinne.
Langsam hob er seine Hand und ich zuckte unwillkürlich zusammen, da ich dachte, er würde mir jetzt einen saftigen Klaps auf den Hinterkopf verpassen, aber stattdessen legte er sie mir sanft auf meine linke Wange. Sein Atem strich warm über meine Haut und das Einzige was ich sah, waren seine blauen Augen, die mich voller Wärme anblickten. Eine Sekunde später hatte er die letzte Distanz zwischen uns überbrückt und drückte seine Lippen zärtlich auf meine. Ein unglaubliches Glücksgefühl durchströmte mich und ich schloss meine Augen, genoss den sanften Kuss, den er mir schenkte. Der riesige Felsbrocken, der seit Wochen auf meiner Brust lastete und mir mehr als einmal den Atem genommen hatte, zersprang in tausend kleine Trümmer und verschwand schließlich komplett. Plötzlich war alles ganz einfach, vergessen war die Verlegenheit, die viel zu oft zwischen uns geherrscht hatte, vergessen waren die Streitereien, die wir gehabt hatten, vergessen war das Gefühlschaos, das in meinem Inneren getobt hatte und es zählte auch nicht mehr, dass Jethro mein Vorgesetzter war, mein Boss. Hier und Jetzt waren wir gleichgestellt, auf derselben Ebene.
Mein Herzschlag beschleunigte sich noch einmal, aber diesmal nicht, weil ich Angst hatte, sondern vor Liebe, grenzenloser Liebe, die ich für diesen Mann empfand.
Unser Kuss war weiterhin zärtlich, nicht von Leidenschaft geprägt, sondern von den Gefühlen, die wir füreinander hegten. Obwohl er nichts gesagt hatte, wusste ich, was er für mich empfand, wusste mit Bestimmtheit, dass er mich genauso liebte wie ich ihn. Ich verzog unwillkürlich meine Lippen zu einem Lächeln und spürte, wie Gibbs es mir gleichtat. Das Glück in meinem Inneren schwoll stetig an und ich wollte ihn gar nicht mehr loslassen. Aber dennoch unterbrach ich schließlich unseren Kuss, weil ich wollte, dass er mir sagte, was er empfand – ich wollte von ihm hören, was ich durch seine Berührung hindurch gefühlt hatte.

Ich öffnete meine Augen, registrierte weder das helle Licht, das in dem Wohnzimmer ausleuchtete noch das scheußliche Wetter, das draußen herrschte, sondern konzentrierte mich nur auf den Mann, der vor mir saß. Sein Atem ging etwas schneller als normal und das Blau in seinen Augen war leicht verhangen. Er nahm seine Hand, die die ganze Zeit an meiner Wange geruht hatte, herunter, griff – ohne unseren Blickkontakt zu unterbrechen – nach meiner Rechten und legte sie auf seine Brust, genau an die Stelle, wo sein Herz kräftig schlug. Seine Finger ruhten auf den meinen, drückten sie sanft gegen seinen Körper. Das Lächeln auf seinen Lippen verschwand und machte Ernsthaftigkeit Platz. „Ich liebe dich auch, Tony", sagte er schließlich mit fester Stimme. „Mehr als alles andere auf dieser Welt." Die Gefühle, die er empfand, funkelten regelrecht in seinen Augen: Zärtlichkeit, Liebe, aber auch Leidenschaft und Verlangen.
Das Gefühl, das mich bei seinen Worten durchströmte, war unbeschreiblich schön und ich ließ meine Hand, die noch immer auf seinem Herzen lag, nach oben gleiten, sodass seine Finger von meinen rutschten. Ich umfasste seinen Nacken, übte ein wenig Druck aus und zog damit seinen Kopf an mich heran. Unsere Lippen trafen sich erneut zu einem Kuss, der am Anfang noch sanft war, aber mehr und mehr leidenschaftlich wurde. Ich legte das gesamte Verlangen hinein, das ich in den letzten Wochen gespürt hatte und das so lange unerfüllt geblieben war.
Mit meiner Zunge fuhr ich langsam an Gibbs' Unterlippe entlang und er öffnete bereitwillig seinen Mund, um mich einzulassen. Sein ureigener männlicher Geschmack überflutete meine Sinne und raubte mir beinahe den Atem. Er legte seine Hände auf meine Hüften, zog mich ganz nahe zu sich heran und begann langsam mit seinen Fingern meinen Rücken hinaufzuwandern. Es war eine federleichte Berührung, aber dennoch jagte mir ein Schauer nach dem anderen durch meinen Körper. Mir entschlüpfte ein leises Stöhnen, das von seinem Mund gedämpft wurde, aber dennoch laut in meinem Kopf widerhallte. Unser Kuss schien eine Ewigkeit zu dauern. Als wir uns voneinander lösten, waren wir beide außer Atem und erst jetzt bekam ich mit, dass ich halb auf Jethros Schoß saß, aber ihn schien das nicht zu stören.
Seine Augen funkelten regelrecht vor Begehren und auf seinem Mund lag ein seliges Lächeln. „Du schmeckst noch genauso gut wie ich es in Erinnerung habe", sagte er leicht keuchend und spielte mit einem Finger an meinem silbernen Ohrring herum. „Und deine Lippen sind noch genauso weich wie ich sie in Erinnerung habe", erwiderte ich mit kratziger Stimme und stieß keuchend den Atem aus, als er seinen Finger durch seine Zunge ersetzte. Er knabberte leicht an dem Läppchen, bevor er zu meinem Hals weiterwanderte und dabei eine feuchte Spur zog. Mir wurde plötzlich ganz heiß und die Stelle, die er gerade berührte, schien förmlich zu glühen. Ich schloss genießerisch meine Augen und tastete blind mit meinen Händen über seinen Körper, schob sie unter sein Jackett und streifte es schließlich über seine Schultern. Ohne von meinem Hals abzulassen, bewegte sich Gibbs ein wenig und half mir damit, das Kleidungsstück auszuziehen. Achtlos warf ich es zur Seite, stützte mich an der Lehne des Sofas ab, erhob mich leicht, kniete mich links und rechts seiner Oberschenkel hin und setzte mich schließlich auf seine Beine.
Er unterbrach seine Erkundungstour an meinem Hals und deshalb öffnete ich wieder meine Augen. „Bin ich zu schwer?" fragte ich und grinste amüsiert. Jethro schüttelte den Kopf, umfasste mein Gesicht mit beiden Händen und zog es zu sich herunter, um mich voller Leidenschaft zu küssen. Ich vergrub meine Finger in seinen noch leicht feuchten Haaren, zerzauste sie und presste mich eng an ihn. Da ich fast auf seiner Körpermitte saß, spürte ich deutlich seine wachsende Erregung und Vorfreude breitete sich in mir aus. Langsam bewegte ich meine Hüften, um ihn noch mehr zu reizen, sorgte damit, dass er von Sekunde zu Sekunde härter wurde und als Belohnung erhielt ich ein lautes Stöhnen seinerseits.
„Das machst du mit Absicht", keuchte er leise an meinen Lippen. Ich grinste darauf nur und fing an, die Haut an seinem Hals zu liebkosen. Gibbs ließ seine Hände an meinem Rücken hinabgleiten und zog mit einem Ruck mein Hemd aus der Hose. Kurz darauf wanderten seine Finger über meine nackte Haut, schoben das Kleidungsstück immer weiter nach oben. Heiße Lust begann durch meine Adern zu pulsieren und langsam setzte mein Denken aus, ich ließ mich nur noch von meinen Gefühlen leiten.

In meiner Hose wurde der Platz bereits viel zu eng und das Blut schoss unglaublich schnell in Richtung Körpermitte. Ich löste meine Lippen von Jethros Hals und sein zufriedenes Grinsen verriet mir, dass er genau wusste, welche Wirkung seine Berührungen auf mich hatten. Er sah mich mit seinen vor Leidenschaft leuchtenden Augen an und brachte damit meinen Vorsatz, es langsam angehen zu lassen, zum Einsturz. Ich packte sein Poloshirt und ohne lange zu überlegen, zog ich es ihm über den Kopf, nur um festzustellen, dass er darunter ein weiteres weißes T-Shirt trug. „Was ist?" fragte er, als er meinen Blick registrierte. „Ich habe ja nichts dagegen, dich wie ein Geschenk auszupacken", antwortete ich und warf das Kleidungsstück einfach hinter mich, wo es irgendwo auf dem Boden landete. „Aber du hast für meinen Geschmack einfach zu viel an." „Wenn ich gewusst hätte, wie der heutige Tag enden würde, hätte ich am Morgen nicht so viel angezogen", erwiderte Gibbs und fing an, den ersten Knopf meines Hemdes zu öffnen. Als er den Zweiten geschafft hatte, schob er mich sanft ein Stück zurück, sodass er ein wenig mehr Spielraum hatte und drückte seine weichen Lippen auf meine entblößte Brust. Er bedeckte meine Haut mit kleinen Küssen, während seine geschickten Finger einen Knopf nach dem anderen öffneten. Mein Atem beschleunigte sich, genauso wie mein Herzschlag und die Hitze in meinem Inneren verwandelte sich in ein regelrechtes Glühen.
Ohne zu zögern streifte er mir das Hemd über die Schultern und ließ es zu Boden fallen, wo es vor dem Sofa landete. „Schon viel besser", murmelte er und begann an meiner linken Brustwarze zu knabbern. Ein lauteres Stöhnen als vorher kam über meine Lippen und ich erschauerte unwillkürlich. Jethros Hände wanderten über meinen Oberkörper, streichelten sanft meinen nackten Bauch, um kurz darauf weiter nach unten zu gleiten und sich auf meine Erektion zu legen. Langsam bewegte er seine Handfläche auf und ab, wurde mit jeder Sekunde schneller und ich hatte das Gefühl, gleich explodieren zu müssen. Ich ließ meinen Kopf in den Nacken fallen, drängte mich ihm entgegen und flehte innerlich, er möge mir endlich meine Hose ausziehen. Als ich bereits glaubte, mich nicht mehr länger zurückhalten zu können, ließ Gibbs von mir ab. Sein Mund wanderte von meiner Brust wieder nach oben, über meinen Hals und legte sich begierig auf meine Lippen. Ich umschlang ihn mit meinen Armen, spürte durch das Shirt hindurch, wie er erschauerte und zog es ihm schließlich aus der Hose. Wir unterbrachen den Kuss nur so lange, bis ich es ihm ausgezogen hatte und auch dieses Kleidungsstück landete irgendwo in meinem Wohnzimmer. Ich erkundete seinen Körper, so als ob es das erste Mal wäre, prägte mir jede Vertiefung ein, genoss das Gefühl, seine geschmeidigen Muskeln und seine Haut spüren zu dürfen.

„Weißt du, ich habe auch ein Schlafzimmer", sagte ich nach einer schieren Ewigkeit atemlos. „Dort hätten wir viel mehr Platz und es ist sicher gemütlicher." Bei meinen Worten huschte über Gibbs' Lippen ein Lächeln, das ich noch nie bei ihm gesehen hatte und das mir eine unglaubliche Wärme in meinem Inneren bescherte. Seine Augen funkelten mich voller Liebe an und als ich mich endlich von seinem Schoß erhob, wäre ich fast eingeknickt, da meine Knie ganz weich waren. „Probleme mit dem Gleichgewicht, Tony?" fragte er neckend und stand auf. „Du hast einfach so eine umwerfende Wirkung auf mich", gab ich lächelnd zurück, nahm seine Hand in meine und zog ihn aus dem Wohnzimmer zur Treppe.
Mehr stolpernd als gehend – da wir uns auf dem Weg in die erste Etage erneut küssten – erklommen wir die Stufen. Ich zog ihn auf die zweite Tür rechts zu und da er mich mit dem Rücken dagegen presste, blieb mir nichts anders übrig, als so nach der Klinke zu tasten. Als ich sie endlich gefunden hatte und sie nach unten drückte, wären wir beinahe gemeinsam in den Raum gefallen - nur mit Mühe hielten wir uns auf den Beinen. Im Schlafzimmer herrschte ein düsteres Zwielicht, nur schwach drang ein wenig Licht von der Straßenbeleuchtung herein. Die Möbel zeichneten sich als dunkle Schatten ab und deutlich konnte man das Doppelbett sehen, das an der hinteren Wand stand und auf uns wartete. Mit wenigen Schritten waren wir an unserem Ziel angelangt und ich knipste die kleine Lampe auf dem Nachttisch an, die sogleich den Raum gedämpft erhellte.
Normalerweise sah man sich in einem Zimmer, das man zum ersten Mal betrat, um, aber Gibbs hatte nur Augen für mich. Bestimmt zog er mich in seine Arme und küsste mich voller Inbrunst. Ich schob meine rechte Hand zwischen uns, legte sie auf seine harte Erektion und fing an, ihn zu streicheln, so wie er es ein paar Minuten zuvor bei mir getan hatte. Sein Stöhnen wurde durch unseren Kuss gedämpft und er drängte sich mir entgegen. Ohne zu zögern nahm ich meine zweite Hand zur Hilfe, öffnete seine Hose und schob sie ihm samt Boxershorts über die Hüften. Ich löste meine Lippen von den seinen und rutsche gleichzeitig mit den beiden Kleidungsstücken nach unten.
Er kickte seine Schuhe von den Füßen und stieg komplett aus der Hose, um schließlich nackt vor mir zu stehen. Sein Glied war voll erigiert und als ich es langsam mit einem Finger entlangfuhr, erzitterte Jethro. Als ich meinen Finger durch die Zunge ersetzte, knickten seine Knie ein wenig ein und sein lustvolles Keuchen hallte in dem Zimmer wider. Ich fuhr langsam die gesamte Länge entlang, kostete damit seinen Geschmack, der innerhalb des Bruchteils einer Sekunde meine gesamten Sinne überflutete. Mit den Zähnen schabte ich vorsichtig über die sensible Haut, wanderte wieder nach oben, wo ich mit meiner Zunge über die empfindsame Spitze leckte und in den Genuss der ersten Lusttropfen kam, die sich gebildet hatten.
Um ihn ein wenig zu quälen, nahm ich ihn nur langsam in meinen Mund auf, schloss zuerst meine Lippen um die Eichel, die ich weiterhin mit meiner Zunge liebkoste, ehe ich beinahe seine gesamte Länge mit meinem Mund umschloss. Meine Hände legte ich auf seine Hüften und ich konzentrierte mich nur darauf, ihm unglaubliche Lust zu schenken.
Gibbs drängte sich mir entgegen, schob sich noch tiefer in meinen Mund und vergrub seine Hände in meinen Haaren. Während ich meinen Kopf in einem langsamen Rhythmus hob und senkte, ließ ich meine Zunge über die Unterseite seines Gliedes fahren, so lange, bis er sich meinen Bewegungen anpasste, meinen Namen immer wieder heiser flüsterte und sein gesamter Körper erschauerte. Ich spürte richtiggehend, wie sich seine Muskeln anspannten, weshalb ich schlussendlich von ihm abließ, da ich nicht wollte, dass es zu schnell vorbei war.
Sein Atem kam stoßweise und auf seiner Stirn hatten sich Schweißtropfen gebildet. Ich erhob mich und wollte ihn küssen, aber stattdessen packte er meine Oberarme, drehte mich um und schubste mich auf das Bett, sodass ich mit dem Rücken auf der Matratze landete. Bevor ich mich aufrichten konnte, legte er sich auf mich und presste mich mit seinem Gewicht nieder. Seine Hände wanderten rastlos über meinen Körper, ließen meine Nerven in Flammen aufgehen. Seine heiße Zunge zog eine feuchte Spur über meinen Hals, über meine Brust hinunter bis zu meinem Bauch, wo er an meinem Nabel Halt machte und ihn quälend langsam umkreiste.
Ich hob meine Hüften an, um ihm zu signalisieren, dass er weiter hinunter gehen sollte und er erfüllte mir den Wunsch. Seine Lippen pressten sich an die Haut unter meinem Nabel, während seine Finger an meiner Hose herumnestelten. Gibbs öffnete den Gürtel, gefolgt vom Knopf und zog schließlich den Reißverschluss nach unten. Kurz darauf warf er mir einen schelmischen Blick zu, dann schob er seine Hand in meine Boxershorts und umfasste mein Glied. Da ich noch immer die Hose trug, hatte er nicht wirklich viel Platz, aber es reichte aus, um mich fast verrückt werden zu lassen.
Heiße Erregung überkam mich und ich keuchte seinen Namen. Er streichelte mich weiter, bis ich mich vor Lust unter ihm wand und er sich endlich dazu entschloss, das lästige Hindernis wegzuräumen. Ungeduldig zog er mir die Jeans über meine Hüften, gefolgt von den Boxershorts und gemeinsam mit meinen Schuhen landeten sie irgendwo in dem Raum.
In voller Vorfreude, dass er mich genauso mit dem Mund verwöhnen würde wie ich ihn, biss ich mir auf meine Unterlippe, aber er ließ seine Lippen wieder an meinem Körper hinaufwandern, um sie auf meine zu pressen. Seine Zunge fuhr an meiner entlang und als er sich aufsetzte, folgte ich ihm, da ich ihn nicht loslassen wollte. Als wir beide keine Luft mehr bekamen, lösten wir uns voneinander und Jethro sah mir in die Augen, in denen jene Lust glänzte, die ich selbst empfand. Ich wusste sofort, was er wollte, weshalb ich meine Hand zum Nachttisch wandern ließ, aber bevor ich ihn erreichen konnte, versetzte er mir einen Stoß, sodass ich erneut mit dem Rücken auf der Matratze zum Liegen kam. Er beugte sich über mich, öffnete die oberste Schublade und holte eine kleine Tube Gleitgel hervor, die er mit einem schiefen Lächeln betrachtete.
„Ich habe gar nicht gewusst, dass das zu deiner üblichen Ausstattung im Schlafzimmer gehört", sagte er ein wenig heiser und ich spürte, wie mir die Röte ins Gesicht schoss. „Gehört es im Prinzip auch nicht, aber seit unserer ersten Nacht im Hotel… also, anschließend habe ich mir gedacht, vielleicht brauche ich so etwas noch einmal… es war nur eine reine Vorsichtsmaßnahme und…" Gibbs unterbrach mein Gebrabbel, indem er mich ausgiebig küsste, ehe er sich wieder aufrichtete, sich auf meine Oberschenkel setzte, ein wenig von dem Gel auf seinem rechten Zeigefinger verteilte und nach hinten fasste, um sich selbst vorzubreiten.
Meine Augen weiteten sich, hatte ich doch angenommen, dass er mich nehmen würde und nicht umgekehrt. Alleine dieses Wissen reichte aus, um mich beinahe kommen zu lassen, weshalb ich mein Glied umfasste und ein wenig zudrückte, bis das Gefühl, gleich zu explodieren, nachließ. Jethro blickte mich die ganze Zeit an und es kam mir wie eine Ewigkeit vor, als er das Gel erneut zur Hand nahm und es auf meine Erektion rieb, ehe er die Tube zur Seite legte, sich erhob und sich damit mit einer Hand an meiner Schulter abstützte. Langsam ließ er sich auf mir nieder und nahm mich langsam in mich auf.
Er war so unglaublich eng und heiß, dass ich mir unwillkürlich auf die Unterlippe biss und den Drang, ihm meine Hüften entgegenzustrecken und damit schneller in ihn einzudringen, niederkämpfen musste. Gibbs' blaue Augen verschleierten sich und er stöhnte leise auf, als er mich vollkommen in sich aufgenommen hatte.
Wir verharrten für ein paar Sekunden in dieser Stellung, genossen einfach die intime Nähe des anderen, ehe ich mich langsam aufsetzte, meine Hände in seinen Haaren vergrub und ihn voller Leidenschaft küsste.
„Hast du eine Ahnung, wie unglaublich gut du dich anfühlst?" flüsterte er heiser in mein Ohr, umschlang mich mit seinen Füßen und begann sich langsam zu bewegen. Die Antwort, die ich aus meinen noch wenig funktionierenden Hirnzellen geformt hatte, verschwand wieder in den Untiefen meines Bewusstseins, als mich schiere Lust überrollte und ich nichts weiter fühlte als die heiße Enge um mich, die Hitze, die sich langsam in mir aufbaute und die Schweißtropfen, die seitlich an meinem Gesicht hinabliefen.
Automatisch passte ich mich Jethros Rhythmus an, wobei ich den Winkel um eine Winzigkeit änderte und ich eine Sekunde später mit einem erstickten Aufschrei belohnt wurde, als ich den sensiblen Punkt in seinem Inneren berührt hatte. Seine Finger umkrampften leicht schmerzhaft meine Schultern und seine Beine umklammerten fester meine Hüften.
Ich beobachtete, wie er seine Augen schloss und sich ganz auf die Bewegung konzentrierte, mit der er mir beinahe den Verstand raubte. Die Hitze, die in mir loderte, wurde mit jeder Bewegung, die wir gemeinsam ausführten, intensiviert und ich hatte das Gefühl, von innen heraus zu verbrennen. Ich krallte mich an seinen Oberarmen fest, legte meine linke Wange an seine rechte, nur um sie gleich darauf mit kleinen Küssen zu überhäufen.
Unser gemeinsames Keuchen erfüllte den Raum, als wir unaufhaltsam auf die Erfüllung zusteuerten. Jethro steigerte nach und nach sein Tempo und in mir baute sich eine Spannung auf, die kurz davor stand, zu explodieren. Ich hielt mich zurück, versuchte es hinauszuzögern, aber es war ein vergeblicher Versuch. Er kontrahierte bewusst seinen Muskel, der mein Glied fest umschlossen hielt und das reichte aus, dass ich den Kampf verlor. Ich warf meinen Kopf in den Nacken, stieß einen Schrei aus und ergoss mich heiß in ihn, als mich der Höhepunkt mit Wucht überrollte. Wie durch einen Nebel hindurch bekam ich mit, wie Gibbs zwischen uns fasste und sich selbst mit wenigen kurzen Bewegungen seiner Hand zum Orgasmus brachte. Sein gesamter Körper versteifte sich, er rief meinen Namen und ich spürte, wie ein Teil seines Samens warm auf meinem Bauch landete.
Unfähig, uns irgendwie zu bewegen, umschlangen wir uns mit den Armen, pressten uns aneinander und gaben uns gegenseitig Halt, um darauf zu warten, irgendwann wieder in die Realität zurückzukehren.

Fortsetzung folgt...
Chapter 11 by Michi
Diesmal war es anders als beim ersten Mal. Wir lagen eng aneinander gekuschelt da – Gibbs auf dem Rücken und ich hatte meinen Kopf auf seine linke Schulter gebettet. Meine rechte Hand ruhte auf seinem Herzen, dessen Schlag sich wieder beruhigt hatte, vor ein paar Minuten aber noch gerast war. Seine Haut war leicht verschwitzt und er roch äußerst männlich. In dem Schlafzimmer hing noch immer der Geruch von der Leidenschaft, die uns ergriffen hatte und auch jetzt noch in einem Winkel meines Körpers verborgen war, nur um darauf zu warten, erneut geweckt zu werden. Ich fühlte mich unbeschwert und meine Gliedmaßen waren bleischwer, aber dennoch widerstand ich dem Drang, meine Augen zu schließen – irgendwie hatte ich Angst, das Ganze wäre nur ein Traum und ich würde schlussendlich alleine in dem großen Bett aufwachen.
Zwischen Jethro und mir herrschte seit unserem mehr als heftigen Höhepunkt Schweigen – ein Schweigen, das diesmal nicht verlegen war, so wie es vor über drei Wochen gewesen war. An diesem Abend war es einvernehmlich und friedlich. Wir genossen unsere Nähe und lauschten dem Regen, der gegen das Fenster prasselte – sonst war nichts zu hören, außer unser gleichmäßiger Atem. Ich hatte sogar den Eindruck, dass sich unsere Brustkörbe synchron hoben und senkten, so als ob wir miteinander verschmolzen wären. In diesem Moment fühlte ich mich unglaublich glücklich und ich hatte das Gefühl, meine gute Laune würde nie wieder vergehen. Ich konnte es immer noch nicht so recht glauben, dass Gibbs und ich jetzt ein Paar waren, das wir uns bedingungslos liebten. Noch vor einem Monat waren wir einfach Boss und Untergebener gewesen und alleine die Vorstellung, dass ich einmal eine Partnerschaft mit einem Mann eingehen könnte, war mehr als lächerlich gewesen – aber jetzt hatte sich alles verändert und mittlerweile war ich froh, den Undercovereinsatz gemacht zu haben. Er hatte mir buchstäblich die Augen geöffnet und mich in die richtige Richtung und in eine Beziehung gelenkt, die sicher nicht immer einfach werden wird. Immerhin waren wir beide ziemlich große Sturköpfe, aber momentan machte ich mir deswegen keine Sorgen. Zu groß war das Glück, das mein Innerstes anfüllte.
Ich sah auf – ohne den Kopf zu bewegen – und blickte zu Gibbs, dessen Augen geschlossen waren. Aber ich wusste, dass er nicht schlief. Die Finger seines linken Armes - mit dem er mich fest umschlungen hatte, so als ob er mich nie wieder loslassen wollte - fuhren in regelmäßigen Abständen über meinen bloßen Oberarm und jagten mir wohlige Schauer durch meinen Körper. Auf seinen Lippen lag ein seliges Lächeln und seine Haare waren besonders an den Stellen zerzaust, an denen ich mit meinen Händen durchgefahren war, als wir uns geliebt hatten. Das Licht von der Lampe auf dem Nachttisch tauchte ihn in einen sanften Schimmer und machte ihn noch attraktiver, als er ohnehin schon war. In diesem Moment hatte er überhaupt keine Ähnlichkeit mehr mit dem schroffen und oft schlecht gelaunten Boss, den er oft an den Tag legte – im Gegenteil. Er sah richtig zufrieden und glücklich aus. Ich lächelte leicht und hob meinen Kopf ein wenig, um ihm direkt ins Gesicht blicken zu können.
„Ich habe dich noch nie so entspannt gesehen", durchbrach ich schließlich unser Schweigen, beobachtete, wie sich seine Augen öffneten und er mir einen Blick voller Liebe schenkte, der meine Körpertemperatur prompt in die Höhe schießen ließ. „Nun, das liegt wahrscheinlich daran, dass ich noch nie so entspannt gewesen bin", erwiderte Jethro und verstärkte den Druck seines Armes, um mich noch näher zu sich heranzuziehen. Ich legte meinen Kopf wieder auf seine Schulter und zog die Decke, die uns beide bis zur Hüfte bedeckte, ein wenig nach unten, da mir plötzlich die Luft im Schlafzimmer wärmer vorkam. „Nicht einmal wenn du an deinem Boot baust?" bohrte ich nach und fing an, mit dem Zeigefinger meiner rechten Hand auf seiner Brust Kreise zu malen. Ich spürte deutlich, wie er erschauderte und er musste sich erstmals räuspern, um etwas sagen zu können. „Nicht einmal wenn ich an meinem Boot baue." „Das fasse ich mal als ein Kompliment auf." „Das kannst du auch."
Erneut breitete sich Schweigen zwischen uns aus, aber nur für ein paar Sekunden, ehe ich erneut die Stille durchbrach. „Also, wenn mir vor einem Monat jemand gesagt hätte, dass wir beide einmal ein Paar werden, hätte ich ihn glatt für verrückt erklärt." „Ich hätte ihn wahrscheinlich gleich erschossen", meinte Gibbs und ich hob abrupt meinen Kopf. Etwas schockiert sah ich ihn an, begann dann aber leise zu lachen, als ich das verräterische Zucken an seinen Mundwinkeln bemerkte. „Ja, dass kann ich mir durchaus vorstellen", erwiderte ich schließlich und rückte etwas nach oben, damit unsere Gesichter auf gleicher Höhe waren. Ich hörte auf, mit meinem Finger Kreise auf seine Brust zu zeichnen und legte sie auf seine rechte Wange.
„Ich liebe dich, Tony", sagte er leise aber bestimmt und mein Herz vollführte bei diesen Worten einen freudigen Hüpfer. Es war noch immer etwas seltsam, sie aus Jethros Mund zu hören, vor allem, da er mich normalerweise mit schroffen Befehlen herumscheuchte und ich wusste, er würde dies auch in Zukunft wieder machen, was ich wohl akzeptieren musste. Es gehörte einfach zu seinem Wesen und ohne diese Art wäre er einfach nicht Gibbs. „Ich liebe dich auch", erwiderte ich schließlich und drückte sanft meine Lippen auf die seinen. Er ließ seine Hand, die auf meinem Oberarm ruhte, nach oben gleiten, vergrub sie in meinen Haaren und zog meinen Kopf näher zu sich heran, um den Kuss zu intensivieren. Ich spürte förmlich, wie die Leidenschaft sich erneut in meinem Körper ausbreitete und als seine Zunge auf meine traf, gab ich ein leises Stöhnen von mir. Als wir uns voneinander lösten, waren wir beide außer Atem und die Augen meines Freundes funkelten voller Begierde.
„Lass uns morgen blau machen", schlug ich spontan vor und fing erneut an, mit meinem Zeigefinger Muster auf seine Brust zu malen. Er seufzte leise und schüttelte schließlich seinen Kopf. „Das geht nicht. Ein Marine wartet darauf, dass wir seinen Mörder finden." Ich hatte bereits mit dieser Antwort gerechnet, aber trotzdem breitete sich Enttäuschung in mir aus. In der Hoffnung, ihn umstimmen zu können, schob ich leicht meine Unterlippe vor und blickte ihn mit meinem speziellen Dackelblick an. „Sieh mich nicht so an, Tony", sagte er und bemühte seine Stimme ernst klingen zu lassen, aber es hatte sich ein unhörbar weicher Ton eingeschlichen. Innerlich grinste ich, aber nach außen hin tat ich weiter, als ob ich schmollen würde. Ich kannte fast keinen Menschen, bei dem dieser Blick nicht funktionierte und auch Gibbs schien dagegen nicht mehr immun zu sein. „Ach, verdammt", grummelte er und ich spürte, wie sich meine Mundwinkel nach oben bewegten. „Wenn wir den Mörder des Marines gefunden haben, werden wir uns gleich das darauf folgende Wochenende freinehmen und diese Tage werden nur wir beide miteinander verbringen. Keine Arbeit, keine Leichen und keine Verbrecher. Ist das in Ordnung für dich?" Mir klappte buchstäblich der Mund auf und ich starrte Jethro ungläubig an. „Was?" fragte er irritiert. „Nun ja, du hast mich noch nie nach meiner Meinung gefragt", antwortete ich, als ich mich wieder gefasst hatte. „Das macht man doch in einer Partnerschaft, oder? Ich habe einmal gehört, dass man so etwas Kompromisse nennt." „Und ich habe gedacht, dieses Wort kommt in deinem Wortschatz nicht vor", meinte ich grinsend und erhielt prompt einen Klaps auf meinen Hinterkopf. „Hey!" rief ich gespielt erbost. „Wofür war das denn?" „Dafür, dass du immer so frech bist", gab er zur Antwort, konnte sich aber ein Grinsen nicht verkneifen. „Und, was sagst du zu meinem Vorschlag?" „Ja, es ist für mich in Ordnung", antwortete ich und vergaß, dass er mir soeben eine Kopfnuss verpasst hatte. Irgendwie konnte ich ihm nicht böse sein. „Zwei Tage nur für uns. Was sollen wir bloß mit so viel freier Zeit anfangen?" „Nun, ich wüsste da schon etwas", erwiderte Gibbs, umfasste mein Gesicht mit beiden Händen und zog mich zu sich heran, um mich leidenschaftlich zu küssen. Dabei drehte er sich und als ich erkannte, was er vorhatte, befreite ich mich sachte aber bestimmt aus seiner Umarmung und setzte mich auf. „Was ist los?" Ich fuhr mir durch meine Haare und schüttelte leicht den Kopf. „Du kannst nicht immer über alles die Kontrolle haben, Jethro", sagte ich und biss mir auf meine Unterlippe, als Ärger in seinen Augen aufkeimte, aber da musste ich jetzt durch. „Was soll das heißen?" fragte er und in seine Stimme kam ein Hauch der üblichen Schroffheit zurück. Mein Herz krampfte sich schmerzhaft zusammen, aber ich ließ nicht locker. „Das soll heißen, dass du nicht immer die Führungsposition übernehmen kannst. Es wird dir sicher nicht wehtun, wenn du mir einmal die Kontrolle überlässt." Er sah mich an und als er sich aufsetzen wollte, reagierte ich blitzschnell, legte mich auf ihn, umfasste seine beiden Handgelenke und zog sie über seinen Kopf, sodass er beinahe bewegungsunfähig unter mir begraben war. „Lass mich los, Tony", sagte er und wehrte sich gegen meinen harten Griff, aber ich hielt ihn eisern fest. „Nein." „Verdammt, wenn du mich nicht gleich…" Ich unterbrach seinen Protest und die wahrscheinliche Drohung mich zu feuern, indem ich meine Lippen auf seine presste und erstickte somit jeden Laut im Keim. Er kniff seinen Mund zusammen und erwiderte meinen Kuss nicht, aber ich ließ nicht locker. Ich reizte seine Lippen mit meiner Zunge, fuhr sie entlang, immer und immer wieder, bis ich spürte, wie er nachgab. Sein Körper entspannte sich unter mir und er hob leicht seinen Kopf und kam mir entgegen. Erst jetzt löste ich mich von ihm und sah ihm direkt in die Augen, aus denen der Ärger verschwunden war. „Vertrau mir", sagte ich leise. „Vertrau mir einfach, Jethro." „Ich vertraue dir", erwiderte er ohne zu zögern, was mich mit unbändiger Freude erfüllte. Ich ließ seine Hände los, um mit meinen Finger nach unten zu wandern, sie unter der Bettdecke verschwinden ließ und sie um sein Glied legte, das prompt hart wurde. Gibbs umschlang mich mit seinen Armen, aber er machte keine Anstalten, mir die Führung zu entreißen. Und dafür bescherte ich ihm einen Höhepunkt, den er wohl so schnell nicht wieder vergessen würde.

Irgendwann waren wir beide schließlich eingeschlafen. Als ich wieder aufwachte, brannte in meinem Schlafzimmer noch immer das Licht der kleinen Lampe und erhellte den Raum gedämpft. Der Regen prasselte stetig gegen die Fensterscheibe, aber ich hatte den Eindruck, als ob er bereits weniger geworden wäre.
Gibbs lag eng an meinen Rücken geschmiegt und sein gleichmäßiger warmer Atem strich über meine Haut. Seine Hand ruhte sanft auf meiner Hüfte und alleine diese Berührung erinnerte mich an die Hitze, die uns beide erfasst hatte. Er hatte mir vorhin wirklich die Führung überlassen und es war ein unbeschreiblich schönes Gefühl gewesen. Noch nie hatte ich erlebt, dass er sich so fallen gelassen und mir derart blind vertraut hatte. Und es hatte ihm definitiv gefallen. Zwar hatte er es mir nicht gesagt, aber seine Körpersprache hatte ihn verraten.
Bei dieser Erinnerung bildete sich ein Lächeln auf meinen Lippen, das jedoch kurz darauf von einem Gähnen unterbrochen wurde. Müde rieb ich mir über meine Augen und warf einen Blick auf meinen Wecker, der kurz nach Mitternacht zeigte. Ich unterdrückte ein leises Stöhnen, als ich erkannte, dass ich gerade mal zwei Stunden geschlafen hatte – zwei Stunden, die allerdings nicht ausgereicht hatten, um meinen erschöpften Körper wieder auf Vordermann zu bringen. Meine Gliedmaßen fühlten sich noch immer schwer an, aber dennoch war ich auf eine seltsame Weise entspannt – wie nach einer Ganzkörpermassage. Und das hatte ich Jethro zu verdanken, der sich gerade tief im Land der Träume befand – wohin ich auch bald wieder verschwinden würde, denn der letzte Liebesakt hatte mich komplett geschafft. Aber vorher würde ich nach unten in die Küche gehen und mir etwas zu trinken holen. Mein Hals war wie ausgedörrt und ich wusste, ich würde nicht mehr einschlafen können, wenn ich halb am verdursten war. Deshalb löste ich sanft – um Gibbs nicht zu wecken - seine Hand von meiner Hüfte und stand langsam auf. Wie durch ein Wunder trugen mich meine Beine, obwohl sich meine Knie weich wie Butter anfühlten. Automatisch bückte ich mich und hob meine Boxershorts auf, die ich wegen dem Licht mühelos auf dem Boden fand und schlüpfte hinein. Anschließend schlich ich mich auf Zehenspitzen auf den Gang und zur Treppe, die ich dank des Lichtes, das aus dem Wohnzimmer kam, bestens erkennen konnte. Erst jetzt erinnerte ich mich daran, dass ich komplett vergessen hatte, unten die Lampen auszuschalten – Gibbs und ich hatten es viel zu eilig gehabt, im Schlafzimmer zu verschwinden.
Leise ging ich die Stufen hinunter und durchquerte den Raum, in dem unsere Kleidungsstücke willkürlich verstreut herumlagen. Mein Hemd lag vor dem Sofa und Gibbs' weißes T-Shirt fand ich bei der Terrassentür. Sein Jackett befand sich auf einem der beiden Stühle, aber sein Poloshirt konnte ich nirgends finden. Darüber wollte ich mir jetzt aber nicht den Kopf zerbrechen und ich machte auch keine Anstalten, die anderen Kleidungsstücke aufzuheben, denn ich war der Meinung, sie würden uns schon nicht davonlaufen. Grinsend ging ich in die Küche, schaltete dort ebenfalls das Licht ein und besah mir das leichte Chaos, das ich nach dem Frühstück des vorigen Tages hinterlassen hatte. In der Spüle stapelte sich das schmutzige Geschirr und auf dem Tisch stand noch die benützte Kaffeetasse. Daneben lag aufgeschlagen die Zeitung, für die ich nicht mehr allzu viel Zeit gehabt hatte. Ich überlegte bereits, ein wenig aufzuräumen, aber ich entschied mich dagegen. Zu groß war die Sehnsucht nach meinem Bett und den Mann, der darin lag. Außerdem liebte mich Jethro so wie ich war, also würde ihn diese Unordnung nicht stören – hoffte ich zumindest.
Das Chaos ignorierend, holte ich mir ein Glas aus einem Schrank, füllte es mit Leitungswasser und trank es halb leer. Als ich es absetzte, hörte ich Schritte hinter mir. Ein Lächeln huschte über mein Gesicht und Freude machte sich in mir breit. „Du hättest nicht extra aufstehen müssen, Jethro", sagte ich, da ich annahm, dass es mein Freund war, der trotz meiner Versuche leise zu sein, aufgewacht war. „Ich wollte nur etwas trinken und dann sofort wieder…" Der Rest des Satzes blieb mir allerdings im Hals stecken, als ich mich umdrehte und statt in blaue Augen in die schwarze Mündung einer Waffe blickte.

Fortsetzung folgt...
Chapter 12 by Michi
Ich erstarrte vor Schreck zur Salzsäule und hätte beinahe das Glas fallen gelassen, wenn ich aus einem Reflex heraus nicht zugegriffen hätte. Das Licht der Deckenlampe wurde von dem Metall der Pistole reflektiert und ließ sie noch gefährlicher erscheinen. Die Hand, die sie hielt, steckte in einem schwarzen Handschuh und war vollkommen ruhig. Lange Finger hatten den Griff umschlungen und der Zeigefinger lag drohend um den Abzug. Der Mann, der mich mit der Waffe bedrohte, war im wahrsten Sinne des Wortes ein Riese. Ich war schon nicht klein und trotzdem überragte er mich um ein gutes Stück. Er hatte einen mächtigen Brustkorb und die dicken Muskeln, die sich unter dem langärmeligen schwarzen T-Shirt abzeichneten, ließen darauf schließen, dass er seine Freizeit ausschließlich in einem Fitnessstudio verbrachte. Ich hatte keinen Zweifel daran, dass er mich mit bloßen Händen zerquetschen konnte.
Von dem Gesicht meines Gegenübers war nicht viel zu sehen, da er eine Skimaske trug. Seine Augen waren beinahe schwarz und musterten mich eiskalt von oben bis unten. In ihnen lag ein mörderischer Glanz, der mich mehr erschreckte als die Waffe in seiner Hand. Auf seinen dünnen Lippen, die beinahe blutleer waren, lag ein verkniffener Ausdruck, der ihn noch gefährlicher erscheinen ließ. Seine Beine waren von einer ebenfalls schwarzen Hose verhüllt und seine Füße steckten in festen Stiefeln, die einem bei einem harten Tritt sicher das Schienbein brechen konnten.
Unwillkürlich bildete sich in meinem Hals ein Kloß und in meinem Nacken stellten sich sämtliche Härchen auf. Obwohl er den Anschein erweckte, wirkte der Mann vor mir nicht wie ein Einbrecher. Ihn umgab eine Aura des Bösen, die die Lufttemperatur in der Küche um einige Grad sinken ließ. Auf meinem gesamten Körper bildete sich eine Gänsehaut und mir wurde eiskalt. Nur mit Mühe unterdrückte ich ein Zittern.
Der Koloss vor mir machte noch immer keine Anstalten, etwas zu sagen, sondern starrte mich einfach an, so als ob er mich hypnotisieren wollte. Drückende Stille breitete sich in dem Raum aus, nur das Prasseln des Regens war zu hören. Und auf einmal erinnerte ich mich wieder an das Gefühl, beobachtet zu werden. Vor Stunden hatten sich bei mir, genauso wie jetzt, die Nackenhaare gesträubt, aber ich hatte meinen Instinkt ignoriert. Zu sehr war ich darauf fixiert gewesen, Gibbs meine Liebe zu gestehen. Gibbs! Mein Herz setzte für einen Schlag aus, als ich ihn an dachte und mein Magen verkrampfte sich vor Angst – Angst nicht um mein Leben, sondern um seines. Unwillkürlich ließ ich meinen Blick zu der Decke wandern, in der Hoffnung, ihn wohlbehalten in meinem Bett vorzufinden. Schlief er noch immer tief und fest oder war er bereits von dem Mann ausgeschaltet worden? Unbeschreibliche Furcht durchströmte mich bei diesem Gedanken und ich hatte das Gefühl, nicht mehr richtig atmen zu können. ‚Nein', schoss es mir durch den Kopf. ‚Jethro geht es gut. Außerdem hättest du sonst einen Schuss gehört.' Gleich darauf kam mir in den Sinn, dass er ihm vielleicht das Genick gebrochen hatte. ‚Hör auf!' schimpfte ich mich selbst. ‚Gibbs lässt sich nicht so leicht überwältigen. Schon vergessen? Er war bei den Marines.' Aber dennoch blieb Angst in meinem Inneren zurück, auch wenn ich versuchte, sie zurückzudrängen. Mit Mühe konzentrierte ich mich wieder auf mein Gegenüber, das einen Schritt nach vorne machte und mich von oben herab verächtlich musterte.
„Wo ist es?" fragte er mit einer kratzigen, tiefen Stimme, die mir einen Schauer über den Rücken jagte. Verwirrt runzelte ich die Stirn, da ich ihm nicht ganz folgen konnte. Wovon sprach dieser Typ eigentlich? Hatte er sich vielleicht in dem Haus geirrt? Sollte ich ihm eventuell klar machen, dass ich Bundesagent war? Oder würde er mich dann gleich erschießen? Um diese Entscheidung hinauszuzögern, stellte ich eine Gegenfrage: „Wo ist was?" Verärgert verzog er seinen Mund, wodurch seine Lippen noch dünner wurden. Sein gesamter Körper versteifte sich, so als ob er die Geduld verlieren würde. „Das verdammte Handy", sagte er etwas lauter als zuvor. „Wo ist das verdammte Handy?" Diese Worte verwirrten mich noch mehr. Von welchem Handy redete er überhaupt? Ich hatte nur mein eigenes, wodurch sich mein Verdacht bestätigte, dass er sich wohl wirklich ihm Haus geirrt hatte. „Hören Sie", begann ich deshalb und hob beschwichtigend meine Hände. „Ich habe keine Ahnung, wovon Sie da sprechen. Ich habe nur mein eigenes Handy und ich denke nicht, dass es Ihnen irgendetwas nützen wird. Falls…" „Hör auf so viel zu quatschen, Bulle!" herrschte er mich an und mein Verdacht, dass er sich womöglich getäuscht hatte, ging den Bach hinunter. Anscheinend wusste er genau, wen er vor sich hatte. „Ich bin Bundesagent", erwiderte ich trotzig und umfasste das Glas in meiner rechten Hand fester. Mir war eine Idee gekommen.
Er kniff seine Augen zusammen und entsicherte seine Waffe. Überdeutlich war das Geräusch in der Küche zu hören und ich schluckte unwillkürlich. „Ich weiß, was du bist", meinte er und trat noch einen Schritt auf mich zu. „Und wenn du mir nicht sofort verrätst, wo das Handy ist, dann verpasse ich dir eine Kugel. Oder ist es dir lieber, wenn ich mich zuerst um deinen Freund kümmere?" Erleichterung durchströmte mich, als er das sagte, denn wenigstens wusste ich jetzt, dass Gibbs noch lebte und unbeschadet im Bett lag. Vielleicht bekam er ja mit, dass wir ungebetenen Besuch hatten und dann wollte ich nicht in der Haut des Mannes vor mir stecken.
Neue Zuversicht ergriff von mir Besitz und ich hob noch ein Stückchen meine Arme, allerdings nicht deswegen, um ihm zu zeigen, dass ich mich nicht wehren wollte. „Lass meinen Freund in Ruhe", erwiderte ich gespielt ängstlich und spannte meine Muskeln an. „Das liegt an dir, Bulle. Also, wo ist das Handy?" „Ich habe dir schon einmal gesagt, dass ich Bundesagent bin!" schrie ich, hob blitzschnell meine rechte Hand und schleuderte ihm mit aller Kraft das Glas an den Kopf, wo es zersplitterte. Die Scherben landeten auf dem Boden und der Gangster griff sich reflexartig dorthin, wo er getroffen worden war. Er stöhnte schmerzhaft und schien kurz zu vergessen, weshalb er hier war.
„GIBBS!!!" schrie ich so laut ich konnte, in der Hoffnung, ich würde ihn damit aufwecken. Allerdings war ich durch meinen Ruf für den Bruchteil einer Sekunde abgelenkt und die nutzte der Einbrecher sofort aus. Bevor ich auch nur einen Schritt machen konnte, holte er aus und schlug zu – blöderweise mit der Hand, in der er die Waffe hielt. Der Lauf traf mich an der linken Wange und schrammte über meine Nase, aus der sofort Blut schoss. Vor meinen Augen blitzten kleine bunte Sterne auf und ich taumelte auf die Seite. Stechender Schmerz breitete sich von der Stelle aus, an der ich getroffen worden war und unwillkürlich griff ich mir an meine Nase. Ich schüttelte benommen meinen Kopf und als ich meine Hand wegnahm, war sie blutverschmiert.
„JETHRO!!!" schrie ich erneut, in der Erwartung, dass er mir endlich helfen würde. Kurz darauf brachte ich nur noch ein Krächzen hervor, da mich der Angreifer mit seiner freien Hand am Hals packte, mich gegen die Anrichte drückte und mir den Atem abschnürte. Ich öffnete meinen Mund, um Luft zu holen, aber der einzige Erfolg war, dass sich darin ein ekliger metallischer Geschmack ausbreitete. In dem Versuch, den Griff zu lockern, umfasste ich mit beiden Händen das Handgelenk des Mannes, aber er hielt mich eisern fest. „Sag mir sofort, wo das verdammte Handy ist", fauchte er und drückte noch eine Spur fester zu. Das Einzige, was ich ihm als Antwort gab, war ein Krächzen. Verzweifelt versuchte ich weiter zu atmen, jedoch erfolglos. Mein Gehirn schrie nach Sauerstoff und vor meinen Augen begannen erneut die bunten Sternchen zu tanzen.
In meiner Verzweiflung löste ich eine Hand von dem Gelenk des Einbrechers und griff hinter mich, um einen Gegenstand zu ertasten, mit dem ich mich verteidigen konnte. Als ich schon dachte, ohnmächtig zu werden, stießen meine Finger auf ein Hindernis – etwas Hölzernes. Ich wusste, was es war und ließ meine Hand nach oben wandern, wo sie einen harten Griff umschloss. Meine gesamte verbliebene Kraft zusammennehmend, zog ich das Messer aus dem Block heraus und rammte es meinem Gegenüber in einer einzigen fließenden Bewegung in den Rücken.

Gibbs wachte aus einem ungewohnt tiefen Schlaf auf und er fühlte sich außergewöhnlich entspannt, obwohl sein Körper noch immer müde war. Die Erinnerung an die letzten Stunden zauberte ihm ein Lächeln auf die Lippen und für einen kurzen Moment spürte er noch einmal Tonys geschickte Finger, die ihm beinahe den Verstand geraubt hatten. Zuerst war er wirklich wütend geworden, weil dieser einfach die Führung haben wollte, aber als er dann von seiner Zunge immer wieder gereizt worden war, hatte er einfach nicht mehr anders gekonnt, als ihm die Kontrolle zu überlassen – und es hatte sich überraschend gut angefühlt. Zum ersten Mal in seinem Leben bereute er es nicht, jemand anderem die Zügel in die Hand gegeben zu haben. Und die Erfahrung, die er dadurch gewonnen hatte, war unbezahlbar. Sein junger Freund hatte es geschafft, ihn alleine mit seiner Zunge und seinen Lippen derart zu liebkosen, dass er jetzt noch die Hitze in seinem Körper spürte, die ihn erfasst hatte. Selbst bei ihrer ersten gemeinsamen Nacht in dem Hotelzimmer hatte ihn nicht so eine Leidenschaft ergriffen, wie es diesmal der Fall gewesen war – aber an diesem Abend war es auch komplett anders gewesen. Diesmal musste er sich nicht über mögliche Konsequenzen den Kopf zerbrechen oder darüber nachdenken, wie sie jetzt miteinander umgehen sollten. Es gab keine Verlegenheit mehr zwischen ihnen, sondern pure Harmonie und Liebe – eine Liebe, die er nie für möglich gehalten hatte. Selbst als er verheiratet gewesen war, hatte er sich nicht so glücklich gefühlt und tief in seinem Inneren spürte er genau, dass die Beziehung mit Tony etwas Dauerhaftes war. Er fühlte sich zu dem Mann hingezogen, wie er sich noch zu keiner anderen Person hingezogen gefühlt hatte und alleine wenn er an den Namen seines Freundes dachte, machte sein Herz einen Hüpfer, der ihm vollkommen neu, aber nicht unangenehm war.
Jethro war froh, dass er es endlich gewagt hatte, über seine Gefühle zu sprechen, was ihm überraschend leicht gefallen war. Als Anthony ihm gesagt hatte, dass er ihn liebte, war plötzlich alles einfach gewesen und die Worte waren ihm ganz leicht über die Lippen gekommen.
Als ihn sein Kollege zuvor im Büro gefragt hatte, ob er ein Bier mit ihm trinken wollte, hatte er unwillkürlich Angst bekommen. Irgendwie hatte er geglaubt, er würde unter ihre Beziehung, die zu dieser Zeit noch nicht einmal angefangen hatte, einen Schlussstrich ziehen. Er hatte sich selbst dafür verflucht, dass er Tony ständig herumgescheucht und heute Morgen so angeschrieen hatte. Gibbs hatte sich bereits zahlreiche Entschuldigungen dafür zu Recht gelegt, dass er ihn angebrüllt hatte. Er wollte ihn nicht verlieren, aber seine Angst hatte sich schließlich als unbegründet herausgestellt. Die Blase des Glücks, die in seinem Inneren angeschwollen war, als er erfahren hatte, weshalb er wirklich bei seinem Kollegen im Wohnzimmer saß, war jetzt, Stunden später, noch immer vorhanden und schien auch nie wieder verschwinden zu wollen.
Zufrieden mit sich und der Welt, streckte er seine Hand aus und wollte sie auf Tony legen, aber er griff ins Leere. Verwundert öffnete Gibbs seine Augen. Das Schlafzimmer wurde von der Lampe auf dem Nachttisch gedämpft erhellt und zum ersten Mal nahm er die hellen Möbel des Raumes, die strategisch platziert worden waren, wahr. Allerdings konzentrierte er sich sofort wieder auf die Seite des Bettes, die leer war. Deutlich konnte er den Abdruck von DiNozzos Kopf auf dem Polster erkennen und als er seine Hand auf die Matratze legte, stellte er fest, dass die Stelle noch warm war. Also war der junge Mann noch nicht lange weg, aber er wusste, er würde bald wieder zurückkommen. Es gab ja nicht viele Möglichkeiten, wo er sein konnte. Wahrscheinlich war er auf der Toilette oder unten, um sich etwas zu trinken zu holen – oder etwas zu essen.
Die paar Minuten würde er auch alleine aushalten – hoffte er jedenfalls. Jethro rückte etwas näher an die Stelle, wo Tony gewesen war, holte tief Luft und sog den schwachen Duft, den dieser hinterlassen hatte, ein. Auch wenn er noch immer müde war, wollte er im Moment nicht mehr schlafen. Wenn er es sich recht überlegte, wollte er jetzt etwas anderes tun. Bei dem Gedanken daran, wie er bald wieder durch die wuscheligen Haare seines Freundes fahren würde, wurde ihm ganz warm und das Lächeln auf seinen Lippen wurde noch breiter. Eine Sekunde später jedoch verschwand es aus seinem Gesicht, als er das Geräusch zersplitternden Glases hörte. Abrupt setzte er sich auf und sein Herz fing schneller an zu schlagen. „GIBBS!!!" Der Schrei nach ihm jagte ihm einen eiskalten Schauer über den Rücken. Es war unverkennbar Tony und in seiner Stimme war Panik zu hören. Angst breitete sich in seinem Inneren aus und verdrängte die Glücksblase. Er wusste sofort, dass etwas nicht stimmte und er sprang förmlich aus seinem Bett. Hatte sich sein Freund etwa geschnitten, als er das Glas hatte fallen lassen und war jetzt am verbluten? Nun war es an ihm, dass er Panik verspürte. Von unten drangen ein gedämpftes Geräusch und ein leiser Schmerzenschrei, der jedoch laut in seinem Kopf widerhallte, an seine Ohren.
„JETHRO!!!" Erneut rief Tony nach ihm und ihm stellten sich sämtliche Nackenhaare auf. Nein, er war sicher nicht am verbluten, das verriet ihm sein Instinkt, der ihn jahrelang nicht im Stich gelassen hatte. Da stimmte etwas anderes nicht und plötzlich hatte er das Gefühl, dass sie nicht mehr alleine in dem Haus waren. Hatte er vielleicht einen Einbrecher überrascht? „Wieso gerade heute?" fragte er leise und schnappte sich seine Boxershorts vom Boden, in die er schnell hineinschlüpfte. Schließlich nahm er sich seine Waffe, die neben seiner Hose lag, und entsicherte sie. Leise aber schnell ging er auf den Gang hinaus und zur Treppe, die er hinunterschlich. Im Wohnzimmer brannte ebenfalls Licht und enthüllte das kleine Chaos, das sie hinterlassen hatten.
Die Tür, die in die Küche führte, war nur angelehnt und dahinter konnte er ein leises Krächzen hören, gefolgt von einem überraschten Aufschrei, der sicher nicht von Tony stammte, das erkannte er an der Stimme. Seine Befürchtung, dass sie nicht alleine waren, hatte sich also bestätigt. Die Angst um seinen Freund wurde noch stärker und ohne zu überlegen, trat er mit einem Fuß gegen die Tür, die aufschwang und mit einem Krachen gegen die Wand schlug. Mit schussbereiter Waffe stürmte er in die Küche, blieb aber abrupt stehen, als er die Szene, die sich ihm bot, sah. Ein paar Schritte vor ihm stand Anthony, die linke Wange geschwollen und blau verfärbt. Seine Nase blutete heftig und die rote Flüssigkeit rann ihm über Mund, Kinn und war teilweise auf seine nackte Brust getropft. Seine Hände waren ebenfalls voller Blut und zu seinen Füßen lag der leblose Körper eines komplett in Schwarz gekleideten großen Mannes, in dessen Rücken unübersehbar ein Messer steckte. Unbeschreiblich erleichtert darüber, dass sein Freund – der wie hypnotisiert auf seine blutigen Hände starrte – noch lebte, eilte er auf ihn zu, um ihn fest zu umarmen.

Fortsetzung folgt...
Chapter 13 by Michi
Die Sekunden, die zwischen dem Eindringen des Messers in den Rücken des Mannes und seinem Zusammenbrechen vergingen, kamen mir wie eine Ewigkeit vor. Ich hatte das Gefühl, als unbeteiligter Dritter daneben zu stehen und alles neutral zu beobachten. Wie bei einem schlechten Film sah ich vor mir, wie die lange Klinge die Haut des Mannes zerteilte, unbarmherzig Muskeln, Sehnen und Blutgefäße zerstörte und schließlich irgendwo stecken blieb. Der Schrei, der meinem Gegenüber über die Lippen kam, war eher überrascht als von Schmerzen bestimmt und er riss verblüfft seine dunklen Augen auf. Die Waffe entglitt seinen Fingern und fiel leise polternd zu Boden. Seine rechte Hand, die fest meinen Hals umklammert hielt, lockerte ihren Griff und ließ mich schließlich ganz los. Keuchend sog ich die Luft in meine Lungen, hustete ein paar Mal und versuchte das Gefühl, ersticken zu müssen, niederzuringen. Nur am Rande bekam ich mit, wie der Einbrecher vor mir auf die Knie fiel und eine Sekunde später mit dem Bauch voran auf den Fliesen zu liegen kam, genau an der Stelle, wo sich die Scherben des Glases befanden. Sein abgehackter Atem und die Geräusche seines Kampfes gegen den Tod erfüllten die Küche, aber kurz darauf kehrte unheimliche Stille ein. Ich sog weiter köstlichen Sauerstoff in mich hinein und langsam verebbten die bunten Sterne vor meinen Augen und ich konnte wieder klar sehen. Erst jetzt realisierte ich so richtig, was überhaupt geschehen war. Wie erstarrt blickte ich auf den leblosen Mann zu meinen Füßen, der noch vor kurzem versucht hatte, mich zu erwürgen. Ich hatte einem Menschen das Leben genommen und obwohl ich wusste, dass es Notwehr war, fühlte ich mich irgendwie schuldig. Er war zwar ein Verbrecher gewesen, hatte aber sicher Freunde, Familie und vielleicht auch Kinder. Ungeachtet dessen, dass ich schon jahrelang Bundesagent und vorher Polizist gewesen war, hasste ich es, jemanden zu töten. Heute war es bei weitem nicht das erste Mal gewesen, aber ich fühlte mich danach jedes Mal schrecklich. Ich hatte eine super Ausbildung erhalten, aber niemand konnte einen darauf vorbereiten wie es war, wenn man eine Person umbrachte.
Mit Mühe riss ich meinen Blick von dem leblosen Körper los und starrte auf meine blutverschmierten Hände. Ich hatte keine Ahnung, ob das meiste von mir selbst oder von dem Toten stammte und wenn ich ehrlich war, wollte ich es auch überhaupt nicht wissen. Das Einzige was ich wollte, war, es loszuwerden, meine Hände so lange zu waschen, bis sie klinisch rein waren. Die Geräusche der Nacht traten in den Hintergrund, genauso wie die Schmerzen, die noch immer von meiner linken Wange ausgingen und ich sah nur noch die rote klebrige Flüssigkeit vor mir, die sich an meinen Fingern befand und die stetig aus meiner Nase tropfte.
Wie durch einen dichten Nebel hindurch bekam ich mit, wie die Tür zur Küche aufgestoßen wurde und laut gegen die Wand krachte. Ich hörte eilige Schritte, die kurz inne hielten und dann auf mich zukamen. Erst durch die starken Arme, die mich fest hielten und durch den vertrauten Geruch von Gibbs kehrte ich wieder in die Wirklichkeit zurück. Ich ballte meine Hände zu Fäusten und widerstand dem Drang, ihn mit meinen Armen zu umschlingen, da ich nicht wollte, dass er genauso mit dem Blut besudelt wurde. Er presste meinen Körper an sich, drückte meinen Kopf an seine Schulter und ich atmete seinen Duft ein, der sich wie Balsam auf meine Seele legte. Alleine seine Anwesenheit schaffte es, die Schuldgefühle in meinem Inneren auf ein erträgliches Maß zu reduzieren und ich spürte, wie ich ruhiger wurde, und mich langsam entspannte.
Unsere Umarmung dauerte nur einige Sekunden, aber als er mich losließ, hatte ich das Gefühl, es wären Stunden vergangen. Jethro legte seine Waffe auf die Anrichte neben uns, umfasste sanft mit beiden Händen mein Gesicht – wobei er es vermied, die beachtliche Prellung an meiner Wange zu berühren – und musterte mich aus seinen blauen Augen, in denen ein Ausdruck von Sorge lag.
„Geht es dir gut, Tony? Ist mit dir alles in Ordnung?" sprudelten die Fragen aus ihm heraus und die Sorge aus seinem Blick übertrug sich auf seine Stimme. Obwohl er es nicht zugab, so spürte ich die Angst, die er um mich gehabt hatte und das rührte mich auf sonderbare Weise. Mir war überhaupt nicht danach, aber trotzdem huschte ein kleines Lächeln über meine Lippen. Ich hatte ja schon immer gewusst, dass er einen weichen Kern hatte. „Mir geht es bestens", antwortete ich ihm, fügte aber, als er seinen Mund skeptisch verzog, hinzu: „Na ja, mehr oder weniger. Ich glaube, der Typ hat mir die Nase gebrochen." Gibbs legte seinen Kopf leicht schief und nickte. „So sieht es auch aus. Du blutest ziemlich viel." „Ich blute wie ein Schwein", erwiderte ich ohne nachzudenken und brachte ihn damit zum Grinsen. „Ja, so könnte man es auch ausdrücken." Er hielt kurz inne und fuhr, nach kurzer Überlegung, fort: „Anscheinend geht es dir wirklich gut." „Sag ich doch. Außer der Tatsache, dass ich soeben jemanden umgebracht habe." Das Lächeln verschwand aus seinem Gesicht und er wurde schlagartig ernst. „Ich hatte einfach keine andere Wahl. Er hat mich fast erwürgt und das Messer war das Erste, was ich erreicht habe. Ich wollte, dass er mich loslässt, dass ich wieder atmen kann. Und da habe ich zugestochen – ohne nachzudenken. Ich habe…" „Es ist in Ordnung, Tony", unterbrach er mich und zwang mich – da mein Blick abgeschweift war – ihn wieder anzusehen. In seinen Augen lag nichts weiter als Liebe, Sorge und Verständnis und nicht Vorwurf, was ich eigentlich erwartet hatte. Anscheinend kannte ich ihn doch nicht so gut, wie ich es gerne hätte. „Es war Notwehr. Dich trifft keine Schuld, hörst du? Es ist nicht deine Schuld." Den letzten Satz sagte er eindringlich und alleine dadurch, dass diese Worte von ihm kamen, fühlte ich mich gleich viel besser. Deshalb nickte ich und Jethro sah mir noch einmal fest in die Augen, bevor er zufrieden brummte und mich schließlich losließ. Er beugte sich zu dem Mann auf dem Boden hinunter und obwohl wir beide wussten, dass er nicht mehr lebte, suchte er nach seinem Puls – fand jedoch wie erwartet keinen. „Ich glaube, ich sollte Ducky anrufen. Hier ist jetzt er gefragt." „Und was ist mit der Polizei?" wollte ich wissen und starrte wie gebannt den Griff des Messers an. „Was soll schon mit der Polizei sein? Du bist ein NCIS Agent, Tony und somit übernehmen auch wir den Fall", meinte er und erhob sich wieder. „Das Telefon steht im Wohnzimmer, aber du kannst natürlich auch dein Handy benutzen", schlug ich vor und riss meinen Blick von der Leiche los, ging zu dem Tisch, der unter einem Fenster stand und setzte mich auf die Platte. Die Morgenzeitung und die leere Kaffeetasse, die neben mir standen, schienen plötzlich in eine andere Welt zu gehören, so irreal wirkten sie. Ob ich jemals wieder meine Küche betreten konnte, ohne daran zu denken, was vor ein paar Minuten passiert war, war mehr als fraglich. Allerdings würde ich sicher nicht ausziehen, denn ich mochte dieses Haus, hatte es auf Anhieb gemocht, als ich es gesehen hatte. Vielleicht würde ich den Raum renovieren, neue Möbel aussuchen und eventuell würde mir Gibbs ja dabei helfen. Die Vorstellung, dass wir gemeinsam eine neue Einrichtung für meine Küche aussuchen würden, gefiel mir durchaus und ließ mich wieder positiver in die Zukunft blicken. Es brachte ein Stück Normalität zurück.
Ich seufzte leise und fuhr mir mit dem Handrücken unter meiner Nase entlang, um das Blut zu entfernen, zuckte aber vor Schmerz zusammen. „Verdammt", fluchte ich und brachte meinen Boss, der bereits an der Tür war, dazu, stehen zu bleiben. Er drehte sich zu mir um und als er mich so dasitzen sah, kam er wieder auf mich zu, alles andere schien ihm plötzlich unwichtig zu sein. „Ich dachte, du wolltest Ducky anrufen", sagte ich verwundert und beobachtete, wie er einen Schrank nach dem anderen öffnete. „Das kann noch warten", erwiderte er, während er weiter strategisch meine Küche durchforstete. „Was suchst du überhaupt?" wollte ich wissen und musterte seinen muskulösen Rücken. Er grummelte etwas Unverständliches und drehte sich ein paar Sekunden später zu mir um – ein Geschirrtuch in der rechten Hand haltend. „Das hier." Er wedelte kurz damit herum, schnappte sich eine der vier Ecken und ging zu der Spüle, wo er das Wasser aufdrehte und das Stück Stoff darunter hielt. Gleich darauf wrang er es aus und war mit wenigen Schritten bei mir. „Was wird das?" fragte ich, da er mir das Geschirrtuch nicht gab – womit ich eigentlich gerechnet hatte. Stattdessen drückte Jethro mit einem Knie meine Beine auseinander, stellte sich dazwischen und hob meinen Kopf sanft nach oben. „Wonach sieht es denn aus?" „Nun, wenn neben uns kein Toter liegen würde und ich nicht am Verbluten wäre, würde mir durchaus etwas einfallen", meinte ich und brachte ihn mit meinen Worten tatsächlich zum Grinsen. „Wenn du am Verbluten wärst, würdest du nicht mehr aufrecht sitzen, Tony." „Seit wann bis du denn unter die Mediziner gegangen?" „Das sagt mir mein Hausverstand. Und jetzt halt deinen Mund." Obwohl seine Worte wie ein Befehl klingen sollten, wurden sie durch den weichen Ton in seiner Stimme gemildert, aber dennoch tat ich, was er gesagt hatte. Zufrieden lächelte er, hob meinen Kopf noch weiter an und begann sanft, mir das Blut aus dem Gesicht zu wischen. Als der Stoff meine Haut berührte, zuckte ich leicht zusammen, aber nicht vor Schmerz, sondern weil er kalt war. Gibbs hielt sofort inne und sah mich besorgt an. „Tu ich dir weh?" Verblüfft hob ich eine Augenbraue und starrte ihn beinahe entgeistert an. Hatte ich das eben richtig verstanden? Seit wir uns kannten, hatte er mich noch nie danach gefragt, ob er mir Schmerzen zufügte – schon gar nicht, wenn es darum ging, mir eine Kopfnuss zu verpassen – aber jetzt war er richtig fürsorglich. Ein ungewohnter Charakterzug an ihm, der mir aber durchaus gefiel und den er öfters an den Tag legen könnte. „Nein, aber du hättest warmes Wasser nehmen sollen. Das Tuch ist verdammt kalt", antwortete ich schließlich. „Ich werde es mir für das nächste Mal merken", meinte er und machte sich wieder an die Arbeit. „Ich hoffe, dass es so ein nächstes Mal nicht mehr geben wird." Er seufzte leise und sah mich tadelnd an – wie einen begriffsstutzigen Schüler, der auch nach der 10. Erklärung nicht verstanden hatte, dass eins plus eins zwei ergab und nicht elf.
„Habe ich nicht gesagt, du sollst deinen Mund halten?" „Tschuldigung", murmelte ich und er zog seine Augenbrauen in die Höhe, gab aber keine Antwort, obwohl ich mit der Regel, man solle sich nicht entschuldigen, da es ein Zeichen der Schwäche sei, gerechnet hatte. Stattdessen hob er erneut meinen Kopf leicht an, sodass ich die Decke meiner Küche bewundern konnte, während er mir beinahe professionell das Blut von meinem Kinn und meinen Lippen entfernte. Je näher er meiner Nase kam, desto vorsichtiger wurde er. Jethro schien in dieser Tätigkeit vollkommen vertieft zu sein, hatte nur Augen für mich und ich hatte den Eindruck, dass er die Umgebung gar nicht mehr wahrnahm. Die Tatsache, dass er es selbst in die Hand nahm und mich verarztete, ließ mein Herz schneller schlagen. Für kurze Zeit vergaß ich, dass ich vor Minuten einen Mann umgebracht hatte und konzentrierte mich auf meinen Freund, der versuchte, mir nicht allzu weh zu tun. Aber ich spürte komischerweise keinen Schmerz, sondern nur seine sanften Berührungen, die Erinnerungen an unsere gemeinsame Nacht hervorriefen – eine Nacht, die ein abruptes Ende gefunden hatte, als dieser Kerl sich entschieden hatte, bei mir einzubrechen. Und was hatte es ihm eingebracht? Er lag tot zu unseren Füßen. Aber ich verstand immer noch nicht, von welchem Handy er überhaupt gesprochen hatte. Vielleicht hatte er sich wirklich nur geirrt und war bei dem Falschen eingebrochen. ‚Aber woher wusste er dann, dass du Bundesagent bist?' fragte ich mich, konnte aber nicht weiter darüber nachdenken, da mich ein stechender Schmerz durchfuhr. „Au!" rief ich unwillkürlich und riss somit auch Gibbs aus seinem tranceähnlichen Zustand. Sofort hörte er auf, an meiner Nase herumzuwischen und sah mich erneut besorgt an. „Alles in Ordnung?" fragte er. „Es geht schon", antwortete ich. „Du machst das echt klasse. An dir ist ein Arzt verloren gegangen." „Ja sicher", meinte er zynisch und legte das Tuch neben mir auf den Tisch – anscheinend war er fertig. „Und apropos Arzt. Du solltest dir deine Nase untersuchen lassen. Nicht, dass sie wirklich gebrochen ist." Ich wollte bereits aufstehen, hielt aber in der Bewegung inne. „Oh nein, das kannst du vergessen, ich gehe sicher nicht in ein Krankenhaus. Ich hasse diese Gebäude. Dort wird man doch nur gepiekst wie ein Nadelkissen und nachher fühlt man sich noch schlechter. Mich bringen dort sicher keine zehn Pferde hinein." Trotzig wie ein kleines störrisches Kind verschränkte ich meine Arme vor der Brust, wobei ich jedoch vergaß, dass meine Hände ganz blutig waren und ich die Flüssigkeit somit auf meinen Oberarmen verschmierte.
Gibbs sah mich mit erhobener Augenbraue an und schüttelte leicht den Kopf. „Hör auf zu jammern, Tony. Ich habe eigentlich gemeint, dass dich Ducky untersuchen soll. Ich weiß doch, dass du Krankenhäuser nicht ausstehen kannst." „Oh", gab ich von mir und kam mir plötzlich mehr als dämlich vor. „Wenn sich aber herausstellen sollte, dass deine Nase wirklich gebrochen ist, dann werde ich dich persönlich dorthin schleppen, egal ob du dich mit Händen und Füßen wehrst." Ich schluckte und wusste, dass er es ernst meinte, was mir das Funkeln in seinen Augen verriet. „Nun ja, ich hoffe, so weit wird es nicht kommen." „Um das herauszufinden, werde ich jetzt erst einmal Ducky anrufen. Und du solltest aufpassen, wohin du mit deinen Händen greifst." Erst jetzt bemerkte ich, dass ich dabei war, auch andere Körperteile von mir zu besudeln und ließ ganz schnell meine Arme sinken. Auf einmal fühlte ich mich mehr als schmutzig und mich überkam ein heftiger Schauder. „Wenn du nichts dagegen hast, würde ich mich gerne duschen. Ich will endlich das Blut loswerden." Jethro überlegte einen Augenblick, schließlich nickte er. Dankbar darüber, dass er nicht vorhatte, mich als Beweismaterial anzusehen, stand ich von dem Tisch auf und ging zur Tür, drehte mich aber noch einmal um und musterte meinen Boss, der nur mit einer Boxershorts bekleidet mitten in meiner Küche stand. „Es tut mir leid, Jethro", sagte ich ein wenig zerknirscht. „Was tut dir leid?" fragte er überrascht nach. „Wie der Abend geendet hat." Er kam auf mich zu und umfasste meine Schultern. „Du kannst nichts dafür, Tony. Wenn einer Schuld daran hat, dann der Mann, der bei dir eingebrochen ist. Auch ich finde es mehr als schade, wie der Abend ausgegangen ist, zumal ich ganz andere Pläne gehabt habe. Aber dafür haben wir in Zukunft noch viel Zeit." Er beugte sich vor und drückte, darauf bedacht, nicht an meiner Nase anzukommen, zärtlich seine Lippen auf meine und schenkte mir somit ein wenig Trost. Wärme durchströmte mich und ich wusste tief in meinem Inneren, dass er Recht hatte, dass wir in Zukunft noch sehr viel Zeit miteinander verbringen würden.

Fortsetzung folgt...
Chapter 14 by Michi
20 Minuten später betrat ich wieder das Wohnzimmer – geduscht und in frischer Kleidung. Ich hatte mich gründlich geschrubbt und jetzt, da endlich das Blut von meiner Haut verschwunden war, fühlte ich mich gleich viel besser, beinahe wie neu geboren. Allerdings hatte ich nach einem Blick in den Badezimmerspiegel festgestellt, dass ich in den nächsten Tagen mit einer äußerst hübschen Prellung auf meiner Wange herumlaufen würde. Sie schillerte in einem intensiven Blau und schmerzte, wenn ich nur das Gesicht verzog. Die Haut war an der Stelle geschwollen, aber das war wahrscheinlich das kleinste Problem. Meine Nase tat zwar immer noch weh, aber nicht mehr so schlimm wie noch vor der Dusche. Gibbs' Tätigkeit als Arzt hatte anscheinend Wunder gewirkt und die Kühle des Tuches hatte mir Linderung verschafft. Ich wusste, ich würde deswegen nicht um eine Untersuchung von Ducky herumkommen, auch wenn ich mich strikt weigern würde – aber einen Versuch war es auf jeden Fall wert.
Nach dem ersten Schritt in mein Wohnzimmer blieb ich abrupt stehen und nahm das Bild, welches sich mir bot, förmlich in mich auf. Jethro stand bei der Couch und drehte mir halb den Rücken zu. Er trug seine Jeans, die er sich aus dem Schlafzimmer geholt hatte und sein weißes T-Shirt, von dem ich wusste, dass es bei der Terrassentür gelegen hatte. Seine Haare waren noch immer leicht zerzaust und das silberne Armband, welches er nie ablegte, glitzerte im Schein der Deckenlampe. Ich sah zu, wie er sich bückte, mein Hemd, das er mir ungeduldig ausgezogen hatte, aufhob und anfing, es zusammenzulegen. Auf mich machte er plötzlich den Eindruck, als ob er noch nie etwas anderes getan hätte und mit großer Verblüffung stellte ich fest, dass er perfekt in mein Wohnzimmer passte. Er schien sich in dieser Umgebung wohl zu fühlen, das sah ich an seiner entspannten Körperhaltung.
Bei dem Gedanken, dass Gibbs das kleine Chaos beseitigte, welches wir hinterlassen hatten, wurde mir ganz warm ums Herz. Auf meinen Lippen bildete sich ein kleines Lächeln und für einen kurzen Moment vergaß ich, dass in meiner Küche ein Toter lag, in dessen Rücken ein langes Messer steckte. Ich hatte nur Augen für den Mann, der mein Boss war, mein Liebhaber und mein Freund. Hier in diesem Raum hatte sich heute etwas in unserem Leben geändert, in einem Leben, das wir in Zukunft gemeinsam verbringen würden. Noch immer konnte ich es nicht ganz fassen, dass Jethro mich liebte, denn ich hatte immer angenommen, für ihn wäre sein Boot das Wichtigste. Jetzt hatte es allerdings den Anschein, als ob er es nicht einmal ansatzweise vermissen würde und dass er sich lieber bei mir aufhielt als in seinem Keller. Ich hatte sogar das Gefühl, dass er innerhalb der wenigen Stunden, die wir gemeinsam in meinem Bett verbracht hatten, eine Wandlung durchgemacht hatte. Er war nicht mehr schlecht gelaunt, seine blauen Augen sprühten keine gefährlichen Funken mehr und er sprach meinen Namen mit einer Zärtlichkeit aus, die mir einen wohligen Schauer über den Rücken jagte. Gibbs zeigte mir offen, was er fühlte und versteckte seine Gefühle nicht mehr hinter einer griesgrämigen Miene, wie er es so oft getan hatte. Dieser neue Charakterzug an ihm machte ihn sogar noch männlicher.
Mein Lächeln wurde noch breiter, als ich beobachtete, wie er mein Hemd an seine Nase hob, daran schnupperte und kurz die Augen schloss. Er schien gar nicht zu bemerken, dass er nicht mehr alleine war und das gab mir die seltene Gelegenheit, ihn Dinge tun zu sehen, die er normalerweise unterließ. Ich hätte jetzt stundenlang so dastehen können, nur damit beschäftigt, ihn zu mustern, wie er an meinem Kleidungsstück roch.
„Wenn dir mein Hemd so gut gefällt, dann kann ich es dir auch schenken", konnte ich mir nicht verkneifen zu sagen und sah mit einem breiten Grinsen zu, wie sich Jethro versteifte, ihm besagter Gegenstand fast aus der Hand fiel und er sich blitzschnell zu mir umdrehte. Wenn mich nicht alles täuschte, wirkte er peinlich berührt und er wich für eine Sekunde meinem Blick aus, bevor er sich doch dazu entschloss, mich direkt anzusehen. „Ich habe gar nicht bemerkt, dass du bereits mit dem Duschen fertig bist", meinte er, nachdem er sich geräuspert hatte und legte mein Hemd auf die Couch. „Das ist mir nicht entgangen", erwiderte ich noch immer grinsend und ging auf ihn zu. „Seit wann stehst du schon hinter mir?" „Lange genug, um mitzubekommen, dass du wie selbstverständlich mein Wohnzimmer aufräumst und dabei ausreichend Zeit findest, verträumt an meinem Hemd zu schnuppern." „Ich bin nicht verträumt", gab er etwas schroff von sich und verschränkte demonstrativ die Arme vor seiner Brust - ein Anblick, der mein Blut unvermittelt in Wallung versetzte. Ich schluckte mühsam und versuchte die Erregung zu ignorieren, die in mir aufstieg. Jetzt war definitiv nicht der richtige Zeitpunkt dafür, über ihn herzufallen. Deshalb steckte ich meine Hände in die Hosentaschen, um gar nicht erst in Versuchung zu geraten. „Hör auf, mich so anzusehen, wenn du nicht willst, dass du in ein paar Sekunden flach auf dem Rücken liegst." Gibbs hob eine Augenbraue und ließ seine Arme sinken. Es zuckte verräterisch um seine Mundwinkel und in seinem Blick trat eine Begierde, die mich ganz kribbelig machte.
Ich seufzte leise, verbannte die Ameisen, die über meinen Körper strömten, wieder in ihr Gefängnis und setzte mich auf das Sofa. „Ich muss mit dir reden", sagte ich ernst und bedeutete ihm, sich neben mich zu setzen. Innerhalb des Bruchteils einer Sekunde verschwand das Verlangen aus seinen Augen und sein Gesichtsausdruck wurde besorgt. „Was ist los, Tony?" fragte er und ließ sich schließlich neben mir nieder. „Geht es dir nicht gut? Hat deine Nase wieder angefangen zu bluten? Oder…?" Ich schüttelte den Kopf und legte beruhigend eine Hand auf seinen Unterarm. „Nein, es ist alles in Ordnung. Ich fühle mich super, jetzt wo ich das ganze Blut losgeworden bin. Es geht um etwas anderes." Erleichterung verdrängte die Sorge aus Jethros Miene und er musterte mich neugierig. Ich holte noch einmal tief Luft und sprach endlich die Worte aus, die mir seit dem Tod des Mannes nicht mehr aus dem Kopf gingen. „Ich glaube, der Typ ist nicht zufällig bei mir eingebrochen." Mein Boss riss verblüfft seine Augen auf und rückte unwillkürlich näher an mich heran. „Soll das etwa heißen, er hat sich dich als Opfer ausgesucht?" Ich nickte und fuhr fort: „Genau. Zuerst habe ich gedacht, er hat sich im Haus geirrt und ist bei dem Falschen eingedrungen. Aber er hat genau gewusst, dass ich Bundesagent bin. Das hat er mir sozusagen auf die Nase gebunden. Was ich jedoch nicht verstehe, ist, dass er nach einem Handy gesucht hat. Ich habe keine Ahnung, was er damit gemeint hat, zumal ich gesagt habe, dass ich nur mein Eigenes besitze. Aber er hat das einfach ignoriert und weiter befohlen, ihm ein Handy zu geben. Und bevor ich näheres herausfinden konnte, kam es zu dem Kampf." Verwirrt runzelte Gibbs seine Stirn und ein paar Sekunden herrschte Schweigen, in dem er über meine Worte nachdachte. „Und du bist dir sicher, dass er nicht dein Handy haben wollte?" fragte er schließlich nach. „Ganz sicher. Sonst hätte er sich ja meines nehmen können, als ich gemeint habe, ich würde nur dieses besitzen. Was glaubst du, hat das zu bedeuten?" Er seufzte leise und antwortete: „Ich habe keine Ahnung, Tony. Anscheinend hat jemand angenommen, dass du etwas hast, was ihm gehört. Vielleicht hat er sich wirklich nur getäuscht." „Aber woher hat er dann gewusst, dass ich Bundesagent bin? Das kann kein Zufall sein. Außerdem habe ich das Gefühl, da steckt mehr dahinter." Frustriert fuhr ich mir durch meine Haare und ließ mich gegen die Rückenlehne sinken. Ich konnte es einfach nicht ausstehen, wenn ich nicht wusste, was vor sich ging und schon gar nicht, wenn es mich selbst betraf. Obwohl der Einbrecher nun tot in meiner Küche lag, glaubte ich nicht, dass die Sache damit ausgestanden war. Mein Instinkt verriet mir, dass ich in etwas hineingezogen worden war, das ich überhaupt nicht verstand.
„Hey." Gibbs umfasste mein Gesicht mit beiden Händen und drehte es so, dass ich ihn ansehen musste. Seine Augen musterten mich intensiv und unwillkürlich fühlte ich mich beschützt. „Ich bin mir sicher, für die ganze Sache gibt es eine logische Erklärung. Glaub mir, wir werden herausfinden, was es mit diesem mysteriösen Handy auf sich hat. Und egal was noch passieren wird, wir werden das zusammen durchstehen. Außerdem sind da noch Ziva, McGee, Abby und nicht zu vergessen, Ducky." Jethros Zuversicht, dass alles gut werden würde, übertrug sich auf mich und schließlich nickte ich. „Du hast Recht", sagte ich. „Ich sollte den Teufel nicht gleich an die Wand malen." Sanft löste ich seine Hände von meinem Gesicht, beugte mich vor und drückte meine Lippen auf seine. Unser Kuss wurde mit jeder Sekunde leidenschaftlicher und wir suchten die körperliche Nähe des jeweils anderen. Gibbs fuhr mit seinen Fingern durch meine Haare, zerzauste sie und als ich gerade dabei war, die Geschehnisse der letzten halben Stunde zu vergessen, löste er sich aus unserer Umarmung. Er sah mich liebevoll an, aber ich wusste sofort, dass es einen Grund gab, weshalb er den Kuss unterbrochen hatte, zumal er leicht an seiner Unterlippe herumkaute – ein mehr als ungewöhnlicher Anblick.
„Anscheinend bin ich nicht der Einzige, der etwas auf dem Herzen hat", meinte ich deshalb. „Also, was ist los?" Er nahm meine Hände in seine, sah sich kurz in dem Wohnzimmer um, bevor er mir in die Augen blickte. „Das was ich jetzt gleich sage, wird dir sicher nicht gefallen, Tony." Seine Stimme hatte einen ernsten Ton angenommen und mich überkam leichte Angst. Mein Herz krampfte sich zusammen und obwohl ich versuchte, mir nichts anmerken zu lassen, erkannte Jethro sofort, was in mir vorging. Beruhigend drückte er meine Hände und fuhr fort, bevor ich voreilige Schlüsse ziehen konnte. „Wie du ja weißt, habe ich vorhin Ducky angerufen und gleich darauf Ziva und McGee. Vielleicht hat der Einbrecher ja ein paar Spuren hinterlassen, die uns weiterhelfen könnten, etwas Licht in die ganze Sache zu bringen. Jedenfalls kommen die drei gemeinsam hierher und es ist so, dass…" Er brach ab und suchte nach den richtigen Worten, aber ich ahnte bereits, worauf er hinauswollte. Allerdings wusste ich nicht, ob ich deswegen erleichtert oder wütend sein sollte.
„Ducky weiß ja, was wir füreinander empfinden", fuhr Gibbs fort und seine Stimme wurde mit jedem Wort fester. „Aber Ziva und McGee haben keine Ahnung. Wenn es nach mir ginge, würden sie es sofort erfahren, wenn sie durch die Tür kommen. Von mir aus kann es die gesamte Menschheit wissen, dass ich dich liebe, Tony." Seine Worte berührten mich auf eine seltsame Art und Weise und obwohl ich es gerne hätte, konnte ich einfach nicht böse auf ihn sein. Die Tatsache, dass er unsere Beziehung in die Welt hinausposaunen wollte, erfüllte mich mit purer Freude und Glück und verhinderte, dass sich in meinem Inneren Schmerz ausbreitete.
„Aber du willst den beiden verschweigen, dass wir ein Paar sind, nicht wahr?" fragte ich leise, drückte aber verständnisvoll seine Hände. „Ja. Jedenfalls bis diese Sache ausgestanden ist. Sie sollen sich darauf konzentrieren, Spuren zu finden und nicht ständig uns beide ansehen. Und ich bin mir sicher, dass das passieren wird, wenn die beiden erfahren, dass wir zusammen sind." Bei dieser Vorstellung fing ich unwillkürlich zu grinsen an. Vor meinen Augen entstand eine Szene, in der sich Ziva und McGee bei mir im Wohnzimmer befanden und mich und Gibbs entgeistert anstarrten, kurz nachdem wir sie über unsere Beziehung aufgeklärt hatten. Ich konnte die offenen Münder der beiden förmlich vor mir sehen.
„Ziva würde es wahrscheinlich für einen schlechten Scherz halten, dass ich jetzt auf Männer stehe. Oder besser gesagt, auf einen Mann. Und McGee würde anfangs seine Schuhe mustern und dann unverständliches Zeugs stammeln. Tja, und Abby würde es sicher krass finden und mich in dem Versuch, mir zu gratulieren, halb zerquetschen. Ich nehme an, dass wir es ihr auch noch nicht sagen, oder?" Jethro nickte und ich konnte die Erleichterung auf seinem Gesicht ablesen. „Du bist mir also nicht böse?" fragte er eine kleine Spur unsicher. „Nein", antwortete ich ihm und rückte näher an ihn heran. „Du hast Recht. Wir sollten uns alle darauf konzentrieren herauszufinden, was es mit diesem Handy auf sich hat. Und wenn alle anderen über unsere Beziehung diskutieren, ist das sicher nicht hilfreich. Also bleibt es noch eine kleine Weile unser Geheimnis." „Danke, Tony", sagte er und legte eine Hand auf meine rechte Wange. „Danke dafür, dass du mich verstehst." Und bevor ich etwas darauf erwidern konnte, küsste er mich zärtlich.

Fortsetzung folgt...
Chapter 15 by Michi
Irgendwo in Washington
Zur selben Zeit


Ein lautes und vor allem nervtötendes Klingeln riss ihn aus seinem wohlverdienten tiefen Schlaf. Er lag in seinem äußerst breiten, gemütlichen Bett, in dem sicher drei Personen Platz finden konnten. Das Licht seiner teuren Nachttischlampe hüllte die Umgebung in ein gedämpftes und angenehmes Licht. Das Buch das er angefangen hatte zu lesen, bevor ihn Morpheus mit seinen Armen umschlungen hatte – Mord im Orientexpress von Agatha Christie - ruhte aufgeschlagen auf seiner Brust. Im Hintergrund lief leise klassische Musik und lullte ihn mit weichen Tönen vollkommen ein. Aber da war das schrille Klingeln seines Handys, das die Idylle, die er sich mit viel Geld geschaffen hatte, störte. In seinem Job verdiente er nicht so viel, dass er sich den ganzen Luxus leisten konnte, den er sich gönnte, aber dank der kriminellen Machenschaften, die er nebenbei fabrizierte, scheffelte er ziemlich viel Kohle. In seiner Kindheit war er arm gewesen, seine Eltern hatten für einen lausigen Hungerlohn gearbeitet und ihren Sohn mehr schlecht als recht durchgefüttert. Aber das war jetzt vorbei. Er konnte sich leisten was er wollte, allerdings brachte dies auch Einschränkungen mit sich. So lud er nie seine Arbeitskollegen zu sich nach Hause ein, aus Angst, sie würden dahinter kommen, weshalb er sich so viel mehr kaufen konnte als die anderen. Wenn er sich schon mit ihnen traf, dann nur in einer Bar.
Mit geschlossenen Augen und leise vor sich hinfluchend, tastete er blind nach seinem Handy, klappte es auf und brummte ein ärgerliches „Ja." Zuerst hörte er nur ein lautes Rauschen, statisches Knistern und dann lautes Atmen. Er wollte schon wieder auflegen, als er endlich eine Stimme vernahm. „Boss, ich bin es, Gary." Mit einem Mal war er munter und vergessen war seine Wut, dass er aus dem Schlaf gerissen worden war. Jetzt erinnerte er sich auch wieder, weshalb er sich überhaupt ein Buch geschnappt und zu lesen begonnen hatte – weil er auf eine Nachricht seiner Männer gewartet hatte. Er öffnete seine Augen und setzte sich auf. Vor ihm schälten sich die teuren Möbel des Schlafzimmers aus der Dämmerung und erinnerten ihn daran, dass er all dies von einer Sekunde auf die andere verlieren konnte. „Habt ihr das Handy?" fragte er sofort und schwang seine Beine über den Rand der gemütlichen Matratze. Am anderen Ende der Leitung herrschte Schweigen und plötzlich überkam ihn ein ungutes Gefühl. Sein jahrelang antrainierter Instinkt sagte ihm, dass etwas schief gelaufen war. Gegen seinen Willen verkrampfte sich sein Magen schmerzhaft und ballte sich schließlich zu einem großen Knoten zusammen.
„Es ist etwas dazwischengekommen", meldete sich Gary nach endlos erscheinenden Sekunden. Seine Stimme klang ungewohnt ängstlich, so als ob er seinen maßlosen Zorn fürchten würde. „Was ist passiert?!" schrie er ins Handy, nicht einmal darum bemüht, leise zu sein. „Jerry ist tot", kam nach einem kurzen Zögern die Antwort. „Dieser verdammte Bundesagent hat ihn einfach abgestochen. Ich bin draußen geblieben und habe die Umgebung im Auge behalten. Man weiß ja nie, wer so vorbeikommt. Und dabei habe ich durch das Küchenfenster mitbekommen, wie dieser DiNozzo auf Jerry eingestochen hat. Er hat ihn einfach umgebracht!" Jetzt war es an Gary zu schreien. Immerhin hatte er gerade seinen Freund verloren, der mit ihm seit Jahren durch dick und dünn gegangen war. Sie hatten zusammen so viel erlebt und nun würde er wieder alleine durch die Welt wandern müssen.
„Wieso bist du auch draußen geblieben?!" schrie er seinen Mitarbeiter an, sprang auf und begann, in seinem Schlafzimmer auf und ab zu gehen. Er hatte ja gewusst, dass irgendetwas schief gehen würde. Hätte er die ganze Sache doch nur selbst in die Hand genommen.
„Es war Jerrys Idee gewesen. Er hat gemeint, er würde das alleine hinbekommen und ich habe ihm vertraut. Außerdem war noch jemand anderes in dem Haus und er hat befürchtet, wenn wir beide einbrechen würden, dann wäre die Gefahr, dass wir entdeckt werden, viel zu groß."
Der Mann rang nach Atem und unterdrückte seine Wut. Verdammt, wieso hatte Gary nur auf seinen Freund gehört? Immerhin war dieser nicht ganz dicht in der Birne. Allerdings hatte er gerade etwas erfahren, was für ihn neu war. „Was soll das heißen, bei DiNozzo war noch jemand anderes? Hatte er etwa Damenbesuch?" „Nein, es war keine Frau bei ihm, sondern ein Mann. Wenn ich mich nicht täusche, war es sein Boss. Wie war sein Name gleich noch mal?" „Gibbs", erwiderte er ohne lange nachzudenken und vor seinen Augen entstand das Bild des NCIS Chefermittlers. „Genau, der war es. Die beiden haben den Abend gemeinsam verbracht und keiner der beiden hat das Haus verlassen." „Sie haben wahrscheinlich nur ein Bier miteinander getrunken." Er verstand nicht, weshalb Gary derart aufgeregt war, nur weil zwei Arbeitskollegen miteinander etwas tranken. Himmel, er tat es ja auch ständig, nur nicht bei sich zu Hause, sondern in einer Bar. „Ich muss dich enttäuschen, Boss. Die beiden haben kein Bier miteinander getrunken, sondern sind regelrecht übereinander hergefallen, wenn du verstehst was ich meine. Jerry und ich haben eine kleine Runde um das Haus gedreht, wobei uns natürlich keiner gesehen hat, bei dieser Dunkelheit und dem Regen. Jedenfalls konnten wir problemlos einen kurzen Blick ins Wohnzimmer werfen und die beiden waren ziemlich miteinander beschäftigt."
Ihm fiel beinahe die Kinnlade hinunter, als der gewaltige Redefluss von Gary an seine Ohren drang. Vor seinen Augen entstand das Bild von Anthony DiNozzo, der auf ihn eher den Eindruck eines Schürzenjägers machte und der jeder jungen Frau unter den Rock blickte. „Soll das heißen, er hat eine Affäre mit seinem Vorgesetzten?" fragte er sicherheitshalber noch einmal nach. „Das habe ich doch gerade gesagt, oder etwa nicht?" Sein Untergebener klang leicht beleidigt und in seiner Aufregung, ihm alles zu erzählen, schien er vergessen zu haben, dass sein Freund vor kurzem getötet worden war.
Diese neue Information musste er erstmal verdauen und so setzte er sich wieder auf das Bett. Am Nachmittag hatte er sich über die Agenten in dem Team, zu dem DiNozzo gehörte, erkundigt und dabei herausgefunden, dass Gibbs dreimal verheiratet gewesen war. Und jetzt hatte er etwas mit einem seiner Mitarbeiter? Die Welt war schon verrückt. Andererseits eröffneten sich damit ganz neue Möglichkeiten, endlich an das Handy zu kommen. Momentan schien es nicht so zu sein, als ob es bereits gefunden worden war, aber was noch nicht war, konnte ja noch werden.
„Wo bist du?" fragte er, stand erneut auf und öffnete seinen Kleiderschrank. An Schlaf war jetzt nicht mehr zu denken. „Ich bin auf dem Weg zu unserem Versteck. Wieso?" „Gut. Warte dort auf mich. Ich bin so schnell ich kann bei dir." „Was hast du vor, Boss?" wollte Gary wissen, dem natürlich nicht entgangen war, dass ihn etwas in Aufregung versetzte. Außerdem war die Wut aus seiner Stimme verschwunden. „Das werde ich dir nachher erklären", erwiderte er und unterbrach – ohne sich zu verabschieden – die Verbindung. Er warf das Handy auf sein Bett uns schnappte sich eine frische Hose. In dieser Nacht hatte er zwar einen Fehlschlag einstecken müssen, aber dies würde sich bald ändern. Während er sich anzog, verfeinerte er den Plan, der sich vor ein paar Minuten in seinem Gehirn gebildet hatte. Das Schicksal würde sich bald zu seinen Gunsten wenden, das spürte er genau.

Fortsetzung folgt...
Chapter 16 by Michi
Das laute Klingeln der Türglocke ließ mich ungewohnt heftig zusammenzucken und Gibbs und ich fuhren auseinander. Ich brauchte ganze zwei Sekunden, bevor ich realisierte, dass unsere Kollegen angekommen waren. Während unseres Kusses hatte ich doch tatsächlich vergessen, dass wir noch Besuch erhalten würden, auch wenn dieser Besuch nicht freiwilliger Natur war. Am liebsten würde ich sie einfach draußen stehen lassen, denn ich wusste, wenn sie mein Haus betraten, würde die grausame Wirklichkeit zurückkehren. Ziva und McGee würden in den verschiedenen Räumen nach eventuellen Spuren suchen und versuchen herauszufinden, wie der Einbrecher es geschafft hatte, bei mir einzudringen. Erst jetzt wurde mir so richtig bewusst, wie es für Opfer eines Verbrechens war, wenn man in ihrem Haus alles auf den Kopf stellte, um irgendwelche Hinweise zu finden. Und heute Nacht betraf es mich selbst. Meine beiden Kollegen würden wohl jeden Winkel durchsuchen und dabei keine Rücksicht auf meine Privatsphäre nehmen. Allerdings würden sie wohl keine prekären Sachen bei mir finden, denn meine ganzen Herrenmagazine hatte ich nach dem Undercovereinsatz entsorgt. Zwar fand ich noch immer, dass die Bilder in den Zeitschriften nett anzusehen waren, aber sie reizten mich überhaupt nicht mehr. Seit dem Abend, an dem ich mit Jethro zum ersten Mal intim geworden war, interessierten mich weder Playboy noch FHM oder die ganzen anderen Hochglanzmagazine, die es zu kaufen gab. Für mich waren sie jetzt nur mehr bunt bedrucktes Papier.
„Ich glaube, unsere Zweisamkeit ist dahin", sagte mein Freund und riss mich damit aus meinen Grübeleien. Ich seufzte leise und löste mich sanft aus seiner Umarmung. „Und ich glaube, wir sollten sie nicht allzu lange im Regen stehen lassen", erwiderte ich und wollte schon aufstehen, als er mir eine Hand auf meinen Unterarm legte. „Lass mal, ich gehe schon." Ohne mir die Chance der Widerrede zu lassen, stand er auf und sah sich noch einmal kurz um, bevor er sich zu mir umdrehte. „Du hast nicht zufällig eine Ahnung, wo mein Polo Shirt ist, oder?" fragte er und runzelte die Stirn. Bei seinen Worten erinnerte ich mich wieder daran, dass ich es, bevor mich der Einbrecher überrascht hatte, auch nicht gesehen hatte. „Tut mir leid, ich habe keine Ahnung", antwortete ich ihm und sah zu, wie er sich sein Jackett nahm. „Das letzte Mal, dass ich es in der Hand gehabt habe, war, als ich es dir ausgezogen habe. Aber ich bin mir sicher, dass es wieder auftauchen wird."
Es klingelte erneut und gleich darauf war ein Klopfen zu hören. „Ich schätze mal, da wird jemand ungeduldig", gab ich ein wenig hämisch von mir und beobachtete Gibbs, wie er sich seine Haare richtete. Ich konnte mir richtig gut vorstellen, wie Ziva ärgerlich ihr Gesicht verzog, weil sie so lange warten musste. McGee würde sich nervös umsehen und sich fragen, weshalb niemand öffnete und Ducky wäre die Ruhe selbst und würde wahrscheinlich auch in einer Minute noch an der selben Position stehen, während er den anderen eine seiner unendlich langen Geschichten erzählte.
Innerhalb von Sekunden verwandelte sich Jethro wieder in den brummigen Chefermittler, aber ich wusste, wie es in seinem Inneren wirklich aussah. Er zupfte sein Jackett gerade und ging dann zur Tür, um die anderen einzulassen. Ihre Stimmen drangen an meine Ohren, aber ich konnte die Worte nicht verstehen - allerdings bemühte ich mich auch nicht sonderlich, mich darauf zu konzentrieren. Ich versuchte mir stattdessen eine Ausrede einfallen zu lassen, weshalb der Pathologe nicht in meinem Gesicht herumdrücken sollte.
Schritte näherten sich und ich sah Ziva, McGee und Ducky, gefolgt von Gibbs und Palmer, mein Wohnzimmer betreten. Sie hatten die komplette Ausrüstung dabei, bereit, sie zu verwenden. Tim und die Ex-Mossad Agentin blickten sich neugierig um und Palmer schien nur Augen für meine Krimisammlung zu haben. „Ich bin beeindruckt", sagte die junge Frau schließlich und wandte ihre Aufmerksamkeit mir zu. „Ich hätte eher angenommen, du würdest wie in einem Hühnerstall leben." Unwillkürlich lachte ich auf und erntete dafür einen mörderischen Blick. „Es heißt Schweinestall", korrigierte ich sie und schenkte ihr ein hämisches Grinsen. „Ist doch egal wie es heißt. In beiden stinkt es bestialisch", gab sie bissig zurück. „Übrigens, du hast da ein wunderschönes Veilchen, Tony", setzte sie hinzu und jetzt war es an ihr, mich anzugrinsen. „Das tut sicher weh." Ich öffnete bereits meinen Mund, um ihre eine Retourkutsche zu verpassen, aber Gibbs kam mir zuvor. „Seid ihr beiden endlich fertig?" fragte er und in seiner Stimme war sein üblicher schroffer Ton zurückgekehrt. Er schenkte uns beiden einen funkelnden Blick und ich konnte nicht einmal sagen, ob er echt oder gespielt war. Aber darüber wollte ich jetzt nicht nachdenken und ignorierte mein Herz, das angefangen hatte, schneller zu schlagen, als der schlecht gelaunte Chefermittler an die Oberfläche zurückgekehrt war. Irgendwie machte ihn das noch attraktiver.
„Tschuldigung, Boss", sagte ich und sah ihn gespielt zerknirscht an. Seine Mundwinkel zuckten leicht, aber er hatte sich gleich darauf wieder unter Kontrolle. „Ziva und McGee, ihr kümmert euch um die Fotos, Laser und Skizzen. Der Tote liegt in der Küche." Jethro zeigte auf die entsprechende Tür. „Ducky, würdest du dir die Verletzungen von Tony ansehen? Es könnte sein, dass seine Nase gebrochen ist." „Ach was", erwiderte ich. „Mir geht es bestens. Es wird nicht…" Ich unterbrach mich aber selbst, als sich Gibbs zu mir hinunterbeugte und leise sagte: „Das hatten wir vorhin doch schon einmal. Lass dich von Ducky untersuchen. Es ist nur zu deinem Besten." Sein Atem strich warm über meine Haut und ich konnte nur mühsam verhindern, dass ich ihn an mich zog. Er sah mich voller Liebe an – die anderen bemerkten davon nichts, da er ihnen den Rücken zukehrte - und ich wurde weich wie Butter. „Na schön, du hast mich überredet", gab ich schließlich nach und er nickte zufrieden. „Ich bin bei Ziva und McGee in der Küche und bringe sie auf den neusten Stand." Damit winkte er seinen Kollegen zu, ihm zu folgen und verschwand durch die Tür. „Und was soll ich machen?" fragte Palmer und trat von einem Fuß auf den anderen. „Sie können schon einmal eine oberflächliche Untersuchung vornehmen", antwortete Ducky. Jimmy fing an zu strahlen und in seiner Überschwänglichkeit wäre er beinahe gestolpert. Ein Hauch von Rot überzog seine Wangen und auch er verschwand schließlich. Zurück blieben der Pathologe und ich.
„Nun, dann wollen wir mal sehen", sagte er und setzte sich zu mir auf die Couch. „Wie ist das überhaupt passiert?" wollte er wissen, legte seinen Hut auf den Tisch und nahm mein Gesicht in seine Hände, um es in die richtige Position zu bringen. „Ich hatte das Pech, dass der Einbrecher ausgerechnet mit der Hand zugeschlagen hat, in der er die Waffe gehalten hat", antwortete ich ihm. „Er hat mich mit dem Lauf getroffen." „Kein Wunder, dass du so ein hübsches Veilchen hast, wie es Ziva so nett ausgedrückt hat." Er drückte an der Prellung herum und ich zuckte zusammen, verkniff mir aber einen Schmerzensschrei. „Hmmm", machte Ducky und ließ von mir ab. „Das ist nichts Ernstes. Die Prellung wird noch ein paar Tage wehtun und in allen Farben schillern, aber dann verschwinden. Deine Nase hat auch etwas abbekommen?" „Ja, ich habe ziemlich viel geblutet, aber Jethro hat mich wunderbar verarztet. Kaum zu glauben, dass er sich plötzlich so viele Sorgen um mich macht." Ducky, der seine Hände bereits erhoben hatte, um sich an die Untersuchung zu machen, hielt inne und in seine Augen trat Verständnis. „Ah", sagte er und ein Lächeln bildete sich auf seinen Lippen. „Dann warst du also heute Abend nicht alleine?" Es war eher eine Feststellung als eine Frage. Ich schüttelte den Kopf und lächelte glücklich. „Nein, war ich nicht. Ich habe deinen Rat befolgt und mit ihm gesprochen. Und du hattest Recht. Es ist alles gut geworden." „Na, das wurde aber auch Zeit", meinte der Pathologe und tätschelte mir väterlich den Oberschenkel. „Ihr beiden habt auch lange dafür gebraucht. Aber ihr wollt es den anderen wohl noch nicht sagen?" „Wir wollen noch ein wenig warten. Jethro meinte, dass es sinnvoller wäre, wenn sich Ziva und McGee auf ihre Arbeit konzentrieren und nicht darauf, dass wir jetzt ein Paar sind." „Und was ist mit Abigail?" „Sie wird es mit den anderen erfahren." „Und du bist damit einverstanden?" wollte Ducky wissen und begann nun, an meiner Nase herumzudrücken, was erstaunlicherweise gar nicht so wehtat. „Na ja, mir wäre es schon lieber, wenn es alle wüssten, aber ich verstehe Gibbs. Ich denke, auf die paar Tage mehr oder weniger kommt es auch nicht mehr an. Und ich wollte mich nicht mit ihm darüber streiten. Nicht jetzt, wo wir endlich zueinander gefunden haben." „Das kann ich gut nachvollziehen, Anthony. Weißt du, dass erinnert mich an eine Geschichte aus dem Jahre 1978. Damals hat die gute Inez…" „Und, wie sieht es aus?" drang eine Stimme an unsere Ohren und unterbrach damit Ducky mitten im Satz. Nicht gerade unglücklich darüber, drehte ich mich um, nachdem mich der Pathologe losgelassen hatte. „Ah, Jethro. Nun, es ist nichts Schlimmes. Seine Nase ist definitiv nicht gebrochen. Außerdem habe ich erfahren, dass du bereits tolle Vorarbeit geleistet hast." Er klang ein wenig vorwurfsvoll, da ihm Gibbs anscheinend nicht erzählt hatte, dass er die ganze Zeit bei mir gewesen war. „Ich konnte Tony doch schlecht verbluten lassen", erwiderte er und überging den Tonfall seines Freundes. Er kam auf mich zu, setzte sich neben mich und nahm meine Hand in seine, obwohl Ziva und McGee sich im Nebenraum aufhielten. Diese Geste ließ Duckys Ärger sofort verpuffen und er musterte uns lächelnd. „Ich habe dich noch nie so glücklich gesehen, Jethro", sagte er und beugte sich ein wenig vor. „Nicht einmal, als du deine dritte Frau losgeworden bist. Ich freue mich wirklich für euch beide." Damit stand er auf und schnappte sich seine schwarze Tasche. „Es wird Zeit, dass ich mich um den anderen Patienten kümmere."
„Duck?" Er drehte sich noch einmal zu uns um. „Ja?" „Ich hätte dir vorhin sagen sollen, dass ich den Abend bei Tony verbracht habe und…" „Schon in Ordnung, Jethro. Du brauchst dich nicht zu entschuldigen." Mit diesen Worten verließ er das Wohnzimmer, um den anderen Gesellschaft zu leisten.
„Habe ich so ausgesehen, als ob ich mich entschuldigen wollte?" fragte er mich stirnrunzelnd. „Oh ja, das hast du. Kaum zu glauben, dass du eine weitere deiner Regeln brechen wolltest. Ich habe anscheinend einen positiven Einfluss auf dich." Grinsend beugte ich mich vor und küsste ihn, um zu verhindern, dass er etwas erwidern konnte. Für einen kurzen Moment presste er sich an mich, löste sich dann aber wieder. „Ich bin froh, dass du nicht ins Krankenhaus musst", sagte er und zerzauste mir die Haare. „Und ich erst. Los, sehen wir mal, ob die anderen bereits meine Küche verwüstet haben." Ich stand auf und zog Gibbs mit auf die Füße. Vor der Tür ließ ich ihn los und beobachtete amüsiert, wie er wieder eine griesgrämige Miene aufsetzte. „Habe ich schon einmal erwähnt, dass du unheimlich sexy bist, wenn du so dreinblickst?" fragte ich. Bei meinen Worten durchfuhr ihn sichtbar ein Schauder und ich grinste zufrieden. Mit dem Wissen, dass ich es geschafft hatte, Leroy Jethro Gibbs für kurze Zeit aus dem Konzept zu bringen, öffnete ich die Küchentür und betrat den Raum, in dem der Mann lag, den ich erstochen hatte.

Die Küche hatte ihr Erscheinungsbild nicht verändert. Die Schränke und der Tisch waren noch immer dieselben, genauso wie die Fliesen und die Deckenlampen, die die Szene in ein helles Licht tauchten. Die Atmosphäre allerdings war nicht mehr die gleiche. War mir der Raum vorher warm und einladend vorgekommen, so hatte er jetzt etwas davon verloren. Er wirkte auf mich kälter und mein Körper überzog sich unwillkürlich mit einer Gänsehaut. Der Regen, der weiterhin vehement gegen das Fenster trommelte, verlieh dem Ganzen einen zusätzlichen unheimlichen Touch. Ducky und Palmer knieten neben dem Toten und begutachteten ihn von allen Seiten. Ziva schoss Fotos, während McGee damit beschäftigt war, den Tatort zu skizzieren. Bei dem Wort Tatort lief mir ein weiterer eisiger Schauer über meinen Rücken. Mir hatte es noch nie etwas ausgemacht, den Schauplatz eines Verbrechens zu betreten, da ich es jedes Mal schaffte mich persönlich zu distanzieren, aber in dieser Nacht war alles anders. Ich hoffte noch immer, dass das alles ein schlechter Traum war und ich bald in meinem Bett aufwachen würde, zusammen mit Gibbs, der mich mit seinen starken Armen umschlang. Aber ich wusste, dass dies nur eine Wunschvorstellung meinerseits war, aber wenigstens half der Gedanke an meinen Freund gegen die Kälte, die mich überzog. Da ich unter der Tür stehen geblieben und nicht weitergegangen war, stand er dicht hinter mir. Ich spürte seinen warmen Atem in meinem Nacken und seine Hände legten sich beruhigend auf meinen Rücken, wobei diese Geste die anderen nicht sehen konnten. Er drückte leicht zu und ich verstand. In dem Wissen, dass er bei mir war, trat ich einen weiteren Schritt vor, wodurch unser Körperkontakt zwar unterbrochen wurde, aber die Wärme, die er in mir hinterlassen hatte, blieb zurück.
Wie zuvor auch schon, setzte ich mich auf den Tisch, auf dem noch immer das mit meinem Blut getränkte Geschirrtuch lag, und sah zu, wie Ducky das Messer aus dem Rücken des Toten entfernte und es kurz betrachtete. Die lange Klinge war rot von Blut und schimmerte leicht in dem hellen Licht. „Wisst ihr, dass erinnert mich an ein Ereignis, das schon ziemlich lange zurück liegt. Damals habe ich noch in Edinburgh Medizin studiert und in den Ferien habe ich im dortigen Leichenschauhaus gearbeitet, um mir ein wenig Geld zu verdienen. Bereits damals habe ich gewusst, dass ich einmal Pathologe werden wollte." „Wirklich, Doktor?" fragte Jimmy interessiert, sah seinen Vorgesetzten gespannt an und schien an seinen Lippen zu hängen. Auch McGee und Ziva hatten in ihrer Arbeit inne gehalten und lauschten seinen Worten. „Aber sicher, Mister Palmer. In dem Sommer, in dem ich dort gearbeitet hatte, erschütterte eine Reihe von Morden Edinburgh. Ein Serienmörder ging um und er tötete nach und nach anscheinend wahllos Männer mit einfachen Küchenmessern – mit Messern wie dem hier." Er hielt den besagten Gegenstand noch weiter in die Höhe und versicherte sich, dass ihn auch jeder sehen konnte. „Was passierte dann?" fragte Tim, der vollkommen vergessen hatte, was seine Aufgabe war. Den Block und Bleistift in seiner Hand beachtete er gar nicht mehr. „Nun, mein guter Timothy, es stellte sich heraus, dass…" „Was es auch immer war, es ist nun vorbei. Können wir uns jetzt wieder der Arbeit widmen und herausfinden, wer hinter Tony her ist und was es mit dem Handy auf sich hat?" Gibbs, der bereits die lange Geschichte seines Freundes von weitem gerochen hatte, hatte ihn einfach – auf seine ihm unnachahmliche nette Art – unterbrochen. „Aber sicher, Jethro", meinte Ducky, warf uns beiden einen vielsagenden Blick zu und reichte Ziva das Messer, die es in einen Beweismittelbeutel steckte und es sicher in ihrem Rucksack verstaute.
„Was kannst du uns sagen?" wollte Gibbs wissen und kniete sich neben den Pathologen auf den Boden. „Nun, ich glaube, es gibt nichts, was ihr nicht schon wisst. Euch dürfte der Todeszeitpunkt hinlänglich bekannt sein. Aber um es dir noch einmal zu bestätigen, ist der Mann kurz nach Mitternacht gestorben, und zwar durch einen Stich in den Rücken. Welche Ursache den Tod herbeigeführt hat, kann ich noch nicht genau sagen. Es könnte sein, dass die Klinge von hinten das Herz durchbohrt hat oder auch eine wichtige Arterie zerstört wurde, in dessen Folge er dann verblutet ist. Eine Lungenverletzung kann ich ebenfalls nicht ausschließen. Das endgültige Ergebnis erhältst du wie immer nach der Autopsie." „Was auch immer die Ursache war, Tony hat jedenfalls super gezielt", sagte Ziva und schoss von meinem etwas ärgerlichen Gesichtsausdruck ein Foto. „Er ist ja nicht umsonst mein bester Agent", erwiderte Gibbs und erstickte somit den Streit im Keim, der unweigerlich entstanden wäre. Auf meinen Lippen bildete sich ein breites Grinsen. „Hast du gehört, Ziva? Ich bin sein bester Agent." „Ich bin ja nicht taub", gab sie bissig zurück und machte erneut ein Foto, sodass ich für eine Sekunde wegen dem Blitzlicht halb blind war. „Könntest du endlich damit aufhören?" Jetzt war ich wirklich wütend. Reichte es nicht, dass sich in meiner Küche ein Toter befand? Musste meine Kollegin auch noch Scherze darüber machen? Jethro schenkte uns beiden einen gefährlich funkelnden Blick und als er sicher war, dass wir beide uns nicht weiter angiften würden, sagte er: „Ziva, sieh dich ein wenig um. Vielleicht findest du Hinweise darauf, wie der Mann eingebrochen ist. McGee, mach endlich die Skizze fertig und hör auf, Löcher in die Luft zu starren." „Ähm… geht klar, Boss", meinte der Angesprochene, lief leicht rot an und senkte seinen Kopf, um dies zu verbergen.
„Mister Palmer, ich denke, Sie können jetzt die Trage hereinholen." Ducky sah zu seinem Assistenten, der sich erhob und gemeinsam mit der Agentin aus der Küche verschwand. Anschließend drehte der Pathologe den Toten auf den Rücken und griff nach der Maske, um sie ihm vom Kopf zu ziehen.
„Warte, das würde ich gerne übernehmen", sagte ich und rutschte vom Tisch. Er hielt mitten in der Bewegung inne und sah mich verständnisvoll an. „Nun, wenn das dein Wunsch ist, Anthony, dann walte deines Amtes." Ich musste wegen seiner Wortwahl lächeln und auch Gibbs' Mundwinkel zuckten leicht. Mit einem Schritt war ich bei ihnen und kniete mich gegenüber von meinem Freund auf den Boden, der mir ein Paar Gummihandschuhe reichte und mir einen aufmunternden Blick schenkte. Wie schon unzählige Male zuvor, zog ich mir die Handschuhe an, griff ohne zu zögern nach der Skimaske und zerrte sie dem Einbrecher vom Kopf. Sein Gesicht sah genauso aus, wie ich es mir vorgestellt hatte. Er hatte eine hohe Stirn, ausgeprägte – beinahe grobschlächtige – Wangenknochen und schmale Lippen. Die dunklen Augen waren noch offen und starrten leblos zur Decke. Durch die linke buschige Braue zog sich eine Narbe und teilte sie somit. Seine dunkelbraunen Haare waren kurz geschnitten und zeigten bereits die ersten Anzeichen einer Glatze, obwohl er sicher nicht älter als Anfang 30 war.
„Sieht wie ein richtiger Schläger aus", meinte McGee, klappte den Block zu und verstaute ihn in seinem Rucksack. „Es ist ein Wunder, dass du nicht mehr abbekommen hast, Tony." „Ich würde es eher als Zufall bezeichnen, Bambino", erwiderte ich und gab ihm die Maske, die er sofort in einen Beutel steckte. „Gibbs hat uns erzählt, dass dieser Kerl versucht hat, dich zu erwürgen. Du kannst wirklich von Glück reden, dass du noch lebst." „Ich weiß", murmelte ich, erhob mich, zog die Gummihandschuhe wieder aus und warf sie in einen Mülleimer. Tim hatte vollkommen Recht. Es hätte nicht mehr viel gefehlt und ich würde jetzt hier auf dem Boden liegen. Seine Worte bewirkten, dass sich meine Vorwürfe und Schuldgefühle in Luft auflösten und ich mich wie befreit fühlte. Dankbarkeit erfüllte mein Inneres und deshalb klopfte ich meinem jungen Kollegen kumpelhaft auf die Schulter, der mich deswegen mehr als verwundert ansah. Allerdings bekam er keine Gelegenheit, sich zu erkundigen, ob bei mir vielleicht eine Sicherung kaputt gegangen war, denn die Tür schwang auf und in der Erwartung, Jimmy wäre mit der Trage zurück, drehte ich mich um. Aber es war nicht der Autopsie Gremlin – wie ich ihn immer nannte – sondern Ziva. Sie hielt etwas in der Hand, das mich beinahe zur Salzsäule erstarren ließ. Ein kurzer Blick zu Gibbs genügte mir, um mir zu verraten, dass er ebenfalls kurzfristig aus dem Konzept gebracht worden war, obwohl man es ihm äußerlich nicht ansehen konnte. Aber seine Augen hatten sich unmerklich geweitet und für eine Sekunde war Schrecken darin aufgeblitzt. Genauso wie ich hatte er erkannt, was sie zwischen ihren Fingern hielt.
„Sag mal, Tony", begann die junge Frau und kam feixend auf mich zu. „Seit wann trägst du denn ein Poloshirt?" Sie wedelte mit dem Kleidungsstück vor meiner Nase herum und unwillkürlich bildete sich in meinem Hals ein dicker Kloß. „Und ich habe immer angenommen, dass Gibbs der Einzige wäre, der so etwas anzieht." „Wo hast du das gefunden?" fragte ich mit leicht kratziger Stimme, wie ich beschämt feststellte. Ziva entging das keineswegs und sie interpretierte es natürlich falsch. Jetzt nahm sie auch noch an, dass ich heimlich Poloshirts trug. Ich wusste, ich könnte mit einem Satz das Missverständnis aufklären, aber ich hielt an Gibbs und meinem Vorsatz fest, unseren Kollegen noch nicht zu sagen, dass wir zusammen waren.
„Hinter deinem Fernseher", antwortete sie und grinste noch breiter. „Ich frage mich, wie es dorthin gekommen ist." Hilfesuchend sah ich einen nach dem anderen an. McGee stand der Mund offen und er schien erst verdauen zu müssen, was er soeben erfahren hatte. Jethro gab sich äußerlich wie immer, aber ich konnte förmlich die sich drehenden Rädchen hinter seiner Stirn sehen. Und Ducky schien sich köstlich zu amüsieren, wie mir das Funkeln in seinen Augen verriet. Ihm war sofort klar, dass das Shirt Gibbs gehörte und wie es hinter meinem Fernseher gekommen war.
„Nun, ich habe…" begann ich, planlos darüber, was ich sagen sollte, aber ich wurde schließlich gerettet – in Form von Jimmy, der mit der Trage gegen den Türrahmen stieß und alle damit ablenkte. Ich nutzte den Sekundenbruchteil aus, den Ziva brauchte, um zu erkennen, wer das Geräusch verursacht hatte und riss ihr das Shirt aus der Hand, öffnete einen der Schränke und stopfte es hinein – so nach dem Motto: aus den Augen, aus dem Sinn. Mein Boss blickte mich mit erhobener Augenbraue an und ich zuckte einfach mit den Schultern. Uns beiden war klar, dass wir unser Versteckspiel wohl nicht lange durchziehen würden können, aber bis die Sache mit dem Handy geklärt war, würden wir es für uns behalten – auch wenn es mir schwer fiel. Ich musste höllisch aufpassen, dass man mir meine Gefühle nicht von meinem Gesicht ablesen konnte. Immerhin war ich nicht so ein großer Meister wie Gibbs, wenn es darum ging, sie zu verstecken.
Palmer sah irritiert von einem zum anderen und bevor er sich erkundigen konnte, was hier vor sich ging, erhob sich Ducky. „Da sind Sie ja endlich. Haben Sie sich etwa auf dem Weg nach draußen verlaufen?" „Ähm… nein, Doktor", erwiderte sein Assistent und stellte die Trage neben dem Toten ab. „Aber die Tür des Trucks hat leicht geklemmt." Sein Vorgesetzter schüttelte leicht den Kopf und gemeinsam begannen sie, die Leiche in dem Sack zu verstauen.
„Solltest du nicht nach Hinweisen suchen, wie der Kerl es geschafft hat, bei mir einzubrechen?" wandte ich mich an Ziva, die nun mit leeren Händen vor mir stand. Ihr Blick sagte mir allerdings, dass sie es nicht vergessen würde, was sie in meinem Wohnzimmer gefunden hatte. Und ich hatte so das Gefühl, dass sie mich bei jeder sich bietenden Gelegenheit darauf ansprechen würde. Jedenfalls solange, bis Jethro und ich unser kleines Geheimnis lüften würden.
„Vielleicht solltest du das selbst übernehmen", erwiderte sie hämisch. „Wer weiß, welche Sachen ich sonst noch bei dir finde. Anscheinend hast du Vorlieben, von denen keiner von uns weiß." Sie schaffte es einfach nicht, ihren Mund zu halten und ärgerlich öffnete ich bereits meinen, um ihr meine Meinung zu sagen, wurde aber von Gibbs unterbrochen. „Sind wir hier etwa im Kindergarten?" fragte er schroff und an seiner Schläfe pochte sichtlich eine Ader – kein gutes Zeichen. Ich schluckte und hoffte inständig, dass nicht ich der Grund dafür war, dass er plötzlich wütend war. „McGee, hilf Ziva. Es müssen doch irgendwo Spuren sein, die dieser Kerl hinterlassen hat. Und wenn es geht, bevor die Sonne aufgeht." „Sind schon weg, Boss", sagte Tim und verließ dich Küche, gefolgt von Ziva, die mir noch einen letzten Blick schenkte.
„Und was machst du?" fragte ich und sah zu, wie Jimmy den Reißverschluss des Leichensackes schloss. Auf den Fliesen waren eine Blutlache und die Scherben des Glases, das ich fallen gelassen hatte, zurückgeblieben. Ansonsten gab es keine Anzeichen dafür, dass hier ein Kampf stattgefunden hatte.
„Mister Palmer und ich werden ins Hauptquartier fahren", sagte Ducky, bevor Gibbs die Möglichkeit hatte, mir eine Antwort zu geben. „Ich werde noch heute Nacht mit der Autopsie beginnen. Gegen Mittag wird es die endgültigen Ergebnisse geben." Er kam auf mich zu und tätschelte mir den Oberarm. „Sieh zu, dass du ein wenig schläfst, Tony", schlug er vor. „Ich werde es versuchen", erwiderte ich, wobei ich jedoch wusste, dass es schwer werden würde, auch nur ein Auge zu schließen. Anscheinend zufrieden mit meiner Antwort, nickte er, verabschiedete sich und gemeinsam mit Jimmy trug er die Trage aus der Küche. Erleichtert atmete ich auf, denn jetzt, wo die Leiche weg war, kam mir die Küche auf einmal gar nicht mehr so kalt vor.
Da wir alleine waren, ließ Jethro seine griesgrämige Miene fallen, kam auf mich zu und umarmte mich fest. „Das war ganz schön knapp", sagte er flüsternd. „Was meinst du?" Unwillkürlich schmiegte ich mich an ihn. „Das mit dem Poloshirt." „Oh", gab ich von mir und fing leise an zu lachen. Jetzt im Nachhinein kam mir die ganze Situation mehr als komisch vor. „Ziva nimmt nun an, dass ich, wenn ich alleine bin, so etwas anziehe." Ich spürte deutlich, wie seine Schultern bebten. „Ja, das ist natürlich schrecklich", erwiderte er und ich konnte das Lachen förmlich in seiner Stimme hören. „Womit ich nicht gemeint habe, dass es schlimm ist, wenn man Poloshirts trägt", verteidigte ich mich, löste mich sanft aus der Umarmung und sah ihm in die belustigt funkelnden Augen. „Dir passen sie hervorragend." Ich gab ihm einen kurzen Kuss, öffnete den Schrank, in dem ich das Kleidungsstück verstaut hatte und holte es heraus. „Hier. Ich denke, das hast du vorhin gesucht." Er nahm es und legte es, anstatt es sich anzuziehen, über die Lehne eines Stuhles.
„Tony?" „Ja?" Überrascht von seinem plötzlich ernsten Ton, hob ich eine Augenbraue. Er atmete sichtlich tief ein und aus, bevor er sagte: „Ich hatte heute wirklich Angst, dich zu verlieren. Als du nach mir geschrieen hast und ich die Panik in deiner Stimme gehört habe, hatte ich gedacht, du würdest sterben." Jetzt war ich es, der ihn fest umarmte. Seine Worte rührten mich auf eine Weise, die ich nie für möglich gehalten hatte und sein Geständnis, dass er um mich Angst gehabt hatte, brachte mir erneut nahe, dass er mich liebte. „Es ist ja noch einmal alles gut gegangen", flüsterte ich in sein Ohr. „Außerdem, so schnell wirst du mich nicht los." Gibbs gab ein belustigtes Schnauben von sich und ich fing an zu lächeln. „Das will ich auch hoffen", murmelte er, drückte mich ein letztes Mal fest an sich und ließ mich schließlich los. Er sah sich kurz um. „Um auf deine Frage von vorhin zurückzukommen, was ich jetzt machen werde: ich denke, deine Küche könnte eine Reinigung gebrauchen." „Da kann ich dir nur Recht geben." „Dann sollten wir uns an die Arbeit machen." „Du willst wirklich meine Küche putzen?" Jethro legte seinen Kopf schief und musterte mich. „Ich habe mir eher vorgestellt, dass ich mir zuerst einen Kaffee mache, während du schon einmal anfängst. Und nachher helfe ich dir dann." Gespielt verärgert verzog ich meinen Mund. „Du willst dich doch nur drücken", meinte ich leicht schmollend. „Sieh mich nicht mit diesem Dackelblick an, Tony. Du weißt genau, dass ich dem nicht widerstehen kann." „Ach, wirklich?" Ein Grinsen machte sich auf meinen Lippen breit und jetzt bemerkte er, dass ich ihn nur veräppelt hatte – was mir prompt eine Kopfnuss einbrachte. Gleich darauf fuhr er mir aber an der schmerzenden Stelle sanft durch die Haare, zog mich an sich und küsste mich leidenschaftlich, ungeachtet dessen, dass Ziva und McGee jederzeit hereinplatzen konnten. Ich presste mich an ihn und fühlte mich plötzlich ganz schwindelig. Obwohl es nicht der richtige Ort war, schaffte er es, dass in mir Verlangen nach mehr aufstieg. Ich stöhnte leise in seinen Mund hinein und er vertiefte den Kuss noch um eine Spur.
„Wenn du dich jetzt jedes Mal so für eine Kopfnuss, die du mir verpasst, entschuldigst, kannst du mir in Zukunft noch mehr geben", keuchte ich an seinen Lippen, als wir uns wieder voneinander gelöst hatten – mangels Sauerstoff. Seine blauen Augen waren vor Leidenschaft verhangen und seine Begierde war unübersehbar. „Das hättest du wohl gerne", erwiderte er genauso atemlos, grinste aber bei seinen Worten. Liebevoll zerzauste er mir meine Haare und langsam kehrte ich wieder in die Realität zurück. „Machst du mir auch einen Kaffee mit?" fragte ich deshalb. „Sicher." Widerwillig ließ er mich los und wandte sich meiner Kaffeemaschine zu. Meine Erregung ignorierend, suchte ich Putzmittel, um damit meine Küche wieder auf Vordermann zu bringen – 30 Sekunden später tauschten Gibbs und ich die Rollen, da er sich mit meiner neumodischen Kaffeemaschine nicht auskannte. Tja, die Technik hatte eben auch seine Vorteile.

Fortsetzung folgt...
Chapter 17 by Michi
Es war kurz vor halb vier, als Ziva und McGee endlich damit fertig waren, mein gesamtes Haus nach Spuren zu durchsuchen. In dieser Zeit hatte Gibbs drei Tassen Kaffee – den ich für ihn extra stark gemacht hatte - getrunken, während ich nur eine geschafft und den Rest nicht angerührt hatte, aus Angst, innerhalb der nächsten Stunde an einem Herzinfarkt zu sterben. In dem Gebräu war so viel Koffein enthalten gewesen, dass man damit gut und gerne eine ganze Kompanie Marines aus dem Tiefschlaf aufwecken hätte können. Obwohl ich es mit etlichen Löffeln Zucker entschärft hatte, war ich jetzt putzmunter und konnte mir nicht vorstellen, auch nur ein Auge zu schließen. War ich vor dem Einbruch noch hundemüde gewesen, so fühlte ich mich jetzt, als ob ich Bäume ausreißen könnte.
Jethro und ich hatten innerhalb von 15 Minuten meine Küche wieder auf Vordermann gebracht. Das Blut war vom Boden verschwunden, genauso wie die Glasscherben und die Fliesen glänzten nun wie neu. Auch wenn nichts mehr daran erinnerte, was in diesem Raum vor ein paar Stunden geschehen war, hatte sich das Ereignis in meinem Gehirn eingebrannt. Allerdings machte es mir nicht mehr so viel aus, mich hier aufzuhalten und mittlerweile war mir bewusst geworden, dass ich nicht anders hätte reagieren können. Wie McGee so schön gesagt hatte, hatte ich verdammtes Glück gehabt, dass nicht ich derjenige war, der bei Ducky in der Pathologie gelandet war. Meine gute Laune war wieder zurückgekehrt und während meine Kollegen mein Haus auf Spuren durchsucht hatten, hatte ich mich faul auf die Couch gelegt - zugegeben, erst nachdem Gibbs es mir unverhohlen befohlen hatte. Ich hatte vor gehabt, bei der Suche zu helfen, aber er hatte es mir schlichtweg verboten und gemeint, ich solle mich ausruhen. Zuerst hatte ich mich geweigert und mich trotzig wie ein kleines Kind dagegen gewehrt, hatte aber schließlich doch nachgegeben, als ich gemerkt hatte, dass an seiner Schläfe gefährlich eine Ader gepocht hatte. Und da ich nicht wollte, dass wir gleich in den ersten Stunden unserer Beziehung einen Streit hatten, hatte ich mich brav hingesetzt, die Füße auf den Tisch gelegt und ferngesehen. Jethro hatte zufrieden genickt, mir liebevoll die Haare zerzaust – die anderen waren nicht im Wohnzimmer gewesen – und hatte dann Ziva und McGee geholfen. Hin und wieder hatte er nach mir gesehen und überprüft, ob ich brav sitzen geblieben war und da ich wusste, wie unausstehlich er sein konnte, wenn man einem seiner Befehle nicht Folge leistete, war ich faul auf der Couch sitzen geblieben und hatte mir die Wiederholung eines Spielfilmes vom Vorabend angesehen.
Jetzt, mehr als zwei Stunden später, waren meine Kollegen endlich dabei, ihre Sachen einzupacken. Da die beiden ebenfalls von dem Kaffee getrunken hatten, wirkten sie ein wenig aufgekratzt und überhaupt nicht müde. Anscheinend würde ich nicht der Einzige sein, der heute Nacht kein Auge schließen würde.
„Keine Einbruchsspuren", sagte McGee und zog den Reißverschluss seiner Jacke zu. „Bei keinem Fenster, die Eingangstür ist auch unbeschädigt und im Keller war ebenso nichts zu finden. Wenn ihr mich fragt, muss es ein Profi gewesen sein." Ich schaltete den Fernseher stumm und sah zu meinen Kollegen, die sich für den Aufbruch fertig machten. „Es gibt keine einzige Spur?" fragte ich verblüfft nach und runzelte die Stirn. Ziva schüttelte ihren Kopf, nahm ihren Rucksack, hielt aber in ihrer Bewegung inne. Ich konnte förmlich erkennen, wie es hinter ihrer Stirn klick machte. „Nun, es gibt da schon eine Möglichkeit, wie er hier eingedrungen sein könnte." Bei diesen Worten hob selbst Gibbs den Kopf und sah die Agentin neugierig an. „Und wie?" wollte ich wissen und stand auf. „Hast du deine Haustür überhaupt abgeschlossen, als du schlafen gegangen bist?" „Na ja…" begann ich, brach aber ab und blickte zu Jethro, der eine Augenbraue hob. Ich dachte an den Abend zurück. Ich hatte die Tür zugemacht, aber nicht abgesperrt. Und nachher war ich viel zu beschäftigt gewesen, um auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden. „Das habe ich wohl vergessen", nuschelte ich leicht verlegen und ließ mich wieder auf das Sofa fallen. Ein einziges Mal vergaß ich, die Tür zuzusperren und das nutzte gleich ein Einbrecher aus. Allerdings wurde mir im selben Moment bewusst, dass er sonst irgendeinen anderen Weg gefunden hätte, bei mir einzudringen.
„Dann solltest du in Zukunft wohl besser aufpassen, Tony", meinte Gibbs, der nur allzu gut wusste, weshalb ich die Türe nicht versperrt hatte. Im Prinzip waren wir beide schuld daran, was er aber nie zugeben würde. „Ich weiß", murmelte ich und sah ihn entschuldigend an, obwohl ich keine Ahnung hatte, weshalb ich das tat. „Vielleicht solltest du dir einen Wachhund zulegen", schlug McGee vor und hängte sich seinen Rucksack um. „Oder eine Alarmanlage", fügte Ziva hinzu und grinste. Ich zuckte nur die Schultern, da ich gerade überhaupt keine Lust verspürte, darüber nachzudenken. Ein wenig enttäuscht darüber, dass ich mir mit ihr kein Wortgefecht liefern würde, verabschiedete sie sich von mir und ging zur Tür, dicht gefolgt von McGee und Gibbs, der sie dort hin brachte. Ich hörte Worte wie „pünktlich um sieben" und „nicht zu spät kommen". Kurz darauf war das Geräusch der zufallenden Tür zu hören und Jethro kam eine Sekunde später zu mir ins Wohnzimmer zurück.
„Ich kann es nicht fassen, dass ich einfach vergessen habe, zuzusperren", sagte ich und fuhr mir durch die Haare. „Dadurch habe ich es ihm nur leichter gemacht." Er setzte sich zu mir aufs Sofa und drehte sich so, dass er mich direkt anblicken konnte. „Hör auf, dir Selbstvorwürfe zu machen, Tony. Er wäre so oder so hier herein gekommen. Und so weit ich mich erinnere, hattest du etwas anderes zu tun, als dir Gedanken über eine abgesperrte Tür zu machen." Ich legte meinen Kopf leicht schief und grinste. „Stimmt. Im Prinzip bist du genauso schuld wie ich." Gibbs kniff kurz seine Augen zusammen und ich hatte schon die Befürchtung, er würde mir eine Kopfnuss verpassen, aber er behielt seine Hände brav bei sich. Stattdessen seufzte er leise und verschränkte seine Finger mit denen meiner rechten Hand. „Ich schätze, das kann ich nicht einmal abstreiten", meinte er und ich grinste noch breiter. „Also gibst du zu, dass ich Recht habe?" bohrte ich nach, unfähig, meinen Mund zu halten. Er brummte etwas Unverständliches, so wie er es immer tat, wenn er nicht wusste, was er sagen sollte – was äußerst selten vorkam. Und dass ausgerechnet ich es geschafft hatte, erfüllte mich mit Stolz.
„Lass uns schlafen gehen", meinte er stattdessen, um vom Thema abzulenken. „Ich habe so das Gefühl, dass heute noch ein harter Tag werden wird. Außerdem beginnt der Dienst in 3 ½ Stunden." Jetzt war es an mir, leise zu seufzen. „Können wir nicht ausnahmsweise später anfangen?" Gibbs schüttelte den Kopf, womit ich bereits gerechnet hatte. „Nein, auch wenn der Gedanke daran mehr als verlockend ist. Ich will so schnell wie möglich wissen, was es mit diesem Handy auf sich hat und ich bin mir sicher, dass dieser Mann nicht alleine hinter der Sache steckt. Und ich will diese Verbrecher schnappen, die hinter meinem Freund her sind." Bei den letzten Worten vollführte mein Herz einen großen Hüpfer. Ich hob unwillkürlich meine freie Hand und legte sie ihm auf die Wange. „Was?" fragte er irritiert. „Ich liebe es, wenn du mich als deinen Freund bezeichnest", antwortete ich ihm und rückte näher an ihn heran. Jethro lächelte liebevoll. „Na, das bist du doch auch." Gleich darauf überbrückte er die letzte Distanz zwischen uns und küsste mich zärtlich. Es lag keine Leidenschaft darin, sondern nur die Gefühle, die er für mich hegte. Für mich war es immer wieder ein Wunder, dass dieser Mann, der so oft schlecht gelaunt und wütend dreinblickend durch die Gegend lief, so unendlich sanft sein konnte. Und mir war nur zu bewusst, dass ich es war, der in ihm diese Seite zum Vorschein gebracht hatte, von der ich geglaubt hatte, sie würde nicht existieren. Ich verzog meine Lippen zu einem Lächeln, weshalb Gibbs sich schlussendlich von mir löste. „Was ist?" fragte er. Ich schüttelte den Kopf, zog ihn an mich und umarmte ihn fest. „Ich bin einfach nur froh, dass du bei mir bist", flüsterte ich ihm ins Ohr. Ich schloss meine Augen und genoss seine Nähe, seine körperliche Wärme.
„Ich auch", erwiderte Jethro genauso leise, fuhr mit seinen Fingern sachte über meinen Rücken, womit er mir eine Gänsehaut verursachte. Ich erschauerte und er presste mich kurz ganz fest an sich, bevor er mich losließ. „Und jetzt lass uns endlich schlafen gehen." Er wollte schon aufstehen, als ich seinen Unterarm umfasste und ihn wieder zurückzog. „Ich weiß genau, dass ich kein Auge zumachen werde. Der Kaffee hatte so viel Koffein, dass ich wohl bis morgen Abend putzmunter sein werde. Können wir nicht einfach hier herunten bleiben und noch ein wenig fernsehen?" Verblüfft hob er eine Braue, ließ sich aber wieder auf das Sofa nieder. „Du willst fernsehen?" fragte er nach, nicht sicher, ob er mich richtig verstanden hatte. „Das hast du doch die letzten Stunden gemacht." „Ja, aber nur, weil du nicht wolltest, dass ich euch bei der Spurensuche helfe." Gibbs musterte mich prüfend, suchte Anzeichen nach Müdigkeit, aber als er keine fand, fügte er sich in sein Schicksal. „Na schön, aber kein Magnum." „Was magst du denn nicht an Magnum?" wollte ich wissen, schnappte mir die Fernbedienung und stellte den Ton wieder an. „Hast du dir einmal diesen Ferrari angesehen, den er fährt? Einfach traumhaft und dann Hawaii. Ich bitte dich, selbst dir müssten diese langen Sandstrände gefallen und…" „Tony", unterbrach er mich. „Schon gut, ich halte ja die Klappe", kam ich ihm zuvor, da ich genau wusste, was er sagen wollte.
Zufrieden nickte er, rückte nahe an mich heran, legte seinen linken Arm um meine Schultern und lehnte sich gemütlich zurück. Ich entledigte mich meiner Schuhe, rückte ein wenig herum, bis ich eine bequeme Position gefunden hatte und zog meine Füße an meinen Körper. Anschließend ließ ich meinen Kopf auf Gibbs' linke Schulter sinken. „Und, was sehen wir uns an?" fragte er und beobachtete, wie ich durch die verschiedenen Kanäle zappte, bis ich bei „Speed" landete. „Das hier", meinte ich, legte die Fernbedienung auf die Seite und kuschelte mich noch enger an ihn. Dass wir beide einmal so gemeinsam vor dem Fernseher sitzen würden, hätte ich nie für möglich gehalten, alleine deswegen, da ich wusste, dass Jethro nur einen in seinem Keller stehen hatte und sich beim Boot bauen berieseln ließ. Auf mich hatte er bisher nicht den Eindruck gemacht, als ob man mit ihm einen gemütlichen Abend verbringen konnte, aber das musste ich jetzt revidieren.
„Was ist das?" wollte er wissen und sah mich von der Seite her fragend an. „Lass dich einfach überraschen." „Ich hasse Überraschungen", brummte er, bohrte aber erstaunlicherweise nicht nach. Schweigend verfolgten wir, wie Sandra Bullock und Keanu Reeves in einem Bus mit mehr als 50 Meilen pro Stunde durch L.A. rasten. Da ich den Film bereits mehrere Male gesehen hatte, wusste ich auch, dass die ersten Szenen in einem Fahrstuhl spielten, was mich irgendwie an heute Vormittag erinnerte, auch wenn die eine Sache mit der anderen überhaupt nichts zu tun hatte. Aber dennoch wuchs in mir eine Neugierde, die unbedingt befriedigt werden musste.
„Gibbs?" unterbrach ich deshalb unser Schweigen. „Hmm?" war alles, was er von sich gab. „Ähm, ich hätte da eine Frage." Ich hob meinen Kopf von seiner Schulter, um ihn direkt ansehen zu können. „Um was geht es?" Ich räusperte mich, um meinen Hals freizubekommen. „Also, heute kurz vor Mittag, als du mit Detective Edwards…" Bei der Erwähnung des Namens spannte er seine Muskeln an und mich hätte es nicht gewundert, wenn er geknurrt hätte. Er kniff seine Augen zu Schlitzen zusammen, in denen ein gefährliches Funkeln getreten war. Aber dennoch fuhr ich fort. „Du bist ja mit ihm im Fahrstuhl verschwunden und jetzt frage ich mich, was du zu ihm gesagt hast." „Wie kommst du darauf, dass ich mit diesem Kerl ein Gespräch geführt habe?" „Nun, vor dem Aufzug hat sich eine kleine Menschenmenge gebildet und als du wieder ins Büro gekommen bist, hattest du eine selbstzufriedene Miene, obwohl du ein paar Minuten vorher wütend gewesen bist. Also, was hast du zu ihm gesagt?" Jethro seufzte und richtete sich ein wenig auf. Ihm war anscheinend klar geworden, dass ich nicht locker lassen würde. „Du willst wirklich wissen, was ich zu diesem Detective gesagt habe?" Ich nickte und blickte ihn neugierig an. „Ich habe ihm nahe gelegt, dass er seine Finger von dir lassen soll, da du bereits vergeben und somit für ihn tabu bist." Verblüfft klappte mir der Mund auf und im ersten Moment fehlten mir die Worte. Ich wusste, dass Gibbs mir die Wahrheit erzählt hatte, weshalb ich umso erstaunter war. „Ähm, und… und wen hast du als meinen Freund genannt?" fragte ich mit leicht kratziger Stimme. Innerlich wusste ich bereits, wie seine Antwort lauten würde, weshalb mein Herz vor Freude anfing schneller zu schlagen. „Mich", gab er ohne Umschweife zu. Ich grinste breit und setzte mich auf. „Und ich kann mir vorstellen, dass Edwards darüber nicht sehr glücklich gewesen ist. Womit hast du ihm denn gedroht, falls er mich noch einmal belästigen sollte?" Jethro lächelte schief und in seine Augen trat ein amüsiertes Funkeln. „Ich habe ihm gesagt, dass er dann sein Testament verfassen kann." Unbändige Freude durchflutete mich und am liebsten hätte ich ihn jetzt umarmt, aber ich blieb brav an Ort und Stelle sitzen. „Jetzt verstehe ich auch, weshalb du so selbstzufrieden warst." Ich hielt kurz inne, dann fügte ich hinzu: „Gib es zu, du warst eifersüchtig." Er schüttelte den Kopf, machte den Mund auf, um mir zu widersprechen, aber stattdessen zuckte er mit den Schultern. „Am liebsten hätte ich ihm den Kopf abgerissen, als er sich am Tatort so an dich heran geschmissen hat. Deshalb habe ich dich auch so angebrüllt." Für eine Sekunde blickte er schuldbewusst zu Boden, aber er hatte sich ganz schnell wieder unter Kontrolle. Ich hingegen fühlte mich einfach großartig. Zu wissen, dass Gibbs wirklich eifersüchtig gewesen war, ließ mich den Schmerz, den ich gestern Morgen vorübergehend verspürt hatte, vergessen. „Ach, Jethro", hauchte ich und gab ihm einen leidenschaftlichen Kuss. Er presste mich an sich und küsste mich so, als ob es das letzte Mal wäre. „Wow", keuchte ich atemlos, als wir uns wieder lösten. „Das ist nicht einmal der richtige Ausdruck dafür", erwiderte er, legte seinen Arm wieder um meine Schultern und zog mich an sich. Zufrieden kuschelte ich mich an ihn und verfolgte, wie Keanu Reeves die Passagiere aus dem Bus rettete. Harmonisches Schweigen breitete sich zwischen uns aus und die Stimmen aus dem Fernseher hatten eine beruhigende Wirkung auf mich. Unwillkürlich fing ich zu gähnen an und obwohl ich jede Menge Koffein in meinem Blut hatte, wurden meine Lider bleischwer. Die Szene im Fernseher nahm verschwommene Formen an und die Worte drangen nur mehr gedämpft an meine Ohren. In dem Bewusstsein, dass mich Jethro heute nicht alleine lassen würde, schlief ich schließlich in seinen Armen ein.

Gibbs saß auf dem Sofa und verfolgte gespannt den Film, den Tony ausgesucht hatte. In diesem Moment fühlte er sich ungewohnt wohl. Seinen Arm hatte er um seinen Freund gelegt, dessen Kopf an seiner Schulter ruhte und alleine dessen körperliche Nähe schaffte es, ihn zu entspannen. Normalerweise war das nur der Fall, wenn er an seinem Boot baute, während im Hintergrund der Farm Report lief und ihn berieselte. Noch vor kurzem hatte er geglaubt, dies sei die einzige Tätigkeit, bei der er seine Arbeit vergessen konnte, bei der er nicht an Leichen oder Mörder dachte. Aber gestern Abend und auch jetzt, wurde er eines besseren belehrt. Anthony hatte ihm gezeigt, dass es durchaus Methoden gab, um abzuschalten, sei es durch pure Leidenschaft oder durch einfaches Fernsehen. Das letzte Mal, dass er sich einen Spielfilm angesehen hatte, war schon lange her, was vielleicht auch daran lag, dass er viel lieber an seinem Boot baute. Aber vor ein paar Stunden hatte er etwas gefunden, das ihn viel mehr befriedigte - oder besser gesagt, jemanden. Trotz des Zwischenfalls, der zu einem Toten geführt hatte, fühlte er sich unbeschwert und glücklich. Seit langer Zeit war ihm wieder danach, mit einem breiten Grinsen durch die Gegend zu laufen und das Image als Bad Boy über Bord zu werfen. Jethro war bewusst, dass er dadurch seinen Ruf zerstören würde, aber was machte man nicht alles für den Mann, den man über alles liebte. Und zu wissen, dass diese Liebe erwidert wurde, war ein unbeschreiblich schönes Gefühl. Tony hatte auf ihn, wie er selbst vor kurzem gesagt hatte, einen unbestreitbar positiven Einfluss. Und ihm war bewusst, dass sich das auch in Zukunft in seinem Job bemerkbar machen würde. Sicher, er war immer noch der Boss und gab die Befehle, aber er würde es wohl nur schwer schaffen, von nun an seinen Freund wie die anderen herumzuscheuchen. Er musste wohl lernen, Berufliches von Privatem zu trennen, und dass würde nicht immer leicht sein – ein weiterer Grund für Regel Nummer 12. Allerdings galt diese Regel für sie beide nicht mehr. Gibbs hätte es nicht für möglich gehalten, jemals dagegen zu verstoßen, schon gar nicht wegen Tony. Aber ein einziger Auftrag hatte alles geändert und nun war er nicht nur mehr sein bester Agent, sondern sein Freund, sein Vertrauter und sein Liebhaber. Innerhalb eines Monats war sein gesamtes Leben auf den Kopf gestellt worden und alles nur, weil Jen gewollt hatte, dass er undercover ging. Er freute sich jetzt schon auf ihren Gesichtsausdruck, wenn er ihr – gemeinsam mit Anthony – sagen würde, dass sie ein Paar waren. Im Prinzip hatte er es ihr zu verdanken, dass er jetzt in diesem Wohnzimmer saß, sich einen Spielfilm ansah und DiNozzo fest im Arm hielt.
Ein glückliches Lächeln bildete sich auf den Lippen des Chefermittlers und er wandte seine Aufmerksamkeit von dem Fernseher ab, wo gerade der Showdown im U-Bahn Tunnel begonnen hatte. Er blickte zu seinem Freund hinunter, dessen Augen geschlossen waren. Der Mund war leicht geöffnet, sein warmer Atem strich über seinen Hals und verursachte ihm angenehme Schauder. Sein Brustkorb hob und senkte sich in regelmäßigen Abständen und Gibbs wusste sofort, dass Tony selig schlief, obwohl dieser gemeint hatte, putzmunter zu sein. Eine unglaubliche Zärtlichkeit stieg in ihm auf und er fuhr vorsichtig mit einer Hand durch die verstrubbelten braunen Haare, die sich so weich anfühlten. In diesem Moment wurde ihm zum ersten Mal bewusst, was es bedeutete, richtig verliebt zu sein. Noch nie hatte er das Bedürfnis verspürt, jemand anderem genauso viel zu geben, wie der andere ihm schenkte. Er wollte ihn auf einmal vor allem beschützen, machte sich Sorgen und schaffte es sogar, auf einen Mann eifersüchtig zu sein, von dem er wusste, dass er nie eine Chance bei Tony gehabt hätte. Die Liebe brachte schon merkwürdige Seiten in ihm zum Vorschein – Seiten, von deren Existenz er nicht einmal selbst gewusst hatte.
Ein letztes Mal fuhr er durch die verwuschelten Haare, dann nahm er vorsichtig seinen Arm von Anthonys Schultern und rutschte zur Seite – immer darauf bedacht, den anderen nicht zu wecken. Langsam ließ er ihn auf das Sofa nieder, da er fand, dass die Polster sicher bequemer als seine Schulter waren. Sein Freund regte sich ein wenig, als sein Kopf schließlich auf der weichen Fläche zu liegen kam, wachte aber nicht auf. Damit zufrieden, stand Gibbs auf und nahm die Decke, die über der Lehne der Couch gehangen hatte, breitete sie über dem Schlafenden aus und betrachtete ihn versonnen. Seine Gesichtszüge waren entspannt und es war beinahe ungewohnt, ihn so still zu erleben. Die Prellung, die seine Wange zierte, machte ihn komischerweise noch attraktiver und als Gibbs daran dachte, wie er zu dieser Verletzung gekommen war, ballte er unwillkürlich seine Hände zu Fäusten. Erneut kroch die Angst, die er verspürt hatte, als er gedacht hatte, Tony zu verlieren, in ihm hoch und schnürte ihm den Atem ab. Deshalb durchquerte er den Raum, ging zur Terrassentür und öffnete sie. Erleichtert sog er die kühle Nachtluft in seine Lungen, so lange, bis das Gefühl ersticken zu müssen, von ihm wich.
Der Regen hatte nachgelassen und war zu einem beständigen Nieseln geschrumpft. Allerdings war ein leichter Wind aufgekommen und wehte ihm das Nass ins Gesicht, aber dennoch verließ er seine Position nicht. Jethro ließ seinen Blick durch die nächtliche Finsternis schweifen und fragte sich, wo die Verbrecher steckten, die hinter Anthony her waren. Sein Instinkt verriet ihm, dass auf dem Handy, das der Mann gesucht hatte, etwas Wichtiges gespeichert sein musste, sonst hätte er es nicht riskiert, bei einem Bundesagenten einzubrechen. Die Frage war jedoch, wie kam jemand auf die Idee, dass sein Agent etwas davon wusste. Selbst dieser konnte sich keinen Reim darauf machen. Aber egal was es mit der ganzen Sache auf sich hatte, er würde Tony beschützen und sei es mit seinem eigenen Leben. Er würde nie zulassen, dass dieser leiden würde – egal in welcher Form.
Gibbs atmete noch einmal die kühle Nachtluft ein und schloss die Terrassentür wieder, bevor ihm komplett kalt werden konnte. Anschließend ging er wieder zu der Sitzgruppe zurück und ließ sich auf einen der beiden Sessel nieder, die nicht minder bequem waren als die Couch. Den Fernseher beachtete er gar nicht, ließ ihn aber eingeschaltet. Komplette Stille würde er jetzt nicht aushalten, also ließ er sich von den Stimmen aus den kleinen Lautsprecher berieseln.
Mit leicht schief gelegtem Kopf beobachtete er Tony, der im Schlaf seufzte, die Decke enger um seinen Körper zog und anfing, leise zu schnarchen. Ein Grinsen breitete sich auf Jethros Lippen aus, als er die schwachen Laute hörte. Auch wenn er es wohl nie laut zugeben würde, fand er seinen Freund in diesem Moment unglaublich sexy. Begehren stieg in ihm auf, aber er blieb auf dem Sessel sitzen. Zwar war er munter, aber er wusste, DiNozzo brauchte diesen Schlaf dringend – auch wenn es nur zwei Stunden waren, die ihm noch blieben, bevor er aufstehen musste.
Durch den starken Kaffee, den er getrunken hatte, regelrecht aufgeputscht, war er unfähig, auch nur ein Auge zu schließen, aber das machte ihm nichts aus – im Gegenteil. So bekam er die Möglichkeit, Anthony in Ruhe beobachten und in dem Fall, dass er einen Albtraum hätte, aufwecken zu können. Er würde nicht zulassen, dass er litt, nicht jetzt und schon gar nicht in Zukunft. Und während die Minuten unaufhörlich verstrichen, ließ Leroy Jethro Gibbs den Mann, den er über alles liebte, keine einzige Sekunde aus den Augen.

Fortsetzung folgt...
Chapter 18 by Michi
Washington D.C.
Donnerstag, 16. Juni
06:05 Uhr


Eine sanfte Berührung an meiner Schulter riss mich aus einem tiefen und traumlosen Schlaf. Es war so, als ob ich langsam durch einen schwarzen Tunnel an die Oberfläche tauchte und somit wieder in die Realität zurückfand. Obwohl meine Augen weiterhin geschlossen waren, wusste ich genau, dass es bereits Morgen war, auch wenn ich keine Sonnenstrahlen auf meinem Gesicht spürte, so wie es normalerweise der Fall war, wenn ich in meinem Bett lag. Allerdings hatte ich diesmal keinen Polster unter meinem Kopf und die Decke, die um meinen Körper gewickelt war, war viel weicher als diejenige, die ich sonst immer verwendete. Etwas verwirrt versuchte ich mich zu erinnern, was passiert war, aber mein Gehirn hatte auf einmal Löcher wie ein Schweizer Käse und meine Gedanken waren zäh wie Gummi, der sich unendlich in die Länge ziehen konnte.
Ich fühlte mich wie erschlagen, meine linke Wange pochte leicht schmerzhaft und ich schaffte es nicht einmal, auch nur ein Lid zu öffnen. Meine Gliedmassen waren seltsam schwer und ich hatte Mühe, nicht erneut in die verlockenden Tiefen des Schlafes zu entgleiten – was aber nicht hieß, dass ich aufstehen wollte, im Gegenteil. Ich zog die Decke fester um mich und spürte regelrecht, wie ich wegdämmerte, als mich erneut etwas sanft an der Schulter berührte, um mich kurz darauf leicht zu schütteln. Ärgerlich über die erneute Belästigung, schlug ich genervt nach dem Störenfried und murmelte vor mich hin: „Nur noch fünf Minuten." Ich drehte mich auf den Rücken, wobei mir Kaffeeduft in die Nase stieg. Komisch, ich konnte mich gar nicht daran erinnern, welchen gemacht zu haben, außer ich war unter die Schlafwandler gegangen. Das Geräusch einer Tasse, die auf einen Tisch abgestellt wurde und ein leiser Seufzer drangen an meine Ohren und erst jetzt registrierte ich so richtig, dass ich nicht alleine war. Aber ich hatte keine Möglichkeit länger darüber nachzudenken – eine Sekunde später legten sich weiche Lippen auf meine und jagten mir einen wohligen Schauer über den Rücken. In meine Nase stieg ein mir mehr als vertrautes Aroma und mit einem Schlag waren die Erinnerungen des letzten Tages wieder da. Das scheußliche Wetter, die Leiche eines Marines, ein mehr als aufdringlicher Detective und Gibbs, der vor Eifersucht gekocht hatte – Gibbs, dem ich meine Liebe gestanden und mit dem ich eine unglaublich leidenschaftliche Nacht verbracht hatte, der Einbrecher, den ich mitten in meiner Küche erstochen hatte und der mir beinahe meine Nase gebrochen hätte. Vor meinem inneren Augen sah ich noch einmal die Geschehnisse der letzten Stunden und das Letzte woran ich mich bewusst erinnerte, war Jethro, in dessen Armen ich schließlich eingeschlafen war und der mich jetzt wach küsste.
Seine Zunge strich über meine Lippen und tauchte schließlich in meinen Mund, als ich ihn öffnete, um ihn einzulassen. Gleichzeitig befreite ich meine Arme aus der Decke und schlang sie um seinen Nacken, um ihn zu mir herunterzuziehen. Vergessen war die Müdigkeit, die noch immer in meinem Körper steckte und ich genoss die Berührungen, die er mir schenkte. Obwohl meine Lunge langsam nach Sauerstoff verlangte, ließ ich meinen Freund nicht los, sondern intensivierte den Kuss noch mehr. Erst als ich kurz davor war zu ersticken, lockerte ich meinen Griff und Gibbs löste seine Lippen von meinen. Sein keuchender Atem strich warm über meine Haut und brachte mich zum Grinsen. Langsam öffnete ich doch noch meine Augen und blickte in ein Blau so tief wie ein See, das voller Verlangen leicht verschleiert war. „So könntest du mich jedes Mal aufwecken", sagte ich atemlos und versuchte meinen Verstand, der anscheinend gerade Urlaub machte, wieder zu aktivieren. „Es war die einzige Möglichkeit dich wach zu kriegen", erwiderte er mit leicht heiserer Stimme. „Ich dachte schon, ich müsste einen Eimer eiskaltes Wasser holen." Ich riss meine Augen komplett auf und sah ihn entsetzt an. „Das ist ein Scherz, oder?" „Ich mache nie Scherze." „Wie wahr", meinte ich und zog sicherheitshalber meinen Kopf ein, aber er gab mir keinen Klaps, wie ich es erwartet hatte, sondern zog seine Mundwinkel nach oben und schenkte mir ein amüsiertes Lächeln. „Ich werde dich schon nicht schlagen, Tony", sagte er und seine Stimme klang belustigt. „Es macht keinen Spaß, wenn du es erwartest und außerdem erreiche ich momentan deinen Hinterkopf nicht." „Was für ein Glück", entgegnete ich eine Spur zynisch und brachte ihn damit noch breiter zum Grinsen. Kurz darauf gab er mir einen sanften Kuss, bevor er sich komplett von mir löste und sich zurücklehnte. Erst jetzt bemerkte ich so richtig, dass er neben der Couch kniete, obwohl der Boden sicher nicht gerade bequem war.
„Wie spät ist es?" wollte ich wissen und setzte mich langsam auf, wobei ich sicherheitshalber Gibbs' Hand im Auge behielt – nicht, dass er es sich doch noch anders überlegte und mir eine Kopfnuss verpasste. „Zehn nach sechs", antwortete er, was ich mit einem lauten Gähnen quittierte. Ich fuhr mir durch mein Gesicht, um die Müdigkeit loszuwerden, was aber nicht wirklich funktionierte. „So früh?" murmelte ich leicht gequält, worauf er eine Braue in die Höhe zog. „Sieh es positiv. Du wirst heute einmal nicht zu spät kommen." „Was heißt einmal nicht zu spät kommen? Gestern war ich ja pünktlich um sieben im Hauptquartier." „Und was war am Montag und Dienstag?" „Da war der Morgenverkehr ungewöhnlich dicht." Jethro schüttelte nur den Kopf und ich beobachtete ihn, wie er nach hinten griff und zielsicher die Tasse mit seinen Fingern umschloss, die er vorher auf dem Tisch abgestellt hatte. „Deine Ausreden waren auch schon einmal besser", entgegnete er und reichte mir den Kaffee, der noch herrlich warm war. Aber trotzdem beäugte ich ihn misstrauisch. Ich wusste nicht, ob ich so bald am Morgen eine derart hohe Dosis Koffein vertragen würde.
„Ich weiß es zu schätzen, dass du mir einen Kaffee gemacht hast, aber ich ziehe es vor, noch nicht an einem Herzinfarkt zu sterben." Gibbs sah mich mit leicht schief gelegtem Kopf an und meinte: „Probier erst einmal und dann wirst du ja feststellen, ob du an einem Herzinfarkt sterben wirst oder nicht." Verwirrt runzelte ich die Stirn und starrte die dunkelbraune Flüssigkeit an, bevor ich vorsichtig einen kleinen Schluck nahm. Überrascht blickte ich auf und zu meinem Freund, der lächelte. „Du hast ihn extra für mich nicht so stark gemacht?" fragte ich verblüfft und probierte noch einmal, um mich zu überzeugen, dass ich mich nicht geirrt hatte – und tatsächlich, der Kaffee war so wie ich ihn am liebsten mochte. „Ich kann ja nicht zulassen, dass du hier vor meinen Augen zusammenklappst", antwortete er und stand vom Boden auf, wobei seine Kniegelenke leise knackten. Es war noch immer seltsam, dass er sich plötzlich so viele Gedanken über mein Wohlergehen machte, aber es fühlte sich wunderbar an, einen Menschen zu haben, der einen umsorgte - und noch dazu Gibbs. Er war wie verwandelt, so als ob es den oft schlecht gelaunten Chefermittler nie gegeben hätte.
„Wie hast du es eigentlich geschafft, meine Kaffeemaschine zu bedienen?" fragte ich, darauf anspielend, dass er vor nicht allzu langer Zeit seine Probleme damit gehabt hatte. „Ich habe dir ein wenig zugesehen", erwiderte er und zog sich sein Jackett an, das über einer Sessellehne gehangen hatte. Erst jetzt bemerkte ich, dass er wieder sein Poloshirt trug, das Ziva gefunden hatte. Ob sie heute wohl merken würde, dass es dasselbe war? Oder würde sie es für einen Zufall halten? Allerdings war ich mir nicht so sicher, ob sie an Zufälle glaubte.
Ich lehnte mich zurück, trank genüsslich meinen Kaffee und blickte durch die Terrassentür ins Freie. Die Sonne war bereits aufgegangen, allerdings wurde sie von dichten grauen Wolken verdeckt, die ein düsteres Zwielicht verströmten. Allerdings hatte es zu regnen aufgehört und dicke Wassertropfen fielen in regelmäßigen Abständen von den Blättern der Bäume, die in meinem Garten standen. Irgendwie hatte der Morgen etwas Bedrohliches an sich, so als ob er mich warnen würde, dass in ein paar Stunden etwas passieren würde. Die Vermutung von Gibbs, dass der Typ, der jetzt bei Ducky in der Pathologie lag, nicht alleine hinter der Sache steckte, fiel mir wieder ein. Unwillkürlich umfasste ich die Tasse fester und ein eisiger Schauer jagte mir über den Rücken. Die Gefahr war noch nicht vorüber, das sagte mir mein Instinkt. Nur, was sollte ich machen, wenn erneut so ein Schlägertyp auftauchte und nach dem ominösen Handy verlangte? Ich konnte mir nicht vorstellen, dass mir die Gangster – wer auch immer diese sein mochten – glauben würden, dass ich keine Ahnung hatte, worum es überhaupt ging. Das hatte ich bereits heute Nacht am eigenen Leib erfahren müssen und ich hatte so das Gefühl, dass das nächste Treffen mit diesen Verbrechern nicht so einfach werden würde. Ich konnte mir vorstellen, dass sie mehr als wütend waren, dass einer von ihnen tot war – gestorben durch meine Hand. Vielleicht waren sie auch ganz froh, ihn losgeworden zu sein, aber eine innere Stimme flüsterte mir ins Ohr, dass dem nicht so sei, dass dies nur eine Wunschvorstellung meinerseits war.
„Alles in Ordnung?" riss mich Gibbs aus meinen Grübeleien. Er stand vor mir und musterte mich besorgt. „Sicher", antwortete ich ihm mit unbeschwerter Stimme, aber er kaufte es mir keine Sekunde lang ab. „Und wieso umklammerst du dann die Tasse so, als ob du sie am liebsten zerbrechen würdest?" Ich blickte auf besagten Gegenstand und merkte erst jetzt, dass meine Knöchel weiß hervortraten, da ich so fest zudrückte. Sofort lockerte ich meinen Griff und sah zu Jethro, der sich neben mich setzte. „Was ist los?" wollte er wissen und legte mir beruhigend seine rechte Hand auf meinen linken Unterarm. Ich wusste, es war zwecklos zu lügen, weil er es sowieso aus einer Meile Entfernung riechen würde.
„Ich habe das Gefühl, dass noch heute etwas geschehen wird", sagte ich deshalb und umklammerte die mittlerweile leere Tasse erneut fester. „Ich bin mir sicher, der- oder diejenigen, die hinter dem Einbruch stecken, werden es wieder versuchen. Nur werde ich ihnen wohl nicht geben können, was sie verlangen. Außerdem werden die sicher nicht begeistert sein, wenn sie erfahren, dass einer von ihnen tot ist." Die unausgesprochenen Worte, die hinter dem letzten Satz steckten, schwebten unsichtbar im Raum. Gibbs wusste sofort, weshalb ich mir Sorgen machte und drückte meinen Unterarm. „Wir werden das zusammen durchstehen", erwiderte er bestimmt und sah mir tief in die Augen. „Ich werde nicht zulassen, dass dir etwas passiert, Tony. Und wenn noch einmal solche Einbrecher auftauchen, dann bekommen sie es mit mir zu tun." Seine Worte zauberten mir ein Lächeln auf meine Lippen und das beklemmende Gefühl ließ nach – alleine schon deswegen, weil er es selbst in die Hand nehmen würde, um mich zu beschützen.
„So gefällst du mir schon viel besser", meinte Jethro, auf mein Lächeln anspielend. „Und denk immer daran, das Glas ist halb voll und nicht halb leer." „Du hast Recht", sagte ich mit fester Stimme und stellte die Tasse auf den Tisch. In dieser kurzen Zeitspanne war er noch näher an mich herangerückt und legte seine rechte Hand auf meinen Hinterkopf. „Ich weiß", entgegnete er, zog meinen Kopf zu sich heran und küsste mich kurz – aber äußerst leidenschaftlich. Als er mich wieder los ließ, musste ich mich zuerst einmal orientieren, da mir plötzlich schwindelig war.
„Und jetzt lass uns ins Hauptquartier fahren", fügte er ein wenig atemlos hinzu und stand auf. Ich warf die Decke endgültig zur Seite und erhob mich ebenfalls, wobei ich jedoch ein wenig wackelig auf den Beinen war. Meine Knie fühlten sich weich wie Butter an - alleine durch den kurzen Kuss, den wir geteilt hatten. Es erstaunte mich noch immer, was für eine Wirkung Jethro auf mich hatte – in seinen Händen war ich einfach wie Wachs.
„Ich putze mir nur schnell die Zähne und hole meine Waffe", sagte ich, während ich ihm aus dem Wohnzimmer in den Vorraum folgte. „In Ordnung, aber…" „Ich weiß, ich beeile mich", vervollständigte ich den Satz und eilte die Treppe hinauf. Der erste Weg führte mich ins Bad, wo ich mich gründlich im Spiegel betrachtete. Die Prellung an meiner Wange hob sich wunderbar von meiner Haut ab und war noch immer leicht geschwollen. Meine Haare standen in alle Richtungen ab und mein Hemd, in dem ich geschlafen hatte, war zerknittert. „Du hast auch schon einmal besser ausgesehen", murmelte ich und putzte meine Zähne in Rekordzeit, da ich wusste, dass man Gibbs nie lange warten lassen sollte. Mit ein wenig Wasser brachte ich schließlich meine Haare in Form und eilte weiter ins Schlafzimmer, wo ich mir ein frisches Hemd aus dem Schrank holte, das Alte auszog und in das Neue schlüpfte. Anschließend bückte ich mich, hob meine Waffe, die auf dem Boden neben meiner Hose lag, auf, befestigte das Holster an meinem Gürtel und eilte wieder nach unten, wobei ich mir unterwegs erst das Hemd zuknöpfte.
„Bin schon da", sagte ich zu Jethro, der mit seinen Augen jede Bewegung meiner Finger verfolgte. Zum ersten Mal konnte man seine Gedanken von seinem Gesicht ablesen und unwillkürlich bildete sich auf meinen Lippen ein verführerisches Lächeln, was ihn zu heftigem schlucken animierte. „Was?" fragte ich unschuldig und ging an ihm vorbei, um die Schranktür zu öffnen. Hinter mir erklang ein Räuspern und ich grinste noch breiter. „Nichts", erwiderte er mit hörbar belegter Stimme und ich wusste, wenn wir nicht in 30 Minuten im Hauptquartier sein müssten, würde das Hemd bereits wieder auf dem Boden liegen. Bei dem Gedanken daran, dass Gibbs hier und jetzt über mich herfallen wollte, überkam mich ein Schauer der Erregung, den ich aber so gut es ging ignorierte. Entschlossen, mich nicht aus dem Konzept bringen zu lassen, nahm ich unsere beiden Jacken und gab meinem Freund die seine, die er sich sofort anzog, obwohl ihm ins Gesicht geschrieben stand, dass ihm gerade etwas ganz anderes vorschwebte. Ich schlüpfte in meine, zog sie zu Recht und griff mit beiden Händen in die Taschen, in der Hoffnung, meine Autoschlüssel darin zu finden. Aber stattdessen umschlossen meine Finger etwas ganz anderes, etwas Glattes mit abgerundeten Kanten, das die Größe eines… Ich stockte in meinen Gedanken und mein Herz setzte einen Schlag aus, um dann doppelt so schnell weiterzuschlagen. Mein Hals wurde plötzlich staubtrocken und ich umklammerte fest den Gegenstand in meiner linken Jackentasche. Mein Atem beschleunigte sich, als mir bewusst wurde, was ich da in der Hand hielt. „Mein Gott", flüsterte ich, da ich jetzt mit Sicherheit wusste, dass sich der Einbrecher von heute Nacht nicht im Haus geirrt hatte. In diesem Moment umfasste ich die Bestätigung dafür, dass ich knietief in Schwierigkeiten steckte.
„Tony?" Gibbs kam auf mich zu und sah mich mit gerunzelter Stirn an. „Was ist los?" Wie in Trance hob ich meinen Kopf, blickte in die blauen Augen, die ich so sehr mochte und zog langsam meine Hand aus der Jackentasche. Ich öffnete die Faust, die ich gebildet hatte und zum Vorschein kam ein kleines, flaches und modernes Handy, das ich zuvor noch nie gesehen hatte, aber von dem ich wusste, dass es Leute gab, die, um es in ihren Besitz zu bekommen, über Leichen gehen würden.

Fortsetzung folgt...
Chapter 19 by Michi
Das kleine Gerät in meiner Hand schien Tonnen zu wiegen, obwohl es in Wirklichkeit nicht schwer war, aber es war dessen Bedeutung, welche das Gewicht um ein Vielfaches verstärkte. Das graue Gehäuse glänzte matt in dem Licht der Deckenlampe und hatte auf den ersten Blick keinen einzigen Kratzer. Es sah wie neu aus und da es unverkennbar modern war, hatte es sicher eine Menge Geld gekostet. Aber das waren Dinge, die mich in diesem Moment nicht interessierten. Viel wichtiger war, wie kam das Handy in meine Jackentasche und vor allem, was war daran so wichtig, dass es Personen gab, die es unbedingt wieder haben wollten? Von außen wirkte es unscheinbar, ja beinahe harmlos. Aber wer wusste schon, was wir finden würden, wenn wir hinter diese Fassade blickten. Jedenfalls stand fest, dass ich es wieder einmal geschafft hatte in Schwierigkeiten zu geraten. Irgendwie hatte ich das große Talent, Probleme wie ein Magnet anzuziehen. Vor etwa 1 1/2 Jahren war da der Undercoverauftrag gewesen, bei dem ich an einen Kunsträuber gekettet aus einem Gefangenentransporter geflohen war. Damals hatte keiner damit gerechnet, dass er ein gefährlicher Mörder gewesen war und zu meinem Pech hatten Gibbs und Kate das GPS Signal und somit auch mich verloren. Ich hatte diesen Mann – von dem ich angenommen hatte, er wäre ein harmloser Kunstdieb – irgendwie gemocht, hatte ihn aber dann, um mein eigenes Leben zu retten, erschießen müssen. Nur knapp hatte ich verhindern können, dass er mir die Kehle aufschlitzte, wie er es vorher bei so manchen Leuten gemacht hatte.
Aber das war noch harmlos im Vergleich zu der Lungenpest gewesen, die ich mir eingefangen hatte. Noch heute überkam mich ein eisiger Schauer, wenn ich an das Fieber, an die Schmerzen und an den heftigen Husten dachte. Ich hatte wirklich gedacht, ich würde das Zeitliche segnen und dass das blaue Licht in diesem Quarantäneraum das Letzte wäre, was ich sehen würde. Aber dann war Gibbs gekommen und hatte mir gesagt, ich würde nicht sterben und ich hatte ihm geglaubt. Ja, ich hatte ihm geglaubt und weiter gegen diese Pestbakterien gekämpft, die mich von innen heraus auffraßen.
Dann der Undercoverauftrag mit Ziva, bei dem ich zusammengeschlagen worden war und wo ich mein Leben riskiert hatte, um das ihrige zu retten. Auch an diesem Tag war ich kurz davor gewesen, mein Leben zu verlieren, hätte ich es nicht gewagt, den Stuhl, an den ich gefesselt gewesen war, als Waffe zu benutzen. Noch heute konnte ich die Wut spüren, die ich auf meinen Peiniger gehabt hatte, eine Wut, die ich an ihm ausgelassen hatte. Wer wusste schon, wie weit ich gegangen wäre, wären nicht meine Kollegen in das Hotelzimmer gestürmt.
Kurz darauf bin ich im Gefängnis gelandet, nur weil ein kleiner Laborassistent und dessen Komplize gemeint hatten, sich an mir rächen zu müssen, da sie meinetwegen aus ihrem Job entlassen worden waren. Diese Einsamkeit in der kleinen Zelle war schlimm gewesen und ich hatte ziemlich viel Zeit zum Nachdenken gehabt. Aber ich hatte gewusst, dass mich meine Freunde rausholen würden, dass Abby so lange die Beweismittel durchging, bis sie auf einen Hinweis stoßen würde, der meine Unschuld bewies – und sie hatte es geschafft, hatte mich aus dem Gefängnis geholt. Und nur einige Wochen später war ich gemeinsam mit Ziva in einem Container voller Geld eingesperrt worden, wo wir beide beinahe zu Schweizer Käse verarbeitet worden wären.
Der Undercoverauftrag vor über drei Wochen wäre beinahe ebenfalls ins Auge gegangen, wenn sich Gibbs nicht schützend vor mich geworfen und mir somit das Leben gerettet hätte. Und jetzt diese Sache mit dem Handy, das auf meiner Handfläche lag. Wie hypnotisiert starrte ich das kleine Gerät an und am liebsten würde ich es irgendwo entsorgen, um es nicht mehr sehen zu müssen, aber ein Teil von mir wollte der Ursache auf den Grund gehen – wollte herausfinden, weshalb es der Mann heute Nacht riskiert hatte, bei mir einzubrechen, obwohl er genau gewusst hatte, dass ich Bundesagent bin.
„Ich glaube, ich habe gerade die Wurzel allen Übels gefunden", sagte ich und versuchte möglichst locker zu klingen, was mir aber nicht so Recht gelang. Ich konnte nicht verhindern, dass meine Stimme leicht zitterte, weswegen ich mir am liebsten selbst eine Kopfnuss verpasst hätte. Das unangenehme Gefühl von vorhin, dass heute noch etwas passieren würde, wurde stärker und mein Magen knotete sich schmerzhaft zusammen. Ich schluckte den Kloß in meinem Hals hinunter, riss endlich meinen Blick von dem Handy los und sah zu Gibbs, der knapp einen Meter von mir entfernt stand. Noch vor einer Minute waren ihm seine Gedanken förmlich ins Gesicht geschrieben gewesen, aber jetzt hatte er wieder seine übliche undurchschaubare Miene aufgesetzt. Ich konnte richtig vor mir sehen, wie es hinter seiner Stirn arbeitete, wie er versuchte herauszufinden, woher das Handy kam und weshalb es in meiner Jackentasche gelandet war. Fragen, die auch ich hatte, die aber nicht beantwortet werden konnten, wenn wir weiterhin nur in dem Vorraum meines Hauses herumstanden.
„Die Wurzel allen Übels trifft es ganz genau", sagte Jethro schließlich und blickte mir in die Augen. In dem Blau seiner eigenen lag ein sorgenvolles Funkeln und ich wusste, dass er genauso wie ich die Hoffnung gehabt hatte, dass sich der Einbrecher nur im Haus geirrt hatte – eine Hoffnung, die sich innerhalb von Sekunden in Luft aufgelöst hatte.
Gibbs holte sich ein Paar Latexhandschuhe aus seiner Jackentasche und kam auf mich zu. „Die Frage ist jetzt, wie das Handy in deinen Besitz gelangt ist", meinte er und zog sich die Handschuhe über. „Ich habe keine Ahnung", entgegnete ich und blickte erneut auf das kleine Gerät, welches so unscheinbar wirkte. „Ich habe meine Jacke seit gestern Morgen ständig in meiner Nähe gehabt. Entweder ist sie über dem Stuhl im Büro gehangen oder ich habe sie getragen. Außer heute Nacht, da war sie im Schrank. Aber ich schätze, da war das Handy bereits in der Tasche und…" Ich hielt inne, als mir plötzlich ein Gedanke kam. Von einer Sekunde auf die andere war ich wieder in dem Einkaufszentrum, in dem ich gestern den Kaffee gekauft hatte. Noch einmal sah ich vor mir, wie ich das kleine Geschäft verlassen hatte, Richtig Ausgang gegangen war und mich auf halbem Weg jemand hart gerammt hatte. Diese unfreiwillige Begegnung hatte nicht lange gedauert, aber sie hatte ausgereicht, um mir ein kleines Handy unbemerkt in die Tasche zu stecken. Auf einmal war ich mir sicher, dass der Mann, der in mich hineingerannt war, etwas damit zu tun hatte, dass er verantwortlich dafür war, dass ich jetzt in Schwierigkeiten steckte. Und ich hatte ihn nicht aufgehalten, hatte ihn einfach weitergehen lassen, weil ich so schnell wie möglich ins NCIS Hauptquartier fahren wollte, um nicht zu spät zu kommen.
„Wieso habe ich nicht eher daran gedacht", sagte ich und in meiner Stimme konnte man deutlich die Vorwürfe hören, die ich mir machte. Gibbs, der gerade das Handy nehmen wollte, hielt inne und sah mich eine Spur verwirrt an. „An was hättest du denken sollen?" wollte er wissen und runzelte leicht die Stirn. „Gestern Morgen, als ich in dem Einkaufszentrum den Kaffee gekauft habe, hat mich auf dem Weg zum Ausgang ein Mann gerammt. Ich habe mir nichts dabei gedacht und geglaubt, er hätte mich nicht gesehen und dass er in Eile war. Deshalb habe ich das alles gleich wieder vergessen. Wenn ich aber auch nur ansatzweise geahnt hätte, dass mir dieser Kerl dieses brisante Handy zugesteckt hatte, hätte ich ihn sofort aufgehalten." Ich schüttelte den Kopf und verfluchte mich selbst. Wieso hatte ich gestern kein einziges Mal in meine Jackentaschen gegriffen? Wieso hatte ich das kleine Telefon nicht schon eher gefunden? Dann wäre es vielleicht gar nicht erst zu diesem Einbruch gekommen.
„Du konntest doch nicht wissen, dass dieser Mann absichtlich in dich hineingelaufen ist", erwiderte Jethro und legte mir beruhigend eine Hand auf meine Schulter. „Also hör auf, dich selbst dafür verantwortlich zu machen, was heute Nacht hier passiert ist. Immerhin wissen wir jetzt mehr als vorhin." „Nur, wie sind die Gangster auf meinen Namen gekommen?" fragte ich und beobachtete, wie er das Handy aus meiner Hand nahm und es von allen Seiten betrachtete. Auf einmal war ich erleichtert und mein Arm fühlte sich nicht mehr so an, als ob er gleich nach unten sacken würde. „Vielleicht waren sie ebenfalls in diesem Einkaufszentrum und haben mitbekommen, dass du jetzt das Telefon hast und nicht mehr der andere. Es könnte sein, dass sie dir gefolgt sind und möglicherweise haben sie über dein Autokennzeichen herausgefunden, wer du bist." „Ich habe auch wirklich das Talent, in Schwierigkeiten zu geraten", murmelte ich und ließ mich auf die vorletzte Stufe der Treppe sinken. „Da kann ich dir jetzt nicht widersprechen", meinte Gibbs und grinste, als ich ärgerlich das Gesicht verzog. „Du hättest wenigstens sagen können: nein, Tony, du hast nicht Recht. Ein paar aufmunternde Worte wären nicht schlecht." Ich setzte eine zerknirschte Miene auf, obwohl ich mich überhaupt nicht so fühlte, aber es schien zu helfen. Jethro nahm einen Beweismittelbeutel aus meinem Rucksack, steckte das Handy hinein und verstaute es in seiner Tasche, bevor er sich neben mich setzte. „Ich schätze, ich bin nicht gut darin, wenn es um aufmunternde Worte geht, aber würde es dir helfen, wenn ich dich umarme?" Ich unterdrückte ein Grinsen und nickte. Kurz darauf zog er mich an sich, schlang seine Arme fest um mich und drückte meinen Körper an seinen. Der kleine Schock, der mich überkommen hatte, als ich das Handy gefunden hatte, verschwand auf einmal und zurück blieb ein herrlich warmes Gefühl. Die Zukunft sah nicht mehr so schwarz aus, da ich wusste, dass mich Gibbs nicht alleine lassen würde, genauso wie meine anderen Freunde.
Ich sog den Duft meines Freundes ein und genoss einfach seine körperliche Wärme – allerdings wurde ich gleich darauf in die Realität zurückgeholt, in Form einer Kopfnuss. Überrascht stieß ich einen leisen Schrei aus, löste mich von ihm und rieb mir über die schmerzende Stelle. „Wofür war das denn?" fragte ich und bemerkte, dass es ihn amüsierte, da ich mich über den Klaps aufregte. „Dafür, dass du vorgegeben hast, am Boden zerstört zu sein, obwohl es dir in Wirklichkeit hervorragend geht." Seine Mundwinkel zuckten verräterisch und in seinen Augen funkelte es belustigt. „Amüsier dich nur auf meine Kosten", meinte ich und zog einen Schmollmund, von dem ich wusste, dass er ihm nicht widerstehen konnte, und auch diesmal war er nicht dagegen gefeit. Jethro seufzte leise, zog mich wieder an sich, aber diesmal nicht, um mich zu umarmen, sondern um mich leidenschaftlich zu küssen. Während seine Zunge einen kleinen Kampf mit meiner ausfocht, ließ er seine rechte Hand über meinen Oberkörper wandern, bis er das Ziel seiner Begierde erreicht hatte. Ich stöhnte unwillkürlich in seinen Mund hinein, als er begann, mich langsam zu streicheln, wodurch ich prompt hart wurde. Zufrieden damit löste er sich aus der Umarmung und lächelte leicht. „Das ist nicht fair", keuchte ich und versuchte wieder klar zu denken. Mir war ganz heiß und meine Hose fühlte sich seltsam eng an. Außerdem kam mir die Umgebung leicht verschwommen vor.
„Nun, dann zieh nicht immer so einen Schmollmund. Du weißt genauso gut wie ich, dass ich dem nicht widerstehen kann", erwiderte Gibbs, fuhr mir durch die Haare und zerzauste sie. „Und jetzt lass uns ins Hauptquartier fahren. Es wird Zeit, dass sich Abby dieses Handy ansieht. Vielleicht findet sie ja heraus, weshalb es so wichtig ist." Er löste seine Hand aus meinen Haaren, umschlang die Finger meiner Rechten und zog mich mit auf die Füße. „Und in diesem Zustand soll ich jetzt das Haus verlassen?" fragte ich und zog mir ein wenig meine Jeans zu Recht, in der Hoffnung, dass sie nicht mehr so eng wäre – jedoch ohne Erfolg. Leise vor mich hin grummelnd gab ich es auf und schnappte mir meinen Rucksack. „Es wird dir wohl nichts anderes übrig bleiben", kam sofort die amüsierte Antwort und ich schwor mir, nie wieder einen Schmollmund zu ziehen, wenn ich wusste, dass wir nicht sehr viel Zeit hatten.
Ich griff nach den Autoschlüsseln, die auf dem kleinen Tisch neben der Tür lagen, hielt aber inne, als ich Gibbs' Stimme vernahm. „Es wäre besser, wenn wir zusammen fahren. Wer weiß, ob nicht noch einer von diesen Verbrechern in der Nähe ist. Mir wäre es lieber, wenn ich dich die ganze Zeit im Auge habe." „Dir ist schon klar, dass du mich dann heute Abend wieder hier herfahren musst?" fragte ich und ließ die Schlüssel liegen wo sie waren. Ich wusste, es würde nichts bringen, jetzt zu diskutieren anzufangen, da ich von vornherein verlieren würde. Ein Lächeln breitete sich auf seinen Lippen aus und er nickte. „Sicher ist mir das klar. Aber ich wäre so oder so heute Abend mit dir nach Hause gefahren", fügte er nach einer Sekunde hinzu und holte seine Autoschlüssel aus seiner Jackentasche. „Und dann werden wir beenden was ich vor kurzem angefangen habe." Bei seinen Worten jagte mir ein Schauer der Erregung durch meinen Körper und trug nicht wirklich dazu bei, dass ich in halbwegs normalem Zustand das Haus verlassen konnte.
„Dann kann ich ja nur hoffen, dass der Tag schnell vorüber geht", sagte ich mit kratziger Stimme und öffnete die Tür. Kalte Luft strömte in den Vorraum und kühlte mein noch immer erhitztes Gesicht. Nieselregen fiel beständig aus den grauen tiefhängenden Wolken, die meine Nachbarschaft in ein unheimliches Licht tauchten. Gibbs folgte mir nach draußen und ich schloss sorgfältig die Tür ab. Während wir zu seinem Wagen gingen, überkam mich erneut das Gefühl, beobachtet zu werden, obwohl weit und breit niemand zu sehen war. Aber diesmal ignorierte ich meinen Instinkt nicht und hielt wachsam meine Augen offen. Auch als wir in dem Wagen saßen, ließ dieses Gefühl nicht nach und mit einer plötzlichen Gewissheit wusste ich, dass sich meine Hoffnung, dass dieser Tag schnell vorüber gehen würde, nicht erfüllen würde.

Fortsetzung folgt...
Chapter 20 by Michi
Je weiter wir uns von meinem Haus entfernten, desto düsterer wurde der Morgen – jedenfalls hatte ich das Gefühl. Die Wolken hingen bedrohlich tief über Washington und durch die fehlende Sonne wurden die Straßen, Gebäude und Parks in ein dämmriges Licht getaucht. Aus den Kanaldeckeln stieg dichter weißer Dampf auf, der die Autos wie Nebel einhüllte und deren Scheinwerfer wie verschwommene Kleckse aufscheinen ließ. Die Einwohner, die das Pech hatten, zu Fuß unterwegs zu sein, hasteten durch den kalten Nieselregen, der sich unangenehm auf ihre Haut legte und sie durchnässte. Anstatt in kurzärmeligen T-Shirts und kurzen Hosen herumzurennen, waren in diesem Frühling Jacken und Regenschirme in Mode. Die teilweise besonders bunten Motive der Stoffe wirkten wie Farbkleckse in dem vorwiegend grauen Licht des Morgens. Von der Jahreszeit, die ich am liebsten mochte, war keine Spur zu sehen. Man sah keine verliebten Pärchen, die Händchen haltend und Eis schleckend durch die Parks schlenderten und sich hin und wieder in aller Öffentlichkeit leidenschaftlich küssten. Die normalerweise quicklebendigen und lauten Vögel ließen nur selten einen Ton von sich hören und blieben lieber in ihren Nestern. Es war das Wetter, das momentan perfekt zu meiner etwas misslichen Lage passte. Meine Stimmung war leicht gedrückt, obwohl Gibbs neben mir saß und seine Anwesenheit eine gewisse Beruhigung auf mich ausübte. Aus den kleinen Lautsprechern in den Türen drang die Stimme eines Nachrichtenmoderators an meine Ohren, aber ich verstand nicht wirklich, was er sagte. Es kam mir so vor, als ob die Worte einfach ein mir vorbeirauschten, ohne einen Sinn zu ergeben. Obwohl es in dem Wagen angenehm warm war, war mir kalt und meinen Körper überzog eine Gänsehaut, aber ich widerstand dem Drang, die Heizung weiter hinaufzudrehen. Jethro sollte sich nicht noch mehr Sorgen machen, als er es ohnehin schon tat. Egal wer von seinem Team in Schwierigkeiten steckte, er würde jedes Mal alles unternehmen, um denjenigen aus dem knietiefen Tümpel zu befreien, in dem er sich befand. Aber heute, wo das Los auf mich gefallen war, schien es mir, als hätte er sich ein wenig in ein Raubtier verwandelt, das auf Beutejagd war. Und irgendwie stimmte das auch. Gibbs war auf der Jagd. Auf der Jagd nach den Verbrechern, dir mir ans Leder wollten.
Ich löste meinen Blick von der in atemberaubender Geschwindigkeit vorbeiziehenden Straße und sah zu meinem Freund, dessen Augen konzentriert auf den dichten Morgenverkehr gerichtet waren. Seine Hände waren fest um das Lenkrad gekrallt – ein deutliches Zeichen der inneren Anspannung, unter der er momentan stand. Sein Mund wirkte verkniffen und er schien genauso wenig von den Informationen, die aus dem Radio kamen, mitzubekommen. Unwillkürlich bildete sich auf meinen Lippen ein kleines Lächeln, als mir bewusst wurde, dass er auf mich den Eindruck eines Raubtieres machte, das kurz davor stand, sein Opfer zu zerfleischen. Seine Worte, dass er nicht zulassen würde, dass mir etwas passierte, und dass wir es zusammen durchstehen würden, kamen mir wieder in den Sinn. Ich war mir sicher, dass er mich beschützen würde. Ein unglaublich warmes Gefühl breitete sich von meiner Körpermitte aus, strömte bis in meine Fingerspitzen und vertrieb die Kälte aus meinem Inneren. Plötzlich kam mir das Wetter nicht mehr so bedrückend vor und das Grau des Morgens wurde freundlicher. Die Farben um mich herum leuchteten kräftiger und selbst die Tatsache, dass sich das Handy, mit dem alles angefangen hatte, in Gibbs' Jackentasche befand, brachte mich nicht aus der Ruhe.
Allerdings war es mit der Ruhe gleich darauf vorbei, als ich auf einmal mit Wucht in den Sitz gepresst wurde, der Wagen ausscherte und das Auto überholte, das vor uns fuhr und dessen Fahrer sich an die Geschwindigkeitsbegrenzung hielt. Dass wir uns jetzt auf der Gegenspur befanden und helle Scheinwerfer viel zu schnell auf uns zukamen, schien Jethro nicht zu stören. Seelenruhig blickte er nach vorne und kurz bevor wir mit dem anderen Wagen, dessen Hupe laut in meinen Ohren dröhnte, kollidieren konnten, riss er das Steuer herum und reihte sich wieder ein. Mein Herz schien aus meiner Brust springen zu wollen, so schnell schlug es und mein Atem strömte ein wenig abgehackt aus meinem offenen Mund.
„Wenn du nichts dagegen hast, würde ich gerne lebend im Hauptquartier ankommen und nicht in einem Leichensack in der Pathologie landen", keuchte ich und schluckte den dicken Kloß in meinem Hals hinunter, der sich dort gebildet hatte, als wir beinahe in den Gegenverkehr gekracht waren. Gibbs löste für einen kurzen Moment seinen Blick von der Straße und sah zu mir herüber, wobei seine Lippen ein für mich ungewohntes unschuldiges Lächeln umspielte. „Wir sind zu spät dran", sagte er nur und bog an einer Kreuzung, dessen Ampel bereits gelb war, mit quietschenden Reifen nach links ab. Ohne Vorwarnung wurde ich gegen die Beifahrertür gepresst, wobei ich mich fragte, ob ich mir soeben ein paar Rippen angeknackst hatte. Ich wollte gerade erneut meinen Mund aufmachen, um zu erwidern, dass wir noch viel später im Büro sein würden, wenn wir einen Unfall bauten, als ich im Seitenspiegel etwas sah, was mir das Blut in meinen Adern gefrieren ließ. Das Gefühl, beobachtet zu werden, wurde stärker und sämtliche Haare im meinem Nacken richteten sich auf. Meine Muskeln spannten sich an und ich setzte mich kerzengerade auf. „Was ist los, Tony?" fragte Gibbs sofort, dem meine Veränderung nicht entgangen war, obwohl seine Konzentration weiterhin der Straße galt. „Sag jetzt nicht, dir ist von meinem Fahrstil übel geworden." Ich schüttelte den Kopf und obwohl mir überhaupt nicht der Sinn danach stand, fand ich es amüsant, dass er annahm, mir wäre schlecht, nur weil er riskant überholt hatte. Früher war ihm das egal gewesen, aber heute hatte er sofort seinen Fuß vom Gas genommen, um im Notfall sofort stehen bleiben zu können, damit ich das Innere seines Wagens nicht versaute.
„Nein, das ist es nicht", meinte ich und sah weiter in den Seitenspiegel. „Ich glaube, wir werden verfolgt." Kaum waren die Worte über meine Lippen, trat Gibbs erneut auf das Gaspedal und der Wagen schoss vorwärts, wobei wir beinahe mit dem Vordermann kollidiert wären. Für einen kurzen Augenblick, in dem ich damit beschäftigt war, mir keine blauen Flecken einzufangen, verlor ich das Fahrzeug aus meinem Blickfeld, fand es aber nach ein paar Sekunden wieder. Es war ein unauffälliger schwarzer Ford, der sich zwei Autos hinter uns befand und von dem ich mir sicher war, dass er uns bereits seit wir mein Haus verlassen hatten an unserer Stoßstange klebte. Die Scheiben waren getönt und ich konnte den Mann – oder die Frau – hinter dem Steuer nicht erkennen. Außerdem erschwerte der Dampf aus der Kanalisation weiterhin die Sicht. Obwohl wir uns in der langen Blechschlange des Morgenverkehrs befanden, wusste ich mit Sicherheit, dass wir von diesem Ford, der für meinen Geschmack viel zu unauffällig war, verfolgt wurden. Wer auch immer in dem Innenraum saß, hatte wohl noch nie etwas davon gehört, wie man jemanden ohne aufzufallen observierte.
„Bist du dir sicher?" wollte Jethro wissen und blickte in den Rückspiegel. „Hinter uns wimmelt es nur so von Autos." „Es ist der Ford zwei Wagenlängen hinter uns. Er folgt uns schon seit wir von mir weggefahren sind." Ich hielt kurz inne und kaute leicht an meiner Unterlippe. Sollte ich ihm von meinem Verdacht erzählen, dass wir schon länger beobachtet wurden? Ich sah zu Gibbs, dessen Augen zwischen dem Rückspiegel und der Windschutzscheibe hin und her huschten und der jetzt wieder ganz der Chefermittler war. Aber bevor ich den Mund aufmachen konnte, bog er ohne Vorwarnung an der nächsten Kreuzung links ab, schnitt dabei einen anderen Wagen und hätte beinahe die Kontrolle verloren, da der Asphalt vom Regen ganz feucht war und an vielen Stellen noch tiefe Wasserpfützen waren. Aber innerhalb von zwei Sekunden hatten die Reifen wieder Bodenhaftung und summten leise vor sich hin. Etwas verärgert rieb ich mir meinen rechten Ellenbogen, den ich mir an der Tür angeschlagen hatte, kam aber nicht dazu, mich zu beschweren. „Ich glaube, du hast Recht", sagte Gibbs, wobei sein Blick wieder am Rückspiegel hängen blieb. Nur mehr eine Wagenlänge hinter uns war der Ford ebenfalls abgebogen und folgte uns beständig. „Scheint aber nicht sehr geübt darin zu sein, jemanden zu observieren", fügte er hinzu und trat erneut auf das Gaspedal. „Meinst du, die werden etwas unternehmen, um uns aufzuhalten?" fragte ich und versuchte mir nicht anmerken zu lassen, dass ich ein wenig nervös war. „Keine Ahnung. Und wenn, dann haben sie sich eindeutig mit den Falschen angelegt. Wobei ich mir nicht vorstellen kann, dass, wer auch immer diesen Wagen fährt, es riskieren wird, in aller Öffentlichkeit anzugreifen. Nicht, wenn es so viele Zeugen gibt." ‚Wo er Recht hat, hat er Recht', schoss es mir durch den Kopf und zum ersten Mal in meinem Leben freute ich mich über den dichten Verkehr, der auf Washingtons Straßen herrschte. Solange wir nicht in ein Gebiet kamen, wo niemand unterwegs war, waren wir sicher. Und ich wusste, bis wir im Hauptquartier angekommen waren, würden wir immer auf den Hauptverkehrswegen bleiben.
„Kannst du das Nummernschild erkennen?" wollte Jethro wissen und kniff seine Augen zusammen. Ich schüttelte den Kopf, während ich weiterhin in den Seitenspiegel blickte. „Tut mir leid, aber der Fahrer ist schlau genug, uns seine Stoßstange nicht zu zeigen. Obwohl, wenn ich es mir recht überlege, ist er nicht ganz so schlau, wenn er sich mit zwei Bundesagenten anlegt. Seinem Kumpel ist das gar nicht gut bekommen." Gibbs sah mich kurz mit erhobenen Augenbrauen an und seine Mundwinkel zuckten leicht. „Was?" „Du scheinst deinen Humor wohl nie zu verlieren", antwortete er amüsiert. Aus einem Impuls heraus legte ich ihm eine Hand auf den Oberschenkel und grinste. „Nun, das ist meine Art mit den Dingen umzugehen", meinte ich und fuhr mit einem Finger sein Bein hinauf. Er schluckte sichtbar, zuckte kurz zusammen und krampfte seine Hände um das Lenkrad. „Wenn du nicht willst, dass ich gleich in den Vordermann krache, dann solltest du besser damit aufhören", sagte er gepresst, was mich noch breiter grinsen ließ. Aber da ich heil im Hauptquartier ankommen wollte, nahm ich meine Hand von seinem Oberschenkel und behielt sie brav bei mir, auch wenn es mich mehr als reizte, ihn so zu streicheln, wie er es bei mir getan hatte, als wir auf meiner Treppe gesessen waren. Bei der Erinnerung daran wurde mir ganz heiß und um mich abzulenken, blickte ich wieder in den Seitenspiegel. Ungläubig klappte mir der Mund leicht auf und ich vergaß ganz schnell, wo meine Finger vor kurzem noch gewesen waren. Ich blinzelte ein paar Mal, aber das Bild blieb gleich. Verwirrt runzelte ich die Stirn und für einen kurzen Moment fragte ich mich, ob ich verrückt geworden war.
„Der Ford ist weg", sagte ich, drehte mich sogar um und sah nach hinten. Aber auch jetzt änderte sich nichts. Ich wusste nicht, ob ich erleichtert sein sollte oder nicht. Hatte ich mir das Ganze etwa nur eingebildet? Waren wir vielleicht gar nicht verfolgt worden?
„Anscheinend dürfte er abgebogen sein", erwiderte Gibbs und ging ein wenig mit der Geschwindigkeit herunter. „Vielleicht waren in dem Wagen gar nicht diese Handytypen und ich sehe schon Gespenster." „Ich bin mir da nicht so sicher. Mein Instinkt sagt mir, dass wir verfolgt wurden. Denkbar, dass sie gemerkt haben, dass wir sie entdeckt haben." Und plötzlich war das Gefühl, beobachtet zu werden, verschwunden. Aber dennoch blieb ich auf der Hut. Wer wusste schon, ob die nicht wieder auftauchen würden. Oder wir wurden gerade in einen Hinterhalt gelockt. ‚Hör auf', wies ich mich selbst zurecht. ‚Du machst dich doch nur selbst verrückt.' Aber trotzdem zog sich mein Magen ohne Vorwarnung schmerzhaft zusammen und die Ahnung, dass heute noch etwas geschehen würde, wurde stärker - stärker als das Beobachtungsgefühl von vorhin. Irgendetwas war im Busch, das spürte ich genau und dieses Etwas ließ mich unruhig meine Hände kneten. Die Gangster lagen auf der Lauer – wie hungrige Raubtiere, die nur darauf warteten, ihre Beute zu fangen und zu verschlingen.

Fortsetzung folgt...
Chapter 21 by Michi
Gary quetschte seinen Wagen in eine kleine freie Parklücke am Straßenrand vor einer Bäckerei, schaltete den Motor aus und atmete erst einmal tief durch. Den Nieselregen, der auf die Windschutzscheibe fiel, die Kälte, die sich in dem Fahrzeug ausbreitete und die vielen Menschen, die an ihm vorbeieilten, bemerkte er gar nicht. Er legte den Kopf in den Nacken und schloss für einen kurzen Moment seine Augen, um seine Gedanken zu sammeln. Sein Magen, der bei der rasanten Fahrt mehr als einmal einen Purzelbaum vollführt hatte, beruhigte sich langsam wieder, genauso wie sein Herzschlag. Obwohl er selbst oft über der Geschwindigkeitsbegrenzung fuhr, so hatten die letzten Minuten doch ziemlich an seinen Nerven gezehrt. Nie im Leben hatte er damit gerechnet, dass dieser Gibbs derart halsbrecherisch durch Washington rasen würde. Es hatte ja schon damit angefangen, als sie das Haus von diesem DiNozzo verlassen hatten. Er hatte an der Einmündung zu der Straße gewartet, seinen Ford hatte er sicherheitshalber ein paar Meter hinter ihm abgestellt und hatte so getan, als wolle er sich eine Zeitung kaufen, die sich in einer metallenen Box befand. Kaum hatte der Wagen der Agents – es hatte ihn nicht gewundert, dass die beiden zusammen zur Arbeit fuhren – ihn passiert, war er zu seinem Auto gelaufen und innerhalb von wenigen Sekunden war er ihnen auf den Fersen gewesen. Sicherheitshalber war er immer hinter zwei weiteren Fahrzeugen geblieben, um nicht aufzufallen. Allerdings hatte er nicht angenommen, dass es so schwer sein würde, den Männern zu folgen. Gibbs schien einen Bleifuß zu haben, jedenfalls ging er nicht einmal vor einer Kreuzung mit der Geschwindigkeit herunter und schon gar nicht, wenn er abbiegen musste. So kam es, dass auch Gary einige Verkehrsregeln missachtet hatte, um sein Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Es hatte zudem Situationen gegeben, wo er gedacht hatte, an einem Herzinfarkt zu sterben. Der Chefermittler hatte einmal mehr als riskant überholt und wäre dabei fast in den Gegenverkehr gekracht, was ihn aber nicht sonderlich zu stören schien. Um an ihm dranbleiben zu können, hatte er ebenfalls den langsamen Wagen überholt – einen alten Mann, der nicht einmal groß genug gewesen war, um ungehindert über das Lenkrad zu sehen – und wäre beinahe mit einem großen Lastwagen kollidiert, hätte er nicht das Steuer rechtzeitig herumgerissen. Das zweite Mal war Gary bei rot an einer Kreuzung abgebogen, nachdem dies Gibbs kurz vorher bei gelb getan hatte. Dabei hatte er erneut fast einen Unfall verursacht, hatte es aber gerade noch geschafft, die Kurve zu nehmen. Und dann hatte sich sein Instinkt gemeldet. Er hatte förmlich gespürt, dass er entdeckt worden war, dass seine Verfolgungsaktion nicht länger geheim war – eine Vermutung, die sich kurz darauf bestätigt hatte. Gibbs war erneut links abgebogen – ohne zu bremsen und hatte dabei ein anderes Auto geschnitten, dessen Fahrer mehr als eindeutige Gesten gemacht hatte. Allerdings hatte Gary das Pech gehabt, nur noch einen Wagen hinter den Bundesagenten zu sein, die sich immer mehr von ihm entfernten, da vor ihm wieder jemand fuhr, der meinte, sich an die Geschwindigkeitsbegrenzung halten zu müssen. Außerdem war ständig Gegenverkehr gewesen, sodass er nicht einmal überholen konnte. Aber das wollte er nicht riskieren, denn momentan hing er ziemlich an seinem Leben. Da er sowieso wusste, wo die beiden hinfuhren, ließ er sich zurückfallen und bog an der nächsten Kreuzung rechts ab. Sollten sie doch glauben, sie hätten sich getäuscht und sich nur eingebildet, verfolgt zu werden.
Jetzt saß Gary in seinem Ford, den Kopf in den Nacken gelegt und die Augen geschlossen. Auch wenn man es ihm äußerlich nicht ansah, so tobte in seinem Inneren ein wahres Inferno. Wut ließ ihn seine Hände zu Fäusten ballen und ihn beinahe auf das Lenkrad einschlagen. Diesen maßlosen Zorn hatte er die ganze Zeit, während er an den Agents drangeblieben war, unterdrückt, hatte ihn ignoriert. Aber jetzt kam er an die Oberfläche und am liebsten hätte er einen Schrei ausgestoßen. Allerdings wollte er nicht riskieren, dass jemand die Polizei alarmierte, die ihn vielleicht auch noch in eine Irrenanstalt einlieferte. Der einzige Laut, der über seine Lippen kam, war ein gefährliches Knurren, das jedem Hund alle Ehre gemacht hätte. Hätten die Passanten, die in diesem Moment durch den kalten Nieselregen an seinem Wagen vorbeieilten, dieses Geräusch gehört, hätten sie sich schnell in Sicherheit gebracht. Aber kein Laut drang durch das schwarz lackierte Blech.
Gary öffnete seine Augen, sah aber nicht den Wagen, der vor ihm stand oder die tiefhängenden grauen Wolken, die diesen Morgen verdüsterten. Er hörte auch nicht das laute Hupen, das irgendwo am Ende der Straße erklang – genauso wenig registrierte er den Verkehr, der an ihm vorbeibrauste. In seinem Gehirn entstand das Bild von Jerry – Jerry in der Highschool, wie er versuchte, das beliebteste Mädchen anzubaggern, nur um sich eine Abfuhr einzuhandeln. Jerry und er, wie sie ihren ersten Einbruch durchgezogen hatten und dabei fast von den Bullen erwischt worden waren, weil sie übersehen hatten, dass das Haus über eine Alarmanlage verfügte. In den letzten Jahren hatten sie gemeinsam oftmals das Gesetz gebrochen und sein Freund hatte bei so manchen Überfällen einfach Leute kaltblütig erschossen, die ihnen im Weg gestanden waren. Obwohl Jerry viel gefühlsloser als er gewesen war, so hatte er ihn gemocht. Er war Garys einziger wirklicher Freund gewesen und sie hatten wie Pech und Schwefel zusammengehalten. Aber jetzt? Jetzt lag er in der Pathologie des NCIS, wo er in eben diesen Moment wahrscheinlich aufgeschnitten wurde. Und alles nur wegen diesem DiNozzo, der in der Nacht ein Messer genommen und ihn damit erstochen hatte. Er hatte alles durch das Fenster beobachtet und hatte nicht eingreifen können – dafür war es zu spät gewesen. In dem Moment, in dem das Messer in Jerrys Rücken eingedrungen war, hatte er sofort gewusst, dass er verloren war. Aber wer hatte jetzt wirklich die Schuld an dessen Tod? Clive Erickson, der irgendwo auf einer Müllhalde verweste und der dem Bundesagenten das Handy zugesteckt hatte? Sein Boss, der die beiden losgeschickt hatte mit dem Befehl, bei diesem einzubrechen, um das kleine Gerät zu besorgen? Er selbst, weil er Jerry alleine in das Haus hatte eindringen lassen? Oder Anthony DiNozzo, der schlussendlich das Messer in der Hand gehalten hatte? Ihm war bewusst, dass es Notwehr gewesen war – immerhin war der Agent gewürgt worden. Aber dennoch gab er ihm die Hauptschuld daran, dass er jetzt niemanden mehr hatte - außer seinen Boss, der aber für ihn kein Freund war, sondern nur ein Mann, der ihm Befehle gab und die er ausführte.
Der Schmerz des Verlustes schürte Garys Wut nur noch mehr und ließ ihn erneut knurren. Wenn alles nach Plan verlief, würde er die Möglichkeit der Rache bekommen – und zwar schon heute Nachmittag, spätestens am Abend. Bei dem Gedanken daran, was er alles mit DiNozzo anstellen würde, glitt ihm ein Lächeln über die Lippen. Wenn er mit ihm fertig war, würde er ihn anflehen, ihn zu töten, ihm den Gnadenschuss zu verpassen. Aber selbst dann würde er ihn nicht erlösen – das wäre viel zu einfach und würde zu schnell gehen. Er sollte den seelischen Schmerz kennenlernen und erfahren wie es ist, einen Menschen zu verlieren, den man mag oder in Anthonys Fall, den man liebte. Es hatte ihn mehr als überrascht, als dieser und sein Boss angefangen hatten, sich leidenschaftlich zu küssen. Dabei machten weder Gibbs noch Tony auf ihn den Eindruck, auf Männer zu stehen, aber selbst Gary konnte sich täuschen. Er hatte die Liebe, die zwischen den beiden herrschte, sogar durch die große Terrassentür gespürt, und dabei war er einige Meter entfernt gewesen. Die Berührungen, die sie sich gegenseitig geschenkt hatten – zuerst zärtlich und dann immer drängender – hatten Bände gesprochen und es war diese Liebe, die er sich zunutze machen würde.
Im Prinzip hatte er nichts gegen homosexuelle Paare und er bewunderte es, dass diese Menschen ihre Gefühle in aller Öffentlichkeit zeigten, obwohl der Großteil der Gesellschaft immer noch zurückhaltend reagierte und auch spöttisch und beleidigend wurde. Gary wusste nicht einmal, ob er es schaffen würde – würde er auf Männer stehen – das so ohne weiteres zu zeigen. Von daher hätte er eigentlich Skrupel haben müssen, wenn er daran dachte, dass er in ein paar Stunden derart brutal werden würde. Obwohl er es nicht zugab und schon gar nicht vor seinem Boss, so mochte er es überhaupt nicht, jemanden zu töten. Was auch immer der Grund dafür war, dass er dies normalerweise Jerry überließ, der sich darüber nie Gedanken gemacht und es wie einen Job betrachtet hatte. Aber heute war das anders – heute würde er es selbst übernehmen und vielleicht würde der Schmerz in seinem Inneren durch den Schmerz der anderen gelindert, auch wenn er sich mehr als bewusst war, dass er seinen Freund dadurch nicht mehr zurückbekommen würde. Trotzdem lechzte er nach Blut und diese Gier würde er an diesem Tag befriedigen, aber erst nachdem sie das Handy wieder zurück hatten. Denn wenn er im Knast landen würde, nur weil so ein Schwächling den Drang verspürt hatte, einen Mord zu filmen, konnte er seine Rache nicht mehr ausleben. Aber der Plan seines Bosses war bombensicher und er vertraute darauf, dass alles glatt laufen würde.
Garys Grinsen wurde noch breiter und Vorfreude stieg in ihm auf. Ein gefährliches Funkeln trat in seine Augen und wäre er jetzt von Menschen umgeben gewesen, hätten diese sicher das Weite gesucht. Unwillkürlich griff er nach seiner Waffe, die er im Hosenbund stecken hatte, als ihn das Klingeln seines Handys aus seinen berauschenden Vorstellungen riss und ihn in die Realität zurückholte. Leise vor sich hinfluchend, griff er nach dem kleinen Gerät, das auf dem Beifahrersitz lag und klappte auf. Er warf keinen Blick auf die Nummer, da er bereits wusste, wer ihn störte. Am liebsten hätte er sich weiter seinen Tagträumen hingegeben, aber dann würde er sich den Zorn des Allmächtigen auf sich ziehen – was er auf gar keinen Fall riskieren würde, wollte er noch länger am Leben bleiben.
„Was gibt es?" meldete er sich und sah sich erst jetzt richtig die Umgebung an. Menschen strömten auf den Bürgersteigen an ihm vorbei, betraten oder verließen die Bäckerei und hatten teilweise einen gehetzten Ausdruck auf ihren Gesichtern. Alle waren sichtlich genervt von dem schrecklichen Wetter, wo doch die Sonne hätte scheinen und ihre wärmenden Strahlen zur Erde hätte schicken sollen.
„Wo bist du?" fragte sein Boss, der soeben in seinem Büro angekommen war und noch ein paar Minuten Zeit hatte, bevor er zu einer Besprechung musste. Wie er diese Zusammenkünfte hasste, aber was sein musste, musste eben sein. Er würde eine freundliche Miene aufsetzen, mit seinen Kollegen plaudern, Ergebnisse vortragen und sich schließlich wieder zurückziehen, um seiner Arbeit nachzugehen. Aber er wusste jetzt schon, dass er sich nicht konzentrieren würde können. Zu viel stand auf dem Spiel.
„Ähm…" antwortete Gary und kratzte sich am Kopf. „Ich stehe gerade vor einer Bäckerei." Er hatte sich entschlossen, die Wahrheit zu sagen, denn sein Auftraggeber würde selbst durch das Telefon hindurch mitbekommen, wenn er log. Dieser schien so etwas wie einen sechsten Sinn zu haben, wenn es darum ging, ob jemand die Unwahrheit sagte. „Was soll das heißen, du stehst vor einer Bäckerei?!" schrie der Mann und ließ das Gehör seines Handlangers klingeln. „Habe ich dir nicht gesagt, du sollst die beiden nicht aus den Augen lassen und ihnen überall hin folgen?! Und erzähl mir nicht, sie sind jetzt in dieser Bäckerei! Hast du deinen Magen wieder einmal nicht unter Kontrolle?!" ‚Ich hätte es wissen müssen', dachte sich Gary und widerstand dem Drang, sich das Handy vom Ohr wegzuhalten. Wie bei einem Feigling bildete sich in seinem Hals ein Kloß, den er aber sofort wieder hinunterschluckte. Wieso kam er sich plötzlich ganz klein vor? Dabei war der andere ganz wo anders und konnte ihm schlecht über das Handy den Kopf abreißen.
„Keine Bange, Boss", meinte er möglichst lässig und kramte in seiner Hose nach einem Streifen Kaugummi, den er sich in den Mund steckte – nachdem er ihn mit Hilfe seiner Zähne ausgepackt hatte. „Sie sind sicher unterwegs zum NCIS Hauptquartier." „Und deswegen soll ich mir keine Sorgen machen?! Wie blöd bist du eigentlich?! Sie hätten irgendwo wieder abbiegen und ganz wo anders hinfahren können!" „Du weißt genauso wie ich, dass sie um sieben Uhr Dienstbeginn haben. Außerdem werden sie sicher herausfinden wollen, wer hinter dem Einbruch steckt." Gleich darauf hätte sich Gary am liebsten die Zunge abbeißen können. Am Ende der Leitung wurde es unheilverkündend still und nur das Atmen seines Gesprächspartners war zu hören. Er konnte sich vorstellen, wie dieser in seinem schmucken Büro am Fenster stand, in den düsteren Morgen hinausstarrte und versuchte, seine Fassung nicht zu verlieren.
„Genau, sie werden versuchen herauszufinden, wer hinter der Sache steckt", sagte der Mann überraschend ruhig, auch wenn er am liebsten weiter schreien würde. Aber Geräusche vor seiner Bürotür erinnerten ihn daran, dass auch bei ihm um sieben Uhr Arbeitsbeginn und er somit nicht mehr alleine war. „Und du weißt genauso gut wie ich, dass Jerry vom FBI gesucht wird und folglich seine Fingerabdrücke gespeichert sind." Gary zuckte bei diesen Worten zusammen, als er daran dachte, wie sein Freund einmal im Knast gesessen war, aber damals war er wieder freigekommen, da die Beweise gegen ihn nicht ausreichend waren. Aber jetzt, Jahre später, hatte sich dies geändert. Nur war Jerry diesmal so schlau gewesen, sich nicht mehr erwischen zu lassen. „Das weiß ich", sagte er leise. „Aber keiner wird uns mit ihm in Verbindung bringen." „Das will ich hoffen", erwiderte sein Boss. „Wenn du die beiden schon aus den Augen verloren hast, hast du wenigstens erkennen können, ob sie das Handy gefunden haben?" Gary schüttelte den Kopf, aber kurz darauf wurde ihm bewusst, dass diese Geste der andere nicht sehen konnte. „Nein, habe ich nicht. Auf mich haben sie einen normalen Eindruck gemacht", sagte er und behielt für sich, dass er sich absichtlich hatte zurückfallen lassen. Wenn das sein Boss erfuhr, konnte er sein Testament verfassen. „Was aber nicht bedeutet, dass sie es nicht entdeckt haben könnten. Auf alle Fälle hat dieser DiNozzo die Jacke getragen", fügte er nach kurzer Überlegung hinzu. Er hatte zwar nur für eine Sekunde in das Auto der Bundesagenten blicken können, aber das hatte gereicht. „Was bedeutet, es ist so oder so auf dem Weg zum NCIS." Der Mann wurde wieder lauter, aber nicht laut genug, dass es jemand vor seiner Tür mitbekommen würde, außer er würde absichtlich lauschen. Selbst in seiner Branche gab es Mitarbeiter, die neugieriger waren als es ihnen gut tat. Deshalb senkte er wieder seine Stimme, als er die nächsten Anweisungen gab, in der Hoffnung, sein Handlanger würde sie erfüllen. „Du fährst jetzt ohne Umwege zum NCIS und behältst das Gebäude im Auge, hast du mich verstanden? Du wirst deinen Posten nicht verlassen, nicht einmal wenn du das Bedürfnis verspürst zu pinkeln. Ich werde kurz nach Mittag zu dir kommen. Wenn einer der beiden das Gebäude vorher verlassen sollte, folgst du ihm und rufst mich an. Bis dahin wirst du dich nicht vom Fleck rühren." Die letzten Worte sagte er besonders eindringlich und Gary entging die verborgene Botschaft keineswegs, die er übermittelt bekam. Sollte er diesem Befehl nicht Folge leisten, stand er mit beiden Beinen im Grab. „Verstanden. Keine Sorge, ich werde das Kind schon schaukeln." „Das hast du gestern auch gesagt und nun liegt Jerry tot in der Pathologie einer Bundesbehörde. Und jetzt beweg deinen Hintern und wage es ja nicht, noch in diese Bäckerei zu gehen." Mit diesen Worten legte er einfach auf und hinterließ ein beständiges Tuten in der Leitung. Gary klappte sein Handy wieder zu, warf es auf den Beifahrersitz und rieb sich seinen Magen. Wie hatte sein Boss nur wissen können, dass er sich einen kleinen Essvorrat beschaffen wollte? Und jetzt musste er mehr als fünf Stunden ausharren, bevor er diesen Wagen wieder verlassen durfte und sich was zu Essen kaufen konnte. Vorausgesetzt, sein Auftraggeber würde dies zulassen. Aber ihm war es lieber, mit knurrendem Magen im Auto zu sitzen als in einer kleinen Gefängniszelle. Dort würde er unweigerlich landen, falls das Handy und somit das Video gefunden wurde.
Leise vor sich hinfluchend startete er den Motor und scherte aus dem Parkplatz aus, den sich gleich darauf jemand anderer angelte. Der Morgenverkehr war noch dichter geworden und zog an Garys Nerven. Aber er wusste, es würde sich lohnen. ‚Bald', dachte er und bog an einer Kreuzung rechts ab, um sich dem NCIS Hauptquartier beständig zu nähern. ‚Bald werden wir zuschlagen und dann wird dein Tod gesühnt werden, Jerry.'

Fortsetzung folgt...
Chapter 22 by Michi
Fünf Minuten, nachdem der schwarze Ford aus unserem Blickfeld verschwunden war, fuhr Gibbs in die Tiefgarage des NCIS Hauptquartiers und stellte seinen Wagen auf seinen üblichen Platz, den er – wenn es nötig war – wie ein wildes Tier sein Territorium verteidigte. Zurzeit machte er auf mich allerdings einen friedlichen Eindruck, bis auf die Tatsache, dass seine Augen ständig zwischen Rückspiegel und Windschutzscheibe hin und her wanderten. Genauso wie ich glaubte er nicht wirklich daran, dass unser Verfolger einfach so aufgegeben hatte. Aber die restliche Strecke hatte er sich kein einziges Mal blicken lassen und uns auch nicht aufgelauert, um uns abzupassen. Das Gefühl, beobachtet zu werden, war nicht wieder zurückgekehrt, aber dennoch sagte mir mein Instinkt, dass irgendetwas passieren würde und das in den nächsten Stunden.
Jetzt, wo wir endlich das Hauptquartier erreicht hatten, war ich mehr als erleichtert und ich wusste, eine fremde Person würde hier so schnell nicht hereinkommen und versuchen, mir das Handy abzuluchsen – noch dazu, wenn es in dem Gebäude vor Bundesagenten nur so wimmelte. Da müssten die Typen schon mehr als dämlich sein, das zu riskieren – obwohl, wenn ich es mir Recht überlegte, würde ich es ihnen durchaus zutrauen, immerhin war einer von denen bei mir eingebrochen. Manche Verbrecher hatten eben nur Stroh im Hirn, anstatt Nervenzellen.
Mit einem Ruck brachte Gibbs den Wagen zum Stehen und riss mich somit aus meinen Gedanken. „Alles in Ordnung?" fragte er und zog den Zündschlüssel. „Aber klar doch", antwortete ich ihm und öffnete die Tür. Die üblichen Gerüche einer Tiefgarage schlugen mir entgegen, gepaart mit der ungewöhnlich kalten Frühlingsluft. „Jetzt, da wir endlich hier sind, fühle ich mich sogar einigermaßen sicher. Ehrlich gesagt habe ich damit gerechnet, dass der Ford doch noch irgendwo auftauchen würde. Aber in diesem Fall habe ich mich gerne getäuscht." „Von mir aus hätte er uns ruhig in einen Hinterhalt locken können. Dann wüssten wir endlich, wer hinter der ganzen Sache steckt." Jethro stieg aus und wartete, bis ich meinen Rucksack aus dem Auto geholt hatte, bevor er absperrte. Ich blickte ihn über das Dach hinweg an und hob eine Augenbraue. „Du wartest doch nur auf eine Gelegenheit, den Typen Feuer unter dem Hintern zu machen." „Das auch", erwiderte er knapp und umrundete den Wagen. Automatisch wollte ich nach seiner Hand greifen, hielt aber in der Bewegung inne, da ich mich rechtzeitig daran erinnerte, dass hier überall Überwachungskameras aufgehängt waren und alles mitverfolgten, was hier unten passierte. Und da Gibbs ja noch nicht wollte, dass wir allen zeigten, dass wir ein Paar waren, steckte ich meine Hände brav in die Jackentaschen, um gar nicht erst in Versuchung zu geraten, ihn zu berühren.
„Dir ist aber schon bewusst, dass wir vielleicht bei Ducky in der Pathologie gelandet wären, wären wir wirklich ein einen Hinterhalt geraten", knüpfte ich an unser Gespräch an, um mich davon abzulenken, dass er knapp neben mir stand, ich ihn aber nicht zu mir heranziehen konnte. „Seit wann bist du so pessimistisch?" fragte er eine Spur verwundert. „So kenne ich dich gar nicht." „Das liegt wohl daran, dass es Leute gibt, die mir ans Leder wollen." „Daran müsstest du ja bereits gewöhnt sein", meinte er und lächelte über meinen bestürzten Gesichtsausdruck. „Das ist nicht witzig, Jethro", sagte ich leicht angesäuert und ging zu den Fahrstühlen. „Mir ist bewusst, dass ich ziemlich oft in Schwierigkeiten gerate. Das brauchst du mir nicht auch noch unter die Nase reiben." Hinter mir erklang ein lauter Seufzer und mir war klar, dass ich ein wenig überreagierte, aber meine Nerven lagen zurzeit ein wenig blank. Wer wusste schon, was als nächstes passieren würde? Vielleicht wollten die Gangster mich in Sicherheit wiegen und dann zuschlagen, wenn ich überhaupt nicht damit rechnete. Wie ich dieses Gefühl des Unwissens hasste und noch dazu konnte ich nichts dagegen tun außer abzuwarten.
Eine Sekunde später waren eilige Schritte zu hören und ich wusste, dass mir Gibbs folgte, aber ich wurde deswegen nicht langsamer. Wieso hatte er das bloß gesagt? Musste er mich unbedingt daran erinnern, dass ich für Probleme ein Magnet war? Glaubte er etwa, mir würde das Spaß machen, auf der Abschussliste von irgendwelchen Leuten zu stehen?
Wütend drückte ich auf den Knopf und gleich darauf glitten die Türen des Fahrstuhles auseinander. Ich betrat die Kabine, ließ meinen Rucksack zu Boden fallen, lehnte mich mit dem Rücken gegen die linke Wand und verschränkte die Arme vor der Brust. Kurz bevor sich die Türen schlossen, zwängte sich eine Hand dazwischen und sie öffneten sich wieder. Jethro hatte seine übliche verschlossene Miene aufgesetzt, als er zu mir in den mehr als kleinen Raum kam und er hieb übertrieben fest auf den Knopf mit der Ziffer drei. Ich wusste nicht, ob er wütend über meine Reaktion war oder was er sonst dachte und es war gerade diese Tatsache, die mich mit Unbehagen erfüllte. Mir wäre es lieber, er würde mich anbrüllen, anstatt den Chefermittler heraushängen zu lassen.
Der Fahrstuhl setzte sich in Bewegung, aber nicht für lange, denn eine Sekunde später betätigte er den Stopphebel und die Kabine hielt mit einem abrupten Ruck. Die hellen Lichter verschwanden und nur die Notbeleuchtung erhellte das Innere gedämpft. Gibbs drehte sich zu mir und durch die Dämmrigkeit kam er mir eine Spur wild vor. Ich schluckte krampfhaft und ließ meine Arme sinken. „Was soll das?" fragte ich, denn ich war überhaupt nicht in der Stimmung für eine Konfrontation, auf die das Ganze wohl hinauslaufen sollte. Mein Herz fing an schneller zu schlagen und mein Hals wurde trocken – eine Reaktion, die ich ständig hatte, wenn wir beide in einem engen Raum zusammen waren und er dabei war, mich mit seinen Blicken aufzuspießen.
Jethro sagte immer noch nichts und da ich nicht wusste, ob er in den nächsten Sekunden den Mund aufmachen würde, bewegte ich mich ein kleines Stückchen und versuchte den Fahrstuhl wieder in Bewegung zu setzen, denn die Luft kam mir auf einmal mehr als stickig vor und die Wände schienen gefährlich nahe zu rücken. Aber ich kam nicht einmal einen Schritt weit, denn plötzlich stand Gibbs vor mir, stützte seine Hände links und rechts meines Körpers gegen die Wand und verhinderte somit, dass ich auch nur in die Nähe des kleinen Hebels kam. Unwillkürlich wollte ich ihn von mir wegdrücken, aber er rührte sich keinen Millimeter, egal wie sehr ich mich bemühte. „Das ist nicht fair", sagte ich leicht außer Atem und ließ meine Finger von seiner Brust gleiten, da ich einsah, dass ich nur meine Kraft verschwendete – es war ein weiterer Beweis, dass er unglaublich hartnäckig und stur sein konnte.
„Was ist im Leben schon fair?" entgegnete er mit leiser Stimme und brachte sein Gesicht ganz nah an meines. Seine Augen schienen mich zu durchbohren und ich konnte mich nicht mehr vom Fleck rühren, was aber nichts damit zu tun hatte, dass er so dicht vor mir stand. Ich wusste nicht, was ich darauf erwidern sollte. Dabei war ich sonst nie auf den Mund gefallen und hatte für jede Situation einen Spruch parat. Aber diesmal war mein Gehirn seltsam leer, was wohl auch daran liegen mochte, dass sich Jethros Körper fast gegen meinen presste. „Ich…" begann ich, in dem Bedürfnis, irgendetwas zu sagen, aber ich kam nicht weiter, da sich ohne Vorwarnung weiche Lippen auf meine legten und meine Knie ganz weich werden ließen. Im ersten Moment war ich viel zu überrascht, um irgendwie zu reagieren und blieb stocksteif stehen. Gibbs drängte mich weiter gegen die Wand und ließ seine Hände – die vor kurzem noch neben mir aufgestützt gewesen waren – meinen Oberkörper hinaufwandern, um sie in meinen Haaren zu vergraben.
Ich spürte, wie meine Wut auf ihn von einer Sekunde auf die andere verpuffte und mich ein starkes Kribbeln überzog. Es war unglaublich, dass er ständig wusste, wie er mich besänftigen konnte. Aber wenn ich ehrlich war, wollte ich gar nicht sauer auf ihn sein, auch wenn ich es mehr als sexy fand, wenn er mich wie vorher anfunkelte.
Ich hob meine Arme, die bis jetzt nutzlos an meiner Seite herabgehangen waren, schlang sie um seine Taille und zog ihn ganz nahe an mich heran. Gleichzeitig öffnete ich meinen Mund und meine Zunge begegnete der seinigen. Eine Minute später war meine Frisur – die heute sowieso nicht die Beste war – komplett vernichtet, mein Körper prickelte vor Erregung und ich verwünschte meine Hose, die schon wieder zu eng war. Aber Gibbs ging es wenigstens nicht besser und als er sich von mir löste, legte er seine Stirn gegen meine und flüsterte mit rauer Stimme: „Es tut mir leid, Tony. Ich hätte das vorhin nicht sagen sollen." „Und ich hätte nicht gleich so überreagieren sollen", erwiderte ich genauso leise und ein erfreutes Lächeln huschte über meine Lippen. Es passierte äußerst selten, dass er sich entschuldigte – wenn ich es mir Recht überlegte, hatte er sich noch nie entschuldigt, egal wofür. Ich hatte also doch einen positiven Einfluss auf ihn.
„Vergeben und vergessen?" fragte er sicherheitshalber nach, womit er mich erneut überraschte, weshalb ich nur „Vergeben und vergessen", antworten konnte. Sichtlich erleichtert atmete er durch, gab mir noch einen kurzen zärtlichen Kuss und trat schließlich einen Schritt zurück. Sein Blick glitt über meinen Körper, blieb an der Ausbuchtung in meiner Hose – die ich mir gerade zu Recht rückte – hängen und sah mich schließlich mit erhobener Augenbraue an. „Na super", meinte ich und zog mir mein Hemd aus der Jeans, um wenigstens ein wenig die verräterischen Spuren zu verdecken. „Wollen wir es nicht zu Ende bringen?" schlug ich hoffnungsvoll vor und richtete mir meine Haare so gut es ging. „Hier drinnen?" fragte Gibbs verblüfft und sah sich um. „Ja. Wieso nicht? Ist doch einmal etwas anderes." Er schluckte sichtlich und schien ernsthaft darüber nachzudenken, schüttelte aber schließlich den Kopf. „Nicht heute", erwiderte er mit einem entschuldigenden Tonfall. „Schon vergessen, wir wollen so schnell wie möglich herausfinden, wer dir ans Leder will." Er klopfte auf seine rechte Jackentasche, in der das Handy steckte. „In Ordnung", gab ich nach, da ich nicht wollte, dass wir zu streiten anfingen. „Aber gib nicht mir die Schuld, wenn alle bemerken, dass du scharf bist." „Derjenige, der mich darauf anspricht, kann sein Testament verfassen", sagte er mit ernster Stimme, sodass ich es ihm sofort glaubte, dass er denjenigen einfach erschießen würde. „Da will ich dabei sein", erwiderte ich belustigt, nahm meinen Rucksack und Gibbs setzte den Fahrstuhl wieder in Bewegung, drehte sich aber gleich darauf wieder zu mir um. „Also, was die Sache mit dem Aufzug angeht", begann er und schenkte mir ein kleines Lächeln. „ist aufgeschoben, aber nicht aufgehoben." Seine Worte überraschten mich derart, dass ich für einen Moment wie versteinert am Fleck stand und gar nicht mitbekam, wie sich die Türen mit einem leisen Pling öffneten. Innerhalb einer Sekunde verschwand das Lächeln aus seinem Gesicht, die verschlossene Miene des Chefermittlers nahm ihren Platz ein und er drängte sich durch die Menge der Agents, die darauf gewartet hatten, dass der Fahrstuhl endlich sein Ziel erreichte.
Ich blickte ihm wie paralysiert nach und merkte nicht einmal wie mich sechs Augenpaare musterten. „Willst du etwa dort drinnen übernachten, DiNozzo?!" Seine laute Stimme hallte laut in meinen Ohren wider und riss mich aus meiner Starre. „Bin schon unterwegs, Boss!" rief ich ihm automatisch hinterher, wieder ganz der unterwürfige Agent. Die Wartenden warfen mir mitleidige Blicke zu, da sie dachten, wir beide hatten eben eine hitzige Diskussion hinter uns und jeder wusste, wie ungemütlich Gibbs dabei werden konnte. Dass hinter dieser Fassade jedoch ein ganz anderer Mann steckte, damit würden sie wohl nie rechnen.
Ich quetschte mich durch die gaffende Menge, die mich stark an Schaulustige und nicht an ausgebildete Agents erinnerte, und eilte zu meinem Schreibtisch. Ziva saß bereits an ihrem Platz, genauso wie McGee, der sich wie immer mit einem wohl schwierigen Computerproblem beschäftigte. Seine Stirn war konzentriert gerunzelt und er schien nur Augen für den Monitor zu haben. Meine junge Kollegin hingegen musterte mich jedoch interessiert von oben bis unten und ich fragte mich unwillkürlich, ob sie merkte, dass ich mich gerade in einem körperlichen Ausnahmezustand befand. „Was habt ihr beide da drinnen so lange getrieben?" fragte sie und durch ihre Wortwahl hob ich abrupt meinen Kopf. Ich spürte, wie mir die Röte ins Gesicht schoss. Um das zu vertuschen, ließ ich meinen Rucksack auf den Boden fallen, zog meine Jacke aus und setzte mich auf meinen Stuhl, um meinen PC hoch zu fahren. Ich widerstand dem Drang zu Gibbs zu blicken und setzte ein sorgloses Lächeln auf – hoffe ich zumindest. „Wie kommst du darauf, dass wir so lange im Aufzug waren?" stellte ich eine Gegenfrage und verschränkte meine Hände hinter meinem Kopf. „Ganz einfach, Tony. Vor den Türen haben jede Menge Agents gewartet und einige haben lauthals geflucht, weil er nicht hier herauf kam. Und dann sind Gibbs und du herausgekommen. Also, weshalb hat er dich zur Krabbe gemacht?" Mein aufgesetztes Grinsen wurde breiter und vor allem echt. „Es heißt zur Schnecke gemacht, Ziva", korrigierte ich sie und setzte mich aufrecht hin. Ihre Versprecher waren immer wieder köstlich und ich liebte es, wenn sie das Gesicht ärgerlich verzog, wenn ich sie berichtigte. „Wie auch immer", meinte sie bissig und beugte sich ein wenig vor. „Also?" „Also, was?" fragte ich unschuldig, aber ich wusste genau, was sie meinte. „Was habt ihr…" „Wir haben über das Handy geredet, Officer David", unterbrach sie Gibbs. Ohne es zu bemerken, war von seinem Schreibtisch herüber gekommen und blieb zwischen unseren Plätzen stehen. Ich versuchte nicht allzu verliebt auszusehen, als ich ihn anblickte und versuchte das Bild, das in meinem Kopf aufstieg und uns beide in dem Fahrstuhl leidenschaftlich küssend zeigte, aus meinem Gehirn zu verdrängen. Aber da es nicht sonderlich gut funktionierte, öffnete ich die oberste Schublade, legte meine Waffe hinein und nahm dafür einen Schokoriegel heraus. Es ging doch nichts über jede Menge Zucker, um sich abzulenken.
„Über das Handy?" fragte Ziva überrascht und sah von einem zum anderen. „Genau", erwiderte ich, wickelte den Riegel aus und biss herzhaft hinein. „Ich habe es heute Morgen in meiner Jackentasche gefunden", fuhr ich mit vollem Mund fort, was mir einen strafenden Blick von Jethro einbrachte. Deshalb schluckte ich ganz schnell und fügte hinzu: „Irgendjemand muss es mir gestern heimlich zugesteckt haben, als ich im Einkaufszentrum gewesen bin." „Hast du ihn erkannt?" fragte McGee, der sich von seinem Computer losgerissen und sich zu uns gesellt hatte. „Nein, habe ich nicht. Ich weiß nur, dass mich jemand angerempelt hat, aber ich habe mir nichts dabei gedacht. Glaub mir, Bambino, wenn ich gewusst hätte, welche Auswirkung dieser Zusammenstoss hatte, wäre ich dem Kerl nachgelaufen." Erneut nahm ich einen Biss von dem Riegel und kaute herzhaft. „Vielleicht erfahren wir über die Überwachungsbänder mehr", schlug Ziva vor und schnappte sich ihren Telefonhörer. „Dort gibt es doch Überwachungskameras?" Ich nickte, versuchte den großen Bissen hinunterzuschlucken, was mir nach mehrmaligen Versuchen gelang und gab ihr den Namen des Einkaufszentrums.
Jethro, der den Beweismittelbeutel mit dem Handy in der Hand hielt, reichte ihn mir und sagte: „Bring das zu Abby. Vielleicht findet sie heraus, weshalb jemand so versessen darauf ist, das Ding zurückhaben zu wollen." „Das Ding heißt Handy", konnte ich mir nicht verkneifen zu sagen, steckte mir den Rest des Riegels in den Mund und stand auf. Eine Sekunde später verpasste mir Gibbs eine Kopfnuss, sodass ich mich fast verschluckte und anfing zu husten. Ich wünschte, er würde wenigstens ein wenig zeigen, dass er mich liebte und nicht gleich wieder in die alten Gewohnheiten zurückfallen. Aber ich wusste, für jeden Klaps würde er mich später mit einem Kuss entschädigen und so konnte ich ihm nicht einmal ansatzweise böse sein. „Heute noch, DiNozzo. Und, McGee, besorg mir einen Kaffee." „Geht klar, Boss", sagte dieser und verschwand Richtung Fahrstuhl. Ziva telefonierte bereits und da Gibbs ihr den Rücken zudrehte, blickte er mich entschuldigend an und formte lautlos die Worte „Ich liebe dich." Ich unterdrückte ein freudiges Grinsen, ignorierte den Hüpfer meines Herzens und sah zu, wie er wieder zu seinem Platz ging. Verwundert über meinen zufriedenen Gesichtsausdruck hob meine Kollegin eine Augenbraue, aber ich winkte ihr nur zu – sollte sie sich doch ihre Gedanken über mich machen - und eilte zum Aufzug, um zu Abby hinunterzufahren. Es wurde wirklich höchste Zeit herauszufinden, was so besonders an dem Handy war.

Fortsetzung folgt...
Chapter 23 by Michi
Die Türen des Aufzuges öffneten sich und ich betrat die kleine Kabine, um gleich darauf den Knopf für die Forensik zu drücken. Ich lehnte mich gegen die Wand, so wie ich es vor einer Viertel Stunde bereits einmal getan hatte und schloss für einen kurzen Moment die Augen. In meiner Hand hielt ich den Beweismittelbeutel mit dem Handy, das auf mich wieder einmal den Eindruck machte, dass es mehr wog als es tatsächlich tat und meinen Arm nach unten zog. Müdigkeit breitete sich in meinem Körper aus und ich widerstand dem Drang, mich auf den Boden gleiten zu lassen und einfach zu schlafen, zu vergessen, dass hinter mir Gangster her waren. Eine Sekunde später jedoch straffte ich meine Muskeln, öffnete meine Augen und richtete mich zu meiner vollen Größe auf. Nein, ich durfte mich nicht unterkriegen lassen, egal ob ich auf einer Abschussliste stand oder nicht. Das war ja so, als ob ich bereits aufgegeben hätte und als ob ich mich damit abgefunden hätte, dass ich womöglich diesen Tag nicht überleben würde.
Ich ließ meinen Blick durch die kleine Kabine schweifen, versicherte mich, dass es nicht irgendwo doch eine Kamera gab, die mich beobachtete und verpasste mir selbst mit der freien Hand eine Kopfnuss, die Gibbs alle Ehre gemacht hätte. Der kurze Schmerz holte mich effektiv in die Wirklichkeit zurück und vertrieb die deprimierenden Gedanken aus meinem Gehirn. Ein Anthony DiNozzo ließ sich nicht hängen. Ich hatte die Lungenpest, einen Undercovereinsatz mit Ziva und vor allem einen ganzen Tag mit meiner jungen Kollegin in einem verschlossenen Container überlebt, da würde ich das hier auch noch schaffen. Und jetzt hatte ich zusätzlich Jethro, der nicht zulassen würde, dass mir etwas passierte - nicht dass er es früher geschehen hätte lassen. Aber diesmal war es anders, alles war anders. Ich wusste, mein gesamtes Leben hatte sich mit der gestrigen Liebeserklärung geändert und ich hatte von nun an einen Partner, dessen schlechte Launen bereits legendär waren. Aber das war nur einer der Charakterzüge, die ich an Gibbs so liebte.
Ein freudiges Lächeln bildete sich auf meinen Lippen und ich spürte regelrecht, wie der alte Tony wieder seinen Platz einnahm und nicht der leicht deprimierte, wie noch vor ein paar Sekunden. Schluss mit dem Trübsinn und immer positiv in die Zukunft blicken. Mein Vorgesetzter beim Morddezernat in Baltimore hatte mir bereits am ersten Tag eingebläut, dass sich Verbrechen nie auszahlten und auch in diesem Fall würde das zutreffen. Die Kerle, die das Handy unbedingt haben wollten, würden ihr blaues Wunder erleben. Mit einem Mal wog das kleine Gerät in meiner Hand fast nichts mehr und mir wurde klar, dass ich die deprimierte Phase hinter mir hatte. Selbst das Gefühl, dass heute noch etwas passieren würde, konnte das Lächeln auf meinen Lippen nicht vertreiben und als sich die Türen des Fahrstuhls mit dem mir allzu bekannten leisen Pling öffneten, verließ ich die Kabine mit großen Schritten und betrat kurz darauf die Forensik, wo wieder einmal so laute Musik lief, dass ich die Befürchtung hatte, meine Trommelfelle würden jeden Augenblick platzen. Ich blieb abrupt stehen und beobachtete Abby, die vor ihrem Computer stand, im Takt des Songs mit dem Kopf wippte, wobei ihre Rattenschwänze wilde Tänze aufführten und mit ihrem rechten Fuß auf den Boden klopfte. Eine Sekunde später trat sie von dem Tisch zurück, wirbelte herum und eilte zu einem ihrer Babies, wobei sie so in ihrem Element war, dass sie mich gar nicht sah, obwohl ich gut sichtbar mitten im Raum stand. Ihre schlanken Finger drückten ein paar Knöpfe, ihre Lippen bewegten sich lautlos und sichtlich zufrieden nickend drehte sie sich wieder um und zuckte zusammen, als sie bemerkte, dass sie nicht mehr alleine war. Aber innerhalb einer Sekunde verzogen sich ihre schwarz gefärbten Lippen zu einem breiten Lächeln und ehe ich reagieren konnte, stürmte sie auf mich zu und umarmte mich heftig, sodass ich einen Schritt zurücktaumelte, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Ihr schlanker Körper presste sich derart fest gegen meinen, dass ich von Glück sagen konnte, dass mich mein kleiner Streit mit Ziva und der kurze Kampf in meinem Inneren von meiner Erregung - die Gibbs' Kuss hinterlassen hatte - befreit hatten. Worte, die ich aber aufgrund der lauten Musik nicht verstehen konnte kamen aus ihrem Mund, und ihre Arme drückten mir langsam aber sicher die Luft ab. Da ich nicht sicher war, ob sie mich noch in diesem Jahr wieder loslassen wollte, wand ich mich ein wenig in ihrer engen Umarmung und tippte ihr mit dem Zeigefinger meiner freien Hand auf den Rücken. Endlich schien Abby zu realisieren, dass sie dabei war, mich zu erwürgen und ließ mich los. Sie hielt mich auf Armeslänge weit weg und sagte irgendetwas, was ich aber nicht verstand. Ich deutete auf meine Ohren und schüttelte den Kopf. Wie ein Wirbelwind drehte sie sich um und lief zu ihrer Stereoanlage, die sie mit einem Knopfdruck zum Verstummen brachte. Als sich wohlige Ruhe in der Forensik ausbreitete, atmete ich erleichtert auf, allerdings hatte ich die vage Befürchtung, dass ich die grausige Melodie einige Zeit lang nicht mehr aus meinem Gehirn bringen würde.
Abby kam wieder auf mich zu, verzichtete aber diesmal auf eine Umarmung. „Wie geht es dir, Tony?" sprudelte sie los und musterte mich eingehend von oben bis unten. „Sind noch alle Knochen heil? Die Prellung auf deiner Wange hat eine wirklich beeindruckende Farbe. Tut sie sehr weh? Stell dir vor, McGee hat mich heute noch vor sechs Uhr aus dem Bett geklingelt und mir gleich erzählt, was passiert ist. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass jemand so blöd war und bei dir eingebrochen ist. Aber ich wusste schon immer, dass du hervorragend auf dich aufpassen kannst, nicht umsonst liegt dieser Jemand nun tot in der Pathologie. Mein erster Weg hat mich gleich zu Ducky geführt und ich habe mir den Typen angesehen. Ich kann dir sagen, du hast mächtiges Glück gehabt, bei so einem Koloss. Kaum zu glauben, dass…" „Abbs", unterbrach ich sie schließlich, da ihr Redefluss anscheinend auch in den nächsten Minuten nicht enden würde. Sie verzog entschuldigend ihren Mund, als ihr klar wurde, dass sie mich gerade in Grund und Boden geredet hatte. „Ja, mir geht es gut", antwortete ich auf ihre erste Frage. „Und meine Knochen sind noch alle heil." Die junge Frau kam noch näher auf mich zu und strich vorsichtig mit einem Finger über die Prellung. „Tut das weh?" wollte sie wissen. „Nicht besonders", sagte ich wahrheitsgemäß und sah zu, wie ihre Augen weiter abwärts wanderten und an meinem Hals hängen blieben. Sie schürzte leicht ihre Lippen und beugte sich ganz nahe zu mir. „Hmmm…" machte sie und ich fragte mich, was sie auf einmal hatte. So weit ich wusste, hatte ich am Hals keine Verletzungen, obwohl mich der Einbrecher gewürgt hatte. Hatte er vielleicht doch irgendwelche Male hinterlassen?
Ein paar Sekunden war ich noch Abbys Blicken ausgesetzt, bis sie einen Schritt zurücktrat und ihren Kopf leicht schief legte. In ihre grünen Augen war ein amüsiertes Funkeln getreten. „Sag mal, Tony", begann sie und grinste breit. „Diesen Knutschfleck hattest du gestern noch nicht, oder? Du scheinst ja eine wilde Nacht gehabt zu haben, ganz abgesehen davon, dass du jemanden erstochen hast." „Was?" fragte ich irritiert und griff mir unwillkürlich an meinen Hals. Meine Reaktion entlockte ihr ein noch breiteres Grinsen und sie wippte leicht vor und zurück – anscheinend wartete sie auf eine Erklärung. Ich schluckte und versuchte meinen plötzlich wie ausgedörrten Mund zu befeuchten. Ohne auf die junge Frau zu achten, stürmte ich zu ihrem Schreibtisch, legte das Handy darauf ab, nahm stattdessen eine der CDs, die herumlagen und drehte sie so, dass ich mich in der spiegelnden Fläche betrachten konnte. Ich kniff meine Augen zusammen und untersuchte meinen Hals, versuchte das zu sehen, was meine Freundin anscheinend gefunden hatte. Und tatsächlich: Ein paar Millimeter oberhalb des Hemdkragens war ein Knutschfleck zu erkennen, der sich leicht von meiner Haut abhob. Heute Morgen hatte ich ihn gar nicht entdeckt, als ich mich im Bad im Spiegel betrachtet hatte, wobei ich aber mehr auf die Prellung geachtet hatte und nicht auf meinen Hals. Aber anscheinend war er nicht so leicht zu finden, sonst hätte Ziva bereits einen Spruch von sich gegeben oder Gibbs hätte ihn ebenfalls erwähnt. Allerdings war ich mir nicht ganz so sicher, immerhin war seine Sehkraft nicht mehr die Beste. Bei dem Gedanken an meinen Freund verzog ich meine Lippen zu einem liebevollen Lächeln und strich zärtlich über den Knutschfleck – ein deutliches Zeichen unserer leidenschaftlichen Nacht. Mich wunderte es überhaupt nicht, dass er mich auf diese Weise „gebrandmarkt" hatte, immerhin hatte er immer wieder an der Haut an meinem Hals geknabbert und mir dadurch einen Schauer der Erregung nach dem anderen über den Rücken gejagt.
„Erde an Tony", sagte Abby hinter mir und legte mir eine Hand auf meine Schulter. Durch diese unerwartete Berührung zuckte ich zusammen und mir glitt die CD aus den Fingern. Mit einer wahren Akrobatiknummer schaffte ich es, sie aufzufangen, bevor sie zu Boden fiel und womöglich zerkratzt worden wäre. Nicht, dass dadurch wichtige Daten oder grausame Songs ihrer Lieblingsband verloren gingen. „Tschuldigung", erwiderte ich, legte die dünne Scheibe vorsichtig auf den Schreibtisch ab und drehte mich zu der jungen Goth um, wobei ich hoffte, dass sie nicht merkte, dass sich meine Wangen plötzlich warm anfühlten. „Ich war ganz in Gedanken." „Ja, das habe ich mitbekommen", erwiderte sie und erneut wurde ich von ihren Augen förmlich geröntgt. „Und, war sie gut?" wollte sie gleich darauf wissen, schob einen Papierstapel zur Seite und setzte sich neben ihre Tastatur auf den Tisch. „Was?" Im ersten Moment wusste ich gar nicht, wovon sie sprach, bis mir dämmerte, dass sie ja keine Ahnung hatte, dass ich mit Gibbs zusammen war und nicht mit irgendeiner Frau. Und ich wusste, sie würde nicht locker lassen, bis sie die gewünschten Informationen hatte. Am liebsten würde ich ihr gleich sagen, dass ich den Knutschfleck von Jethro hatte, aber ich hatte ihm versprochen, mit niemanden über unsere Beziehung zu reden – außer mit Ducky – und jetzt verfluchte ich mich dafür, dass ich ihm diesen Wunsch gewährt hatte.
„Deine neue Freundin", fuhr Abby fort. „War sie gut? Wie ist sie so? Doch nicht wieder so ein Blondchen wie deine Letzte, die sich schließlich als Waffenschmugglerin herausgestellt hat." Ich schüttelte den Kopf und mir lagen die Worte: graue Haare bereits auf der Zunge, aber ich schluckte sie hinunter.
„Überhaupt kein Blondchen", antwortete ich, was auch der Wahrheit entsprach. Ich räusperte mich und hoffte, dass ich ihre Neugier mit meinem nächsten Satz befriedigen würde, denn sonst könnte es passieren, dass ich mich glatt in Widersprüche verwickeln würde. „Und die Nacht war mehr als leidenschaftlich. Aber leider endete sie ja durch einen bedauerlichen Zwischenfall." Bewusst brachte ich wieder den Einbrecher ins Spiel, aber Abby ließ sich nicht hinters Licht führen. „McGee hat mir gar nicht gesagt, dass eine Frau bei dir war." „Ähm… sie war auch gar nicht da." Ich steckte meine Hände in meine Hosentaschen, um zu verhindern, dass ich anfing, sie nervös zu kneten. „Könnten wir jetzt wieder…" versuchte ich sie von dem Frage-Antwort Spiel abzubringen, aber sie tippte sich mit einem Finger nur an die Lippen und schien mich gar nicht gehört zu haben. Ihr Gesicht hellte sich eine Sekunde später auf und sie strahlte mich an. „Also ein One-Night Stand? Da kann die Gute von Glück reden, dass sie nicht länger geblieben, sondern wieder nach Hause gefahren ist." Ich spürte, wie die Röte in meine Wangen zurückkehrte und verwünschte Gibbs ein wenig, dass er mich hier herunter geschickt und mich somit Abby ausgesetzt hatte. „Ehrlich gesagt, war es…" begann ich, unfähig auch nur einen ganzen Satz von mir zu geben. Wieso konnte ich ihr nicht einfach die Wahrheit sagen? Aber ich wollte nicht riskieren, dass dann Jethro auf mich sauer sein würde. Obwohl, wenn ich es mir recht überlegte, könnte die Versöhnung durchaus leidenschaftlich werden. Zuerst einen handfesten Streit und anschließend heißer Sex. Alleine bei dem Gedanken wurde mir schwummrig und gegen meinen Willen bildete sich auf meinen Lippen ein Grinsen.
Die junge Frau sah mich neugierig an und ich öffnete bereits meinen Mund, um ihr tatsächlich die Wahrheit zu sagen, ihr zu gestehen, dass es Gibbs gewesen war, der mir den Knutschfleck verpasst hatte, aber ich kam nicht dazu. Denn plötzlich stieß sie einen triumphierenden Schrei aus, sprang vom Tisch und einen Bruchteil einer Sekunde später kam ich erneut in den Genuss einer Umarmung. „Ich hatte ja keine Ahnung, Tony!" rief sie begeistert in mein linkes Ohr und drückte mich ganz fest. „Ach ja?" fragte ich vorsichtig, nicht sicher, worauf sie hinaus wollte. Hatte sie vielleicht etwas gemerkt?
„Du bist verliebt", fuhr sie genauso laut fort, ließ mich los und strahlte mich an. „Wieso bin ich nicht schon viel früher darauf gekommen? Ich schwöre dir, in den letzten Tagen hattest du ständig ein Funkeln in den Augen und warst öfters mit den Gedanken ganz wo anders. Und heute dieser Knutschfleck und obwohl du erst vor ein paar Stunden einen Mann erstochen hast, siehst du richtig glücklich aus. Ich fasse es nicht. Anthony DiNozzo ist tatsächlich verliebt." Mit offenem Mund starrte ich Abby an, ein wenig ungläubig darüber, dass mir so deutlich anzusehen war, dass es mich richtig erwischt hatte. Und ich wusste, es würde nichts bringen, wenn ich es jetzt abstreiten würde und so zuckte ich ein wenig hilflos mit den Schultern. „Ich bekenne mich für schuldig", sagte ich und grinste verlegen. „Das ist ja klasse!" rief Abby und klatschte begeistert in die Hände. „Wie heißt sie? Wo kommt sie her? Welche Haarfarbe hat sie? Habt ihr schon ein Datum für die Hochzeit? Was…?" Und schon wieder prasselten Fragen wie Hagelkörner auf mich ein, wobei ich nicht einmal richtig mitbekam, dass sie mich nach einer Hochzeit fragte. Jetzt war die junge Frau wieder in ihrem Element und schien gar nicht zu merken, dass ihr nicht mehr so richtig zuhörte.
Das Klingeln meines Handys erlöste mich schließlich nach ein paar Sekunden und ich zog es ganz schnell aus meiner Hosentasche und stellte verwundert fest, dass es McGee war. Der Forensikerin war das störende Geräusch ebenfalls nicht entgangen und hielt in ihrem Monolog inne.
„Was gibt es?" meldete ich mich, lehnte mich mit der Hüfte gegen einen Tisch und fuhr mir erleichtert durch meine Haare. „Wo steckst du?" kam mir Tims Stimme entgegen. „Bei Abby, das weißt du doch." „Ähm… ja. Also, Gibbs lässt fragen, wieso du so lange brauchst, ein Handy ins Labor hinunter zu bringen und lässt ausrichten, wenn du deinen Hintern nicht in zwei Minuten hier herauf verfrachtet hast, kannst du dir einen neuen Job suchen." Ich schloss die Augen und fragte mich unwillkürlich, ob Jethro wirklich sauer war, das ich so lange brauchte, oder ob er nur den Schein wahren wollte. „Bin schon unterwegs", erwiderte ich, klappte mein Telefon zu und verstaute es wieder in meiner Hosentasche. „Der Boss ruft", sagte ich zu Abby, wobei ich versuchte mir nicht anmerken zu lassen, dass ich froh war, ihrer Fragerei zu entkommen. Ich nahm den Beweismittelbeutel mit dem Handy und gab ihn ihr. Erst jetzt schien sie zu bemerken, dass ich ihr Arbeit gebracht hatte. „Das ist der Grund, weshalb in der Nacht jemand bei mir eingebrochen ist. Ich habe es heute Morgen in meiner Jackentasche gefunden. Kannst du herausfinden, was daran so wichtig ist?"
Abby betrachtete das kleine Gerät stirnrunzelnd – wieder ganz die Forensikerin. Aber ich wusste, sie würde nicht vergessen, dass ich verliebt war und mich bei der nächsten Gelegenheit erneut ausfragen. Bis es so weit war hoffte ich, dass der Fall vorbei war und Gibbs und ich uns nicht mehr versteckten.
„Wenn etwas auf dem Handy ist, werde ich es finden. Und jetzt zisch ab, Tony. Der Big Boss wartet nicht gerne." Ich konnte ihre Enttäuschung spüren, dass sie nun warten musste, bis sie mehr Informationen über meine „Freundin" erfuhr. In diesem Moment sah sie wie ein unschuldiges Schulmädchen aus, deshalb seufzte ich leise und meinte: „Blaue Augen, so tief wie ein See und weiche Lippen, die einen ins Paradies schicken." Meine Worte waren nicht gelogen, denn das traf alles auf Jethro zu. Abbys Miene hellte sich auf, was mich zum Lächeln brachte. „Bis später", verabschiedete ich mich, verließ ihre geheiligten Hallen und eilte zum Fahrstuhl. Ich hatte noch 53 Sekunden und es wäre doch gelacht, wenn ich das nicht schaffen würde.

51 Sekunden später, nachdem ich für meinen Geschmack viel zu lange auf den Fahrstuhl hatte warten müssen, verließ ich die kleine Kabine, eilte zu meinem Schreibtisch und ließ mich auf meinen Stuhl fallen. Ziva telefonierte noch immer und McGee hatte seinen Kopf in einer Akte vergraben. Bei diesem Wort setzte ich mich kerzengerade auf und starrte auf den hohen Stoß direkt vor mir, der, bevor ich in das Labor hinuntergefahren bin, noch nicht da gewesen war. Unwillkürlich entfuhr mir ein Stöhnen und ich sah zu Gibbs, der einen Becher Kaffee in der Hand hielt, genüsslich einen Schluck trank und mir ruhig entgegen blickte. Seine Miene war wie eh und je verschlossen und wüsste ich nicht, dass er noch vor 15 Minuten Ich liebe dich zu mir gesagt hatte – wenn auch lautlos – würde ich sofort glauben, dass sich zwischen uns nichts verändert hatte. Aber hinter der Maske des Chefermittlers steckte ein ganz anderer Mann und das wussten wir beide. Dennoch spielte ich das Spiel mit, obwohl es mir lieber wäre, er würde mich hier und jetzt vor allen küssen.
„Das ist nicht dein Ernst", sagte ich und kam in den Genuss eines funkelnden Blickes und einer erhobenen Augenbraue. „Was habe ich jetzt schon wieder angestellt, dass ich Akten abarbeiten muss?" „Gar nichts", antwortete er, nahm einen weiteren Schluck, stand auf und kam zu mir herüber. „Aber es ist ein Zeitvertreib, bis Abby herausgefunden hat, was es mit dem Handy auf sich hat. Außerdem hält es dich davon ab, eines deiner sinnlosen Computerspiele zu starten." „Und was ist mit dem anderen Fall?" „Den hat jetzt ein anderes Team übernommen. Ich habe mit Direktor Sheppard gesprochen und ihr gesagt, dass es sinnvoller ist, wenn wir uns ganz darauf konzentrieren, herauszufinden, wer bei dir eingebrochen ist." „Aber der andere Fall wäre sicher ein besserer Zeitvertreib als langweilige Akten", erwiderte ich und setzte bewusst meinen Dackelblick auf, da ich wusste, dass dieser ihn innerhalb von Sekunden weich wie Butter werden ließ. Jethro schluckte sichtlich und krallte seine Finger um den Kaffeebecher, der gefährlich zusammengedrückt wurde. Seine griesgrämige Miene begann zu bröckeln und ich musste mir ein Grinsen verkneifen. Allerdings ließ mich kurz darauf ein lautes Krachen zusammenzucken und ich wusste, dass meine Chance, mich vor den Akten zu drücken, dahin war.
Ich blickte zu Ziva, die den Telefonhörer mit Wucht auf die Station geknallt hatte und Verwünschungen gegen eine unsichtbare Person ausstieß. „So ein Idiot! Nur weil ich eine Frau bin, heißt das noch lange nicht, dass ich gleich mit ihm Essen gehe. Pah, da bittet man nett um ein Überwachungsband und er fragt mich gleich nach meiner Telefonnummer. Kaum zu fassen." „Ganz meiner Meinung", sagte ich grinsend, welches mir aber sofort gefror, als mir Gibbs einen mörderischen Blick zuwarf. „Tschuldigung, Boss", murmelte ich und schnappte mir eine der Akten. Gott, wie ich diese Dinger hasste.
„Was ist nun mit dem Überwachungsband?" fragte er, trank seinen Kaffee aus und warf ihn gezielt in den Mülleimer neben meinem Schreibtisch. „Das bekommen wir nicht", antwortete sie und bei ihren Worten zuckte ich zusammen. Das war gar nicht gut und das wütende Gesicht, das Jethro auf einmal hatte, ließ mich unbewusst mit dem Stuhl ein paar Zentimeter zurückrollen. „Was soll das heißen, wir bekommen es nicht?!" schrie er und veranlasste McGee dazu, sich noch weiter in seiner Akte zu vergraben. Ziva hingegen zeigte kein Anzeichen von Angst. „Es ist so, dass das Band weg ist. Die Filme werden auch nicht auf einer Festplatte gespeichert, sodass man beliebig viele Kopien machen könnte. Der Mitarbeiter vom Sicherheitsdienst hat gemeint, gestern sei jemand aufgetaucht und hätte nach dem Band gefragt. Aber da er gerade Pause hatte, hat er den Raum verlassen, ohne sich den Mann näher anzusehen. Ich habe ihn gefragt, ob ich mit seinem Kollegen sprechen könnte, der sich um den Besuch gekümmert hatte, aber der ist ab heute Morgen im Urlaub und zwar in Brasilien auf einem Abenteuerurlaub." „Abenteuerurlaub?" fragte Gibbs und an seiner Schläfe pochte gefährlich eine Ader. „Sag jetzt nicht, du weiß nicht, was ein Abenteuerurlaub ist, Boss?" wollte ich wissen und rollte sicherheitshalber noch weiter zurück, damit er mir keine Kopfnuss verpassen konnte. „Ich weiß was das ist, DiNozzo", erwiderte er schroff, atmete tief durch und fuhr etwas ruhiger fort: „Das heißt, wir können ihn nicht erreichen?" Ziva nickte und war sichtlich erleichtert, noch ihren Kopf zu haben. „Er ist in der Nacht abgeflogen und im brasilianischen Dschungel gibt es bekanntlich keinen Handyempfang."
„Ich stell mir das aufregend vor", sagte ich und stützte meinen Kopf auf meine Hände. „Kein Telefon, keine Verbrecher, sondern nur Mutter Natur und man muss selbst jagen, um etwas zu essen zu bekommen." „Und so etwas würde dir gefallen?" fragte Ziva und sah mich zweifelnd an. „Du weißt schon, dass du dort keine Burger mit Pommes, keine Pizza oder einen Schokoriegel bekommen kannst. Und auf deine Männermagazine musst du auch verzichten." „Und wenn ihr euch beide nicht sofort an die Arbeit macht, schicke ich euch persönlich auf einen Abenteuerurlaub", meinte Gibbs ärgerlich und ging zu seinem Platz. „Und zwar zum Nordpol", fügte er hinzu, nachdem er sich auf seinen Stuhl gesetzt hatte.
Ich wusste, dass er es durchaus Ernst meinte und so zog ich es vor, mich auf die Akte vor mir zu konzentrieren. Allerdings schaffte ich das gerade einmal für eine Minute, dann gab ich dem Drang nach und sah zu Jethro, der telefonierte, mir aber entgegenblickte, so als ob er gespürt hätte, dass ich meinen Kopf gehoben hatte. Ich verlor mich aufs Neue in seinen blauen Augen und wünschte, wir würden alleine sein und nicht in einem Großraumbüro, in dem es von Agents nur so wimmelte. Auf seinen Lippen lag ein kleines Lächeln, was eine angenehme Wärme in mir hervorrief und ich fuhr langsam mit meiner Zunge die Länge des Bleistiftes entlang, den ich in den Fingern hielt, wobei ich aber nicht an das Schreibwerkzeug dachte. Gibbs wusste genau, was ich damit signalisieren wollte und zog ein wenig am Kragen seines Poloshirts, so als ob er ihm die Luft abschnüren würde. Ich grinste, zuckte aber gleich darauf zusammen, als Ziva wütend auf ihren Computer einschlug, der wieder einmal nicht das tat was sie wollte. Ich riss meinen Blick von meinem Freund los, der anscheinend ganz vergessen hatte, dass er noch immer jemand am Telefon hatte und betrachtete erneut die Akte, sah aber nicht die Buchstaben vor mir, sondern Gibbs, der nackt auf einem Bett lag und auf mich wartete. Gedankenverloren begann ich ein Herz mitten auf den Bericht zu zeichnen und bekam somit nicht mit, wie mich Ziva stirnrunzelnd betrachtete und kurz darauf zwischen mir und Jethro hin und her blickte, so als ob sie spüren würde, dass da mehr war als bloße Freundschaft.

Fortsetzung folgt...
Chapter 24 by Michi
Es war kurz nach 10 Uhr, als Gibbs den Fahrstuhl verließ und mit wenigen Schritten die Pathologie betrat. Ducky hatte ihn vor ein paar Minuten angerufen und gemeint, er sei mit der Autopsie fertig. Nicht, dass es einen Zweifel an der Todesursache oder dem Zeitpunkt gab, aber er hatte so eine Ahnung, weshalb sein Freund wirklich mit ihm reden wollte. Und der Grund saß ein paar Stockwerke weiter oben an einem Schreibtisch, hatte gelangweilt seinen Kopf auf eine Hand gestützt und bearbeitete mehr als genervt die Akten vor seiner Nase. Jethro grinste, als er an Tony dachte und wie er ihn beinahe entsetzt angesehen hatte, als er von Abby zurückgekommen war und festgestellt hatte, dass er sich wieder einmal mit Schreibarbeit beschäftigen durfte. Der Ausdruck in den grünen Augen – die er so sehr liebte – hatte ihn mehr als amüsiert, auch wenn er dies hinter seiner üblichen Miene versteckt hatte. Und dann hatte sich Anthony wahrscheinlich eher unbewusst an ihm gerächt, als er seine Zunge betont aufreizend über den Bleistift hatte fahren lassen und ihm dabei sein breites DiNozzo Lächeln geschenkt hatte, was alleine schon gereicht hatte, dass ihm ganz heiß geworden war. Wenn da nicht die Sache mit dem Bleistift gewesen wäre, hätte er sich sicher innerhalb von einer Minute wieder abgekühlt, aber so hatte er für einen kurzen Moment doch tatsächlich gedacht, keine Luft mehr zu bekommen. Jethro wusste genau, woran Tony gedacht hatte, als er sich mit dem Schreibwerkzeug beschäftigt hatte und es war diese Tatsache gewesen, dass er vergessen hatte, dass er gerade telefonierte und die ihn für ganze 15 Minuten an den Schreibtisch gefesselt hatte, da man es ihm mehr als deutlich hätte ansehen können, dass er scharf gewesen war – noch schärfer, als nach dem leidenschaftlichen Kuss im Fahrstuhl. Er konnte es immer noch nicht ganz glauben, dass er plötzlich so auf DiNozzo reagierte, hatten sie doch jahrelang zusammengearbeitet ohne je auch nur daran zu denken, dass aus ihnen einmal etwas werden könnte. Jetzt war er einfach nur glücklich darüber, dass sie den Sprung ins kalte Wasser gewagt hatten.
Leise zischend öffneten sich die Türen der Pathologie und ließen ihn in den großen Raum eintreten, in dem es, im Gegensatz zum Großraumbüro, ziemlich ruhig war – sah man von Ducky ab, der sich über den Toten gebeugt hatte, ihm direkt ins Gesicht blickte und sagte: „Tja, mein Lieber, als du bei Anthony eingebrochen bist, hast du wohl nicht damit gerechnet, bei mir zu landen. Du siehst, man sollte sich nicht mit einem Bundesagenten anlegen. Schon gar nicht, wenn ein Zweiter im Haus ist. Das erinnert mich an eine Geschichte aus meiner Studienzeit. Damals war ich noch in Edinburgh und habe gerade das fünfte Semester meines Medizinstudium begonnen, als…" „Als du dich entschieden hast, lieber Pathologe als Arzt zu werden?" unterbrach ihn Gibbs und stellte sich gegenüber von Ducky an den Tisch. „Nein, Jethro, das habe ich erst viel später entschieden und zwar nachdem ich…" Als er die erhobene Braue seines Freundes sah, beschloss er, nicht weiter zu erzählen, da es wieder einmal offensichtlich war, dass sein Freund nicht die Geduld für eine seiner langen Geschichten hatte. Aber wofür gab es Tote, die ihm immer zuhörten und die ihn nicht unterbrechen konnten?
„Also, was gibt es?" wollte der Chefermittler wissen und betrachtete stirnrunzelnd die Leiche vor ihm. Mittlerweile hatte dessen Haut eine unnatürliche Blässe angenommen, die seine grobschlächtigen Wangenknochen noch besser zur Geltung brachte. Da er vollkommen nackt war, konnte man wunderbar die gut entwickelten Muskeln bewundern, die ihn selbst im Tod noch gefährlich wirken ließen. Tony konnte von Glück reden, dass er mit einer blutigen Nase und einer Prellung derart glimpflich davon gekommen war - wenn es darauf ankam, konnte er sich hervorragend selbst helfen. Er war nicht umsonst sein bester Agent. ‚Und dein fester Freund', fügte er in Gedanken hinzu und unterdrückte ein Lächeln.
„Es gibt nicht viel", meinte Ducky, der Gibbs genau beobachtet hatte und dem nicht entgangen war, dass er gerade versuchte, ein Grinsen zu unterdrücken. Es war ungewohnt, ihn derart gut gelaunt zu sehen, ungeachtet dessen, dass Tony in der Nacht jemanden getötet hatte. Er musste zugeben, dass Jethro die Liebe äußerst gut stand und egal wie sehr er sich auch bemühte, er konnte es nicht ganz verbergen. Dafür leuchteten seine Augen viel zu sehr und seine Körperhaltung war entspannter als sonst.
Der Pathologe räusperte sich und fuhr fort: „Der Todeszeitpunkt dürfte dir ja besser bekannt sein als mir. Das Einzige, worüber ich mir nicht ganz sicher war, war die Todesursache. Aber da ich unseren Unbekannten aufgeschnitten habe, habe ich jetzt auch darüber Klarheit. Das Messer hat die Lunge gestreift und ist dann in sein Herz eingedrungen. Der Mann ist innerhalb von Sekunden gestorben." „Glück für ihn, sonst hätte ich ihn mir vorgenommen", sagte Gibbs und ballte seine Hände zu Fäusten. Er hatte es noch nie leiden können, wenn sich jemand an einen seiner Agents vergriff. Kate war die Einzige gewesen, die unter seiner Führung gestorben war und der Teufel sollte ihn holen, wenn er zulassen würde, dass Tony dasselbe Schicksal ereilen sollte, nur weil ihm jemand ein brisantes Handy zugesteckt hatte.
Ducky lächelte wissend, zog die Latexhandschuhe aus und warf sie in einen Mülleimer. „Wie geht es Anthony?" fragte er und lehnte sich gegen den einzigen Schreibtisch, der sich in diesem Raum befand. „Ihm geht es bestens", antwortete Jethro und blickte zu seinem Freund, der ihn neugierig ansah. „Er scheint die Sache sehr gut zu verarbeiten. Jedenfalls ist er schon wieder frech wie eh und je und streitet sich bei jeder sich bietenden Gelegenheit mit Ziva." Der Pathologe lächelte noch breiter. Er hatte schon immer gewusst, dass Tony stark war und diesen Vorfall ohne weiteres verarbeiten würde. Dass es so schnell gegangen war, lag wohl größtenteils an Gibbs, der seinen Freund in dieser Nacht sicher nicht mehr alleine gelassen hatte. Es war ungewohnt aber dennoch schön mit anzusehen, wie er auf einmal so fürsorglich war. „Und wie geht es dir?" wollte Ducky wissen, wobei sein Gegenüber überrascht seine Augenbrauen hob. „Mir?" „Ja. Dir scheint die Sache mehr zu schaffen zu machen als Anthony." Jethro seufzte leise, fuhr sich mit einer Hand durch seine Haare und lehnte sich neben seinem Freund an den Schreibtisch. Irgendwie verspürte er gerade das Bedürfnis, sich irgendwo festzuhalten. „Das liegt wohl daran, dass ihm jemand nach dem Leben trachtet und nicht zu wissen, wer dahinter steckt, macht mich fast wahnsinnig. Ich hatte heute Nacht die Angst ihn zu verlieren. Als ich Tony so blutverschmiert in der Küche gefunden habe, hatte ich zuerst gedacht er wäre es, der schlimm verletzt ist. Ich hätte es nicht ertragen, ihn so bald zu verlieren, jetzt wo wir endlich…" Er brach ab, als ihm bewusst wurde, dass er, ohne lange darüber nachzudenken, über seine Gefühle redete, was er sonst nie tat. Aber er musste zugeben, dass es sich gut anfühlte, mit jemandem darüber zu sprechen. „Ich hasse es, wenn ich nichts tun kann, außer abzuwarten, was als nächstes passiert." Ducky legte ihm beruhigend eine Hand auf den linken Unterarm und drückte aufmunternd zu. „Es ist normal, dass du Angst um Tony hast, immerhin liebst du ihn. Da ist es mehr als verständlich, dass du es nicht abwarten kannst, herauszufinden, wer hinter allem steckt."
Jethro sah seinem Freund in die gütigen Augen und nickte. „Die Liebe bringt schon komische Seiten in mir zum Vorschein. Ich habe noch nie das Bedürfnis verspürt, jemanden alles von mir zu geben, um ihn damit glücklich zu machen und ich muss aufpassen, um nicht einfach die Maske fallen zu lassen und Tony vor allen anderen zu küssen. Und ich fühle mich sogar ein wenig schuldig, wenn ich ihm eine Kopfnuss verpasse, auch wenn er es verdient hat." Gibbs schüttelte ein wenig den Kopf, unfähig zu glauben, dass er gerade sein Herz ausschüttete. „Nun, mit der Kopfnuss kann ich dir keine Lösung verraten, außer sie nicht mehr auszuteilen. Aber wir beide wissen, dass du das nicht tun wirst. Was die andere Sache angeht. Ihr könntet es den anderen einfach sagen, dass ihr zusammen seid. Dann brauchst du auch nicht mehr darauf zu achten, ob du ihm liebevolle Blicke zuwirfst oder ihn berührst. Es wäre sicher für euch beide eine Erleichterung." „Ich weiß, Duck. Aber ich will, dass sich alle auf den Fall konzentrieren und nicht auf Tony und mich. Die paar Tage werden wir es schon irgendwie schaffen." ‚Und wofür gibt es einen Fahrstuhl, den man anhalten kann, wenn die Sehnsucht nach Berührungen zu groß wird?' fügte er in Gedanken hinzu und lächelte leicht. Vielleicht sollte er nachher wirklich mit seinem Freund im Aufzug verschwinden und dort zu Ende bringen, was sie heute Morgen angefangen hatten. Zugegeben, der Vorschlag hatte ihn ein wenig überrascht und der Ort war für ihn mehr als ungewöhnlich, aber er musste zugeben, es hatte einen gewissen Reiz. Er sah bereits vor sich, wie er Tony…
„Jethro?" fragte Ducky, dem nicht entgangen war, dass der andere mit seinen Gedanken ganz wo anders war und nach dem Lächeln auf seinen Lippen konnte er sich bereits vorstellen, an wen er dachte. Gibbs musste ein paar Mal blinzeln, um das mehr als verführerische Bild aus seinem Gehirn zu vertreiben und sah zu dem Pathologen. „Alles in Ordnung?" „Mir geht es bestens", erwiderte der Chefermittler. „Ich war nur gerade ein wenig abwesend." „Ja, das habe ich gemerkt. Bevor ich es vergesse, ich habe Mister Palmer vorher mit Fingerabdrücken unseres Unbekannten zu Abby geschickt. Danach habe ich ihn für ein paar Stunden nach Hause geschickt. Immerhin sind wir ja seid halb ein Uhr auf den Beinen. Hast du überhaupt heute Nacht noch geschlafen?" „Nein, habe ich nicht. Ich habe kein Auge zubekommen." „Und Anthony?" „Tony hat ganze Wälder abgesägt." Ducky lächelte bei diesen Worten, wurde kurz darauf aber wieder ernst. „Vielleicht solltest du dich auch ein wenig ausruhen. Du siehst erschöpft aus." „Ich habe keine Zeit zum Schlafen. Aber ich werde mir nachher einen Kaffee besorgen. Der wird mich schon wieder aufwecken." „Zu viel Koffein ist aber schädlich. Noch dazu in so einer großen Menge wie du sie konsumierst." „Ist das jetzt ein Ratschlag, dass ich nicht so viel Kaffee trinken soll?" fragte Jethro und stieß sich vom Schreibtisch ab. Es war an der Zeit, zu Abby zu fahren. Vielleicht hatte sie schon mehr über das Handy herausfinden können. „Du kannst es auffassen, wie du möchtest", erwiderte Ducky und beobachtete Gibbs, wie er sich der gläsernen Tür zuwandte, sich aber noch einmal umdrehte. „Findest du es nicht auch ein wenig komisch, dass aus Tony und mir so plötzlich ein Paar geworden ist?" stellte er die Frage, über die er schon seit längerem nachdachte. Der Pathologe schüttelte den Kopf. „Nein, nicht wirklich. Es war doch nur eine Frage der Zeit, bis ihr zueinander gefunden hättet." Überrascht hob Gibbs eine Augenbraue. „Was soll das heißen?" „Das soll heißen, dass es für mich nicht verwunderlich ist. Ihr beide hattet schon immer eine enge Beziehung zueinander und ich denke, früher oder später wärt ihr darauf gekommen, dass da mehr als Freundschaft ist. Wahrscheinlich hättet ihr noch Monate wenn nicht Jahre gebraucht, aber der Undercovereinsatz hat das Ganze beschleunigt. Habt ihr damals wirklich nur miteinander geschlafen, weil ihr wegen dem Kuss in dem Club so durcheinander wart? Oder war da nicht bereits mehr zwischen euch, ohne dass ihr es selbst gewusst habt und der Kuss hat es nur ans Tageslicht befördert?" „Eine berechtigte Frage", erwiderte Gibbs und runzelte die Stirn. Wenn er es sich recht überlegte, hatte er darüber noch gar nicht nachgedacht. Wäre er mit Tony auch im Bett gelandet, wenn er sich nicht sicher gewesen wäre, dass da mehr als Freundschaft gewesen wäre? Wahrscheinlich nicht. „Du meinst also, wir wären auch ohne den Undercovereinsatz zusammengekommen?" Ducky nickte. „Früher oder später. Wie ich zu Anthony vor über drei Wochen im Krankenhaus bereits gesagt habe: ihr beide seid nicht für Frauen bestimmt, sonst wärst du nicht drei Mal geschieden und Tony hätte nicht zahlreiche Affären gehabt. Ihr habt nur einen Schubs in die richtige Richtung gebraucht." „Ich bin froh, dass es eher früher als später geschehen ist", erwiderte Jethro, noch immer erstaunt über die Worte seines Freundes. Aber er wusste, er hatte Recht, jede einzelne Silbe entsprach der Wahrheit. „Danke, Duck." Damit drehte er sich wieder um und verließ die Pathologie, um zu Abby zu fahren.
„Keine Ursache", meinte der Ältere und wandte sich an den Toten, beugte sich über ihn und sagte: „Ja ja, wo die Liebe hinfällt."

Nicht einmal eine halbe Minute später öffneten sich die Fahrstuhltüren erneut und Gibbs verließ die kleine Kabine, um kurz darauf die Forensik zu betreten, in der wieder einmal laute Musik spielte. Aber diesmal nahm er das gar nicht so wahr, da er mit seinen Gedanken noch bei dem Gespräch mit Ducky war. Er hatte sich in den letzten Wochen ein paar Mal gefragt, wieso er es in dem Hotel mit Tony so weit hatte kommen lassen, dass sie im Bett gelandet waren. Immer wieder hatte er es auf den Kuss, den Streit und den Alkohol geschoben, aber innerlich hatte er geahnt, dass das nicht der Wahrheit entsprach. Aber er hätte es nie für möglich gehalten, dass er bereits damals unbewusst Gefühle für Tony gehabt hatte, aber jetzt, wo es Ducky erwähnt hatte, ergab alles einen Sinn. Und vielleicht war das auch der Grund gewesen, weshalb er sich auf den ganzen Einsatz überhaupt eingelassen und nicht stärker protestiert hatte, als Jenny ihm richtiggehend befohlen hatte, undercover zu gehen.
„Erde an Gibbs." Abbys Stimme und ihre Hand, die vor seinen Augen herumwedelte, rissen ihn aus seinen Gedanken und erst jetzt bemerkte er, dass er automatisch und ohne zu überlegen das Labor durchquert und die Musikanlage ausgeschaltet hatte. Er war so in seinen Überlegungen vertieft gewesen, dass er nicht einmal mitbekommen hatte, dass er noch immer neben der Anlage stand, anstatt bei der jungen Forensikerin, um sich ihre Ergebnisse anzuhören – wenn sie überhaupt schon welche hatte.
Jethro sah zu der Goth, die ihn erwartungsvoll ansah und dabei grinste, so als ob sie wüsste, dass seine Gedanken bei Tony gewesen waren. Um ihr nicht noch eine Gelegenheit zu geben, weiter zu spekulieren, weshalb er nicht geistig anwesend gewesen war, drehte er sich um und ging in den anderen Raum zurück, wohin ihn Abby sofort folgte. Diese stellte sich vor ihm hin und musterte ihren silberhaarigen Fuchs vom Kopf bis zu den Füßen. Irgendwie wirkte er ein wenig anders als sonst, nicht so grummelig und schlecht gelaunt. Vorher war er regelrecht an ihr vorbeigelaufen, hatte kein Wort gesagt, hatte einfach die Anlage ausgeschaltet und war mit einem Lächeln im Gesicht am Fleck stehen geblieben. Sie hatte zwei Mal seinen Namen gesagt und sich bereits überlegt, ihm einen kräftigen Faustschlag auf den Oberarm zu verpassen, hatte sich aber darauf beschränkt, mir ihren Händen vor seinen Augen herumzuwedeln, was schlussendlich auch funktioniert hatte. Sie hatte ihn noch nie so erlebt. Normalerweise war er immer im Hier und Jetzt und nicht in seinen Gedanken versunken, so wie Tony es öfters machte. Was war heute nur los? Abby konnte sich nicht vorstellen, dass es lediglich daran lag, dass der junge Agent in der Nacht jemanden erstochen hatte. Nach dem ungewohnt glücklichen Gesichtsausdruck – der jetzt wieder verschwunden war – war Gibbs nicht bei dem Fall gewesen, sondern ganz wo anders. Sie legte ihren Kopf leicht schief und betrachtete ihn noch einmal von oben bis unten, bis sie ihm direkt in die blauen Augen sah und da wusste sie, was mit ihm los war und ihr klappte vor Verblüffung der Mund auf.
„Hast du schon herausgefunden, was auf dem Handy drauf ist?" fragte Jethro und hob gleich darauf irritiert eine Augenbraue. Wieso starrte ihn die junge Frau so komisch an? Noch dazu mit offenem Mund? „Abbs?" Amüsiert beobachtete er, wie sie ein paar Mal blinzelte und ihren Unterkiefer wieder an seinen ursprünglichen Platz brachte. „Kaum zu glauben", sagte sie und schien gar nicht bemerkt zu haben, dass er sich über das Handy erkundigt hatte. „Zuerst Tony und jetzt auch noch du. Wow." Sie schüttelte ihren Kopf so heftig, dass ihre Rattenschwänze hin und her flogen und ihm alleine beim Zusehen leicht schwindelig wurde. Anstatt verärgert zu sein, dass er nicht die gewünschte Antwort bekam, runzelte er nur leicht die Stirn. Wie sollte er nur aus Abby schlau werden? Wie hatte es McGee einmal ausgedrückt? Ihr Verstand funktionierte wie ein Flipperautomat und jetzt wusste er genau, was Tim damit gemeint hatte.
Obwohl die Sache mit dem Handy mehr als wichtig war, wollte er doch zuerst wissen, was in ihr vorging und sie mit ihrer vorherigen Aussage ausdrücken hatte wollen. „Was soll das heißen, zuerst Tony und jetzt ich?" fragte er deshalb, weswegen Abby in ihrer Bewegung inne hielt und ihre dunkel geschminkten Lippen zu einem breiten Grinsen verzog. „Das soll heißen", begann sie langsam, hüpfte aufgeregt zu ihrem Schreibtisch, wo ein Becher CafPow stand, und trank einen Schluck, um die Spannung zu erhöhen. Aber als sie die leicht pochende Ader an Jethros Schläfe bemerkte, hielt sie es für ratsam, schnell weiterzureden. Ganz hibbelig stellte sie das große Behältnis wieder ab und wandte sich ihrem Boss zu, der noch immer auf eine Antwort wartete. Sie überlegte kurz und entschied, noch einmal von vorne anzufangen. „Tony ist verliebt", platzte es aus ihr heraus. „Kaum zu glauben, dass du das gar nicht weißt. Sonst erzählt er das ja gleich in aller Öffentlichkeit herum, wenn er eine neue Freundin hat. Ich schwöre dir, seine Augen strahlen mit so einer Intensität, die ich noch nie bei ihm gesehen habe und er hatte ein Dauerlächeln im Gesicht." Verträumt sah ihn Abby an und er musste sich ein Grinsen verkneifen. Sie hatte also gemerkt, dass Anthony verliebt war, was ihn nicht sonderlich verwunderte. Immerhin entging der jungen Frau so gut wie nichts und jetzt wusste er auch, weshalb sein Freund so lange im Labor gewesen war. Er hatte anscheinend eine ganze Fragerunde hinter sich, hatte es aber super gemeistert und nichts verraten, so wie er es ihm versprochen hatte. Und entgegen Abbys Ansicht wusste er nur zu genau, wie es um Tonys Gefühlswelt bestellt war, immerhin war er ja der Grund dafür. Aber gleich darauf schluckte er heftig, als ihm klar wurde, was das bedeutete. Wenn die Forensikerin es seinem Partner angesehen und sie gemeint hatte, er auch noch, dann war seine aufgesetzte griesgrämige Miene durchschaubar. Und ihm war klar, dass sie jetzt auch bei ihm unnachgiebig nachbohren würde und dass musste er unbedingt verhindern.
„Könnten wir jetzt wieder auf…", begann er, wurde aber sofort unterbrochen und die Hoffnung, sie abzulenken war dahin. Wenn sie einmal eine Fährte gewittert hatte, ließ sie so leicht nicht locker. „Gib es zu, mein silberhaariger Fuchs. Du bist ebenfalls verliebt. Ich schwöre dir, du hast dasselbe Leuchten in den Augen wie Tony und du bist nicht so brummig wie sonst. Sie muss ja eine Wucht sein, wenn sie es schafft, deine schlechte Laune zu dämpfen." Neugierig sah ihn Abby an und hüpfte wie ein Gummiball leicht auf und ab, wobei ihre Rattenschwänze lustig wippten. Sollte er wirklich zugeben, dass es ihn erwischt hatte oder lieber schweigen? Wieso musste man ihm auch anmerken, dass er verliebt war? Sonst hatte er auch keine Probleme seine Gefühle zu verstecken. Also, weshalb gerade jetzt? Vielleicht sollte er es einfach zugeben und damit die junge Frau zufrieden stellen, damit sie sich wieder auf den Fall konzentrieren konnten und nicht auf sein Privatleben.
Deshalb zuckte er mit den Schultern und nickte anschließend, anstatt es mit Worten auszudrücken. Abbys Gesicht hellte sich auf und sie fiel ihm stürmisch um den Hals. „Das ist ja klasse!" rief sie und drückte ihm beinahe die Luft ab. „Ich fasse es nicht. Es ist schon ungewöhnlich, dass sich Tony so richtig verknallt, aber du? Das ist wie das achte Weltwunder. Und noch dazu zum gleichen Zeitpunkt. Das nenne ich einen Zufall." Sie ließ ihn los und strahlte ihn an. „Ist sie wieder rothaarig?" fragte sie begierig und nahm ihm dadurch die Zuversicht, dass sie sich wieder auf das Handy konzentrierte. „Wie sieht sie aus? Ist sie nett? Ich will alles wissen. Tony hat nicht viel von seiner neuen Freundin erzählt, aber sie muss eine Wucht sein. Immerhin hat er ja einen Knutschfleck am Hals und… wie war das noch mal?" Sie hielt inne, tippte sich mit ihrem Zeigefinger an die Lippen und überlegte. Gibbs hingegen fing zu lächeln an, als Abbys Worte vollständig an sein Gehirn gedrungen waren. Er hatte gar nicht gemerkt, dass er an seinem Freund ein Zeichen ihrer leidenschaftlichen Nacht hinterlassen hatte. Aber so hatte er wenigstens markiert, dass Anthony ihm gehörte, auch wenn die junge Frau annahm, es wäre eine sie, mit dem er im Bett gewesen war. Wie würde sie wohl reagieren, wenn sie wüsste, dass er es gewesen war, der für den Knutschfleck verantwortlich war?
„Ah, jetzt fällt es mir wieder ein", unterbrach Abby Jethros Gedankengänge und lächelte erfreut. „Blaue Augen, so tief wie ein See und weiche Lippen, die einen ins Paradies schicken. So hat er sie beschrieben." Gibbs hob überrascht seine Augenbrauen. „Das hat Tony gesagt?" fragte er verblüfft und die junge Goth nickte heftig. „Ich schwöre dir, Gibbsman, das waren seine Worte. Er wird auf seine Tage noch richtig poetisch." Dem Chefermittler wurde ganz warm ums Herz und unbewusst fuhr er sich mit einem Finger über seine Lippen. Waren sie wirklich so weich, wie Tony behauptet hatte? Er konnte es nicht glauben, dass er ihn so beschrieben hatte, aber es gefiel ihm. Noch dazu hatte er sich mit seiner Wortwahl geschickt aus der Affäre gezogen. Vielleicht sollte er ihn nachher dafür belohnen. Im Fahrstuhl gab es schließlich niemanden, der sie beobachteten konnte. Ein heißer Schauer der Erregung jagte durch seinen Körper und mit Mühe riss er sich von der Vorstellung, seinen Freund in der kleinen Kabine zu verführen, los und konzentrierte sich auf das Hier und Jetzt.
„Und, wie sieht deiner neue Flamme aus?" bohrte Abby nach, die anscheinend nicht mitbekommen hatte, was ihre bzw. Tonys Worte in ihm ausgelöst hatten. Sie wartete förmlich auf einen Anhaltspunkt und wenn es Anthony geschafft hatte, sich aus der Affäre zu ziehen, dann konnte er es erst recht. „Keine roten Haare", sagte er deshalb, in der Hoffnung, sie würde dann endlich Ruhe geben. „Sondern kurze braune und grüne Augen. Und können wir uns jetzt endlich dem Handy zuwenden? Herauszufinden, wer Tony umbringen will und weshalb, ist für mich jetzt wichtiger als mein Privatleben."
Enttäuscht verzog Abby ihr Gesicht, nickte aber schließlich. Sie wusste, sie hatte ihren Spaß gehabt und Gibbs war erstaunlich geduldig gewesen, aber jetzt war es offensichtlich, dass er nicht weiter auf ihre Versuche, ihm etwas zu entlocken, eingehen würde. Aber immerhin hatte sie ja etwas erfahren, womit sie arbeiten konnte.
Sie drehte sich um und ging zu ihrem Computer. „Wirklich gute Wahl, Gibbsman. Ich bin stolz auf dich, dass du es diesmal nicht mit einer Rothaarigen versuchst. Mit denen scheinst du kein Glück zu haben. Braun ist eine viel bessere Farbe", konnte sie sich nicht verkneifen zu sagen, wodurch sie ihm ein Lächeln entlockte, was sie aber nicht sah, da sie mit dem Rücken zu ihm stand und etwas in ihre Tastatur eintippte. Ja, braune Haare waren viel besser als rote. Noch dazu wenn sie verwuschelt waren und in alle Richtungen abstanden.
„Ich habe tatsächlich etwas auf dem Handy gefunden", fuhr Abby fort, während sie unermüdlich weiter tippte. „Es ist ein Video, was aber…" Weiter kam sie allerdings nicht, da sie ein lautes Piepsen ihres Computers unterbrach. Gleich darauf erschien das Bild des Mannes, der unten bei Ducky in der Pathologie lag und der bei Tony eingebrochen war. „Ha!" rief Abby laut und streckte ihre Hände in die Lüfte. „Wusste ich doch, dass ich dich irgendwo finden würde. Meinem Instinkt kann ich eben vertrauen. Oh oh", fügte sie jedoch eine Sekunde später hinzu, als sie ein Zeile las, die ihr, oder besser gesagt, Gibbs nicht gefallen wird.
„Was ist?" fragte dieser sofort und stellte sich neben die Forensikerin. „Die gute Nachricht ist, dass die Fingerabdrücke des Toten gespeichert gewesen sind und wir somit jetzt einen Namen haben. Die schlechte Nachricht ist…" Aber Abby brauchte nicht weiterzureden. Jethro hatte es bereits entdeckt und ihm war sofort klar, dass er seine Pläne, sich nachher mit Tony im Fahrstuhl zu amüsieren, wohl verschieben musste.

Fortsetzung folgt...
Chapter 25 by Michi
Ich saß mehr als gelangweilt an meinem Schreibtisch, den Kopf auf meine linke Hand gestützt, spielte mit dem Bleistift und unterdrückte ein Gähnen, während ich den Bericht vor mir las. Hin und wieder sah ich auf den Computerbildschirm und beobachtete, wie die Minuten langsam verstrichen. Müdigkeit begann sich in meinem Körper auszubreiten und am liebsten hätte ich die Augen geschlossen. Die zwei Stunden, die ich auf meinem Sofa geschlafen hatte, hatten definitiv nicht ausgereicht, um mich zu erholen und das hatte nicht einmal der Kaffee geändert, den Gibbs mir zubereitet hatte. Vielleicht sollte ich ihn fragen, ob er mir einen mitnahm, wenn er sich wieder sein Lieblingsgetränk kaufte. Er würde heute sicher mindestens einmal das Hauptquartier verlassen, um sich sein geliebtes Koffein zu besorgen. Hmmm… eventuell würde er mir sogar etwas zu Essen mitnehmen. Mein Magen meldete sich trotz des Schokoriegels, den ich verschlugen hatte, wieder zu Wort und verlangte nach Nahrung. Ein großer Hamburger wäre jetzt nicht schlecht, dazu eine große Portion Pommes und als Nachschlag einen Donut mit Zuckerguss. Unbewusst fuhr ich mir mit meiner Zunge über die Lippen und mein Magen fing laut zu knurren an.
„Hunger, Tony?" drang Zivas Stimme an meine Ohren und ließ mich aufsehen. Sie hatte sich vorgebeugt und fixierte mich mit ihren braunen Augen. Ein Grinsen, das mir gar nicht gefiel, umspielte ihren Mund. „Ist wohl schwer zu überhören", erwiderte ich und unterdrückte ein weiteres Gähnen. Vielleicht sollte ich mir ein leeres Büro suchen und mich für eine Stunde hinlegen, oder auch für zwei und vielleicht würde mir Gibbs ja Gesellschaft leisten. Ich spürte förmlich, wie meine Gedanken zu meinem Freund abschweiften, der noch immer nicht von Ducky zurück war, der sicher wieder eine seiner langen Geschichten erzählte.
„Dann musst du dir eben etwas zu Essen besorgen", meinte meine Kollegin und beugte sich noch weiter vor, sodass sie mit ihrem Oberkörper fast auf dem Tisch lag. „Und wenn du schon dabei bist, kannst du mir etwas mitnehmen." Ich seufzte leise und schüttelte den Kopf. „Gibbs würde es gar nicht gut heißen, wenn ich das Gebäude verlassen würde. Schon vergessen? Hinter mir sind Gangster her." Sie tat diese Tatsache mit einem Wink ihrer Hand ab, hatte aber noch breiter zu grinsen angefangen, als ich den Namen unseres Bosses erwähnt hatte. Langsam stand sie auf, umrundete ihren Schreibtisch und blieb dicht vor mir stehen, um sich gleich darauf zu mir herunterzubeugen. Ihr Atem strich warm über meine Haut. Früher hätte ich das sicher mehr als reizvoll empfunden, aber die Zeit, wo ich praktisch hinter jeder Frau hergewesen war, war vorbei.
„Was läuft da eigentlich zwischen dir und Gibbs?" wollte sie wissen und sah mich neugierig an. Mit allem hatte ich gerechnet, nur nicht mit dieser Frage. Mein Kopf, der noch immer auf meiner Hand gebettet gewesen war, schoss in die Höhe, der Bleistift entglitt meinen Fingern, rollte über die Tischplatte und fiel mit einem leisen Geräusch zu Boden. Blitzschnell bückte ich mich, um ihn aufzuheben und als ich wieder aufrecht auf meinem Stuhl saß, hatte ich mich so weit gefasst, dass ich es schaffte, eine unbewegte Miene aufzusetzen. Äußerlich wirkte ich ruhig, aber in meinem Inneren herrschte ein Aufruhr. Mein Herz hämmerte laut in meiner Brust und in meinem Gehirn wirbelten die Worte nur so durcheinander, in dem Bestreben, eine brauchbare Ausrede zu finden.
Ziva hatte anscheinend gemerkt, dass zwischen mir und Jethro mehr war als nur Freundschaft. Dabei hatte ich gedacht, Abby wäre die Einzige, der aufgefallen war, dass ich verliebt war. Es war relativ einfach gewesen, die Forensikerin mit wenigen Worten zufrieden zu stellen, aber bei meiner Kollegin war das anders.
„Wie kommst du darauf, dass zwischen mir und Gibbs etwas läuft?" fragte ich mit möglichst sorgloser Stimme und schenkte ihr ein breites Lächeln. „Falls du es vergessen hast, er ist ein Mann." ‚Und was für einer', fügte ich in Gedanken hinzu, konzentrierte mich aber gleich darauf wieder auf Ziva, die ihr Gesicht ganz nahe an meines brachte und mich mit einer hochgezogenen Augenbraue ansah. „Und du bist ebenfalls ein Mann, Tony", erwiderte sie und hatte schon wieder dieses hinterhältige Grinsen im Gesicht. „Und normalerweise siehst du jeder attraktiven Frau hinterher, die dir begegnet, selbst an den grausigsten Tatorten. Aber soll ich dir etwas verraten? Du hast seit ein paar Wochen überhaupt kein Interesse mehr am weiblichen Geschlecht gezeigt, hast nicht mit deinen neuesten Eroberungen geprahlt. Das bringt einen zum Denken." Sie machte eine kurze Pause und wartete meine Reaktion ab, aber ich blieb nach außen hin weiter ruhig, obwohl es mir mehr als schwer fiel.
„Nur weil ich in letzter Zeit keinen Frauen mehr hinterher gesehen habe, nimmst du gleich an, zwischen mir und Gibbs läuft etwas?" fragte ich und legte in meine Stimme einen spöttischen Unterton, der mir selbst einen schmerzhaften Stich versetzte. Wie ich es hasste, es zu leugnen, dass ich mit Jethro zusammen war. „Ich bitte dich, Ziva. Das ist doch Schwachsinn." Die Worte kamen nur schwer über meine Lippen und am liebsten hätte ich mir dafür gleich ein dutzend Kopfnüsse verpasst. Ich schnappte mir eine neue Akte und schlug sie auf, in der Hoffnung, sie würde den Wink verstehen und mich in Ruhe lassen, aber falsch gedacht.
„Schwachsinn also?" meinte sie, nahm mir blitzschnell den Bleistift weg und wedelte damit vor meinen Augen herum. „Und wieso hast du dann den hier mit deiner Zunge abgeschleckt und dabei Gibbs angesehen, dem diese Geste anscheinend die Luft abgeschnürt hat? Ich habe es genau gesehen, Tony. Normalerweise hätte er dir dafür gleich mehrere Kopfnüsse verpasst oder dich gefeuert, anstatt wie gebannt deine Zunge anzustarren. Und dann das Poloshirt, das er heute trägt. Ich hätte schwören können, dass es dasjenige ist, welches ich in der Nacht hinter deinem Fernseher gefunden habe. Und dann eure Blickkontakte, die länger dauern, als es angemessen wäre. Das Alles hat mir ein wenig zu denken gegeben und du musst zugeben, dass es ziemlich danach aussieht, als ob ihr beide…"
Ihre leise gesprochenen Worte wurden vom Klingeln meines Handys unterbrochen und ich atmete erleichtert auf. Ich wusste nicht, wie ich darauf reagiert hätte, wenn sie gesagt hätte, was ihr so offensichtlich erschien. Denn ich konnte mir nicht vorstellen, dass ich es abgestritten hätte. Wahrscheinlich hätte ich einfach geschwiegen und ihr damit die Bestätigung geliefert, dass sie mit ihrer Vermutung richtig lag, was vielleicht das Beste wäre. Denn ich wusste, sie würde bei der nächsten Gelegenheit wieder davon anfangen.
Ich riss mich von ihren braunen Augen los, die mich weiterhin musterten und nahm mein Handy, das ich aufklappte. Mein Herz machte einen Hüpfer, als Gibbs' Name auf dem Display erschien. Ziva richtete sich auf, warf den Bleistift auf meinen Schreibtisch zurück und ging wieder zu ihrem Platz, wo sie sich auf ihren Stuhl fallen ließ. Ihr Gesichtsausdruck sprach Bände und ich wusste, sie würde nicht vergessen, worüber wir gerade gesprochen hatten.
„Was gibt es?" meldete ich mich und versuchte nicht allzu freudig zu klingen. „Abby hat etwas herausgefunden", erwiderte Gibbs knapp. „Kommt runter." „Sind schon unterwegs." Aber die Worte hörte er wahrscheinlich nicht mehr, da er bereits aufgelegt hatte, wie immer ohne sich zu verabschieden. Ich klappte das Handy zu und stand auf. „Wir sollen zu Abby runter kommen", sagte ich laut, damit es meine beiden Kollegen verstehen konnten, die auch prompt aufsprangen und mir zum Fahrstuhl folgten. Für den Anfang war ich jetzt vor Zivas bohrenden Fragen sicher und sobald ich mit Gibbs eine Minute alleine wäre, würde ich ihm sagen, dass sie Lunte gerochen hatte. Vielleicht sah er dann ein, dass es sinnlos war, es den anderen weiter zu verschweigen, dass wir zusammen waren. Es war besser, mit offenen Karten zu spielen.

Nicht einmal eine Minute später glitten die Türen des Fahrstuhles auf und ungewöhnliche Stille empfing uns. Normalerweise bekam man bereits auf dem Gang einen Ohrenschaden von der lauten Musik, die Abby hörte, aber diesmal war es ruhig, was wohl an Gibbs lag, der im Labor stand und auf den großen Plasmabildschirm starrte, auf dem der Mann zu sehen war, den ich heute Nacht erstochen hatte. Auf dem Foto wirkte er um ein paar Jahre jünger, aber nicht weniger gefährlich. Seine Augen waren kalt und schienen einem das Blut in den Adern gefrieren zu lassen. Den Mund hatte er zu einem gehässigen Lächeln verzogen und enthüllte dabei weiße Zähne, die mich ein wenig an die Fänge eines Raubtieres erinnerten. Ich wartete förmlich auf die Schuldgefühle, die mich überfallen hatten, als ich das Messer in seinen Rücken gejagt hatte, aber wider Erwarten blieben sie jetzt aus. Es machte mir überhaupt nichts mehr aus, wenn ich daran dachte, dass dieser Kerl wegen mir in der Pathologie lag und dort aufgeschnitten worden war. Ich war definitiv über die Sache hinweg und konnte mich dementsprechend wieder auf den Fall konzentrieren, jedenfalls versuchte ich es. Es war nicht gerade einfach, ruhig das Labor zu betreten und zu beobachten, wie sich Gibbs umdrehte und uns entgegensah, wobei seine Augen für den Bruchteil einer Sekunde länger auf mir verharrten als auf den anderen. Ich biss mir auf meine Unterlippe, um ihm nicht ein Lächeln zu schenken, da mir mehr als bewusst war, dass mich Ziva im Visier hatte – ich konnte ihre Blicke richtiggehend auf mir spüren und sie schien nur darauf zu warten, dass sich Jethro und ich durch irgendeine kleine Geste verrieten. Um ja keine unbedachte Bewegung zu machen, steckte ich meine Hände in meine Hosentaschen und stellte mich neben den Chefermittler – hielt dabei aber den gebührenden Abstand, auch wenn ich mehr als gerne seine körperliche Nähe gespürt hätte.
Ziva hob eine Augenbraue, aber ich ignorierte sie und konzentrierte mich auf die Informationen, die neben dem Bild des Mannes standen. „Jeremy McDonald", sagte ich mehr zu mir als zu den anderen. Endlich hatte der Einbrecher einen Namen und ich wusste, ich würde ihn lange nicht vergessen, hatte er doch meine erste richtige gemeinsame Nacht mit Gibbs gestört.
„Und er ist wirklich ein schlimmer Finger", meinte Abby und sah zu uns beiden, wobei sie registrierte, dass ich meine Hände in den Hosentaschen vergraben hatte, was sie mit einer erhobenen Augenbraue quittierte. „Natürlich ist er ein schlimmer Finger", erwiderte ich, holte meine Hände wieder ans Tageslicht und verschränkte sie vor meiner Brust. Noch nie waren mir meine Arme so überflüssig vorgekommen wie jetzt. Ich hatte einfach keine Ahnung, was ich mit ihnen machen sollte. „Immerhin ist er bei mir eingebrochen und hat versucht, mich zu erwürgen." „Das meinte ich eigentlich nicht damit." „Ach nein? Gibt es noch etwas Schlimmeres als den Versuch, mich umzubringen?" fragte ich in bester DiNozzo-Manier und trat zwei Schritte von Gibbs weg, damit er mir keine Kopfnuss verpassen konnte. Nun, da wir ein Paar waren, schien er sie noch viel lieber auszuteilen als zuvor.
„Wie wäre es, wegen mehrfachen Mordes vom FBI gesucht zu werden?" sagte Jethro die ersten Worte, seit wir das Labor betreten hatten und warf mir seinen typischen funkelnden Blick zu, der mich aber nicht ängstigte, sondern eher anturnte. Es war mehr als offensichtlich, dass er verärgert war, weil er wohl oder übel die Bundesbehörde informieren musste, was bedeutete, dass in absehbarer Zeit Fornell hier auftauchen würde.
Ich schluckte und ließ meine Arme wieder sinken - momentan waren sie mehr als lästige Anhängsel. Um meine Finger mit etwas zu beschäftigen, nahm ich ein kleines Skelett aus Eisen in die Hand, das neben dem Computerbildschirm stand und drehte es in meinen Händen. Abby kniff deswegen ihre Augen zusammen, sagte aber nichts. Solange ich es nicht fallen ließ oder sonst irgendwie kaputt machte, schien es sie nicht zu stören, dass ich damit herumspielte.
„Dann hast du dem FBI ja eine Menge Arbeit abgenommen, indem du diesen McDonald erstochen hast", sagte McGee und nickte anerkennend. „Du kannst von Glück reden, dass du nicht zu seinen Opfern gehörst", meinte Gibbs und auch wenn er versuchte es zu verstecken, war es unübersehbar, dass er erleichtert war. Die Forensikerin warf mir kurz einen Blick zu, sah dann zum Chefermittler und anschließend wieder zu mir, wobei ihre Rattenschwänze herumtanzten.
„Ich kann eben hervorragend auf mich aufpassen", erwiderte ich und grinste. „Immerhin bin ich dein bester Agent." „Du wirst bald der beste Agent sein, wenn es darum geht, Akten zu bearbeiten, wenn du nicht gleich aufhörst, mit dem Ding da rumzuspielen und mich damit verrückt zu machen." Dabei deutete er auf das kleine Skelett in meinen Fingern, das ich unablässig hin und her drehte. Verwundert sah ich ihn an und da ich die Figur nicht schnell genug aus den Händen legte, übernahm er das selbst, entriss sie mir und stellte sie wieder neben dem Computerbildschirm ab. „Tschuldigung, Boss", sagte ich leise und begnügte mich nun wieder mit meinen Hosentaschen. Er war definitiv gereizt, was nicht gespielt war und da ich nicht wollte, dass er weiter wütend auf mich war, zog ich es vor, mich neben Abby zu stellen, die uns kopfschüttelnd musterte.
„Können wir uns jetzt mit dem Video beschäftigen?" fragte Jethro mit etwas ruhigerer Stimme und fuhr sich über sein Gesicht. „Welches Video?" wollte McGee sogleich wissen und kam näher, um ja nichts zu verpassen. „Das ich auf dem Handy gefunden habe, das jemand Tony zugesteckt hat." Unwillkürlich fing mein Herz schneller zu schlagen an, als mir bewusst wurde, dass wir des Rätsels Lösung wieder einen Schritt näher gekommen waren. War es das, was die Typen wieder zurückhaben wollten? Ein Video? Das musste ja mehr als brisant sein.
„Leider hat es eine nicht allzu gute Qualität", fuhr Abby fort, drückte ein paar Tasten und auf dem Plasmabildschirm erschien ein etwas unscharfes Bild, das leicht wackelte. „Wer auch immer das Handy gehalten hat, hatte keine ruhige Faust", sagte Ziva und kniff ihre Augen zusammen, um mehr zu erkennen. „Es heißt keine ruhige Hand", korrigierte ich sie automatisch, wobei ich aber weiterhin auf den Bildschirm sah. „Wie auch immer", kam prompt die Antwort und ließ mich grinsen, was mir aber gleich darauf verging, als eine verzerrte Stimme aus dem Lautsprecher erklang: „Verdammt, was soll das?!" Es war unverkennbar ein Mann, der ziemliche Angst hatte. Gleich darauf war eine weitere Stimme zu hören, nicht minder durch statisches Rauschen blechern verzerrt: Tja, Frankie, du hättest eben nicht versuchen sollen, mich hinter das Licht zu führen. Ich habe dir von Anfang an gesagt, dass dir das nicht gut bekommen würde." Der eiskalte Ton ließ mich unwillkürlich erschauern und ich versuchte zu erkennen, wer das gesagt hatte, aber man konnte nichts außer Dunkelheit und schattenhafte Schemen sehen und nicht ein Gesicht, wie ich es gehofft hatte.
„Nein, nicht", war der erste Mann wieder zu hören und jetzt flehte er richtiggehend. Intuitiv wusste ich, was jetzt kam, aber dennoch zuckte ich zusammen, als ein mir nur allzu vertrauter Knall einer Waffe erklang. Kurz darauf wackelte das Bild noch viel mehr, so als ob der unbekannte Filmer endlich bemerkt hatte, dass er etwas aufgenommen hatte, was nicht für fremde Augen bestimmt war. Zwei Sekunden später wurde alles schwarz und auch das Rauschen verstummte. „Kein Wunder, dass die hinter dem Handy her sind", durchbrach ich als Erster die Stille und schluckte. Ein Mord war wirklich ein guter Grund, dass jemand dieses kleine Gerät wieder haben wollte. „Aber leider kann man nicht sehr viel erkennen", meinte Abby. „Ich habe mich bereits ein wenig gespielt und herausgefunden, dass es insgesamt vier Personen waren, die gefilmt wurden." „Und was ist mit der Umgebung?" fragte McGee. „Hast du da etwas erkennen können?" Die junge Frau schüttelte ihren Kopf. „Nein, dafür ist die Qualität viel zu schlecht, was hauptsächlich daran liegt, dass der unbekannte Filmer ständig gewackelt und es in Strömen geregnet hat." „Also ist er Mord irgendwann in den letzten Tagen geschehen", stellte Gibbs nüchtern fest. „Aber das bringt uns auch nicht weiter", mischte sich Ziva ein. „Ich meine, man kann keine Gesichter erkennen, die Stimmen sind verzerrt und es gibt sicher tausende von Männern, die Frankie heißen. Wieso machen sie sich bloß solche Mühe, sich das Handy wieder zu beschaffen?" „Weil sie wahrscheinlich gar nicht wissen, dass man darauf nicht wirklich viel erkennen kann", meinte ich und Frustration überkam mich. Ich stand also auf der Abschussliste von irgendwelchen Gangstern, die nicht einmal wussten, dass ihre Identität überhaupt nicht gefährdet war. Mein Instinkt sagte mir jedoch, dass einer der vier Personen Jeremy McDonald gewesen war. Vielleicht konnten wir herausfinden, mit wem er in letzter Zeit in Kontakt gestanden hatte und somit an die Verbrecher herankommen, was aber wiederum bedeutete, dass wir die Hilfe des FBI brauchten, da sie sicher mehr Informationen über ihn besaßen und wir nur wertvolle Zeit damit vergeuden würden, selbst danach zu suchen.
„Meinst du, du schaffst es, noch mehr aus dem Video herauszuholen, Abbs?" fragte Gibbs und warf ihr einen Blick zu, der deutlich sagte, dass die Antwort ja lauten sollte. Die Forensikerin ließ sich dadurch aber nicht aus der Ruhe bringen. „Ich kann es versuchen, aber allzu große Hoffnungen will ich dir nicht machen, Bossman. Aber ich werde mein Bestes geben", fügte sie hinzu, als sie die unheilverkündende Miene sah. „Du hast drei Stunden." „Aber so etwas braucht Zeit und…" „Drei Stunden", wiederholte er und fügte hinzu. „Lasst uns nach oben fahren." „Wirst du Fornell anrufen?" fragte ich und konnte ihn jetzt schon vor mir sehen, wie er in das Telefon bellte, der Agent solle gefälligst seinen Hintern hierher schwingen. „Nein, den Präsidenten", erwiderte er trocken und ich stellte erleichtert fest, dass er nicht böse auf mich war, sondern der liebevolle Ausdruck in seine Augen zurückgekehrt war. Für zwei Sekunden sahen wir uns an, bevor Gibbs seinen Blick von mir losriss und aus dem Labor eilte, Ziva und McGee dicht auf den Fersen. Ich drehte mich noch einmal zu Abby um und lächelte sie an. „Gut gemacht, Abbs", sagte ich, da es Jethro versäumt hatte, sie zu loben. „Wenigstens einer, der meine Arbeit anerkennt", meinte sie und erwiderte mein Lächeln. „Bis später." Ich winkte ihr noch kurz zu, bevor ich zum Fahrstuhl lief und mich in die Kabine quetschte, ehe sich die Türen schlossen.

Fortsetzung folgt...
Chapter 26 by Michi
Kaum hatten die Vier Abbys Labor verlassen, eilte sie in den anderen Raum und drehte ihre Musikanlage auf volle Lautstärke auf. Ein leiser Seufzer kam über ihre Lippen, als sie die geliebten Töne hörte und hüpfte wieder zu ihrem Computer zurück, um sich in den Stuhl fallen zu lassen. Drei Stunden hatte Gibbs gesagt und sie wusste, er gab ihr keine Minute länger. Wie sollte sie es in so einer kurzen Zeit nur schaffen, das Video so weit zu bearbeiten, dass man mehr Details erkennen konnte? Es hatte sie schon jede Menge Arbeit gekostet, herauszufinden, dass insgesamt vier Personen die Hauptrollen spielten, wovon eine unverkennbar erschossen worden war. Und nur weil jemand auf die Idee gekommen war, diesen Mord zu filmen, steckte Tony jetzt in ziemlichen Schwierigkeiten. Wieso musste er auch unbedingt in diesem Einkaufszentrum vorbeifahren, um sich Kaffee zu kaufen. ‚Der aber für Gibbsman war', fügte sie in Gedanken hinzu und fing zu grinsen an. Sie wusste nur zu gut, dass sein Lieblingscoffeeshop derzeit wegen Renovierungsarbeiten geschlossen war. Und Anthony hatte der schlechten Laune des Bosses vorbeugen wollen und ihm Koffein besorgt. Nur, seit wann machte dieser sich solche Sorgen um Gibbs? Sicher, es war mehr als unangenehm, wenn er keinen Kaffee hatte – immerhin war er dann den ganzen Tag schlecht gelaunt – aber dass er deshalb einen kleinen Umweg in Kauf genommen hatte?
„Hmmm", machte Abby und tippte sich mit einem Zeigefinger an die Lippen. Für den Moment vergaß sie, dass sie sich eigentlich mit dem Video beschäftigen sollte und nicht mit Tony. Aber seit sie erfahren hatte, dass er verliebt war, ging er ihr nicht mehr aus dem Kopf, genauso wie Gibbs. Es war schon ein komischer Zufall, dass sich die beiden zur gleichen Zeit verknallten, es aber versuchten, es zu verbergen, wobei ihr silberhaariger Fuchs dabei eindeutig besser abgeschnitten hatte. Würden seine Augen nicht so strahlen – auch wenn er jemanden böse anfunkelte – wäre sie nie darauf gekommen. Anthony hingegen schien mit einem Dauergrinsen durch die Gegend zu laufen und war bestens gelaunt, obwohl hinter ihm Gangster her waren, aber dennoch war er ein wenig rastlos gewesen. Vorher hatte er einfach nicht gewusst, was er mit seinen Händen anstellen sollte und wenn sie sich nicht täuschte, hatte er bewusst versucht, nicht zu nahe bei Gibbs zu stehen. Aber weshalb? Normalerweise machte es ihm auch nichts aus, in der Nähe des Chefermittlers zu sein, außer jener war dabei, wieder einmal eine Kopfnuss auszuteilen.
Und wenn Tony dann doch zu ihm gesehen hatte, hatte sie das Gefühl gehabt, seine teils unbewegte Miene wäre nur aufgesetzt, denn seine Augen hatten dennoch wie noch nie gestrahlt. Beinahe könnte man meinen, er wäre nicht in irgendeine Frau verliebt, sondern…
„Denk nicht einmal daran, Abigail", sagte sie zu sich selbst und schüttelte den Kopf. „Tony ist immerhin der Macho schlechthin und sieht jedem Rockzipfel hinterher." Aber dennoch, irgendetwas sagte ihr, dass sie diese Überlegung auf gar keinen Fall zur Seite schieben sollte. Immerhin hatte er seit Wochen mit keiner seiner zahlreichen Freundinnen angegeben. Wenn sie es sich recht überlegte, seit dem Undercovereinsatz vor über drei Wochen. Seitdem war irgendetwas anders zwischen ihm und Gibbs, das hatte sie sofort gespürt, bereits damals, als sie zu dieser alten Fabrik gefahren waren oder als Tony ins Krankenzimmer gekommen war. Und auch seit Jethro wieder arbeitete, schien sich die spannungsgeladene Atmosphäre nicht verändert zu haben. Erst seit heute Morgen hatte sie das Gefühl, dass es nicht mehr ganz so knisterte, wenn sich die beiden in einem Raum aufhielten, wenn man von den Blicken absah, die sie sich zuwarfen.
Plötzlich versteifte sich Abby und setzte sich kerzengerade auf. „Nein, das ist nicht möglich!" rief sie, obwohl sie niemand hören konnte, was einerseits daran lag, dass sie alleine war und andererseits, dass die Musik auf volle Lautstärke aufgedreht war. So abwegig der Gedanke auch war, aber es würde einen Sinn ergeben. Sie sah Gibbs vor sich, wie seine Augen angefangen hatten zu strahlen, als Tony mit den anderen ins Labor gekommen war, seine entspannte Körperhaltung, obwohl er sichtlich verärgert gewesen war, dass er das FBI informieren musste. Und dennoch hatte er glücklich gewirkt, auch wenn er versucht hatte, das zu verbergen. Aber ihren Augen war das nicht entgangen.
Dann war da noch Tonys Knutschfleck, der eindeutig frisch war und gestern noch nicht auf seinem Hals geprangt hatte. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass er eine heiße Frau einfach so wegschicken oder frühzeitig nach Hause fahren würde, schon gar nicht, wenn er verliebt war. Da würde man doch erst recht zusammenbleiben und die Nähe zueinander genießen. Und er hatte es selbst zugegeben, dass keine Frau bei ihm gewesen war und war nicht laut McGee Gibbs zuerst bei Anthony gewesen? Was wäre, wenn ihr Boss gar nicht erst zu ihm gefahren war, sondern bereits in dem Haus gewesen war?
Von den ganzen Fragen wurde Abby ein wenig schwummrig, weshalb sie nach ihrem CafPow griff und gierig an dem Strohhalm sog. Sie fand es immer noch abwegig, in welche Richtung ihre Gedanken abschweiften und es gab definitiv Lücken in dieser Geschichte, aber dennoch…
Und dann kamen ihr Tonys Worte in den Sinn: Blaue Augen, so tief wie ein See und weiche Lippen, die einen ins Paradies schicken. Unwillkürlich verschluckte sie sich an ihrem Getränk und prustete ein paar Tropfen über den Boden. Die ganze Zeit war es so offensichtlich gewesen und erst jetzt registrierte sie, was der Satz bedeutete. Gibbs hatte blaue Augen, so tief wie ein See und da er ihr öfters einen kleinen Kuss auf die Wange gab, wusste sie auch, dass seine Lippen weich waren.
Und wie hatte Jethro noch einmal seine neue Freundin beschrieben? Hatte sie nicht kurze braune Haare und grüne Augen? Abby würde alles darauf verwetten, dass diese kurzen braunen Haare und die grünen Augen nicht irgendeiner Frau gehörten, sondern Anthony DiNozzo, dem Mann, der seinen Boss ständig auf die Palme brachte und mehr Kopfnüsse als alle anderen kassierte.
Von ihrer neu gewonnenen Erkenntnis übermannt, ließ sie sich in ihren Stuhl zurückfallen und ihr klappte der Mund auf. Wie hatte sie nur so blind sein können? Wie hatte sie nur übersehen können, was sich zwischen den beiden entwickelt hatte? Dabei fiel ihr so etwas sonst gleich auf. Aber wer rechnete schon damit, dass sich zwei Männer, die ihr ganzes Leben lang auf Frauen gestanden waren, einmal ineinander verlieben würden?
Plötzlich breitete sich auf Abbys Lippen ein breites Grinsen aus, sie sprang auf und begann auf und ab zu hüpfen. „Das ist ja abgefahren!" rief sie, schnappte sich Bert und drückte das Stoffnilpferd ganz fest. „Ich kann es nicht fassen! Die beiden?! Unglaublich!" Ihr wurde ganz warm ums Herz, als sie auf einmal realisierte, dass der brummige Chefermittler und Tony ein Paar waren und bereits über das Stadium des Händchenhaltens hinaus waren, wie der Knutschfleck auf dem Hals des jungen Mannes bewies. Und sie würde alles darauf verwetten, dass es der Undercovereinsatz gewesen war, der die beiden in andere Gefilde geführt hatte. Man spielte nicht einmal kurz ein homosexuelles Paar und küsste sich in einem Club, ohne dass das Folgen hatte. Trotzdem hatte sie angenommen, dass es die beiden hinbekommen würden, diese Sache einfach als Auftrag abzutun, aber anscheinend hatte sie sich da geirrt.
Abby hielt in dem Tanz mit ihrem Nilpferd inne. Wieso verschwiegen Tony und Gibbs es aber, dass sie zusammen waren? War es ihnen etwa peinlich? Glaubten sie etwa, ihre Autorität als Agents geriete in Gefahr und man würde sie nicht mehr Ernst nehmen? So wie es aussah, wussten weder McGee noch Ziva etwas davon, denn das hätte sie sofort bemerkt. Was wiederum bedeutete, sie durfte ebenfalls niemandem von ihrer neugewonnen Erkenntnis erzählen, jedenfalls nicht, bevor sich die beiden entschlossen hatten, sich vor allen zu outen.
Mit einem lauten Seufzer ließ sie sich wieder auf ihren Stuhl fallen und drückte Bert fest an sich, dessen Pupsgeräusch wegen der Musik nicht zu hören war. „Mein silberhaariger Fuchs und der Frauenheld Anthony DiNozzo. Wer hätte das jemals für möglich gehalten?" murmelte sie und grinste breit. Sie freute sich für die beiden, immerhin schienen sie mehr als glücklich zu sein und sie wünschte es sich von ganzem Herzen, dass ihr privates Glück lange andauern würde – am Besten für immer. Und falls sich jemand daran stören sollte, dass die beiden homosexuell waren, dann würde es derjenige höchstpersönlich mit ihr zu tun bekommen – so wahr sie Abigail Sciuto hieß.

Fortsetzung folgt...
Chapter 27 by Michi
Um Punkt elf Uhr öffneten sich die Türen des Fahrstuhls und entließen drei Personen in Anzügen und Krawatten, deren Körper in identische schwarze Mäntel gehüllt waren. Da ich eine wunderbare Sicht zum Fahrstuhl hatte, war ich der Erste, der die Ankunft des FBI bemerkte und war mehr als überrascht, dass Fornell nicht alleine gekommen war. Aber gleich darauf verwandelte sich die Überraschung in Ärger, als ich den Mann, von dem ich gehofft hatte, ihn nie wiedersehen zu müssen, links neben dem Agent erkannte. Groß, muskulös und mit einer dunklen Hautfarbe ausgestattet kam Ron Sacks mit seinen beiden Kollegen auf mich zu. Unwillkürlich verspannte ich mich, setzte mich aufrecht hin und versuchte die mehr als unangenehmen Erinnerungen zurückzudrängen, die ohne Vorwarnung mein Gehirn überfluteten. Ein Verhörraum in diesem Gebäude, der mir an diesem Tag ziemlich beengend vorgekommen war, was auch kein Wunder war, immerhin war ich damals der Verdächtige gewesen und beschuldigt worden, eine Frau ermordet und ihre Beine abgeschnitten zu haben. Sacks und ich alleine in dem Raum, wo er mich unerbittlich verhört und mich von vornherein für schuldig befunden hatte, noch bevor man überhaupt richtig mit den Ermittlungen begonnen hatte.
Eine kleine Zelle, in der ich für meinen Geschmack viel zu viele Stunden hatte verbringen müssen, mit keiner Möglichkeit, mich abzulenken – abgesehen von Gibbs und McGee, die mir einen Besuch abgestattet und mir versichert hatten, dass alles wieder gut werden würde. Jethro, der mir meine Lieblingspizza mitgebracht und mich mit einer Kopfnuss aufgemuntert hatte. Das alles war Monate her, aber dennoch war es eine schmerzhafte Erinnerung, von der ich hoffte, sie würde nie wieder an die Oberfläche kommen. Ich hatte schon lange nicht mehr an Chip gedacht, der es so eingefädelt hatte, dass ich wegen Mordes beschuldigt worden war, aber jetzt, wo Agent Sacks so unverhofft auftauchte, kam alles wieder hoch und ich ballte meine Hände zu Fäusten. Meine ganze Verachtung, die ich gegen ihn verspürte, legte ich in den Blick mit dem ich ihn jetzt bedachte. Sollte er ruhig mitbekommen, dass er auf meiner Beliebtheitsskala ganz unten rangierte.
Sacks hatte sofort gemerkt, dass ich ihn gesehen hatte. Für den Bruchteil einer Sekunde versteifte er sich, bevor er sich wieder fing und mich mit einem leicht herablassenden Blick bedachte. Meine Verachtung war also nicht einseitig.
Mit Mühe ignorierte ich Ron und konzentrierte mich auf den dritten Agenten im Bunde, den ich noch nie zuvor gesehen hatte. Er war mit Abstand der Größte des Trios – sicher über 1,90 Meter – und auch der Jüngste. Die leicht gelockten hellbraunen Haare streiften den Mantelkragen und waren perfekt frisiert. Das Gesicht wurde von hohen Wangenknochen dominiert, die ihn aber attraktiv wirken ließen. Die Lippen hätten etwas voller sein können, aber nichts desto trotz passten sie zu ihm. Seine graublauen Augen sahen sich neugierig in dem Großraumbüro um – ein sicheres Zeichen dafür, dass er noch nie hier gewesen war. Sein Erscheinungsbild wurde von einem dunklen Anzug und einer perfekt gebundenen Krawatte vervollständigt. Auf mich machte er einen durchaus netten Eindruck, was man von Sacks Äußerem auch behaupten konnte, aber warf man einen Blick hinter die Fassade, kam ein ganz anderer Charakter zum Vorschein. Deshalb beschloss ich, auch dem Neuen nicht zu vertrauen.
Ich drehte meinen Kopf und sah zu Gibbs, der den Besuchern mit widerwilliger Miene entgegenblickte. Auch wenn zwischen ihm und Fornell so etwas wie Freundschaft herrschte – was beide aber nie zugeben würden – war es unverkennbar, dass er nicht gerade erfreut war, dass er diesmal mit dem Agent zusammenarbeiten musste. Es war allen klar, dass wir uns selbst über Jeremy McDonald schlau machen konnten, aber mit Hilfe des FBI würde es wesentlich schneller gehen, weshalb Jethro über seinen Schatten gesprungen war.
McGee und Ziva hatten ebenfalls bemerkt, dass wir Besuch hatten und vergaßen für den Moment die Akten vor ihren Nasen. Der Chefermittler stand schließlich auf und blieb zwischen meinem und Davids Schreibtisch stehen. „Agent Fornell", sagte er knapp und zu meiner größten Verblüffung schüttelten sich die beiden die Hände. Anscheinend mochten sie sich doch mehr als ich angenommen hatte. „Gibbs", erwiderte der andere genauso kurz angebunden und zeigte auf seine zwei Begleiter. „Agent Andrew Joseph DeLay. Agent Sacks kennen Sie ja bereits." „Wie wahr", meinte ich laut genug, dass es alle verstehen konnten. „Pech für Sie, dass ich diesmal nicht unter Mordverdacht stehe, sodass wir nicht erneut ein nettes Gespräch im Verhörraum führen können." „Tony!" Gibbs warf mir einen warnenden Blick zu und ich spürte förmlich, wie er noch etwas sagen wollte, es sich aber verkniff. Ich schluckte die Worte, die mir auf der Zunge lagen, hinunter und begnügte mich damit, Ron, der keine Miene verzog, seine Augen aber zu Schlitzen zusammenkniff, böse anzufunkeln.
„Agent Sacks und Agent DeLay bearbeiten den Fall McDonald und sind seit Monaten hinter ihm her", erklärte Fornell, weshalb er in Begleitung erschienen war. „Und plötzlich rufen Sie an und fordern Informationen über den Mann. Weshalb interessiert sich auf einmal der NCIS für einen mehrfach gesuchten Mörder, der meines Wissens noch nie etwas mit der Navy oder dem Marine Corps zu tun hatte?" „Jetzt hat er schon etwas damit zu tun", erwiderte Gibbs ungerührt und bedachte den anderen mit einem durchdringenden Blick. Am Telefon hatte er sich mehr als kurz gefasst und nicht gesagt, weshalb das FBI hierher kommen sollte. Verständlich, dass Fornell überrascht war. „Was soll das heißen?" „Das soll heißen, dass Jeremy McDonald letzte Nacht bei Tony eingebrochen ist und ihn beinahe umgebracht hat." Drei Augenpaare waren plötzlich auf mich fixiert, wobei das Hauptinteresse der Prellung auf meiner Wange galt. Ich kam mir unwillkürlich wie ein Ausstellungsstück in einem Museum vor. „Sieht schmerzhaft aus", sagte Agent DeLay die ersten Worte, seit er das Großraumbüro betreten hatte. „Muss eine harte Faust gehabt haben." „Es war eher der Lauf seiner Waffe, der mich getroffen hat", erwiderte ich und widerstand dem Drang, die Verletzung zu berühren. „Und woher sind Sie sich so sicher, dass es McDonald war, der bei Ihnen eingedrungen ist?" fragte Sacks und musterte mich abschätzig. „Ganz einfach." Meine Stimme hatte einen spöttischen Unterton angenommen, der mir erneut einen warnenden Blick von Gibbs einbrachte, aber ich ignorierte ihn. „Er hatte eine unangenehme Begegnung mit einem Messer aus meiner Küche und hat deshalb einen gratis Fahrschein in die Pathologie erhalten." Zivas Mundwinkel zuckten belustigt, McGee sah mich amüsiert an und selbst Jethro musste sich ein Lächeln verkneifen. „McDonald ist tot?" fragte DeLay und seine Augen weiteten sich überrascht. „Mausetot", war mein trockener Kommentar dazu. „Sie haben ihn einfach erstochen?" fragte Sacks nach, nicht sicher, ob er alles richtig verstanden hatte. „Das habe ich doch gerade gesagt, oder? Und falls Sie vorhaben, mich wegen Mordes zu verhaften, sollte ich vorher zu meiner Verteidigung vorbringen, dass es Notwehr war." „Niemand hat vor, Sie zu verhaften, Agent DiNozzo", meinte Fornell und hob eine Augenbraue. „Ich sollte mich eher dafür bedanken, dass Sie uns mühsame Arbeit abgenommen haben. Ich nehme an, dass wir die Leiche von McDonald mitnehmen können?" „Nicht so schnell", mischte sich nun wieder Gibbs ein. „Er ist nicht einfach so in Tonys Haus eingebrochen, sondern hat etwas gesucht." Tobias sah ihn etwas verwundert an, schwieg jedoch und wartete darauf, dass er weiterredete. Sacks hingegen verzog keine Miene und ließ nicht erkennen, was er dachte, was bei DeLay anders war. Er musterte mich neugierig und es schien ihm förmlich unter den Fingernägeln zu brennen zu erfahren, worum es im Detail ging.
„Er hat ein Handy gesucht, das mir gestern Morgen jemand unbemerkt in die Jackentasche gesteckt hat", übernahm ich die Erklärung und spürte für einen kurzen Moment erneut den heftigen Rempler, bevor ich mich wieder auf das Hier und Jetzt konzentrierte. „Ich habe es heute gefunden, bevor ich mein Haus verlassen habe." Dass Gibbs bei mir gewesen war, erwähnte ich nicht. Die Letzten, denen ich einen Einblick in mein Privatleben gewähren wollte, waren die FBI Agenten.
Bei meinen Worten verengten sich DeLays Augen für einen kurzen Moment zu Schlitzen und ich hatte das Gefühl, er würde mich eiskalt ansehen. Meine Nackenhärchen stellten sich auf, als sich unsere Blicke trafen und mein Magen krampfte sich unwillkürlich zusammen, so fest, dass er sich beinahe in einen harten Knoten verwandelte. Mein Herzschlag beschleunigte sich und eine innere Stimme flüsterte mir ins Ohr, dass dieser Agent vor mir genau wusste, wovon die Rede war. Aber gleich darauf verflüchtigte sich dieses komische Gefühl wieder, als ein verwirrter Ausdruck in die graublauen Augen trat und er mich wieder freundlich ansah. Plötzlich kam mir meine Reaktion mehr als lächerlich vor und ich schob es auf die Tatsache, dass ich nicht genügend Schlaf in dieser Nacht gehabt hatte und dass ich von Gangstern verfolgt wurde. Irgendwie schien ich auf einmal gegenüber jedem mir Fremden argwöhnisch zu sein.
„Ein Handy?" fragte Fornell und riss mich somit aus meinen Gedanken. „Ja", antwortete Gibbs, der von meinem kurzen inneren Kampf anscheinend nichts mitbekommen hatte. „Abby hat ein Video darauf gefunden, allerdings hat es keine gute Qualität, was aber nicht heißt, dass man nichts erkennen kann. Sie ist gerade dabei, es so weit zu verbessern, dass man mehr Details sehen kann."
„Und was ist auf dem Video zu sehen?" wollte Sacks wissen und verschränkte seine Arme vor der Brust. „Ein Mord", sagte ich knapp, wobei ich weiterhin DeLay im Auge behielt. Aber diesmal verhielt er sich normal, schien nicht zu wissen, wovon die Rede war. Seine Miene wurde neugierig und es war ersichtlich, dass der Agent jetzt vollkommen in seinem Element war, dass er begierig war, mehr darüber zu erfahren. Jetzt war also der Zeitpunkt gekommen, wo sich das FBI einmischen wollte, obwohl sie damit überhaupt nichts zu tun hatten. Das schien auch Gibbs so zu sehen, denn er trat einen Schritt auf Fornell zu und nahm mir somit die Sicht auf den großgewachsenen Agent.
„Kann ich Sie unter vier Augen sprechen, Tobais?" Dieser überlegte ein paar Sekunden und nickte schließlich. „Üblicher Konferenzraum?" Ohne eine Antwort abzuwarten, drehte er sich um, gefolgt von Jethro, der mir noch einen kurzen Blick zuwarf, ehe er mit Fornell im Fahrstuhl verschwand.
„Ich dachte, die wollten in einen Konferenzraum?" fragte DeLay und blickte mich verwundert an. Ich grinste und zuckte mit den Schultern. „Das ist ihr Konferenzraum", kam es von McGee, der bis jetzt schweigend gelauscht hatte und als ihn plötzlich viele Augenpaare anblickten, zog er es vor, sich wieder auf eine Akte zu konzentrieren.
„Sicher nicht so gemütlich wie ein Verhörraum", sagte Sacks und sah mich spöttisch an. „Machen Sie nur so weiter und es könnte sein, dass es gleich einen guten Grund gibt, weshalb ich in so einem gemütlichen Raum sitze", erwiderte ich patzig und nahm mir eine Akte. „Ist das eine Drohung, Agent DiNozzo?" „Fassen Sie es auf, wie Sie wollen, Agent Sacks." Ein paar Sekunden sahen wir uns eindringlich an, wobei aus seinen Augen Funken sprühten, bis ich schließlich den Kopf schüttelte und mich auf die Akte konzentriere. Wieso musste dieser aufgeblasene Typ auch auftauchen? Hätte er nicht dort bleiben können, wo der Pfeffer wächst?
„Da scheinen sich ja zwei gerne zu haben", sagte DeLay und ich konnte förmlich das Grinsen in seiner Stimme hören. Na super, wieder jemand, der sich auf meine Kosten amüsierte. Auch wenn er einen durchaus netten Eindruck machte, so war er doch vom FBI – ein Grund, ihn nicht zu mögen.

Fortsetzung folgt...
Chapter 28 by Michi
Kaum hatte sich der Fahrstuhl in Bewegung gesetzt, kam er auch schon wieder ruckend zum Stehen, als Gibbs den Stopphebel umlegte. Die Lichter gingen aus und wurden durch die Notbeleuchtung ersetzt, die die Agents in dämmriges Licht tauchte. Für beide war es nichts Neues, sich hier aufzuhalten, war doch diese kleine Kabine ihr persönlicher Konferenzraum, den niemand sonst ohne Vorwarnung betreten konnte. Keiner konnte sie belauschen oder beobachten, wie sie ihre griesgrämigen Mienen fallen ließen, die sie ständig der Außenwelt zeigten und anderen damit vormachten, dass sie sich nicht ausstehen konnten. Aber es war schon lange klar, dass sich zwischen den beiden in den Jahren eine Art Freundschaft entwickelt hatte und sie sich respektierten.
„Kaugummi?" fragte Fornell und hielt Gibbs die Packung unter die Nase. Dieser schüttelte den Kopf, was der andere mit einem Schulterzucken zur Kenntnis nahm, sich einen Streifen in den Mund steckte und den Rest in seine Manteltasche zurücksteckte. „Also, weshalb wollten Sie mich unter vier Augen sprechen? Nicht, dass ich es hier nicht nett finden würde, aber momentan habe ich ziemlich viel Arbeit." „Ich will alles, was Sie über Jeremy McDonald haben. Jedes noch so winzige Detail." Ohne lange um den heißen Brei herumzureden, kam Jethro auf den Punkt. „Und was ist für mich drin?" wollte der kleinere Mann wissen und lehnte sich an die Wand, genau an die Stelle, an der am Morgen Tony gestanden hatte. Unbewusst leckte sich Gibbs mit der Zunge über die Lippen, so als ob er den leidenschaftlichen Kuss noch immer spüren konnte, der eine Ewigkeit zurückzuliegen schien. Über drei Stunden waren vergangen, seit er seinen jungen Freund das letzte Mal berührt hatte – von einer Kopfnuss abgesehen – und er sehnte sich danach, seine Finger in dessen Haaren zu vergraben. Er verfluchte ein wenig die Tatsache, dass die Abdrücke von Jeremy McDonald gespeichert gewesen waren, sonst hätte er sich schon längst mit Tony in den Fahrstuhl verziehen können, anstatt jetzt mit Fornell hier zu stehen. Mit Mühe brachte er seine Gedanken wieder auf den Grund, weshalb er sich mit dem Agenten im Aufzug befand. „Wieso können Sie mir nicht einfach Informationen über McDonald geben, ohne gleich etwas zu verlangen?" fragte Gibbs etwas zu laut und wusste, so würde er auch nicht ans Ziel gelangen, aber diesmal hatte er keinen Nerv mit Fornell zu verhandeln, nicht wenn es um Tonys Leben ging. Und je länger sie brauchten, um mehr über den Einbrecher herauszufinden, desto wahrscheinlicher war es, dass die Gangster vorher zuschlagen würden, bevor sie wussten, wer dahinter steckte. Solange sich sein Freund im Hauptquartier aufhielt, konnte ihm nichts passieren, aber er wusste, er konnte ihn nicht im Büro einsperren. Aber er hatte einfach Angst, ihn ins Freie zu lassen, auch mit einem Begleiter. Immerhin war McDonald ein mehrfach gesuchter Mörder gewesen und er hatte so das Gefühl, dass seine Komplizen genauso brutal waren und nicht zurückschrecken würden, andere zu töten, um an ihr Ziel zu gelangen.
„Das würde gegen meine Ethik verstoßen", antwortete Fornell und kaute auf dem Kaugummi herum. Normalerweise störte das den Chefermittler nicht, aber heute machte ihn diese Bewegung mehr als wütend. „Sie haben doch gar keine Ethik, Tobias. Sie sind vom FBI, mich wundert es, dass Sie dieses Wort überhaupt kennen." Am liebsten würde Gibbs auf und abgehen, aber in dieser kleinen Kabine würde er nicht weit kommen. Deshalb begnügte er sich, seinen gegenüber möglichst böse anzufunkeln.
Der Agent ließ sich jedoch nicht davon beeindrucken und kaute weiter. Ihm war bewusst, dass er die Geduld seines Gegenübers strapazierte, aber er hatte noch nie von sich aus Informationen herausgegeben, ohne eine Gegenleistung dafür zu bekommen. Immerhin war McDonald ein Fall des FBI, auch wenn er sich dazu entschlossen hatte, bei einem NCIS Agent einzubrechen.
„Das war aber jetzt unter die Gürtellinie, Jethro", erwiderte er gespielt beleidigt und verschränkte die Arme vor der Brust. Dieser atmete tief durch, was aber nicht zu seiner Beruhigung beitrug. Er stand hier herum, während irgendwo in Washington wahrscheinlich zu dieser Minute ein Plan geschmiedet wurde, um an Tony heranzukommen. Und ihm war mehr als bewusst, dass dieser die nächste Begegnung mit den Gangstern vielleicht nicht überleben würde. Es war diese Tatsache, die ihm unglaubliche Angst machte, zusätzlich brodelte deswegen eine Mordswut in ihm. McDonald war die einzige Spur die sie hatten, um herauszufinden, wer die Fäden zu dem Mord zog, der auf dem Handy festgehalten wurde. Dass Fornell so gelassen dastand und ihn kauend ansah, brachte schließlich das Fass zum Überlaufen.
Mit einer blitzschnellen Bewegung stützte er seine Arme neben dem Körper des Mannes ab und brachte sein Gesicht so nahe an seines, dass er den Pfefferminzgeruch des Kaugummis wahrnehmen konnte. Der FBI Agent musste unwillkürlich schlucken, als er das wütende Funkeln in Gibbs' Augen sah. Noch nie war es vorgekommen, seit sie sich den Fahrstuhl als Konferenzraum ausgesucht hatten, dass er ihn derart in die Enge getrieben hatte. Sein Gegenüber machte auf ein plötzlich den Eindruck eines wütenden Raubtieres und zum ersten Mal verstand er so richtig, weshalb man dem Chefermittler besser aus dem Weg gehen sollte, wenn er wütend war. Nur leider konnte er nirgendwo hin, war zwischen ihm und der Fahrstuhlwand gefangen.
„Jetzt hören Sie mir genau zu, Tobias", sagte Gibbs mit gefährlich leiser Stimme. „Irgendwo da draußen sind Verbrecher, die dieses Handy zurückhaben wollen, das jemand Tony in die Jackentasche gesteckt hat. Heute Nacht wäre es diesem McDonald fast gelungen ihn umzubringen und das alles nur wegen einem Video, auf dem man nicht viel erkennen kann, außer dass jemand erschossen wurde. McDonald ist die einzige Spur, die wir haben und wir brauchen Informationen über ihn, ist das so schwer zu verstehen?" Er war immer lauter geworden und die Frage hatte er mittlerweile geschrien, unfähig, seine Wut noch länger zurückzuhalten. „Verdammt, Tobias! Hier geht es um das Leben meines Freundes und Sie wollen doch tatsächlich einen Vorteil für sich herausschlagen! Das Einzige, was ich haben will, sind ein paar Informationen über diesen McDonald, die uns dabei helfen könnten, herauszufinden, wer dahinter steckt, um so Tonys Leben zu retten! Eher wird die Hölle zufrieren, bevor ich zulasse, dass ihm etwas geschieht!"
Fornell blickte noch immer in Gibbs' Augen, überrascht von dem Wutausbruch. Aber jetzt konnte er in dem Blau noch etwas anderes als Ärger entdecken – Angst. Der unerschütterliche Chefermittler hatte unverkennbar Angst um seinen Agent und es war diese Tatsache, die es ihm unmöglich machte, auf ihn sauer zu sein, obwohl er ihn angebrüllt hatte. Es war das erste Mal, dass er Gefühle zeigte, die ihn plötzlich so menschlich wirken ließen. Und dann waren da noch seine Worte die ihm nicht mehr aus dem Kopf gingen.
„Das Leben Ihres Freundes?" fragte er leise, wobei er dieses eine Wort besonders betonte. Und mit einem Mal schien die ganze Anspannung von Gibbs abzufallen und er ließ seine Arme sinken. In seiner Wut war ihm gar nicht bewusst geworden, dass er diesen Wortlaut verwendet hatte.
„Ja, Tobias", erwiderte er mit leiser Stimme, lehnte sich gegenüber an die Wand und fuhr sich mit einer Hand über sein Gesicht. „Tony ist nicht nur mein bester Agent sondern auch mein Freund." Er ließ das so im Raum stehen, obwohl er sich mehr als bewusst war, dass die Worte eine doppelte Bedeutung hatten, aber ihm war das egal. Sollte sich Fornell ruhig seine Gedanken darüber machen - was dieser auch tat. Er hatte Gibbs noch nie so gesehen, nicht einmal vor Monaten, als der Undercovereinsatz beinahe schief gegangen und DiNozzo ermordet worden wäre. Damals hatte er sich Sorgen gemacht, aber er hatte keine Angst gehabt, jedenfalls nicht die Angst, die sich vor kurzem in seinen Augen gespiegelt hatte. Es war die Furcht gewesen, einen geliebten Menschen zu verlieren, was er selbst nur zu gut kannte, immerhin war er Vater und liebte seine Tochter über alles. Er wusste nicht, was er machen würde, sollte ihr jemals etwas zustoßen.
Obwohl es mehr als verrückt war, wurde ihm bewusst, dass Agent DiNozzo mehr für Gibbs war als nur ein Arbeitskollege – oder Freund. Er hatte es nicht direkt ausgesprochen, aber es war nicht zu übersehen. Also war der sonst so brummige Chefermittler doch nicht so gefühlskalt wie er es anderen gerne vormachte.
Fornell sah ihm direkt in die Augen und wusste, dass man seine Gedanken von seinem Gesicht ablesen konnte – ein Gesicht, das momentan Verblüffung widerspiegelte. Drei Ex-Frauen – die zweite hatte er selbst geheiratet, was ein riesiger Fehler gewesen war – und dabei hätte er anscheinend die ganze Zeit in einer anderen Richtung suchen müssen, um sein Glück zu finden.
Tobias schüttelte ungläubig den Kopf. „Ich weiß nicht, was ich sagen soll, Jethro", meinte er schließlich leise. „Dann halten Sie am Besten den Mund", erwiderte dieser und verfluchte sich ein wenig, dass er sich so gehen hatte lassen. Er hatte es am Gesicht des anderen erkennen können, dass diesem ein Licht aufgegangen war, was seine Gefühle für Tony betraf. Aber wenn es um seinen Freund ging – und noch dazu um dessen Leben – dann hatte er sich einfach nicht mehr unter Kontrolle. „Wenn Sie es jemanden verraten, können Sie Ihr Testament verfassen", fügte er drohend hinzu, grinste dabei aber. „Ich schweige wie ein Grab." Fornell war erleichtert, dass sich sein Gegenüber wieder beruhigt und ihm nicht den Kopf abgerissen hatte. Die neu gewonnene Erkenntnis musste er noch verarbeiten, aber dafür hatte er nachher noch Zeit.
„Ich werde Agent Sacks und Agent DeLay sagen, Sie sollen alle Informationen die wir über McDonald haben, so schnell wie möglich heraussuchen und Sie Ihnen bringen. Falls Sie Hilfe bei dem Fall brauchen, Sie können immer auf mich zählen." „Danke, Tobias", sagte Gibbs und Erleichterung durchflutete ihn. Nun, vielleicht hatte es auch ein Gutes, dass er dem anderen einen Blick hinter seine sonst so undurchschaubare Fassade gewährt hatte. Und er wusste, Fornell würde kein Wort darüber verlieren. Er stieß sich von der Wand ab und setzte den Fahrstuhl wieder in Gang.
„Kein Ursache", entgegnete der FBI Agent und grinste. „Und viel Glück mit… Sie wissen schon…" Eine Spur verlegen brach er ab, räusperte sich und da ihn Jethro lediglich ansah und ihm nicht den Hals umdrehte, fügte er hinzu: „Viel Glück mit Agent DiNozzo." „Ich dachte, Sie wollten schweigen wie ein Grab?" Aber trotzdem konnte sich Gibbs ein nicht Lächeln verkneifen. Egal wie oft er es leugnete, er mochte Fornell und ihre Freundschaft hatte vor ein paar Minuten eine höhere Stufe erreicht.
„Wollen Sie jetzt einen Kaugummi?" fragte Tobias und holte das Päckchen wieder hervor. „Wieso nicht", erwiderte Gibbs und nahm sich einen Streifen. Als sich ein paar Sekunden später die Türen öffneten, konnte man beiden Männer nicht ansehen, was vor kurzem zwischen ihnen vorgefallen war – sie hatten wieder ihre normalen griesgrämigen Mienen aufgesetzt.

Fortsetzung folgt...
Chapter 29 by Michi
Gibbs' und Fornells Besprechung in ihrem persönlichen Konferenzraum dauerte ungewöhnlich lange. Normalerweise verließen sie innerhalb von ein paar Minuten wieder den Fahrstuhl, aber diesmal schien es wohl leichte Probleme zu geben – nicht dass ich mir Sorgen machen würde, dass sie sich eventuell die Köpfe abrissen. Dafür mochten sie sich viel zu gerne.
Allerdings war es mehr als offensichtlich, dass die Agents, die vor den Aufzugstüren warteten, in naher Zukunft einen Mord begehen würden. Ihre Ungeduld konnte ich sogar von meinem Platz aus erkennen, aber auf die Idee, dass sie die Treppe benutzen konnten, kamen sie wohl nicht, so nach dem Motto: Sport ist Mord. Dabei würde es zwei oder drei von ihnen überhaupt nicht schaden, ein paar Kalorieren zu verbrennen. Bei diesem Wort meldete sich mein Magen unverhohlen zu Wort. Das laute Knurren erreichte sogar Zivas Ohren, obwohl um uns herum Telefone klingelten. Nicht genug, schienen es die FBI Agenten ebenfalls mitbekommen zu haben. DeLay, der sich auf der brusthohen hölzernen Mauer neben dem Schreibtisch meiner Kollegin mit den Ellenbogen aufgestützt hatte, sah mich belustigt mit einer erhobenen Augenbraue an und das Grinsen, das sich auf seinem Gesicht ausbreitete, enthüllte zwei Reihen weiße Zähne. Seit Gibbs und Fornell im Fahrstuhl verschwunden waren, hatte er ein paar Fragen darüber gestellt, wie der Arbeitsablauf beim NCIS so aussah und man könnte den Eindruck haben, er wolle die Bundesbehörde wechseln. In den vergangenen Minuten hatte er mich ständig angesehen. Ich hatte seine Blicke förmlich auf mir gespürt, obwohl ich mich auf die Akte vor mir konzentriert hatte. Das Gefühl, dass er mehr über das Handy wusste, war vollkommen verschwunden und bestätigte mir damit, dass meine Nerven seit dem Einbruch letzte Nacht einfach ein wenig überstrapaziert waren. Noch dazu hatte sich herausgestellt, dass DeLay Magnum mochte, nachdem er Ziva gefragt hatte, ob sie den roten Ferrari auch so super fand. Diese hatte nur mit den Schultern gezuckt und mich damit zum Grinsen gebracht. Wäre der Mann nicht vom FBI, hätte ich mit ihm sofort eine Diskussion über meine Lieblingsserie angefangen, aber so hatte ich meinen Mund gehalten und Akten bearbeitet. Ich traute ihm nach wie vor nicht.
Sacks hatte sich mit verschränkten Armen an die Mauer neben dem breiten Fenster gelehnt und ließ mich nicht aus den Augen. Seit seiner Frage, ob ich ihm gedroht hatte, hatte er kein Wort mehr gesagt, aber ich konnte richtig fühlen, wie schwer ihm das fiel. Ihm schien genauso wie mir klar zu sein, dass wir wohl anfangen könnten, uns gegenseitig zu verprügeln. Das gäbe eine wunderbare Schlagzeile in der Zeitung: Zwei Bundesagenten schlagen sich mitten in einem Großraumbüro.
Aber jetzt, wo er sich mein Magen lautstark zu Wort gemeldet hatte, schaffte er es nicht mehr, gelangweilt an der Wand stehen zu bleiben. Er stieß sich ab und stützte sich wie sein Kollege auf der brusthohen Mauer mit den Ellenbogen ab – allerdings neben meinem Schreibtisch. Ich hätte sogar schwören können, seinen Atem in meinem Nacken zu spüren.
„Hunger, Agent DiNozzo?" fragte er prompt und grinste mich beinahe spöttisch an. „Verdient ihr hier beim NCIS nicht genug, dass ihr euch nichts zu Essen kaufen könnt?" Um meine Fassung bemüht, presste ich meine Kiefer fest aufeinander und versuchte ihn zu ignorieren. „Also, wenn ich hier herauskomme, dann werde ich mir erst einmal einen großen Burger gönnen. Ist zwar nicht gesund, aber hilft hervorragend gegen Hunger." Wütend schlug ich die Akte zu, krallte meine Finger um den Bleistift und wünschte mir, dass es sein Hals wäre. „Was ist eigentlich Ihr Problem, Sacks?" fuhr ich ihn an, mir allzu bewusst, dass meine Stimme viel zu laut war. Überrascht von meinem kleinen Ausbruch, hob er eine Augenbraue. Ich wusste, dass in meiner Nähe keiner mehr arbeitete. Selbst McGees Blicke konnte ich auf meinem Rücken spüren. „Wenn Sie unbedingt jemanden nerven wollen, suchen Sie sich einen Ihrer Kollegen, aber lassen Sie mich in Ruhe! Ansonsten sorge ich gleich dafür, dass Sie in den nächsten Wochen Ihr Essen nur noch durch einen Strohhalm zu sich nehmen können!"
Seine Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen und in ihnen glomm richtige Mordlust auf, aber mir war das egal. Ich hatte heute definitiv keinen Nerv für irgendwelche Scherze, schon gar nicht, wenn sie von so einem aufgeblasenen Kerl kamen. „War das schon wieder eine Drohung, Agent DiNozzo?" fragte er mit gepresster Stimme und beugte sich vor, sodass nicht mehr viel Raum zwischen uns war. „Allerdings, Agent Slacks." Ich sprach seinen Namen bewusst falsch aus und mich hätte es nicht gewundert, wenn er mich beim Kragen meines Hemdes gepackt und zu sich herangezogen hätte.
„Ich könnte Sie wegen Bedrohung eines Bundesagenten verhaften, das ist Ihnen schon klar, oder?" Die Worte hatten unüberhörbar einen spöttischen Unterton angenommen, weshalb ich den Bleistift auf den Tisch knallte, aufsprang und mein Gesicht ganz nahe an seines brachte. „Dann tun Sie es doch! Ansonsten ziehen Sie Leine und lassen mich endlich in Ruhe!" Wir fixierten uns mit den Augen, keiner war bereit, als erstes wegzusehen.
„DiNozzo!" Die laute Stimme von Gibbs ließ mich zusammenzucken und Sacks und ich drehten synchron die Köpfe. Fornell und mein Freund standen nebeneinander neben DeLay, wobei sich die FBI Agenten köstlich zu amüsieren schienen. „Kann man dich nicht einmal alleine lassen, ohne dass du gleich wieder Mist baust?! Und jetzt setz dich auf deinen Stuhl oder ich werde nachhelfen!" Verzweifelt suchte ich nach einem Anzeichen dafür, dass er nicht wütend auf mich war. Ich schluckte, als mir bewusst wurde, dass er es durchaus ernst meinte und so ließ ich mich grummelnd auf den Sessel fallen. Hatte sich denn plötzlich jeder gegen mich verschworen? Ich warf Gibbs einen verletzten Blick zu, der ihn leicht zusammenzucken ließ und schnappte mir eine weitere Akte, allerdings ohne sie aufzuschlagen, da Fornell das Wort ergriff.
„Agent Sacks, Agent DeLay, suchen Sie alles zusammen, was Sie über Jeremy McDonald herausgefunden haben und bringen Sie es anschließend hierher. Falls Gibbs noch weitere Hilfe benötigt, werden wir Sie ihm geben. Und jetzt lassen Sie uns zurückfahren und machen Sie sich an die Arbeit." Tobias sah mich kurz an, nickte leicht und drehte sich um, um zum Fahrstuhl zurückzugehen. Verwundert darüber, dass das FBI ohne weiteres kooperieren würde, klappte mir ein wenig der Mund auf und ich hob überrascht meine Augenbrauen. Wie hatte Jethro das nur hinbekommen? Ziva und ich tauschten einen kurzen ratlosen Blick, der in einem Schulterzucken ihrerseits endete.
Sacks schien genauso verblüfft zu sein und er hatte seinen Ärger mir gegenüber vollkommen vergessen. DeLay nahm das alles gelassen, verabschiedete sich freundlich und folgte seinem Vorgesetzten, der bereits beim Aufzug wartete. „Wollen Sie hier Wurzeln schlagen?" fragte ich in den dunkelhäutigen FBI Agenten, der sich daraufhin wieder mir zuwandte. „Wir sehen uns noch, Agent DiNozzo." „Ist das eine Drohung, Agent Sacks?" Zu meiner größten Verblüffung verzog er seinen Mund zu einem Grinsen, schüttelte den Kopf und ging zu seinen beiden Kollegen.
„Und ich hatte schon gedacht, ihr würdet noch anfangen, euch hier zu schlagen", sagte McGee ein wenig enttäuscht, so als ob er sich bereits auf eine richtige Prügelei gefreut hätte. „Ich habe schon darauf gewartet, dass ihr euch die Köpfe einschlägt", fuhr Ziva fort und grinste spöttisch. „Hört auf, alle beide!" An Gibbs' Schläfe pochte gefährlich eine Ader und als er sich zu mir herunterbeugte, widerstand ich nur knapp dem Drang mit meinem Stuhl zurückzufahren. Er stützte seine Hände auf der Schreibtischplatte ab und brachte sein Gesicht so nahe an meines, dass ich seinen warmen Atem auf meiner Haut fühlen konnte. Unwillkürlich ließ ich meinen Blick zu seinen Lippen schweifen, konzentrierte mich aber gleich darauf auf seine Augen, die mich durchdringend ansahen. „Ich weiß, dass du Agent Sacks nicht leiden kannst, Tony", sagte er überraschend leise – ich hatte schon mit einem Donnerwetter gerechnet, oder mit einer Kopfnuss. „Ich kann es dir nicht einmal verdenken, da er dich ins Gefängnis geschickt hat. Aber du bist Bundesagent, also benimm dich auch so. Das FBI ist bereit, uns zu helfen und somit brauchen wir auch die Unterstützung von Agent Sacks, also reiß dich zusammen. Noch Fragen?" „Ähm…" meinte ich dazu, was ihm ein Lächeln entlockte. Gott, roch dieser Mann gut. Seine Nähe machte mich ganz schwummrig und wären wir nicht mitten in einem Großraumbüro, hätte ich ihn sofort zu mir gezogen, um ihn leidenschaftlich zu küssen.
„Keine Fragen", brachte ich schließlich hervor, was ihn zufrieden nicken ließ und er sich wieder aufrichtete. „Hatte ich auch nicht erwartet", erwiderte er, schenkte mir einen liebevollen Blick und ging schließlich zu seinem Schreibtisch. Ziva sah mich wissend mit erhobener Augenbraue an und ich wusste, sie begann schon wieder, sich Gedanken um mich und Jethro zu machen.
Ich schlug die Akte vor meiner Nase auf, als sich mein Magen schon wieder zu Wort meldete. Grummelnd rieb ich mir darüber und blickte zu Gibbs, der an seinem Platz saß und etwas in seinen Computer tippte. „Boss?!" rief ich, damit er mich auch ja verstand. Er hob seinen Kopf und bedeutete mir mit einem Nicken, dass er hörte. „Ich hätte doch noch eine Frage. Wenn du dir einen Kaffee holst, kannst du mir etwas zu Essen mitbringen? Sonst verhungere ich hier noch." Und da war es wieder, dieses kleine Lächeln, das ich an ihm so mochte. Er überlegte ein paar Sekunden, bevor er meinte: „Sicher. Kein Problem. Ich bringe nur noch kurz Direktor Sheppard auf den neusten Stand." Zufrieden mit seiner Antwort, konzentrierte ich mich wieder auf die Akte, aber gleich darauf hob ich noch einmal meinen Kopf, da ich spürte, wie mich Ziva ansah. „Was?" fragte ich genervt. „Nichts", erwiderte sie unschuldig, schenkte mir aber einen wissenden Blick. Ich konnte es ihr nicht einmal verdenken. Denn wann erklärte sich Gibbs schon einmal widerstandslos bereit, mir Essen mitzunehmen. Grinsend sah ich auf das Schriftstück vor mir. Gott, wie ich diesen Mann liebte.

Fortsetzung folgt...
Chapter 30 by Michi
Es war kurz nach Mittag, als Gibbs das Hauptquartier verließ, um sich seinen wohlverdienten Kaffee zu besorgen – und Essen für Tony. Er hatte ihn so flehend angesehen, dass er nicht anders hatte können, als zu sagen, dass er ihm etwas mitnehmen würde. Außerdem würde es auch eine kleine Entschädigung dafür sein, dass er ihn vorher so angebrüllt hatte. Der kurze Schmerz in seinen Augen hatte ihm wahrscheinlich mehr wehgetan als Anthony selbst, aber in diesem Moment war er wirklich wütend darüber gewesen, dass sich Agent Sacks und sein Freund wie im Kindergarten aufführten – nicht, dass er das nicht schon gewöhnt wäre.
Kopfschüttelnd steckte er seine Hände in die Jackentaschen und atmete die wohltuende kühle Luft ein. Der Regen hatte komplett aufgehört und selbst die Wolken schienen weniger geworden zu sein, aber noch hatte es die Sonne nicht geschafft, sich durchzusetzen. Das bessere Wetter passte auch zu seiner Laune. Irgendwie schien sich alles zum Guten zu wenden. Sie würden die benötigen Informationen über Jeremy McDonald bekommen, ohne dass er etwas dafür tun musste. Dass Fornell wusste, wie seine Gefühle für Tony waren, störte ihn mittlerweile nicht mehr und er wusste, dass dieser seinen Mund halten und kein Wort darüber verlieren würde. Schließlich wollte er ja seinen Kopf noch ein wenig länger behalten.
Aber eine Sache vermieste ihm doch ein wenig seine gute Laune – die Tatsache, dass sein Lieblingscoffeeshop noch immer geschlossen hatte und erst wieder nächsten Montag öffnen würde. Jetzt musste er sich für die verbleibenden Tage ein anderes Geschäft suchen, mit dem Wissen, dass es nirgendwo so guten Kaffee geben würde. Der Dealer, der noch am ehesten sein Grundnahrungsmittel so zubereitete wie er es am liebsten mochte, lag vier Blocks weiter entfernt als der andere. Allerdings störte ihn das nicht sonderlich. Ein kleiner Spaziergang würde ihm sicher nicht schaden und die kühle Luft würde ihm gut tun, um wieder einen freien Kopf zu bekommen.
Ohne lange zu überlegen, bog Jethro in eine ruhige Seitenstraße, die eine Abkürzung war, ein. Hier war kein einziges Auto geparkt und die Häuser waren größtenteils unbewohnt, aber dennoch gepflegt. Die Fenster waren sauber und die Wände vor kurzem gestrichen worden, allerdings würde es sicher nicht lange dauern, bis sie wieder mit Graffitis vollgeschmiert sein würden.
Mit großen Schritten strebte Gibbs dem Ende der menschenleeren Straße zu und er hätte schwören können, den Kaffeeduft bereits zu riechen. Und er wusste, dass ganz in der Nähe ein neues chinesisches Restaurant eröffnet hatte, das laut McGee köstliches Essen hatte. Einfach perfekt, um den Magen seines Freundes zu beruhigen. Er konnte ja schlecht zulassen, dass er verhungerte, während er Akten bearbeitete. Ein liebevolles Lächeln bildete sich auf seinen Lippen, als er an Tony dachte, wie er an seinem Schreibtisch saß und ein Gähnen unterdrückte. Er war unübersehbar müde, was ihn aber unglaublich attraktiv machte. Wie hatte er in den letzten Jahren übersehen können, dass dieser Mann so sexy war, egal was er machte?
Jethro war so in seine Gedanken vertieft, dass er den aufheulenden Motor eines Wagens hinter ihm beinahe nicht gehört hätte. Von dem Geräusch aus seinen Gedanken gerissen, ging er auf die Seite, um nicht überfahren zu werden, blieb stehen und drehte sich um – nur um gleich darauf zu erstarren. Sein Herz fing an schneller zu schlagen, als er den schwarzen Ford erkannte, der ihm und Tony heute Morgen gefolgt war. Obwohl es sicher tausende solcher Fahrzeuge gab, wusste er sofort, dass es das Auto war, das ihnen an der Stoßstange geklebt war. Die getönten Scheiben spiegelten die Häuser wider und machten es ihm unmöglich zu erkennen, wer hinter dem Steuer saß. Innerhalb des Bruchteils einer Sekunde wurde Gibbs klar, das er mächtig in Schwierigkeiten steckte – nicht umsonst war dieser Ford plötzlich hinter ihm aufgetaucht. Ein Zufall konnte das nicht sein.
Wieder ganz Bundesagent, reagierte er blitzschnell und griff nach der Waffe an seiner Hüfte, aber noch bevor er sie ziehen konnte, hörte er Schritte hinter sich. ‚Verdammt', schoss es ihm durch den Kopf, als ihm bewusst wurde, dass er dem anderen Ende der Straße den Rücken zugekehrt hatte. In einer einzigen Bewegung zog er seine Pistole und drehte sich um, um noch zu sehen, dass vor ihm ein bulliger Mann stand, bevor ihn dessen Faust hart am Unterkiefer traf und ihn zurücktaumeln ließ. Schmerz explodierte in seinem Kopf, aber er schüttelte ihn ab. Innerhalb einer Sekunde sah er wieder klar, aber das hatte seinem Gegner gereicht, ein kleines schwarzes Gerät zu ziehen, das er nur zu gut kannte – einen Elektroschocker. Sein Angreifer, dessen Gesicht hinter einer Skimaske verborgen war, grinste ihn hämisch an, was ihm aber wieder verging, als ihn Jethro frontal rammte und mit ihm gegen die gegenüberliegende Hausmauer prallte. Gleich darauf schlug er dem muskulösen Mann seine freie Faust in den Magen und Befriedigung erfüllte ihn, als der andere schmerzhaft aufkeuchte. Aber dieses Gefühl konnte er nicht lange auskosten, als ihn plötzlich ein harter Schlag zwischen die Schulterblätter traf und ihn zu Boden gehen ließ. Unwillkürlich schrie er auf und durch den Aufprall auf dem nassen Asphalt wurde ihm die Waffe aus der Hand geprellt. ‚Dein zweiter Fehler', schoss es ihm noch durch den Kopf. Er hatte den Fahrer des Fords vollkommen vergessen, als ihm bewusst geworden war, dass jemand hinter ihm war.
Den Schmerz in seiner Wirbelsäule ignorierend, wollte Gibbs aufspringen, als ihn ein harter Tritt in den Bauch traf, ihm die Luft aus den Lungen presste und somit diesen Versuch zu Nichte machte. Zwei Paar Hände packten ihn und drehten ihn mit Wucht auf den Rücken, was ihn ein weiteres Mal aufkeuchen ließ. Er wollte sich aufrichten, aber gleich darauf schloss sich eine große Hand um seinen Hals und drückte ihm die Luft ab. ‚Nein, nein, nein', schoss es ihm durch den Kopf und er versuchte verzweifelt, sich gegen den harten Griff zu wehren. ‚Du darfst sie nicht gewinnen lassen.' Aber Jethro war bewusst, dass er verloren hatte. Er hatte sich wie ein Anfänger überrumpeln lassen, nicht gemerkt, dass sich jemand in einem Hauseingang versteckt hatte. Die Umgebung begann vor seinen Augen zu verschwimmen, als die Luft immer knapper wurde. Über ihm tauchten zwei maskierte Gesichter auf. „Angenehme Träume, Agent Gibbs", sagte er Mann, dem er die Faust in den Magen gerammt hatte. Nur am Rande bekam er mit, wie der Angreifer das Wort Agent höhnisch betonte. Er spürte, wie ihm der Elektroschocker seitlich gegen seinen Körper gedrückt wurde. Eine Sekunde später durchfuhr ihn ein explosionsartiger Schmerz, gefolgt von undurchdringlicher Schwärze. Die Geräusche um ihn herum waren wie in Watte verpackt und er spürte fast gar nicht mehr, wie ihn ein zweiter Schock durchfuhr. Seine letzten Gedanken, bevor er in tiefe Bewusstlosigkeit fiel, galten Tony, dem Mann, den er über alles liebte.

Fortsetzung folgt...
Chapter 31 by Michi
In den letzten 10 Minuten war es bereits das achte Mal, dass ich auf meine Uhr gesehen hatte. Die Zeit schien überhaupt nicht zu vergehen, was größtenteils an den mehr als langweiligen Akten vor meiner Nase lag – kombiniert mit meinem knurrenden Magen, der sich gar nicht mehr beruhigen wollte, trotz des Schokoriegels, den ich vor kurzem gegessen hatte. Kaum war Gibbs zu Direktor Sheppard hinaufgegangen, hatte ich mir eine weitere Süßigkeit geschnappt und mit wenigen Bissen verschlungen, was Ziva zu einem Nasenrümpfen veranlasst hatte. Trotz des Zuckerschocks war mein Hunger nicht verschwunden und ich hatte beinahe den Verdacht, dass ich eine Resistenz gegen Schokoriegel entwickelt hatte, da er überhaupt nicht half. Aber ich wusste, dass es nicht mehr allzu lange dauern würde, bis ich etwas Ordentliches zwischen die Zähne bekommen würde. Jethro war nicht lange bei Jen geblieben und nach seinem zufriedenen Gesichtsausdruck zu schließen, hatte sie nichts dagegen gehabt, dass wir das FBI um Hilfe gebeten hatten. Vielleicht hatte sie ohne größere Diskussion eingesehen, dass es von Vorteil war, diesmal mit der Bundesbehörde zusammenzuarbeiten, immerhin ging es um einen mehrfach gesuchten Mörder – und mein Leben.
Und Gibbs hatte mir letzte Nacht gesagt, dass er nicht zulassen würde, dass mir etwas passierte und ich vertraute ihm in dieser Sache. Aber noch wussten wir nicht, von wem die Gefahr ausging und wenn ich ehrlich war, wollte ich es auch nicht wissen. Von mir aus konnten die Verbrecher weiterhin in der Versenkung bleiben, wenn sie mich dadurch in Ruhe ließen. Was hatte ich nur wieder verbrochen, dass ich einmal mehr in Schwierigkeiten steckte? Hatte ich in der Vergangenheit unwissentlich eine höhere Macht verärgert, die sich nun an mir rächte? Oder war es eine Prüfung, die Jethros und meinen Zusammenhalt testete, die zeigen sollte, ob wir auch schwierige Situationen überstehen konnten? Wenn es so war, dann fand ich das nicht gerade lustig. Beinahe wünschte ich mir, dass mein Leben unspektakulärer verlaufen würde. Aber wer wusste, wie es aussehen würde, wenn ich in Baltimore geblieben wäre. Dann wären zwar keine Gangster hinter mir her, aber Gibbs und ich wären auch kein Paar und wenn ich ehrlich war, wollte ich das nicht mehr missen. Egal wie oft ich in Zukunft Probleme anzog, ich hatte jemanden, der sie gemeinsam mit mir durchstand.
Ein Lächeln breitete sich auf meinen Lippen aus und ich sah zum neunten Mal auf die Uhr. Zwei weitere Minuten waren vergangen und damit war es kurz vor eins. Gibbs war mittlerweile knapp eine Stunde weg, was für ihn mehr als untypisch war. Normalerweise brauchte er nie solange, um sich einen Kaffee zu besorgen. Zwar nahm er mir auch etwas zu Essen mit, aber das dauerte keine 60 Minuten – außer das Restaurant oder der Imbiss wäre zum Bersten vollgestopft mit Leuten, die ihren Hunger genauso wie ich stillen wollten. Außerdem wusste ich ja nicht, welchen Coffeeshop mein Freund aufsuchte, da sein üblicher Koffeindealer immer noch geschlossen hatte. Trotzdem konnte der Weg nicht so weit sein, egal ob er zu Fuß oder mit dem Auto unterwegs war. Wenn er fahren würde, musste er ja noch viel schneller zurück sein, was aber definitiv nicht der Fall war.
Ich blickte zu Jethros Schreibtisch. Unwillkürlich verkrampften sich meine Eingeweide und vertrieb mir somit das Lächeln aus meinem Gesicht. Ohne etwas dagegen tun zu können, stieg in mir eine ungute Ahnung auf, die sich festsetzte und sich nicht zurückdrängen ließ, egal wie hartnäckig ich es versuchte. Ein Gefühl der Angst breitete sich in mir aus und schaffte es sogar, meinen Hunger zu dämpfen. Irgendetwas war geschehen, das spürte ich genau und auch wenn ich noch nicht wusste was, würde es mir sicher nicht gefallen, wenn ich es erfuhr. Vielleicht hätte ich Gibbs nicht alleine gehen lassen und ihn begleiten sollen. Aber nachdem wir heute Morgen verfolgt worden waren, hätte er mir sicher nicht erlaubt, das Hauptquartier zu verlassen, egal wie sehr ich versucht hätte, ihn mit meinem Dackelblick weich zu klopfen. Wenn es um die Sicherheit einer seiner Kollegen ging, konnte er stur wie ein Esel sein und ich konnte mir lebhaft vorstellen, dass er mich ohne weiteres irgendwo einsperren würde, nur um zu verhindern, dass die Verbrecher eine Gelegenheit bekamen, einen erneuten Angriff auf mich zu starten. Allerdings hätte ich nichts dagegen, mich in einem Raum einsperren zu lassen, wenn sich Jethro ebenfalls dort befinden würde und wir es uns ein wenig gemütlich machen könnten. Dann würde ich immerhin wissen, dass es ihm gut ging, anstatt mir jetzt Sorgen zu machen, die vielleicht unbegründet waren und nur an meinen etwas überstrapazierten Nerven lagen. ‚Außerdem kann Gibbs hervorragend auf sich aufpassen', versuchte ich mich zu beruhigen. Er war immerhin ein Marine gewesen und somit bereits öfters in gefährliche Situationen geraten und bis jetzt hatte er alles unbeschadet überstanden. Dennoch blieb in mir eine Unruhe zurück, die mir überhaupt nicht gefiel. Meine Eingeweide fühlten sich mittlerweile wie ein harter Knoten an und schienen sich auch in nächster Zeit nicht entspannen zu wollen. Nervös sah ich erneut auf meine Uhr – wieder waren fünf Minuten vergangen, ohne ein Zeichen von meinem Freund.
„Wartest du auf etwas?" fragte Ziva und riss mich aus meinen mehr als deprimierenden Gedanken. Ihr Aktenstoß war in der letzten Stunde um mehr als die Hälfte geschrumpft, wohingegen meiner unverändert hoch auf dem Tisch lag. Der Ordner, den ich mir genommen hatte, als Agent Sacks noch hier gewesen war, war noch immer offen und zeigte noch meinem derzeitigen Arbeitseifer.
„Auf mein Essen", antwortete ich schließlich knapp und versuchte mir nicht anmerken zu lassen, dass ich mir große Sorgen machte und verbarg sie hinter einer sorglosen Miene. Immerhin zeigte ich es nie offen wenn ich einmal Angst hatte und ich würde jetzt auch nicht damit anfangen. „Schon vergessen? Ich bin halb am verhungern." Ziva hob bei meinen Worten eine Augenbraue und beugte sich etwas vor, wobei sie sich mit ihren Unterarmen auf den Akten abstützte. Eine Strähne ihres Haares fiel ihr ins Gesicht, aber sie schien es gar nicht zu merken, so sehr war sie auf mich fixiert.
„Dein Wohlergehen liegt Gibbs anscheinend sehr am Herzen, ansonsten hätte er sich nie so schnell bereit erklärt, dir Essen mitzunehmen", sagte sie und grinste, wodurch ich frustriert aufseufzte. Es hätte mich auch gewundert, wenn sie nicht wieder davon angefangen hätte. Ich konnte es ihr aber nicht verdenken, denn Jethro war sonst nie darauf bedacht, dass wir etwas zu Essen bekamen, geschweige denn, dass er uns einmal gefragt hätte, ob er uns auch einen Kaffee mitbringen sollte. Diese Tatsachen und die anderen Szenen, die sie beobachtet und vor ein paar Stunden aufgezählt hatte, waren Grund genug, sich Gedanken darüber zu machen und sie schien das die ganze Zeit über getan zu haben. Aber jetzt hatte ich definitiv keinen Nerv für ihre Spekulationen, zu sehr war ich darauf bedacht, mich nicht verrückt zu machen, weil Gibbs noch nicht zurückgekehrt war.

„Fang nicht schon wieder damit an", erwiderte ich sichtlich genervt und schenkte ihr zur Unterstreichung meiner Worte einen ärgerlichen Blick, der sie allerdings nicht aus dem Konzept brachte. „Und wieso nicht?" wollte Ziva sogleich wissen und beugte sich noch weiter vor. „Hast du vielleicht Angst, ich könnte etwas herausfinden, was dir unangenehm ist?" Ich schüttelte den Kopf und verfluchte nicht zum ersten Mal ihre Neugierde. „Es gibt nichts, was mir unangenehm ist, außer deine unablässigen Fragen, die mir langsam aber sicher auf den Geist gehen." Meine Stimme war lauter als beabsichtigt geworden und selbst McGee schien seine Arbeit zu vergessen, um ja nichts von unserer Auseinandersetzung zu verpassen. „Wo liegt eigentlich das Problem?" fauchte Ziva zurück und kniff ihre Augen zu Schlitzen zusammen. „Wenn etwas zwischen dir und…" Aber auch diesmal kam sie nicht dazu, die Worte auszusprechen, die ihr auf der Zunge lagen, da mich erneut mein Handy rettete. Hastig – und dankbar - griff ich danach, klappte es auf und atmete erleichtert auf, als Gibbs' Name auf dem kleinen Display erschien. Wahrscheinlich wollte er mir endlich Bescheid sagen, dass er sich verspäten würde - als wenn ich das nicht schon längst bemerkt hätte. Ich nahm das Gespräch nach dem dritten Klingeln an. „Hey, wo steckst du? Ich habe mir schon Sorgen gemacht", sagte ich, obwohl mir bewusst war, dass Ziva jedes Wort verstehen konnte. Aber das war mir momentan ziemlich egal, sollte sie sich ruhig in ihrer Vermutung bestätigt fühlen.

Eine Sekunde war es am anderen Ende der Leitung still, bis ein lautes Lachen erklang, das so eiskalt war, dass sich mir unwillkürlich meine Nackenhärchen aufstellten. Plötzlich wurde mir klar, dass es nicht Jethro war, der mich da anrief und auf einmal wurde meine vorherige Ahnung grausame Realität und die Angst in meinem Inneren wurde größer. „Wie süß", meldete sich schließlich eine mir unbekannte Stimme, deren Klang hervorragend zu dem kalten Lachen passte. „Da hat sich wohl jemand wirklich Sorgen gemacht und das zu Recht, wie ich sagen würde. Vermissen Sie zufällig jemanden, Agent DiNozzo?" Bei der Frage krampfte ich meine Hand, die das Handy hielt, so fest zusammen, dass sich das Plastik des kleinen Gerätes unangenehm in meine Haut bohrte. Der höhnische Klang, der sich in die Stimme dazugesellt hatte, ließ zusätzlich zu meiner Angst Wut aufsteigen und ich hatte Mühe, ruhig zu bleiben und nicht loszubrüllen. Mein Gefühl, dass heute noch etwas geschehen würde, hatte sich also bestätigt, aber ich hätte nie damit gerechnet, dass sie es auf Gibbs abgesehen hatten. Verdammt, wieso war er bloß alleine losgegangen? Wieso hatte ihn niemand begleitet? Wäre er vielleicht gar nicht erst hinausgegangen, wenn ich keinen Hunger gehabt hätte? Der Appetit war mir mit einem Schlag vergangen und der Schokoriegel lag mir bleischwer in meinem Magen.
„Sie Mistkerl", zischte ich verächtlich und zog damit sofort die Aufmerksamkeit von Ziva und McGee auf mich, die mich verwundert ansahen. „Wenn Sie ihm auch nur ein Haar gekrümmt haben oder krümmen werden, dann schwöre ich bei Gott, dass Sie den Tag nicht überleben werden." „Was ist los, Tony?" fragte Tim und stand auf, aber ich ignorierte ihn. Für mich zählte nur noch, dass sich Gibbs jetzt in der Gewalt der Gangster befand, die die ganze Zeit hinter mir her waren. „Oh, jetzt habe ich aber Angst. Mir schlottern bereits die Knie. Werden Sie dabei ein Messer verwenden, so wie Sie es bei meinem Freund getan haben?" Nun war es an ihm, leise zu zischen, der höhnische Ton war aus seiner Stimme verschwunden und hatte Wut Platz gemacht. „Ein stumpfes, damit es schön schmerzt", erwiderte ich aus einem Impuls heraus. „Damit Sie mehr jammern als ihr Kumpel, bevor er in meiner Küche gestorben ist." „Passen Sie auf, was Sie sagen. Ich muss nur meine Waffe ziehen und schon ist Ihr Freund tot, haben wir uns da verstanden?" Mit einem leisen Geräusch brach ich den Bleistift in meiner linken Hand entzwei und hätte die beiden Stücke am liebsten quer durch das Büro geschleudert. „Gibbs hat mit alldem nichts zu tun!" schrie ich, unfähig meine Wut zurückzuhalten. „Lassen Sie ihn in Ruhe!" Nur am Rande bekam ich mit, wie sich Ziva und McGee geschockte Blicke zuwarfen und ihnen langsam dämmerte, was vor sich ging. „Sie haben sich ja noch immer nicht unter Kontrolle. Wo soll ihn die Kugel treffen? Vielleicht in der Schulter oder im Knie? Oder noch besser, im Bauch? Ihre Entscheidung." „Warten Sie", sagte ich ganz schnell und was noch wichtiger war, viel ruhiger. Seine Worte hatten zwar meine Wut nur noch mehr geschürt aber der Teufel sollte mich holen, wenn ich schuld daran war, dass sich Jethro wegen mir eine Kugel einfing. Es reichte schon, dass er wegen mir in den Fängen von diesen Verrückten war. „Lassen Sie uns in Ruhe darüber sprechen." „Ah, da scheint endlich jemand einzusehen, dass es unklug ist, mich anzubrüllen. Kluge Entscheidung, Agent DiNozzo." „Was wollen Sie?" stellte ich endlich die Frage, die mir die ganze Zeit auf der Zunge gelegen hatte, deren Antwort ich aber bereits kannte. Für ein paar Sekunden war es am anderen Ende der Leitung ruhig, ich konnte nur Rauschen hören und glaubte bereits, dass die Verbindung unterbrochen worden war, als sich der Unbekannte erneut meldete: „Was wohl? Das Handy natürlich. Und fangen Sie ja nicht an, sich dumm zu stellen und mir vormachen zu wollen, dass Sie keine Ahnung haben, wovon ich rede." „Das hatte ich auch nicht vor." Ich setzte mich aufrecht hin und blickte zu meinen beiden Kollegen, die jetzt vor meinem Schreibtisch standen und jedes meiner Worte verfolgten. Sorge stand in ihre Gesichter geschrieben, aber sie verspürten nicht die Angst, die
ich hatte und die mich beinahe verrückt machte.
„Eine weitere kluge Entscheidung. Jetzt hören Sie mir gut zu, denn ich werde mich nicht wiederholen. In ein paar Minuten werden Sie eine E-Mail bekommen, in der eine Adresse steht, zu der Sie mit dem Handy in genau zwei Stunden kommen und zwar alleine und unbewaffnet, sonst ist Ihr Freund schneller tot als Sie blinzeln können. Ist das klar?" „Glasklar", presste ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und schleuderte die Bruchteile des Bleistiftes auf meinen Tisch. „Kann ich mit Gibbs sprechen? Ich will mich davon überzeugen, dass er noch lebt." Die Angst, dass er vielleicht schon tot war, ergriff von mir Besitz und ließ mich nicht mehr klar denken. „Das ist zurzeit nicht möglich", antwortete der Mann und der höhnische Klang war in seine Stimme zurückgekehrt. „Was soll das heißen?" wollte ich wissen und Panik stieg in mir auf, was man mir auch anhören konnte, aber ich machte keinen Versuch, sie zu unterdrücken. „Das soll heißen, dass er noch bewusstlos ist. Er hat es uns nicht gerade leicht gemacht. Aber mit der E-Mail werden Sie einen Beweis bekommen, dass Ihr Freund noch lebt. Also, von jetzt an zwei Stunden. Wenn Sie eine Sekunde zu spät auftauchen, sehen Sie ihn nie wieder." Gleich darauf konnte ich nur mehr ein lautes Tuten hören, das mich zu verspotten schien. Obwohl der Unbekannte bereits aufgelegt hatte, war ich unfähig, das Handy aus meiner Hand zu legen, zu sehr war ich noch von dem Gespräch eingenommen. Adrenalin strömte durch meinen Körper und ich verspürte eine Angst wie noch nie in meinem Leben. Das soll heißen, dass er noch bewusstlos ist. Er hat es uns nicht gerade leicht gemacht. Die Worte hallten noch immer laut in meinem Kopf wider und verdrängten alle anderen Geräusche in der Umgebung. Gibbs hatte sich also gewehrt und sich nicht einfach entführen lassen. Es hätte mich auch gewundert, wenn er sich kampflos ergeben hätte, aber dass er nun bewusstlos war, gefiel mir gar nicht. Ich hätte zu gerne von ihm selbst gehört, dass es ihm gut ging, dass er nicht verletzt war, aber so musste ich warten, musste auf die E-Mail warten, die angeblich einen Beweis enthielt, dass er noch lebte.
Zu der Angst, die mich quälte, kamen nun auch Schuldgefühle dazu. Wäre ich gestern nicht in das Einkaufszentrum gefahren, hätte mir keiner ein Handy zustecken können, mit dem ein Mord gefilmt worden war. Andererseits konnte ich auch Gibbs' Kaffeesucht die Schuld geben. Hätte ich nicht die Angst gehabt, dass er wegen zu wenig Koffein schlechte Laune haben würde, hätte ich auch keinen Umweg eingelegt. Und hätten sich die Gangster auch an ihm vergriffen, wenn sie nicht gewusst hätten, dass wir beide zusammen waren? Deshalb stellte sich die Frage, woher sie das erfahren hatten, denn noch hatten wir es keinem gesagt. ‚Sie haben euch beobachtet', schoss es mir durch den Kopf und ließ meine Eingeweide noch mehr verkrampfen. Vage erinnerte ich mich daran, dass die Vorhänge vor meiner Terrassentür nicht zugezogen waren und man einen wunderbaren Blick in mein Wohnzimmer hätte werfen können, hätte sich jemand in meinem Garten aufgehalten. Und so musste es sich auch abgespielt haben. Die Erkenntnis traf mich mit einer Wucht, die mich beinahe von meinem Stuhl geworfen hätte und ich kam mir irgendwie beschmutzt vor, bei dem Gedanken, dass jemand mich und Jethro beobachtet hatte, wie wir uns gegenseitig von unseren Kleidungsstücken befreit hatten. Meine Entscheidung, uns ins Schlafzimmer zurückzuziehen, war im jetzt Nachhinein mehr als richtig gewesen und ich schwor mir, ab sofort überall immer die Vorhänge zuzuziehen, nachdem meine Privatsphäre derart verletzt worden war.
Langsam, so als ob mein rechter Arm keine Kraft mehr hätte, ließ ich das Handy schließlich sinken und klappte es wie in Trance zu. Ich hatte nicht mehr ganz zwei Stunden und hatte die E-Mail noch immer nicht erhalten. Was wäre, wenn sie sie nicht schicken würden? Was wäre, wenn…
„Tony?" McGees Stimme holte mich in die Wirklichkeit zurück und mit einem Mal waren die lauten Geräusche des Großraumbüros wieder präsent, verdeutlichten mir noch mehr, dass mir Gibbs wohl kein Essen bringen würde, wobei mir der Hunger mehr als vergangen war und ich in diesem Moment sicher keinen einzigen Bissen hinunterbringen würde.
„Was ist los?" Ich hob meinen Kopf und sah zu Tim, der vor meinem Schreibtisch stand und mich leicht verwirrt anblickte, was ich ihm nicht einmal verdenken konnte. Aber dennoch hätte ich erwartet, dass er bereits wusste, was vorgefallen war. „Was los ist?!" wiederholte ich seine Frage eine Spur zu laut, in dem Bewusstsein, dass es nicht gerecht war, wenn ich meine Wut auf die Entführer an ihm ausließ. Aber momentan war niemand anderer hier, weshalb er ein wunderbares Ziel bot. „Die haben Gibbs, das ist los!" schrie ich und merkte wie sowohl McGee als auch Ziva zusammenzuckten, als ich meine Stimme erhob. „Was… was soll das heißen, die haben Gibbs?" wollte er zögerlich wissen und am liebsten hätte ich ihm jetzt bei seinem Unverständnis den Kopf abgerissen. „Das soll heißen, jemand hat ihn entführt", übernahm Ziva die Antwort, wahrscheinlich aus Angst, ich würde noch irgendetwas Unüberlegtes tun. „Jemand hat es geschafft, Gibbs zu entführen?" Tim klappte der Mund ungläubig auf. Ich fuhr mir frustriert durch meine Haare und brachte sie noch mehr durcheinander. Seine Verblüffung war verständlich, denn wer rechnete schon damit, dass der Chefermittler je in die Fänge von Gangstern geraten würde. Die waren mehr als strohdumm und lernten anscheinend nicht aus ihren Fehlern. Es war nicht klug, sich mit Jethro anzulegen, schon gar nicht, weil er wütend war, da sie eigentlich hinter mir her waren. Und jetzt war er statt ich bei diesen Männern. Eigentlich sollte ich derjenige sein, der in Schwierigkeiten steckte und nicht er.
„Verdammt", entfuhr er es mir und ich vergrub mein Gesicht in meinen Händen. Die Schuldgefühle drohten mich erneut zu übermannen und blockierten mein logisches Denken. Wieso hatten sie sich nicht einfach mich schnappen können, anstatt Gibbs? ‚Weil du das Hauptquartier den ganzen Tag über nicht verlassen hättest, darum', gab ich mir selbst die Antwort und sah wieder auf. Es war mehr als offensichtlich, dass sie dachten, wir könnten noch mehr über das Video herausfinden. Aber woher hatte der Mann überhaupt gewusst, dass wir es gefunden hatten? Das hatten wir niemandem außer dem FBI gesagt. Oder gab es sogar hier im Großraumbüro unsichtbare Lauscher? Wie und wann die Verbrecher herausgefunden hatten, dass Abby das Video gefunden hatte, war jetzt unwichtig, wichtig waren nur Gibbs und die Tatsache, dass ich ihn da rausholen musste, auch wenn ich mich dafür in die Höhle des Löwen begeben musste.
„Was wirst du nun machen?" wollte Ziva wissen und fing an, eine Haarsträhne um ihren Zeigefinger zu wickeln. „Was wohl? Ich werde ihn da rausholen." „Ganz alleine? Das kannst du vergessen, Tony. Wir sind ein Team und…" „Aber ich muss alleine dahin. Der Anrufer hat mir mehr als deutlich gemacht, dass Gibbs tot ist, wenn er auch nur einen Begleiter sieht." „Aber…" Ihre Worte gingen jedoch ein wenig in dem Piepsen meines Computers unter, der ankündigte, dass ich eine E-Mail erhalten hatte. Meine Kollegen und ihre noch immer leicht ungläubigen Mienen ignorierend, öffnete ich die Nachricht und holte unwillkürlich tief Luft, bevor ich sie anhielt. Das Bild, das sich meinen Augen zeigte, brannte sich in meine Netzhaut ein und ich wusste, es würde lange dauern, bis ich es aus meinem Gehirn bringen würde. Ich spürte förmlich, wie mir alle Farbe aus dem Gesicht wich und sich meine Hände zu Fäusten ballten. Nur am Rande bekam ich mit, wie Ziva und McGee meinen Schreibtisch umrundeten, sich hinter mir stellten und erstarrten, als sie das Foto sahen, das unübersehbar erst vor kurzem aufgenommen worden war. Ein Seil, das an der Decke befestigt war, war um Gibbs' Handgelenke gewickelt und zog seine Arme nach oben, was mir alleine beim Zusehen Schmerzen in den Schultergelenken verursachte. Sein Kopf hing nach unten und seine Augen waren mit einem schwarzen Tuch verbunden. Er wurde nur durch das Seil, das sich sichtlich unangenehm in seine Haut grub, aufrecht gehalten. Die Jacke, die er getragen hatte, war verschwunden, genauso wie sein Jackett. Er hatte nur noch sein Poloshirt und das weiße T-Shirt darunter an und beide waren kurzärmelig. Da um ihn herum nur graue Betonwände waren, war anzunehmen, dass er sich in einem Keller befinden und es dementsprechend kühl sein musste. Vielleicht war es ganz gut, dass er ohne Bewusstsein war, so fror er wenigstens nicht. Da Gibbs keine sichtbaren Verletzungen aufwies, war er anscheinend wirklich am Leben, außer sie hätten ihm das Genick gebrochen oder ein Messer in den Rücken gerammt, so wie ich es bei dem Einbrecher gemacht hatte. ‚Hör auf dich selbst verrückt zu machen', schalt mich gleich darauf und stieß meinen angehaltenen Atem aus. Außerdem hätten sie ihm nicht die Augen verbunden, wenn er bereits tot wäre und es bestand somit immerhin die Chance, dass er lebend aus dieser Sache herauskommen würde. Für mich war es offensichtlich, dass Jethro die Gesichter der Männer nicht gesehen hatte, was mir wieder neuen Mut verlieh. Ich durfte mich jetzt erst Recht nicht unterkriegen lassen, immerhin lag sein Leben von nun an in meinen Händen und ich schwor mir, ihn da rauszuholen, koste es, was es wolle. Und noch bevor es Abend wurde, würde ich ihn höchstpersönlich nach Hause fahren und ihn von vorne bis hinten verwöhnen, während die Gangster, die ihm das angetan hatten, im Knast schmorten – oder in der Hölle.
„Und ich hätte gedacht, das wäre ein Scherz", sagte McGee und durchbrach somit unser Schweigen. „Du hast wirklich geglaubt, ich mache Scherze, Bambino?!" brüllte ich beinahe, wodurch er ein paar Zentimeter zurückwich, wir uns aber weiterhin anblickten. „Hör auf, deine Wut an mir auszulassen", erwiderte er schließlich trotzig und reckte sein Kinn. „Das ist leichter gesagt als getan! Es ist ja nicht deine Schuld, dass Gibbs knietief in der Scheiße sitzt!" „Und auch nicht deine", mischte sich Ziva ein und riss ihren Blick von dem Bild los. „Wenn jemand etwas dafür kann, dann diese Männer, die ihn entführt haben. Also hör auf, dir Selbstvorwürfe zu machen. Das hilft ihm jetzt auch nicht." Ich atmete tief durch, beruhigte mich langsam und nickte. „Du hast Recht. Es ist nur so, dass es sich anfühlt, als ob es meine Schuld wäre, aber darüber kann ich mir auch nachher Gedanken machen. Jetzt werden wir versuchen, ihn da rauszuholen." Bei dem Wort wir hellten sich ihre Mienen auf und ich war wieder ganz Bundesagent, wobei die Angst um meinen Freund präsent war, aber mittlerweile hatte ich sie unter Kontrolle.
Mit neuer Zuversicht scrollte ich die Mail nach unten und somit verschwand das Bild von Jethro aus meinem Blickfeld, aber dennoch blieb es in meinem Gehirn bestehen. Ich prägte mir die Adresse ein, die am Stadtrand von Washington lag und von der ich wusste, dass es eine nicht gerade nette Gegend war und dort vor allem arme und arbeitslose Menschen wohnten. Ein hervorragendes Gebiet, um einen Bundesagenten zu verstecken, oder ihn umzubringen. Bevor meine Gedanken jedoch erneut in eine deprimierende Richtung wandern konnten, schloss ich die Mail und stand auf.
„McGee, ruf Fornell an und sag ihm was passiert ist. Er soll sofort herkommen. Wenn wir Gibbs da lebend rausholen wollen, brauchen wir die Unterstützung des FBI." „Und was machst du?" fragte er, während er zu seinem Schreibtisch eilte und nach dem Telefonhörer griff. „Ich werde mir das Handy von Abby holen. Und wenn ich wieder zurück bin, will ich Fornell hier sehen." Damit ließ ich meine Kollegen stehen und eilte zum Treppenhaus, da ich nicht auf den Fahrstuhl warten wollte. Jede Minute zählte und ich wusste, ich würde mindestens eine halbe Stunde brauchen, um bei der Adresse anzukommen. Also blieben mir noch knapp 60 Minuten, um mir einen sinnvollen Plan auszudenken. ‚Halte durch, Jethro', dachte ich, in der Hoffnung, die stummen Worte würden ihn erreichen. Ich wusste, er würde sicher nicht aufgeben und wenn ich ihn gefunden hatte, dann gnade den Männern Gott – denn ich würde bestimmt keine walten lassen.

Fortsetzung folgt...
Chapter 32 by Michi
Irgendwo in Washington
Zur selben Zeit


Klamme und vor allem feuchte Kälte war das Erste was Gibbs spürte, als er langsam aber sicher aus einer tiefen Bewusstlosigkeit erwachte. Sein Gehirn fühlte sich wie durch einen Mixer gedreht an und schien jede Menge Löcher zu haben, durch die träge Gedanken und Erinnerungen strömten und es ihm unmöglich machten, sie zu fassen zu bekommen. Zusätzlich erschwerte ein unangenehmes und stechendes Pochen unter seiner Schädeldecke, dass sich Bilder in seinem Kopf formten, die ihm eventuell verraten konnten, weshalb es an diesem Ort so kalt war und er sich hier befand, anstatt in wärmeren Gefilden. Vage erinnerte er sich, dass es Frühling war, aber wieso fühlte es sich an, als ob Winter wäre? Und wieso trug er dann keine warme Kleidung, die ihn davor schützte, sich eine Lungenentzündung einzufangen? Kälte. Für einen kurzen Moment sah er eine ruhige Seitenstraße vor sich, die vor Nässe glänzte und hörte ein lautes Motorengeräusch, aber bevor er diesen Gedanken fassen konnte, verflüchtigte er sich wieder ein den unendlichen Weiten seiner Nervenzellen, die nicht richtig zu funktionieren schienen. Was hatte er nur angestellt, dass er sich so mies fühlte? Hatte er vielleicht zu viel von seinem Whiskey getrunken und war dann auf die Straße getorkelt, um sich irgendwo schlafen zu legen? Aber wieso hatte er dann das Gefühl, von irgendwo herunterzuhängen, anstatt in der Horizontalen zu liegen? Und weshalb schmerzten seine Schultergelenke beinahe unerträglich, so als ob sie sein gesamtes Körpergewicht tragen würden?
Vorsichtig versuchte Jethro seine Arme zu bewegen und sie herunterzuziehen, scheiterte aber kläglich. Erst jetzt bemerkte er etwas Raues, das um seine Handgelenke gewickelt war, seine Haut wund rieb und verhinderte, dass er viel Bewegungsfreiheit hatte. Langsam tastete er mit seinen Fingern umher, die gleich darauf ein Seil umfassten, das sich wie eine halbdicke Schlange anfühlte. Seine Vermutung, dass er irgendwo hing, bestätigte sich damit. Jedoch konnte er unter seinen Füßen festen Boden spüren, der leise knirschte, als er sich etwas aufrichtete und somit seine überstrapazierten Schultergelenke ein wenig entlastete. Vor allem das Rechte schmerzte ziemlich und schien förmlich in Flammen zu stehen, so als ob sich unbarmherzig kleine spitze Nadeln hineinbohren würden.
Durch die Kälte wurde die dichte Schwärze der Bewusstlosigkeit zurückgedrängt und ließ Gibbs langsam aber sicher vollkommen in die Realität zurückkehren. Blinzelnd versuchte er seine Augen zu öffnen, musste aber feststellen, dass er nichts sehen konnte, egal wie sehr er sich bemühte. Ein Tuch, das im Gegensatz zu dem groben Seil weich war, verhinderte, dass er von seiner Umgebung mehr als undurchdringliche Dunkelheit wahrnahm. Kein einziger Lichtschimmer drang durch den Stoff, der seine Augen verband und zum ersten Mal in seinem Leben wusste er, was es bedeutete, blind zu sein. Dafür funktionierten seine anderen Sinne hervorragend. Seine Ohren registrierten das leise Tropfen von Wasser, das in regelmäßigen Abständen auf dem Boden aufkam. Irgendwo war ein leises ächzendes Geräusch zu hören, was ihn an alte Wasserrohrleitungen erinnerte und es war das Tappen kleiner Pfoten zu hören, die entweder von einer Ratte oder einer Maus stammen mussten – nicht dass er sich vor Nagetieren fürchtete. Solange sie nicht beschlossen ihn anzuknabbern, konnten sie hier herumrennen, so lange sie wollten.
In dem Bestreben, seine Kopfschmerzen ein wenig zu lindern, sog Jethro die kühle Luft tief in seine Lungen und stellte fest, dass sie modrig und leicht nach Fäulnis roch. Moder und Kälte. Von einer Sekunde auf die andere wurde ihm bewusst, dass er sich in einem Keller befinden musste. Aber wie kam er hierher? Weshalb hing er gefesselt von einer Decke, noch dazu mit verbundenen Augen? Unruhig drehte er seinen Kopf hin und her, in der Hoffnung, etwas erkennen zu können, aber Fehlanzeige. Frustriert ließ er seine Wange gegen seinen rechten Oberarm sinken und versuchte, das Tuch durch Auf- und Abwärtsbewegungen zu entfernen, scheiterte aber kläglich, nur um gleich darauf einen Versuch zu starten, sich von dem Seil zu befreien. Er zog und zerrte daran, aber der einzige Erfolg war aufgeschürfte Haut und ein Brennen, das ihn in seinem Tun inne halten ließ.
Für kurze Zeit hielt Gibbs still, dann richtete er sich noch mehr auf, um seine Gelenke weiter zu entlasten. Seine rechte Schulter pochte schmerzhaft und er hatte den Eindruck, als ob sie verletzt wäre. Verletzung – und plötzlich waren die Erinnerungen da. Die Blockade in seinem Gehirn fiel in sich zusammen und eine Bilderflut strömte an seinem inneren Auge vorbei, ließ ihn unwillkürlich leise aufstöhnen. Erneut sah er die ruhige Seitenstraße vor sich, die er entlang ging, seine Gedanken ganz bei Tony, nur um gleich darauf ein lautes Motorengeräusch zu hören. Ein kurzer Kampf, den er verloren hatte, als er einem zweiten Mann den Rücken zugekehrt hatte. Ein Elektroschocker, der ihn in tiefe Bewusstlosigkeit geschickt hatte und der der Grund für seine Kopfschmerzen war. In seinem Gehirn entstand ein Bild von Anthony, der ihn mit seinen grünen Augen liebevoll ansah und ihn strahlend anlächelte. Jethro konnte seine weichen Lippen förmlich spüren, seine Finger, die in ihm ein Feuer der Leidenschaft entfacht hatten. Für einen kurzen Moment vergaß er, dass er sich in den Fängen von irgendwelchen verrückten Gangstern befand und konzentrierte sich ganz auf seinen jungen Freund, an dem er einfach alles liebte. Und es war diese Liebe, die eine herrliche Wärme von seinem Herzen ausströmen ließ und die Kälte in den Hintergrund verbannte. Aber gleich darauf verschwand Tonys Bild wieder, als er Schritte hörte, die sich ihm näherten, gefolgt von lautem Atmen. Nach dem Gang zu urteilen, musste derjenige schwer sein und er bewegte sich mit der Grazie von einem Elefanten.
Unwillkürlich versuchte sich Gibbs noch weiter aufzurichten und spannte seine Muskeln an. Er konnte seinen Besucher nicht sehen, dafür aber wunderbar hören. Hoffnung, dass er lebend hier herauskommen würde, keimte in ihm auf. Weshalb hätten sie ihm sonst die Augen verbunden? Wenn sie vorhatten, ihn umzubringen, dann hätten sie sich gleich zu erkennen geben können, außer sie wollten ihn mit der absichtlichen Blindheit quälen. Jethro drehte seinen Kopf in die Richtung, aus der die Schritte immer näher kamen und schließlich inne hielten.
„Ah, da ist endlich jemand aufgewacht. Willkommen zurück, Agent Gibbs", sagte eine eiskalte Stimme und er erkannte daran sofort den Mann, der ihm angenehme Träume gewünscht hatte, kurz bevor er den Elektroschocker ausgelöst hatte. Seine Einschätzung, dass der Mann schwer sein musste, hatte sich also bestätigt, aber er bestand nicht aus Fett, sondern aus Muskelmasse und er hatte einen verflucht harten Schlag, wie er aus Erfahrung wusste. Sein Unterkiefer tat ihm noch immer ein wenig weh, war aber durch den Schmerz in seinen Schultergelenken untergegangen.
„Wer sind Sie?" fragte er mit leicht kratziger Stimme, was ihm unangenehm war, aber das ließ er sich nicht anmerken. Für ein paar Sekunden war nichts zu hören, dann erklangen Schritte, als der Mann weiter in den Raum trat und irgendwo links von ihm zum Stehen kam. Wie er es hasste, nichts sehen zu können. Er wollte unbedingt in das Gesicht desjenigen blicken, der ihm und Tony das antat, allerdings bezweifelte er ein wenig, dass dieser Schläger der Drahtzieher war.
„Sie wollen wissen, wer ich bin?" stellte der andere eine Gegenfrage, wobei seine Stimme höhnisch klang. „Ich bin Ihr schlimmster Albtraum, aber Sie können mich Gary nennen." „Gary also", erwiderte Gibbs, wobei es ihn nicht sonderlich interessierte, ob das der richtige Name war oder nur ein Pseudonym. „Sie wissen schon, dass Sie wegen Entführung eines Bundesagenten lange ins Gefängnis wandern werden." Ein lautes Lachen, das mehrfach von den Wänden zurückgeworfen wurde, erklang und ließ seine Ohren klingeln. „Der war echt gut", kicherte der Mann und kam näher an ihn heran. „Aber ich muss Sie enttäuschen. Ich werde nie einen Knast von innen sehen." „Wahrscheinlich nicht, da ich Ihnen vorher höchstpersönlich eine Kugel durch Ihr Hirn jagen werde", erwiderte Jethro und im selben Augenblick wurde ihm klar, dass dieser Satz wohl eher zu Tony passte als zu ihm. Normalerweise war es dessen Part, in riskanten Situationen den Mund viel zu weit aufzureißen.
Gary hielt in seinem Kichern inne und gefährliche Stille breitete sich für ein paar Sekunden aus, bevor er schließlich das Schweigen brach: „Das hat Ihr Freund vor ein paar Minuten ebenfalls zu mir gesagt", meinte er feixend und Gibbs zuckte unwillkürlich zusammen. Dieser Typ hatte mit Anthony gesprochen? Hatten sie ihn vielleicht ebenfalls erwischt und er war nur einen Raum von ihm getrennt? Bei dem Gedanken überkam ihn Angst, aber äußerlich blieb er ruhig und ließ sich nichts anmerken.
„Wenn ich so darüber nachdenke, hat er es anders formuliert", fuhr Gary fort und stellte sich direkt vor ihn hin, sodass er den leicht stinkenden Atem auf seinem Gesicht fühlen konnte. „Er hat gemeint, mir solle Gott gnaden, wenn Ihnen ein Haar gekrümmt wird." Erneut breitete sich Stille aus und nur das Ächzen der Rohre und das stetige Tropfen von Wasser war zu hören. Jethro spannte unwillkürlich seine Muskeln an und wartete darauf, dass der andere wieder etwas sagte. Verzweifelt versuchte er irgendetwas durch das Tuch hindurch zu erkennen, aber ihn umgab nichts als Schwärze. Die Sekunden verstrichen, ohne dass etwas passierte, bis er schließlich das leise Rascheln von Stoff hörte und ihn gleich darauf ohne Vorwarnung ein harter Schlag im Gesicht traf, wodurch sein Kopf mit einem Ruck zur Seite geschleudert wurde. Vor seinen Augen blitzten kleine Sternchen auf und der Schmerz ließ ihn beinahe aufschreien. Blutgeschmack breitete sich in seinem Mund aus, aber er widerstand dem Drang, auf den Boden zu spucken.
„Jetzt bin ich aber enttäuscht", sagte Gary spöttisch. „Kein Blitz, der mich niedergestreckt hat. Der Allmächtige scheint mich zu verschonen. Ihr Freund hatte also unrecht." Wut stieg in Gibbs auf und er ballte seine Hände zu Fäusten. „Lassen Sie Tony in Ruhe!" brüllte er und diesmal war es seine Stimme, die von den Wänden verstärkt wurde. „Schon komisch, dass ihr beiden denselben Wortlaut verwendet. Ihr müsst wirklich viel füreinander empfinden, wenn mir jeder sagt, ich solle den anderen in Ruhe lassen. Aber soll ich Ihnen etwas verraten? Ich werde das sicher nicht machen. Er hat meinen besten Freund umgebracht und dafür wird er büßen. Ich werde ihn auseinander nehmen, Stück für Stück, so lange, bis er sich vor Schmerzen am Boden windet und er mich anfleht, ihn zu töten. Aber selbst dann werde ich ihn nicht erlösen."
Mit jedem weiteren Wort, das Gary von sich gab, steigerte sich Gibbs' Wut ins Unermessliche, gepaart mit der Angst, die er um Tony hatte. Er hatte es vorher schon gewusst, dass sein Freund eine weitere Begegnung mit den Gangstern nicht überleben würde, aber es jetzt bestätigt zu bekommen, machte ihn fast wahnsinnig vor Furcht. Und noch dazu konnte er nichts dagegen unternehmen, war dazu verdammt, hier zu hängen und musste sich anhören, was dieser Verrückte mit Anthony vorhatte.
„Sie Bastard!" war das Einzige, was er herausbrachte und obwohl er wusste, dass es nichts bringen würde, zog er erneut an dem Seil, wollte sich befreien, um dem Mann seinen Hals umzudrehen, wollte ihn mit bloßen Händen erwürgen, wollte verhindern, dass er sich an Tony vergriff.
Ein weiterer Schlag in seine Eingeweide ließ ihn schließlich inne halten und er keuchte unwillkürlich auf. Schmerz schoss ihm durch seinen Körper, brachte ihn damit aber wieder zur Besinnung. Er durfte jetzt seinen Kopf nicht verlieren, musste logisch denken und vielleicht fand er eine Möglichkeit, seinen Freund zu beschützen.
„Keiner beleidigt mich ungestraft", zischte Gary vor ihm und erneut traf ihn eine stinkende Atemwolke, die seinen Magen rebellieren ließ. „Und schon gar kein Bundesagent. Wenn es nach mir ginge, wären Sie schon längst tot, aber der Boss hat gemeint, wir bräuchten Sie lebend, als Ansporn für DiNozzo, uns das Handy zu bringen. Und wissen Sie was? Er hat den Köder geschluckt. In etwa 95 Minuten wird er hier sein, wird sich freiwillig ausliefern, in der Hoffnung, Sie damit retten zu können."
Gary fing an, auf und ab zu gehen, wobei der Boden unter seinen Füßen knirschte, aber Gibbs achtete nicht darauf. Viel zu groß war die Erleichterung zu wissen, dass Tony in Sicherheit war – noch. Er war sich mehr als bewusst, dass das nicht mehr lange der Fall sein würde. Denn Anthony würde wahrscheinlich alles tun, um ihn hier rauszuholen, aber dadurch würde er sich selbst ans Messer liefern, und das wussten die Gangster nur zu gut. Erst jetzt fiel ihm so richtig auf, dass Gary immer Ihr Freund gesagt hatte, so als ob er wissen würde, was zwischen den beiden war. Und Jethro war wirklich der perfekte Köder, um an das Handy heranzukommen – und an Tony. Dieser wäre sonst den ganzen Tag im Hauptquartier geblieben, unerreichbar für diese Verbrecher, aber jetzt würde sich das ändern. Er wusste, er würde die Sicherheit des Gebäudes verlassen, um ihn zu retten, aber tief in ihm drin spürte er, dass DiNozzo sicher einen Plan aushecken würde, denn ohne Rückendeckung würde er garantiert nicht hier auftauchen. Vielleicht würde er sogar Fornell um Hilfe bitten, egal wie tief er dann in der Schuld des Agenten stehen würde.
„Damit werden Sie nicht durchkommen", sagte Gibbs mit fester Stimme und ließ Gary damit in seiner Wanderung inne halten. „Der NCIS verhandelt nicht mit Verbrechern und lässt sich nicht erpressen." „Ich habe auch nicht mit dem NCIS verhandelt, sondern mit Ihrem Freund, das ist ein Unterschied. Und soll ich Ihnen etwas verraten? Ich habe die Panik in seiner Stimme förmlich gehört, als er erfahren hat, dass wir Sie haben. Man sollte sich eben nicht…" Mitten im Satz hielt er jedoch inne und gleich darauf wusste Jethro auch weshalb. Erneut erklangen Schritte, aber diesmal waren sie geschmeidiger, denn derjenige trampelte nicht wie ein Elefant. Die gesamte Atmosphäre veränderte sich und die Kälte in dem Raum wurde eisiger. Obwohl er nichts sehen konnte, wusste er sofort, dass es der Boss von Gary war, der im Anmarsch war. Gibbs drehte seinen Kopf in die Richtung, aus der die Schritte kamen und schließlich verstummten. Seine Augen waren zwar verbunden, aber dennoch hatte er das Gefühl, dem Neuankömmling direkt ins Gesicht zu sehen. Er spürte förmlich, wie eine Aura des Bösen von dem anderen ausging und unwillkürlich krampfte er seine Finger um das Seil, um wenigstens so ein wenig Halt zu finden.
„Hey, Boss", begrüßte Gary den anderen Mann und trat von Gibbs zurück, der noch immer zur Seite blickte, aber nichts als Schwärze sehen konnte. „Ich habe mich mit unserem Gast gerade nett unterhalten, aber er scheint nicht sehr erfreut darüber zu sein." Ein Schnauben erklang, gefolgt von einem kurzen Lacher. „Ja, das sieht man." Innerhalb des Bruchteils einer Sekunde versteifte sich Jethro, als er die Worte hörte. Seine Gedanken rasten förmlich, als ihm bewusst wurde, dass er die Stimme von irgendwoher kannte. Er hätte schwören können, sie vor kurzem schon einmal gehört zu haben, aber noch konnte er sie nicht einordnen. Verzweifelt runzelte er die Stirn und versuchte sich zu erinnern, mit wem er in den letzten Tagen alles gesprochen hatte.
„Hat Agent DiNozzo nicht gemeint, dass dir Gott gnaden würde, wenn du ihm ein Haar krümmst?" fragte er und betrat vollends den Raum, wobei Gibbs automatisch seinen Kopf in die Richtung des Geräusches drehte. „Wie du siehst, lebe ich noch. Es gab keinen Blitz, der mich niedergestreckt hat." Erneut erklang ein Lachen, diesmal so eiskalt, dass sich dem Chefermittler sämtliche Nackenhärchen aufstellten. „Das wird sicher eine hübsche Prellung geben", sagte der Mann schließlich spöttisch. „Aber wenigstens können die beiden jetzt im Partnerlook herumlaufen, nicht wahr, Agent Gibbs?" Er betonte das Wort Agent besonders und dabei veränderte sich seine Stimmlage um eine Winzigkeit, aber das genügte und Jethro erfasste die ganze Tragweite der Situation. Sein Atem beschleunigte sich und das Blut rauschte laut in seinen Ohren. Seine Augen weiteten sich unter dem Tuch, als er endlich die Stimme erkannte, als ihm bewusst wurde, wer hinter allem steckte. Hatte er vorher noch die Hoffnung gehegt, er und Tony würden vielleicht die Sache mehr oder weniger unbeschadet überstehen, so musste er nun einsehen, dass das ein Irrtum gewesen war. Ein Gesicht, das zu dieser Stimme gehörte, entstand in seinem Gehirn und machte ihm mehr als deutlich, dass er den Ort nicht lebend verlassen würde.

Fortsetzung folgt...
Chapter 33 by Michi
Washington D.C.
Zur selben Zeit


Immer zwei Stufen auf einmal nehmend, eilte ich die Treppen hinunter, wobei meine Schritte laut von den Betonwänden widerhallten, was ich aber nicht bewusst wahrnahm. Die Agenten, die mir auf den Weg nach unten begegneten, warfen mir seltsame Blicke zu, aber ich beachtete sie nicht weiter. Wahrscheinlich wunderten sie sich nur, dass ich mich auf einmal so schnell bewegen konnte, wo doch mein Lieblingssport faul am Schreibtisch sitzen war, wobei ich meine Füße auf der Platte lagerte, jedenfalls solange, bis mir Gibbs eine Kopfnuss verpasste und meinte, ich wäre nicht zu Hause. Gibbs. Bei dem Gedanken an meinen Freund blieb ich unwillkürlich zwischen dem Erdgeschoss und der Forensik stehen, da ich plötzlich das Gefühl hatte, meine Beine würden mein Gewicht nicht mehr tragen. Meine Knie fühlten sich butterweich an und mein Herz klopfte viel zu schnell in meiner Brust, was aber nicht von dem Spurt von der dritten Etage bis hierher stammte. Es lag an dem Bild von Jethro, wie er gefesselt von einer Kellerdecke hing, unfähig sich zu wehren oder etwas zu sehen. Ich konnte mir vorstellen, dass es für ihn hart sein musste, nichts unternehmen zu können. Er war schon immer ein Mann der Taten gewesen und jetzt war er dazu verdammt worden, einfach tatenlos zuzulassen, dass die Gangster die Oberhand bekamen. Denn diese wussten nur zu genau, dass ich alles machen würde, um ihn da rauszuholen, egal was mit mir geschah. Er sollte nicht für eine Sache büßen, die eigentlich nur mich betraf. Immerhin wurde mir das Handy zugesteckt, ich hatte mich entschlossen, in dieses Einkaufszentrum zu fahren und nicht Gibbs. Und deswegen steckte er jetzt mehr in Schwierigkeiten als ich, denn er war es, der diesen Gangstern ausgeliefert war und die im Prinzip alles mit ihm machen konnten was sie wollten, ohne dass er eine Möglichkeit hatte, sich zu wehren.
„Verdammt!" schrie ich so laut, dass es sicher in dem gesamten Treppenhaus zu hören war und schlug mit der Faust seitlich gegen die Mauer, so fest, dass sich ein stechender Schmerz bis zu meiner Schulter ausbreitete. Erneut überkamen mich Schuldgefühle, weshalb die Wand ein weiteres Mal als Sandsack herhalten musste. Mein Atem ging in keuchenden Stößen und ich lehnte meine Stirn gegen den Beton, der meine erhitzte Haut jedoch nicht abkühlte. Tief sog ich die leicht stickige Luft in meine Lungen und langsam beruhigte ich mich wieder. Die Angst um Jethro wurde stärker und verdrängte die Schuldgefühle, verhinderte jedoch, dass ich wirklich einen freien Kopf bekam, den ich in dieser Situation mehr als nötig hätte. Meine Furcht würde es nicht besser machen und ich half Gibbs dadurch nicht. Aber dennoch hätte ich am liebsten laut schreien können bei dem Gedanken, dass ich ihn vielleicht verlieren könnte, dass er wegen mir sterben würde. Wir waren nicht einmal 24 Stunden ein Paar und schon wurden wir auseinandergerissen.
„Positiv denken, Anthony", murmelte ich und richtete mich zu meiner vollen Größe auf. „Immer positiv denken. Du darfst dich nicht hängen lassen." Ich schloss für einen kurzen Moment meine Augen und stellte erleichtert fest, dass das Bild, was mir vor ein paar Minuten geschickt worden war, nicht wieder in meinem Gehirn auftauchte. Zu sehr war ich jetzt darauf fixiert, den Gangstern ein Schnippchen zu schlagen und nicht zuzulassen, dass sie gewannen.
Mit etwas mehr Zuversicht drehte ich mich um und begann, die restlichen Stufen in die Forensik hinunterzueilen. Schluss mit Trübsal blasen, hieß jetzt mein Motto. Jede Sekunde, die ich länger brauchte, um wieder ins Büro hinaufzukommen, war eine Sekunde zu viel. Durch die hohe Geschwindigkeit wäre ich beinahe gegen die Tür geprallt, schaffte es aber noch rechtzeitig abzubremsen. Mit Wucht riss ich sie auf, wodurch sie gegen die Wand prallte und das Geräusch laut in dem Treppenhaus widerhallte. Ohne darauf zu achten, stürmte ich in den Gang und je näher ich dem Labor kam, desto deutlicher war Abbys heißgeliebte Musik zu hören, die mir heute mehr denn je auf den Keks ging. Wie konnte sie nur seelenruhig diesem Krach lauschen, während Gibbs gerade in Schwierigkeiten steckte? ‚Sie weiß ja noch nichts davon, du Idiot', schimpfte ich mich selbst, als sich die Türen leise zischend öffneten und mich in die Forensik einließen. Abby stand vor ihrem Computer, auf dessen Bildschirm unverkennbar das Video zu sehen war, das sie gerade bearbeitete. Da sie mir den Rücken zuwandte, bekam sie auch nicht mit, dass sie Besuch hatte und wegen der lauten Musik gingen auch meine Schritte unter. Automatisch griff sie nach dem Becher CafPow neben ihr und sog an dem Strohhalm, während sie mit einer Hand weiterhin ihre Tastatur bearbeitete – sie war ganz in ihrem Element.
Ich ging an ihr vorbei, durchquerte den großen Raum und betrat den anderen, um die Stereoanlage mit einem Knopfdruck zum Schweigen zu bringen. Gleich darauf drehte ich mich wieder um und kam in den Genuss eines Blickes aus grünen Augen. „Ich habe noch etwa 1 ½ Stunden Zeit, um das Video zu bearbeiten, sag das Gibbs, für den Fall, dass er das vergessen hat", sprudelte sie los und gestikulierte dabei mit ihren Händen. Bei der Erwähnung von Jethro flammte erneut die Angst in mir auf und ich schaffte es nicht, sie von meinem Gesicht zu verbannen, weshalb Abby sofort inne hielt und mich besorgt ansah. „Alles in Ordnung, Tony?" fragte sie und kam auf mich zu. „Ich wünschte, ich könnte jetzt mit ja antworten", erwiderte ich, lehnte mich mit einer Hüfte an die Kante eines Tisches und fuhr mit den Fingern meiner rechten Hand über die glatte Oberfläche. „Was ist los? Hattest du einen Streit mit Gibbs?" Freudlos lachte ich auf und schüttelte den Kopf. Ein Streit wäre mir gerade viel lieber, als dass er in den Fängen von Verbrechern war. In dem Bestreben, ihn heil wieder zu bekommen, merkte ich nicht einmal ihre Wortwahl, bei der normalerweise sofort sämtliche Alarmglocken geläutet hätten. „Einen heftigen Streit würde ich bevorzugen", meinte ich auf ihre Frage und sah sie direkt an. Abby runzelte verwirrt die Stirn, weshalb ich eine Sekunde später hinzufügte: „Sie haben Gibbs entführt." Dabei deutete ich mit meiner linken Hand auf den Bildschirm, wo man das Video sehen konnte. „Für seine Freilassung wollen sie das Handy haben."
Für kurze Zeit herrschte Stille im Labor, die Abby benötigte, um zu realisieren, was ich da gerade gesagt hatte. Ihre Augen weiteten sich und sie trat einen Schritt zurück. Auf ihrem Gesicht spiegelte sich Schrecken und Angst wider. Aber sie waren nur einen Bruchteil so stark, wie ich sie verspürte.
„Das ist jetzt ein Scherz", stieß sie atemlos hervor und legte ihre Hände auf meinen rechten Unterarm. „Sag, dass das ein Scherz ist." Ich schüttelte nur den Kopf. „Ist es nicht, Abbs. Sie haben vor ein paar Minuten angerufen und mir auch ein Bild von Gibbs geschickt. Es gibt keinen Zweifel, dass sie ihn haben." Meine Stimme war leise und nicht annähernd so fest wie sonst. „Wie kann es nur jemand schaffen, meinen silberhaarigen Fuchs zu entführen? Und ich dachte immer, er würde Gefahr eine Meile gegen die Wind riechen." Ihre Augen weiteten sich noch mehr, ihre Finger drückten sich fest in meine Haut und ich ließ sie gewähren. Der leichte Schmerz lenkte mich von allzu deprimierenden Gedanken ab. „Ich weiß es nicht", erwiderte ich und seufzte. „Jethro wollte sich einen Kaffee holen und mir was zu Essen mitbringen. Es ist das erste Mal, dass er dies tun wollte und es geht gleich in die Hose." Abby spitzte ihre Lippen, legte ihren Kopf schief und musterte mich von oben bis unten. Erst durch ihre Reaktion merkte ich, dass ich gerade Gibbs bei seinem Vornamen genannt hatte, was ich sonst nie gemacht hatte. Jedoch hatte sich das seit gestern Abend geändert. Ich schluckte den Kloß hinunter und hoffte, dass sie nicht anfing, sich ihre Gedanken darüber zu machen. Jetzt war jedenfalls nicht der richtige Zeitpunkt, um sich irgendwelche Ausreden auf eventuelle Spekulationen ihrerseits einfallen zu lassen.
Wir standen für ein paar Sekunden schweigend da, bis sich Abby als erste rührte, mich gleich darauf fest umarmte und mir damit ein wenig Trost spendete. Sie hatte es schon immer geschafft, mich alleine durch ihre Anwesenheit aufzubauen und die dunklen Wolken am Horizont zu vertreiben. „Ach, Tony", sagte sie leise und legte ihren Kopf auf meine Schulter. „Ich bin mir sicher, dass alles gut gehen wird. Die Typen haben ja keine Ahnung, mit wem sie sich da eingelassen haben. Gibbs ist sicher stinkwütend, vor allem, da sie ja eigentlich hinter dir her sind und das wird er nicht auf sich beruhen lassen. Wenn er wieder frei ist, werden sie garantiert ihr blaues Wunder erleben und sich wünschen, ihn nie kennengelernt zu haben. Immer positiv denken, Tony. Du wirst Gibbs wieder zurückbekommen und dann kannst du ihn mit einem leidenschaftlichen Kuss dafür belohnen, dass er alles überstanden hat." Ihre Worte zauberten mir ein Lächeln auf die Lippen und ich drückte sie fest an mich. „Du hast Recht, Abbs", erwiderte ich. „Wenn alles vorbei ist, werde ich Jethro…" Plötzlich hielt ich mitten im Satz inne, versteifte mich in ihrer Umarmung und hielt für eine Sekunde den Atem an, bevor ich ihn zischend ausstieß. Du wirst Gibbs wieder zurückbekommen und dann kannst du ihn mit einem leidenschaftlichen Kuss dafür belohnen, dass er alles überstanden hat. Abbys Worte hallten nur zu deutlich in meinem Kopf wider, weshalb ich mich aus ihren Armen wand, sie bei den Schultern packte und ein wenig von mich schob, damit ich ihr direkt in ihre Augen sehen konnte. „Was hast du da gerade gesagt?" fragte ich, obwohl ich mich sehr gut daran erinnern konnte. Trotz der ernsten Situation bildete sich auf ihren dunkel gefärbten Lippen ein breites Lächeln und sie bohrte mir den Zeigefinger ihrer rechten Hand in meine Brust. „Ich habe gesagt, dass du Gibbs mit einem leidenschaftlichen Kuss dafür belohnen kannst, wenn er alles überstanden hat." Abby betonte jedes einzelne Wort, so als ob sie mit einem schwerhörigen Kind reden würde. „Und sieh mich nicht so geschockt an, Tony. Ich weiß, was zwischen euch beiden läuft." „Aber, woher…" begann ich, brach aber ab, zu sehr war ich überrascht, dass es die junge Frau herausgefunden hatte. Oder hatte es ihr Jethro erzählt? Gleich darauf schüttelte ich innerlich den Kopf. Nein, von ihm hatte sie es sicher nicht erfahren, aber von wem dann?
„Woher ich es weiß?" fragte sie und trat einen Schritt zurück. „Nun, es ist nicht zu übersehen. Ihr blickt euch an wie schwer verknallte Teenager, auch wenn ihr denkt, es würde keiner mitbekommen. Und dann ist da noch deine Beschreibung von deiner angeblichen neuen Freundin. Wirklich einfallsreich, das muss ich dir lassen, aber sie hat mir schließlich die Augen geöffnet. Dann ist da noch der Knutschfleck an deinem Hals, der ganz frisch ist und McGee hat gemeint, Gibbs wäre der Erste gewesen, der heute in der Nacht bei der gewesen ist. Ich habe einfach eins und eins zusammengezählt. Du und der Big Bos versucht eure Gefühle zu verstecken aber das ist euch nicht ganz gelungen. Ich schwöre dir, wenn ihr gemeinsam in einem Raum seid, dann knistert die Luft voller Spannung, genauso wie vor Stunden, als ihr hier gewesen seid, auch wenn ihr versucht habt, euch nichts anmerken zu lassen. Aber ich bin nicht blind, Tony."
„Ist es so offensichtlich?" wollte ich wissen und lehnte mich noch fester an den Tisch, da ich plötzlich das Gefühl hatte, meine Beine würden mich nicht mehr tragen. „Oh ja, das ist es", antwortete Abby und betonte ihre Worte mit einem Nicken, sodass ihre Rattenschwänze auf und ab wippten. Gleich darauf umarmte sie mich erneut fest. „Ich freue mich ja so für euch", sagte sie ziemlich laut in mein Ohr und knuddelte mich wie einen Teddybären. „Gibbs und du, wer hätte das je für möglich gehalten?" „Ich schätze keiner", erwiderte ich und grinste verlegen. „Schon gar nicht ich, jedenfalls bis vor etwa vier Wochen, als…" Ich brach ab und biss mir auf meine Unterlippe, nicht sicher, ob ich mit Abby darüber reden sollte, vor allem, da es nicht gerade der richtige Zeitpunkt dafür war. „Als ihr den Undercoverauftrag ausgeführt habt", vollendete sie den Satz, ließ mich los und zwinkerte mir verschwörerisch zu. „Es ist ein wenig komisch, dass ein Kuss so eine Auswirkung auf euch hatte." „Du hast ja keine Ahnung, welche Auswirkungen er hatte. Du hättest einmal unseren Streit deswegen hören sollen, der damit geendet hat, dass wir…" Erneut brach ich ab, als mir bewusst wurde, dass ich viel zu viel verriet, aber irgendwie schaffte es Abby, dass ich einfach so drauf los redete, ohne wirklich darüber nachzudenken. Für eine Sekunde sah sie mich an, dann klappte ihr der Mund auf, als sie die Bedeutung hinter meinen Worten realisierte. „Ihr habt damals schon...? In dem Hotel?" Ich starrte auf meine Füße und spürte, wie meine Wangen verdächtig warm wurden. Meine Finger krampften sich um die Kante des Tisches und ich wünschte, ich hätte einfach meinen Mund gehalten. „Wow", war Abbys einziger Kommentar dazu. „Ihr habt wirklich nichts anbrennen lassen." Ihre Worte entlockten mir ein Lachen und ich sah wieder auf. „Ja, das ist wahr", meinte ich und grinste. „Wir haben wirklich nichts anbrennen lassen, auch wenn wir anschließend nicht so recht gewusst hatten, wie wir miteinander umgehen sollen. Aber jetzt ist alles ganz einfach." Die junge Goth nickte verständnisvoll, ging zu ihrem Tisch, nahm das Handy, mit dem die ganzen Schwierigkeiten angefangen hatten und drehte sich wieder zu mir um. „Wie lange seid ihr schon ein Paar?" wollte sie neugierig wissen und drückte mir das kleine Gerät in die Hand. „Seit gestern Abend", antwortete ich ihr ohne zu zögern. Da sie bereits alles von Gibbs und mir wusste, sah ich keinen Grund, weshalb ich ihr nicht die gewünschten Informationen geben sollte. „Das ist nicht gerade lange", meinte sie und lehnte sich neben mir an den Tisch. „Dabei hat alles so schön angefangen, bis sich jemand dazu entschlossen hat, bei mir einzubrechen. Und nun haben Sie Jethro und drohen ihn zu töten, wenn ich ihnen nicht das Handy bringe." Ich umschloss das Gerät fest mit meinen Fingern und hätte es am liebsten gegen eine Wand geschleudert, um es zu zerstören. „Ich weiß einfach nicht, was ich machen soll, wenn ich ihn verlieren sollte. Ständig denke ich daran, dass er bereits tot sein könnte und ich wäre schuld daran." „Hör auf damit, Tony", sagte Abby streng, legte mir aber beruhigend eine Hand auf meinen Unterarm. „Gibbs lebt, das wissen wir beide ganz genau. Er lässt sich nicht so leicht umbringen und außerdem ist es schon gar nicht deine Schuld. Schuld haben nur diese Typen, die ihn entführt haben." „Das hat Ziva auch gesagt." „Und sie hatte Recht. Du wirst sehen, es wird alles wieder gut werden. Die Gangster werden im Gefängnis versauern, während du und Gibbs ein wunderbares Leben führen werdet. Du darfst jetzt nicht den Kopf hängen lassen." „Das werde ich sicher nicht", erwiderte ich mit fester Stimme und steckte das Handy in meiner Hosentasche. „Hast du Fingerabdrücke darauf gefunden?" wechselte ich das Thema und blickte Abby erwartungsvoll an. Diese richtete sich auf und schüttelte den Kopf. „Deine waren darauf, was aber nicht verwunderlich ist. Immerhin hast du es angefasst, ohne Handschuhe getragen zu haben. Außerdem habe ich noch andere Fingerabdrücke gefunden, die aber nicht gespeichert sind. Es wird wohl ein Geheimnis bleiben, wem dieses Handy gehört." „Wenn ich ehrlich bin, will ich es auch gar nicht wissen. Es reicht schon, dass ich deswegen in Schwierigkeiten stecke." Ich blickte auf meine Uhr und zuckte zusammen. Die Zeit war viel zu schnell verronnen, ohne dass ich es gemerkt hatte. Ich war bereits seit über 15 Minuten im Labor, dabei hätte ich längst wieder oben sein müssen. Vielleicht war Fornell bereits da. Seit der Nachricht, dass Gibbs entführt worden war, war insgesamt eine halbe Stunde vergangen und ich hatte sie mit Tratschen verbracht.
„Ich muss los, Abbs", sagte ich deshalb und stieß mich von dem Tisch ab. „Fornell wird gleich hier sein. Ich hoffe, dass er mir helfen wird, Gibbs da rauszuholen. Ganz alleine werde ich das sicher nicht schaffen, vor allem da ich nicht weiß, mit wie vielen Personen ich es zu tun habe." „Wann fährst du los?" fragte sie und musterte mich mit schief gelegtem Kopf. Besorgnis war in ihre Augen zurückgekehrt und sie wusste genauso wie ich, wie viel auf dem Spiel stand. „In spätestens einer Stunde. Ich wünschte, es wäre schon so weit. Das Warten ist das Schlimmste und nicht zu wissen, wie es Jethro geht." „Er kann hervorragend auf sich selbst aufpassen, Tony, dass wissen wir beide." Sie hielt kurz inne, bevor sie hinzufügte: „Ich werde dir einen kleinen Peilsender besorgen, damit wir immer wissen, wo du dich aufhältst. Keine Bange, wir bekommen das schon hin." Ich wusste nicht, wen sie mit ihren Worten wirklich beruhigen wollte: mich oder sich selbst. Aber egal wem sie galten, es half. Tief in meinem Inneren spürte ich, dass es meinem Freund gut ging, dass er am Leben war und es auch noch sein würde, wenn ich bei der Adresse angekommen bin. Etwas beruhigt, begann ich wieder wie ein Bundesagent zu denken und nannte Abby die Anschrift, mit der Bitte zu überprüfen, was sich dort genau befand und ob sie herausfinden könnte, wer der Eigentümer des Grundstückes war. Da ich wusste, dass sie mit Musik viel besser arbeiten konnte, schaltete ich die Stereoanlage wieder ein, schenkte ihr noch ein kleines Lächeln und verließ das Labor – in der Hosentasche ein Handy, das ich gegen Gibbs austauschen würde, um ihn anschließend wieder in meine Arme schließen zu können.

Fortsetzung folgt...
Chapter 34 by Michi
Mit dem mir mehr als vertrauten leisen Geräusch schlossen sich die Fahrstuhltüren und sperrten die Außenwelt für ein paar Sekunden aus. Ich lehnte mich gegen die Wand und wartete darauf, dass er mich in die dritte Etage brachte. Natürlich hätte ich auch dieses Mal das Treppenhaus benützen können, aber die Stufen hinaufzugehen war meiner Meinung nach viel anstrengender als sie hinunterzueilen. Einmal pro Tag reichte definitiv und nicht umsonst hieß es Sport sei Mord. Und vier ganze Stockwerke hinter mich zu bringen war in einer kleinen Kabine bei weitem unbeschwerlicher als zu Fuß. Außerdem sparte ich dadurch Zeit, etwas, was ich momentan nicht wirklich hatte. Ich hatte schon viel zu viele Minuten bei Abby verbracht, da wollte ich nicht noch mehr davon fürs Treppensteigen verwenden. Zusätzlich würde es keinen guten Eindruck machen, wenn ich vollkommen außer Atem im Großraumbüro ankommen und Agent Fornell bereits anwesend sein würde. Vielleicht sollte ich in Zukunft nicht so viele Hamburger mit Pommes essen und stattdessen auf vitaminreichere Kost umsteigen. Ein Besuch im Fitnessstudio könnte auch nicht schaden, wobei, wenn ich genauer darüber nachdachte, ich mir das Geld eigentlich sparen könnte, wenn ich da an gewisse nächtliche Aktivitäten dachte. Immerhin verbrannte man damit ebenfalls genug Kalorien und es machte außerdem viel mehr Spaß als sich in einem großen Raum auf einem Laufband oder Trainingsfahrrad abzustrampeln – umgeben von vor Kraft strotzenden Männern und solchen, die versuchten, ihren Bierbauch loszuwerden.
Ich schüttelte unwillkürlich den Kopf, um diese Bilder aus meinem Gehirn zu bringen und ließ meinen Blick zu der gegenüberliegenden Wand des Fahrstuhls schweifen. Noch vor wenigen Stunden hatte mich Gibbs dagegen gedrängt nur um mich gleich darauf leidenschaftlich zu küssen und sich zu entschuldigen – eine Sache, die er normalerweise nie machte. Es war schon erstaunlich dass er einfach so seine Regeln brach. Zuerst Regel Nummer 12 – worüber ich mich bestimmt nicht beschwerte – und dann auch noch Regel 3. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich glatt meinen, Jethro wurde durch meinen äußerst positiven Einfluss noch richtig nett – ein Ausdruck, den ich mit ihm vor Wochen nie in Verbindung gebracht hätte. Ein Beweis dafür, dass sich Menschen durchaus ändern konnten. Und selbst Abby war aufgefallen, dass Gibbs glücklicher war als sonst.
Ein Grinsen huschte über meine Lippen, als ich daran dachte, wie sie mich noch vor ein paar Minuten derart stürmisch umarmt hatte. Dass sie herausgefunden hatte, was zwischen mir und Jethro lief, hatte mich zuerst ein wenig erschreckt, zumal ich geglaubt hatte, wir würden unsere Rollen überzeugend spielen – abgesehen von der Sache mit dem Bleistift. Aber Ziva würde ich sicher nicht gleich auf die Nase binden, dass ich in Zukunft keine Freundin mehr haben würde. Genauso wie die junge Goth hatte sie scharfe Augen und ihr entging nichts. Wenn ich ehrlich sein sollte, wäre es mir durchaus Recht, wenn es nicht nur Abby und Ducky wüssten. Vor allem auf McGees Gesichtsausdruck war ich mehr als gespannt. Ob er wohl röter als eine Tomate werden und unverständliches Zeug stammeln würde? Vielleicht sollte ich mir einen Fotoapparat mitnehmen und diesen Moment für die Nachwelt festhalten. Aber bis es soweit sein würde, musste ich Gibbs erst einmal wieder zurückbekommen, um ihn dann mit einem leidenschaftlichen Kuss zu belohnen, so wie es Abby vorgeschlagen hatte. Mein Grinsen wurde breiter, als ich an die Freude in ihren Augen dachte, die aufgeblitzt war. Sie gönnte uns unser Glück unübersehbar und es war gerade das, was mich rührte. Ich konnte froh sein, eine so gute Freundin zu haben – meine beste, wenn ich ehrlich war.
Das leise Pling des Fahrstuhls riss mich schließlich aus meinen Gedanken über die Forensikerin und ließ mich in die Realität zurückkehren. Obwohl die Fahrt bis in die dritte Etage nur ein paar Sekunden gedauert hatte, war sie mir endlos lange vorgekommen. Als ich die kleine Kabine verließ, wünschte ich mir jedoch unwillkürlich, dass sie noch nicht zu Ende wäre. Wie gegen eine unsichtbare Wand geprallt, blieb ich stehen und versuchte das Bild zu verarbeiten, das sich mir bot. Gleichzeitig stieg Wut in mir auf und ich ballte meine Hände zu Fäusten. In meiner Kehle stieg ein Knurren auf, das ich allerdings hinunterschluckte, als mir bewusst wurde, dass ich mich wie ein kleines Kind aufführte und nicht wie ein professioneller Bundesagent. Aber der Anblick des Mannes, der es sich auf meinem Stuhl hinter meinem Schreibtisch gemütlich gemacht hatte und seelenruhig in sein Handy sprach, löste in mir einfach den Wunsch aus, mich wie ein halsstarriges Kleinkind zu benehmen und nicht wie ein Erwachsener. Dabei war mir nur allzu bewusst, dass ich meine Abneigung in den Griff bekommen musste, wollte ich die Hilfe des FBIs in Anspruch nehmen. Dennoch würde ich sicher nicht stumm die Tatsache hinnehmen, dass sich dieser aufgeblasene Typ an meinem Platz wie zu Hause fühlte. Und nicht einmal McGee oder Ziva schienen etwas dagegen zu tun, dass er sich so breit machte, geschweige denn Fornell, der an der Kante von Davids Schreibtisch lehnte, die Arme vor seiner Brust verschränkt hatte und einen imaginären Punkt weiter hinten im Großraumbüro anstarrte. Egal woran er dachte, es war keine angenehme Sache, wie mir seine angespannte Körperhaltung verriet. Aber bevor ich mich mit dem Älteren der beiden beschäftigte, musste ich den Störenfried von meinem Platz vertreiben.
Mit großen Schritten ging ich auf die kleine Gruppe zu und baute mich vor Sacks auf, wobei ich nur knapp dem Drang widerstand, meine Hände in die Hüften zu stemmen, so wie es meine Großmutter immer gemacht hatte, wenn ich wieder einmal etwas angestellt hatte, wobei jedes Mal ihr italienisches Temperament zum Vorschein gekommen war, wenn sie mit mir geschimpft hatte.
Der dunkelhäutige Agent sah zu mir auf und hob eine Hand zum Gruß, während er gleichzeitig seinem Gesprächspartner lauschte, dessen Stimme leise an mein Ohr drang – allerdings waren die Worte unverständlich. „Verdammt, was machen Sie hier?" pflaumte ich ihn an, was ihm lediglich das Heben einer Augenbraue entlockte. „Wonach sieht es denn aus?" fragte er mit ruhiger Stimme, wobei er den unteren Teil seines Handys abdeckte, damit es die Person am anderen Ende der Leitung nicht hören konnte. Ich spürte förmlich die Blicke meiner Kollegen und von Fornell auf meinem Rücken, die sich wahrscheinlich über meine kindische Art amüsierten – oder sich fragten, ob ich noch alle Tassen im Schrank hatte.
„Für mich sieht es so aus, als ob sie sich an MEINEM Platz ausbreiten, so als ob es Ihrer wäre, was aber nicht der Fall ist. Also bewegen Sie gefälligst Ihren Hintern und pflanzen ihn woanders hin, bevor ich das selbst in die Hand nehme." Hinter mir erklang Zivas belustigtes Schnauben, das ich jedoch ignorierte. Sacks kniff seine Augen zu schmalen Schlitzen zusammen, verabschiedete sich knapp von seinem Gesprächspartner, klappte sein Handy zu und beugte sich vor, um seine gesamte Aufmerksamkeit mir zu schenken. „Was ist eigentlich Ihr Problem, Agent DiNozzo?" fragte er und hob erneut eine Augenbraue. Ich stützte mich mit meinen Händen auf der Tischplatte ab und brachte mein Gesicht nahe an seines. „Mein Problem sitzt auf dem Stuhl direkt vor mir", erwiderte ich leise, aber deutlich genug. „Was regen Sie sich so auf? Es waren immerhin Sie, der uns um Hilfe gebeten hat." „Wobei ich aber nicht an Sie gedacht habe, sondern an kompetente FBI Agenten." Der letzte Satz hatte gesessen, das sah ich deutlich an dem angriffslustigen Funkeln in seinen dunklen Augen. Sacks presste seine Lippen so fest zusammen, dass sie beinahe blutleer wirkten und nur mehr ein schmaler Strich waren. In diesem Moment hätte es mich nicht gewundert, wenn sich seine Hand um seine Waffe gelegt und sie gezogen hätte, um mich damit zu erschießen. Sein Blick war so kalt, dass ich eigentlich zu einer Eissäule hätte erstarren müssen und beinahe bereute ich es, die Worte ausgesprochen zu haben – aber eben nur beinahe. Mir war bewusst, dass ich auf die Hilfe des FBI angewiesen war, wenn ich Gibbs' Leben retten wollte und um ihn wieder zurückzubekommen, würde ich es wahrscheinlich mit dem Teufel höchstpersönlich aufnehmen. Deswegen überlegte ich mir ernsthaft, mich bei dem Agent zu entschuldigen, auch wenn mir ständig eingetrichtert worden war, dass dies ein Zeichen der Schwäche sei. Aber Jethro war nicht hier und er würde es auch nie erfahren. Aber noch bevor ich meinen Mund aufmachen konnte, mischte sich Fornell ein. „Ich dachte, wir sind in einer Bundesbehörde und nicht in irgendeiner billigen Seifenoper." In seiner Stimme schwang unüberhörbar ein amüsierter Tonfall mit, aber dennoch entging mir nicht, dass er in dieser Sekunde nicht gerade die Geduld in Person war. Zu meiner Freude zuckte Sacks ein wenig zusammen, schenkte mir einen letzten mörderischen Blick und lehnte sich dann auf meinem Stuhl zurück, ohne jedoch Anstalten zu machen, aufzustehen. Ich presste meine Kiefer so fest zusammen, dass sie fast schmerzten, widerstand aber dem Drang, einen weiteren Kommentar abzugeben. Meinen Stolz hinunterschluckend, richtete ich mich auf und drehte mich um, sodass ich den kleineren Mann fixieren konnte, der sich mittlerweile von Zivas Schreibtisch abgestoßen hatte. „Haben Sie etwas gegen billige Seifenopern, Fornell?" wollte ich wissen, womit ich ihm ein kleines Lächeln entlockte. „Sie gehören nicht gerade zu den Sendungen, die ich mir ansehe", erwiderte er und steckte seine Hände in die Manteltaschen. Von einer Sekunde zur anderen wurde sein Gesichtsausdruck ernst und er sah zu Jethros Schreibtisch, bevor er sich wieder auf mich konzentrierte – mit einem Blick in den Augen, den ich nicht deuten konnte.
„Es hat tatsächlich jemand geschafft, Gibbs zu entführen?" fragte er und runzelte die Stirn. „Wie haben die das bloß geschafft?" „Wenn ich ihn gefunden habe, werde ich ihn das sicher fragen", meinte ich und setzte mich auf die Tischplatte meines Schreibtisches, wobei ich Sacks damit den Rücken zukehrte. Diesen schien das jedoch nicht zu stören, da er immer noch keine Anstalten machte, aufzustehen. ‚Und ich werde Gibbs anschließend fest in meine Arme nehmen', fügte ich in Gedanken hinzu, was mir einen kleinen angenehmen Schauer über den Rücken jagte. Nach außen blieb ich allerdings ruhig und holte das Handy aus meiner Hosentasche, welches Tobias sofort interessiert musterte. „Dieses kleine Ding wollen sie wieder zurückhaben", fuhr ich fort und klappte es auf und zu, damit meine Finger etwas anderes zu tun hatten, als nur rastlos auf der Platte herumzutrommeln. „Und Sie werden es den Typen einfach so vorbeibringen?" ertönte Sacks' Stimme hinter meinem Rücken, gefolgt von einem leisen Geräusch, als er endlich aufstand, den Tisch umrundete und damit in mein Blickfeld kam. „Das habe ich vor", sagte ich und betrachtete das Handy, mit dem alles angefangen hatte. Die Gangster waren gierig danach und ich würde dafür sorgen, dass ihnen diese Gier zum Verhängnis wurde. Verbrechen zahlten sich einfach nicht aus und das würden sie an diesem Nachmittag lernen.
„Aber nicht alleine, sonst hätten Sie Agent McGee nicht gesagt, er solle mich anrufen", meinte Fornell und nahm seine Hände wieder aus den Manteltaschen, nur um seine Arme wieder vor der Brust zu verschränken. „Ich dachte mir, das FBI könnte mir ein wenig Rückendeckung geben. Zwar muss ich alleine dort auftauchen, was aber nicht bedeutet, dass niemand ein paar Minuten später ebenfalls aufkreuzen darf." „Und wieso gerade wir?" wollte Sacks wissen und hob seine Augenbrauen. „Weil es hier im Grunde auch um Jeremy McDonald geht und es seine Kumpels sind, die Gibbs festhalten. Von mir aus können Sie gern die Lorbeeren einheimsen, wenn Sie die Gangster verhaften. Mir geht es nur darum, meinen Boss da rauszuholen." „Dass wir so einfach die Lorbeeren einheimsen werden, wird Gibbs aber nicht gefallen", sagte Fornell und fuhr sich über sein kurzes Haar. „Er wird es verstehen", erwiderte ich und klappte das Handy in meiner Hand endgültig zu. Am liebsten würde ich es in einem Fass voller Säure versenken, um es zu vernichten.
„Meinst du wirklich?" mischte sich Ziva ein und musterte mich skeptisch. „Glaub mir, er wird es verstehen", wiederholte ich und betonte jedes einzelne Wort, um ihr damit zu signalisieren, dass ich nicht weiter darüber diskutieren würde. Eine Tatsache, die sie mit einem Schulterzucken quittierte.
„Wenn Sie von ein paar Minuten reden, wie viele meinen Sie da?" brachte Fornell das Gespräch wieder auf den Fall. „Fünfzehn", antwortete ich knapp. „Das gibt den Männern genug Zeit, sich zu vergewissern, dass ich alleine aufgetaucht bin." „Und was ist, wenn sie dich und Gibbs woanders hinbringen?" fragte McGee vorsichtig. „Abby stattet mich mit einem kleinen Peilsender aus. Ihr werdet also immer wissen, wo ich bin." „Und was ist, wenn sie euch vorher umlegen?" Ziva hob eine ihrer Augenbrauen und wartete auf eine Antwort. „Dann hat Ducky an diesem Nachmittag und in der Nacht viel Arbeit", erwiderte ich in einem Anflug von Galgenhumor, wobei ich wusste, dass dieser Satz nicht gerade angemessen war. Mir war nur allzu bewusst, dass ich diesen Tag nicht überleben und in einem Leichensack enden könnte.
„Das ist nicht witzig, Tony", meinte meine junge Kollegin und sah mich vorwurfsvoll an, worauf ich nur mit einem Schulterzucken reagierte. Es war eben meine Art, mit solchen Dingen so umzugehen. „Werden Sie mir helfen?" wandte ich mich schließlich an Fornell, der ohne zu zögern nickte, was mich ein wenig verwunderte. Er schien nicht einmal wirklich darüber nachgedacht zu haben. „Agent Sacks, rufen Sie das Einsatzkommando an. Sagen Sie denen, dass wir sie brauchen. Wo sollen wir hinkommen?" fragte er mich, worauf ich ihm die Adresse nannte. „Abby überprüft gerade, was dort ist und wem das Gebäude gehört", fügte ich noch hinzu, während ich zusah, wie Sacks sich ein paar Schritte entfernte und anfing zu telefonieren, was mich seltsamerweise darauf brachte, dass jemand fehlte. Ich war so von Rons Dreistigkeit, sich meinen Platz unter den Nagel zu reißen, abgelenkt gewesen, dass ich gar nicht gemerkt hatte, dass sie nur zu zweit gekommen waren.
„Wo ist eigentlich Agent DeLay?" fragte ich neugierig und ließ meinen Blick durch das Großraumbüro schweifen, ob ich ihn vielleicht irgendwo übersehen hatte. Aber ich konnte den großen, braunhaarigen Mann nirgendwo entdecken. „Er geht einem Hinweis nach", antwortete Fornell und fügte, als er mein Stirnrunzeln bemerkte hinzu: „Kurz nachdem wir hier weggefahren sind, hat er einen Anruf von einem seiner Informanten bekommen und wollte diesen treffen. Vermissen Sie ihn etwa?" Ich lächelte kurz und schüttelte den Kopf. Allerdings konnte ich nicht verhindern, dass mich erneut eine ungute Ahnung überkam. Wieso hatte ich auf einmal das Gefühl, dass es kein Informant war, der DeLay angerufen hatte. Der eisige Blick, mit dem er mich vor ein paar Stunden gemustert hatte, kam mir wieder in den Sinn. Hatte ich ihn mir vielleicht doch nicht eingebildet, so wie ich geglaubt hatte? War dieser Agent vielleicht doch nicht so harmlos wie er aussah? War es möglich, dass er…?
Meine Gedanken wurden jedoch durch etwas Weißes abgelenkt, das in mein Blickfeld kam, weshalb ich meine Aufmerksamkeit auf die Person richtete, die soeben das Großraumbüro betreten hatte. Abby eilte mit hoher Geschwindigkeit auf uns zu, wobei man meinen könnte, dass sie keine Plateaustiefel trug, sondern Turnschuhe. Sicher zum hundertsten Mal fragte ich mich, wie sie es schaffte, sich nicht die Füße zu brechen, wenn sie auf diesen Monsterschuhen herumlief. Der Anblick der jungen Frau zauberte mir ein Lächeln auf die Lippen und ich ließ mich von meinem Schreibtisch gleiten.
„Hast du etwas herausgefunden?" kam ich gleich auf den Punkt, ohne mich mit langen Vorreden aufzuhalten. Abby schürzte ihre Lippen und sah mich tadelnd an. „Du bist genauso ungeduldig wie Gibbsman", sagte sie und hob in gespielter Entrüstung ihren rechten Zeigefinger. „Da kann ich ihr nur zustimmen", mischte sich McGee ein, woraufhin mein Kopf in seine Richtung wanderte und ich ihn regelrecht mit meinen Augen fixierte. „So, tust du das?" Meine Stimme hatte einen gefährlichen Ton angenommen und ich musste ein Grinsen unterdrücken, als Tim meinem Blick auswich und seine Schuhe musterte. Anscheinend hatte ich das Niederstarren von Jethro schon übernommen und schaffte es damit, meinen jungen Kollegen einzuschüchtern. Wenn die Situation nicht so ernst wäre, würde ich glatt darauf herumreiten, aber so wandte ich mich wieder an Abby, die belustigt zwischen mir und McGee hin und her sah. „Hast du nun etwas herausgefunden?" „Wie man es nimmt", antwortete sie und hob entschuldigend ihre Arme. „Die Adresse gehört zu einem zweistöckigen Gebäude, das schon seit mehreren Jahren leer steht. Eine Firma mit dem Namen J & G Company hat es vor etwa 18 Monaten gekauft. Ich habe ein wenig tiefer gegraben und festgestellt, dass dieses Unternehmen nicht existiert." Obwohl ich bereits damit gerechnet hatte, überkam mich dennoch Enttäuschung. Es wäre auch zu schön gewesen, jetzt schon zu erfahren, wer hinter der ganzen Sache steckte. Dann hätten wir uns noch viel besser vorbereiten können, aber so konnten wir nur hoffen, dass alles glatt über die Bühne gehen würde.
„Trotzdem gute Arbeit, Abbs", lobte ich die junge Frau, was ihr ein breites Lächeln entlockte. „Endlich jemand, der meine Arbeit anerkennt", sagte sie fröhlich und hüpfte aufgeregt auf und ab, wobei mir vom Zusehen bereits schwindelig wurde. Gleich darauf wurde ich aber von Sacks abgelenkt, der zu uns stieß. „Das Einsatzkommando ist bereit. Wir treffen sie auf halber Strecke auf einem verlassenen Fabrikgelände. Dort können wir noch einmal alles besprechen." Ich nickte dankbar und sah auf meine Uhr. Ich hatte nicht mehr ganz eine Stunde Zeit und obwohl ich wusste, dass ich viel zu früh dort sein würde, steckte ich das Handy in meine Hosentasche und schnappte mir meine Jacke. „Ich werde dann mal fahren. Nicht, dass ich in einen Stau gerate und deswegen zu spät komme." Wenn Gibbs wegen so einer Kleinigkeit wie einer Verkehrsüberlastung sterben sollte, würde ich mir das nie verzeihen.
Abby griff in eine Tasche ihres Laborkittels und zog eine silberne Uhr hervor. „Da ist ein Peilsender eingebaut. Falls diese Typen sich entscheiden sollten, euch woanders hinzubringen, werden wir dennoch wissen, wo ihr euch aufhaltet." „Danke", sagte ich knapp, nahm die Uhr und tauschte sie gegen meine andere aus. „Viel Glück. Und bring Gibbs wieder zurück", meinte sie, kam auf mich zu und drückte mir einen kleinen Kuss auf die rechte Wange. „Und vergiss nicht, was ich vorher gesagt habe", flüsterte sie mir ins Ohr. „Bestimmt nicht", erwiderte ich genauso leise und schenkte ihr ein kleines Lächeln. „Ich werde mich melden, wenn ich angekommen bin. Haltet die Ohren steif." „Das gilt auch für dich, Tony", meinte Ziva. „Wir werden dir den Rücken stärken." Ich nickte als Zeichen, dass ich ihnen vertraute, schüttelte Fornell die Hand und zu meiner Überraschung warf ich Sacks einen versöhnlichen Blick zu, den er mit einem schiefen Lächeln quittierte. „Pass auf dich auf", rief mir Abby hinterher, als ich bereits zum Fahrstuhl eilte, dessen Türen aufgingen, als ich ihn erreichte, Ducky heraustrat und beinahe in mich hineinlief. Seine klugen Augen schienen mich förmlich zu röntgen, was mich inne halten ließ. „Abby hat mir die Sache mit Gibbs erzählt", sagte er schließlich und blickte mich eingehend an. In der ganzen Aufregung hatte ich ganz vergessen, es ihm zu berichten, dass sein bester Freund in Schwierigkeiten steckte, weswegen mich plötzlich Schuldgefühle überkamen. „Es tut mir leid. Ich hätte…" Aber er stoppte mich, indem er einen Finger hob. „Schon in Ordnung. Du hattest in der letzten Stunde andere Sorgen als zu mir in die Pathologie zu kommen, um mir zu sagen, dass Jethro entführt wurde." Ich starrte dennoch beschämt zu Boden und fühlte mich mies. Ducky hatte mich ständig unterstützt, hatte mir Ratschläge bezüglich Gibbs gegeben und dann vergaß ich einfach, mich eine Minute lang mit ihm zu unterhalten.
Ich schüttelte den Kopf und schluckte den Kloß in meinem Hals hinunter. „Ich kann mir vorstellen, dass du auf die Kidnapper mehr als wütend bist", fuhr er fort, da ich nichts erwiderte. Seine sanfte Stimme verleitete mich dazu, aufzublicken. In seinen Augen lag nichts weiter als Sorge, also schien er es mir wirklich nicht übel zu nehmen, dass ich es versäumt hatte, ihn auf den neuesten Stand zu bringen. „Egal was dich dort erwartet, tu nichts Unüberlegtes." Er sprach nachdrücklich und musterte mich eingehend. „Lass dich nicht von deiner Wut leiten, sondern höre auf deinen Verstand. Hass kann dich von Innen heraus zerfressen und dich blind für die wesentlichen Dinge machen. Vergiss das nie, Tony." Für ein paar Sekunden schwieg ich, nickte aber schließlich. „Ich werde es mir merken", flüsterte ich, was ihn sichtlich zufrieden stellte. „Und jetzt zeig es den Verbrechern und hol Gibbs zurück. Zeig ihnen, dass sich niemand ungestraft mit dem NCIS anlegt." „Das werde ich, Ducky", sagte ich und lächelte. „Da habe ich überhaupt keinen Zweifel. Sei vorsichtig." „Aber immer doch." Entschlossen drückte ich auf den Knopf, um die Türen des Fahrstuhls zu öffnen, die sich in der Zwischenzeit wieder geschlossen hatten. Ein letztes Mal blickte ich zu dem Pathologen, der mir aufmunternd zunickte, bevor ich in den Aufzug trat, um in die Tiefgarage hinunterzufahren. Bei dem Gedanken daran, dass ich bald den Männern gegenüberstehen würde, die seit gestern hinter mir her waren, zogen sich meine Eingeweide schmerzhaft zusammen. Auch wenn ich das FBI als Rückendeckung hatte, wusste ich nur zu gut, dass diese Sache tödlich enden konnte. 15 Minuten würde es dauern, bis der ganze Spuk vorbei sein würde – 15 Minuten, in denen ziemlich viel passieren konnte. Während mich der Fahrstuhl stetig nach unten brachte, hoffte ich, dass ich dieses Gebäude das nächste Mal lebend betreten würde – und nicht in einem Leichensack.

Fortsetzung folgt...
Chapter 35 by Michi
Irgendwo in Washington
45 Minuten später


Gibbs wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, seit sie ihn alleine gelassen hatten. Es hätten nur ein paar Minuten oder auch bereits Stunden sein können. Zeit war für ihn plötzlich ein relativer Begriff, etwas, das sich unendlich in die Länge zog. Und noch nie war er so unruhig gewesen. Hätte er die Möglichkeit gehabt, würde er in diesem Raum auf und ab laufen, wahrscheinlich so lang, bis seine Schritte Kerben in dem Betonboden hinterlassen hätten. Aber er war weiter dazu verdammt, hier herumzuhängen, ohne eine Chance zu haben, sich aus seiner misslichen Lage zu befreien. Das Seil grub sich mittlerweile mehr als unangenehm in seine Haut, die an dieser Stelle schmerzhaft brannte. Obwohl er nichts sehen konnte, war er sich sicher, dass sie bereits rot und aufgeschürft war und es fehlte nicht viel, da würde er zu bluten beginnen. Seine Finger hatten angefangen zu kribbeln und er wusste, es würde nicht mehr lange dauern, bis er das Gefühl in ihnen verlor.
Seine Schultergelenke spürte Jethro seit mehreren Minuten nicht mehr, außer er bewegte sich und ein stechender Schmerz schoss ihm bis in den letzen Winkel seines Gehirns. Die Kälte in dem Raum ließ ihn in regelmäßigen Abständen erzittern und auf seinen bloßen Armen hatte sich unwiderruflich eine Gänsehaut gebildet. Nicht einmal die Tricks, die er bei den Marines gelernt hatte und die einem helfen sollten, sich warm zu halten, halfen ihm in dieser Situation. Wie auch? Er konnte ja nicht einmal ein wenig herumlaufen, um seine Muskeln dazu zu bringen, Wärme zu produzieren.
Aber noch viel schlimmer als diese Kälte war die Stille, die ihn umgab. Das Tropfen von Wasser auf den Boden machte ihn halb verrückt, auch wenn es ein netter Zeitvertreib war zu zählen, wie viele Tropfen aufschlugen. Die Rohre gurgelten ab und zu, gefolgt von einem ächzen, dass man meinen könnte, sie würden jeden Moment abbrechen und mit einem lauten Krachen nach unten fallen. Und dann waren da noch die leisen Geräusche von kleinen Pfoten, die über den Boden huschten. Sie kamen ihm hin und wieder ziemlich nahe, berührten ihn aber nicht, so als ob die kleinen Nager spüren würden, dass sie der Chefermittler ohne zu zögern mit einem seiner Füße zerquetschen würde. Wenigstens hätte er somit etwas gehabt, an dem er seine Wut auslassen konnte. Frustration war ein Gefühl, das er eigentlich nicht kannte, das ihn aber, je länger er hier gefangen war, immer mehr überkam und er das Bedürfnis hatte, einen lauten Schrei auszustoßen. Aber jedes Mal schluckte er jedes noch so kleine Geräusch hinunter, das seiner Kehle zu entkommen drohte. Er würde diesen Verbrechern nicht zeigen, was sie ihm eigentlich damit antaten, dass sie ihm die Augen verbunden und ihn zur Untätigkeit verdonnert hatten.
Aber diese Gefühle waren im Gegensatz zu der Angst, die Gibbs seit geraumer Zeit quälte, relativ harmlos. Er war sich bewusst, dass er sich Gedanken darüber machen sollte, wie er hier lebend rauskommen könnte, aber dennoch machte er sich mehr Sorgen um Tony als um sich selbst. Immerhin würde dieser höchstwahrscheinlich diesen Ort nur mehr als Toter verlassen. Derjenige, der hinter dem Ganzen steckte, würde weder ihn noch seinen Freund verschonen, dafür stand für ihn viel zu viel auf dem Spiel - das hatte Jethro erkannt, als er herausgefunden hatte, wer der Drahtzieher war. Zwar war er nach außen hin weiter ruhig geblieben, aber dennoch beschlich ihn das ungute Gefühl, dass es der andere durchaus mitbekommen hatte, dass seine Identität nicht länger geheim war. Im Prinzip hätten sie ihm die Augenbinde gleich abnehmen können, aber er war weiterhin dazu verdammt, hier blind herumzuhängen.
Gibbs' Gedanken schweiften erneut zu Tony ab, der sicher bereits auf dem Weg hierher war. Gary hatte ihm erzählt, dass er ihn mit dem Handy des Chefermittlers angerufen hatte, um ihm zu sagen, dass er hierher kommen sollte, alleine und unbewaffnet. Anschließend hatte er sich darüber ausgelassen, dass sich Anthony Sorgen um ihn machte und hatte deswegen auch noch angefangen zu lachen. Jethro hatte das einfach über sich ergehen lassen, zu sehr war er damit beschäftigt gewesen, sich seine Angst nicht anmerken zu lassen. Sein Herz war ein einziger schmerzhafter Klumpen und er wünschte sich, sein Freund würde nicht auf die Forderungen dieser Verbrecher eingehen und sein eigenes Leben retten, indem er einfach im Hauptquartier blieb, wo er halbwegs in Sicherheit war. Er konnte sich nicht vorstellen, dass sie ihn einfach mitten im Großraumbüro erschießen würden, außer sie verspürten den Wunsch, einen Fahrschein ins Jenseits zu bekommen, was er sich nicht vorstellen konnte. Aber so wie er Tony kannte, würde er nicht tatenlos zusehen und ihn einfach seinem Schicksal überlassen. Es war das erste Mal, dass er sich wünschte, DiNozzo wäre etwas skrupelloser, aber er setzte sich immer für die Menschen ein, egal welche Konsequenzen es für ihn haben würde. Und Gibbs wusste, dass er für Anthony mehr war, als nur irgendein Mensch, der Hilfe benötigte. Deshalb würde er sich auch in die Höhle des Löwen begeben, in der Hoffnung, ihn zu retten – nur um wahrscheinlich selbst den Tod zu finden.
In Jethros Kehle stieg ein Knurren auf, als er daran dachte, wie Tony eine Kugel treffen und ihn aus dem Leben reißen würde, wie seine vor Leben strahlenden grünen Augen trüb werden und reglos an die Decke starren würden. „Damit werdet ihr nicht durchkommen", flüsterte er und zerrte an dem Seil. Die Angst verlieh ihm neue Kräfte und er spürte nicht einmal mehr die Schmerzen in seinen Schultergelenken, als er versuchte, sich zu befreien. Die körperliche Qual war nur ein Bruchteil dessen, was sein Herz zusammenkrampfen ließ und ihm sein logisches Denken nahm. Der Teufel sollte ihn holen, wenn er einfach so zulassen würde, dass Tony etwas passierte. Irgendwie würde er es schon schaffen, sich zu befreien und sei es, dass er sich dafür etwas ausrenken oder brechen musste. Was spielten die physischen Schmerzen schon für eine Rolle? Sie würden irgendwann vergehen, wieder heilen, wohingegen die psychischen bleiben würden, solange bis…
Gibbs hielt inne, als Schritte erklangen und sich seinem Gefängnis näherten. Der Schwerfälligkeit nach war es Gary und nicht sein Boss, von dem die meiste Gefahr ausging. Auch wenn er äußerlich nicht so aussah, so war er skrupellos und konnte sich perfekt überall einschleichen, konnte sich überall Zutritt verschaffen. Es wunderte ihn auch nicht mehr, dass sie so schnell herausgefunden hatten, dass Tony das Handy hatte und wo er wohnte. Genauso wenig überraschte es ihn, dass der Sicherheitsdienst von dem Einkaufszentrum das Überwachungsband so ohne weiteres hergegeben hatte.
Die Schritte kamen immer näher und übertönten mittlerweile das leise Tappen der Pfoten der Nager, die Jethros einzige Gesellschaft gewesen waren. Automatisch drehte er seinen Kopf in die Richtung, aus der der Mann kam und versuchte ruhig zu atmen und nicht seiner Wut freien Lauf zu lassen. Er hatte noch sehr gut in Erinnerung, was geschehen war, als er Gary zu heftig angeschnauzt hatte. Das stetige leichte Pochen in seiner linken Wange war Beweis genug dafür.
„Sie haben hier ein kleines Rattenproblem", sagte Gibbs mit einem Hauch Sarkasmus, als die Schritte verstummt waren. „Vielleicht sollten Sie einmal einen Kammerjäger anrufen." Für ein paar Sekunden war es ruhig, bis schallendes Gelächter erklang, das von den Wänden um ein Vielfaches verstärkt wurde. „Haben Sie etwas gegen Ratten, Agent Gibbs?" fragte Gary amüsiert und kam näher. „Nein, außer sie sind riesengroß, bewegen sich wie ein Elefant und haben einen Mundgeruch, der den stärksten Bären umhauen würde." Gleich darauf biss er sich auf die Unterlippe und verwünschte sich selbst. Verdammt, er sollte aufhören in Tonys Angewohnt, was dämliche Sprüche betraf, zu verfallen. Andererseits konnte er in dieser Situation nicht einfach still sein, auch wenn es sinnvoller gewesen wäre. Aber er wollte Gary zeigen, dass er sich nicht unterkriegen ließ und wenn er sich deswegen wie Anthony verhielt, sollte es ihm nur Recht sein. Wenn dieser erst einmal hier war, würden sich diese Typen noch daran gewöhnen müssen, was es bedeutete, sich dumme Sprüche anzuhören, denn dass Tony seinen Mund nicht halten würde, war so sicher wie die Tatsache, dass jeden Morgen die Sonne aufging.
Die eisige Stille, die nach Gibbs' Worten in dem Raum herrschte, breitete sich immer mehr aus und er zwang sich, seinen Kopf ruhig zu halten und ihn nicht hin und her zu drehen, in der Hoffnung, ein leises Geräusch zu vernehmen. In weiser Voraussicht presste er seine Kiefer fest zusammen und das zu Recht, wie sich gleich darauf herausstellen sollte. Ein harter Schlag traf ihn im Gesicht und ließ für ein paar Sekunden Sternchen vor seinen Augen aufblitzen. Auch wenn Jethro das Gefühl hatte, sein linker Wangenknochen würde nur mehr aus einer breiigen Masse bestehen, so kam kein Laut über seine Lippen. Aber der Schmerz hatte auch etwas Gutes: sein Kopf wurde dadurch klar und er fing wieder an, wie ein Bundesagent zu denken und nicht wie jemand, der sich nur von seinen Gefühlen leiten ließ. Die Angst, die er um Tony hatte, war zwar immer noch präsent, aber er hatte sie unter Kontrolle.
Gibbs atmete ruhig weiter und hob seinen Kopf ein wenig an, bis er das Gefühl hatte, seinem Gegenüber genau ins Gesicht zu sehen. „Sie sind ja ein richtiger Scherzkeks", sagte Gary amüsiert, aber nichts desto trotz mit einem eisigen Ton in der Stimme. „Das hätte ich von Ihnen nicht erwartet." „Ich stecke eben voller Überraschungen." „Dennoch sollten Sie lieber lernen, Ihren Mund zu halten." „Das wird wohl nicht möglich sein. Dafür rede ich viel zu gerne." Was für einen Unsinn gab er da überhaupt von sich? Er und viel reden? Verdammt, er sollte wirklich aufhören, sich wie Tony zu verhalten und sich wieder wie der Chefermittler benehmen, der er war.
Zu seiner Überraschung ging Gary nicht auf seine Bemerkung ein, sondern fing an, ihn zu umrunden. Gibbs widerstand dem Drang, seinen Kopf zu drehen, seinen Schritten zu folgen, stattdessen starrte er weiterhin geradeaus, auch wenn er durch das Tuch hindurch nichts sehen konnte.
„Ihr Freund hat noch eine viertel Stunde, bevor die Frist abläuft", sagte der Mann schließlich, ohne jedoch seine Wanderung zu unterbrechen. „Ich bin gespannt, ob er hier auftauchen wird, in dem Bestreben Sie zu retten." Das letzte Wort hatte er höhnisch ausgesprochen, gefolgt von einem leisen Kichern, das so widerwärtig war, dass sich Jethros Nackenhärchen aufstellten, aber er hielt an seinem Vorsatz fest, sich nicht aus der Reserve locken zu lassen. „Ich bin schon auf das Gesicht von DiNozzo gespannt, wenn er realisiert, dass er trotz all seinen Bemühungen keine Chance hat, Sie lebend hier rauszuschaffen. Es wird mir eine Freude sein, ihn leiden zu sehen. Er wird noch merken, dass es nicht sinnvoll gewesen ist, Jerry umzubringen." „Es war Notwehr!" schrie Gibbs, unfähig seine Wut zurückzuhalten. „Und Ihr Kumpel wird deshalb auch nicht wieder lebendig, wenn Sie Tony töten!" „Nein, aber Rache fühlt sich auch gut an", erwiderte Gary ruhig, so als ob ihn nichts aus der Fassung bringen könnte. Für ein paar Sekunden waren nur die Schritte zu hören, als er weiterhin seine Runden um den Chefermittler drehte, bis er plötzlich vor ihm stehen blieb und ihm seinen fauligen Atem ins Gesicht blies. „Vielleicht werde ich mich aber auch noch vorher mit ihm amüsieren", sagte der Mann schließlich und in seiner Stimme konnte man das Grinsen förmlich hören. Gibbs rann es eiskalt über seinen Rücken hinunter und er wünschte sich, er könnte etwas dagegen tun, um sich die Worte des anderen nicht anhören zu müssen. Ihm drehte sich der Magen um, als dieser weitersprach und ihn an seinem Plan, was er alles mit Tony vorhatte, teilhaben ließ. Sein Atem beschleunigte sich und unwillkürlich krampfte er seine Finger um das Seil.
„Obwohl ich eigentlich nicht auf Männer stehe, könnte ich dieses Mal durchaus eine Ausnahme machen. Ich gehe jede Wette ein, dass DiNozzos Haare weich sind und seine Haut herrlich warm ist. Dieser muskulöse Rücken fühlt sich sicher wunderbar an, wenn man mit den Händen darüber fährt. Es hat ziemlich spaßig ausgesehen, was ihr beide gestern Abend da gemacht habt." Jethros Eingeweide verkrampften sich und seine Stimme klang rau vor unterdrückter Wut, als er fragte: „Was soll das heißen?" Aber innerlich kannte er die Antwort bereits, wusste worauf Gary hinaus wollte. Er hatte das Gefühl, jemand habe einen Kübel eisiges Wasser über seinem Kopf ausgeleert, als ihm bewusst wurde, dass jeder, der sich in dem Garten aufgehalten hätte, einen wunderbaren Blick in Tonys Wohnzimmer hätte werfen können. Der Mann vor ihm war nicht nur ein Mörder, sondern anscheinend auch noch ein Voyeur.
„Das soll heißen", fuhr der andere fort und begann erneut, hin und her zu gehen. „Dass es vielleicht sinnvoller gewesen wäre, die Vorhänge zuzumachen, bevor ihr euch so innig miteinander beschäftigt habt. Da hätte euch ja jeder beobachten können. Aber so habe ich mir wenigstens die Karte für das Kino gespart. Eure kleine Show war sehr unterhaltsam. Schade, dass ihr euch entschlossen habt, hinaufzugehen. Das Finale hätte ich gerne gesehen." Links, rechts, rechts, links, vorne, hinten. Garys Schritte schienen plötzlich von überall herzukommen. Obwohl er blind war, hatte Gibbs das Gefühl, alles würde sich um ihn drehen und er müsste sich jeden Augenblick übergeben. Dieser Typ vor ihm war krank – krank und verrückt. Er holte sich seinen Spaß, indem er andere Menschen dabei beobachtete, wie sie sich liebten. Jethro öffnete seinen Mund und holte tief Luft, zwang seinen revoltierenden Magen, dort zu bleiben, wo er hingehörte.
„Was meinen Sie?" drang Garys Stimme wie durch Watte an seine Ohren. „Sie kennen Agent DiNozzo besser als ich. Mag er es lieber auf die harte Tour oder eher sanft? Hat er lieber die Führung oder lässt er sich dominieren? Aber egal was er bevorzugt, so oder so werde ich ihn dazu bringen, wie Butter in meinen Händen zu sein. Er wird mich anflehen, ihn zu erlösen, ihn zu…" „Halten Sie die Klappe!" Noch nie hatte es jemand geschafft, Gibbs aus der Fassung zu bringen, aber sein Gegenüber schaffte es mühelos, schaffte es mit ein paar Worten, die grausame Bilder vor seinen Augen entstehen ließen. Alleine der Gedanke, dass sich jemand an Tony vergreifen würde, machte ihn rasend, auch wenn er momentan nicht in der Lage war, sich Ausraster zu leisten. Aber alleine durch das Wissen, dass Gary vorhatte, Anthony zu zwingen, mit ihm zu schlafen, kam die unglaubliche Angst, die in seinem Körper verborgen war, an die Oberfläche und ließ ihn an dem Seil zerren, solange, bis er spürte, wie warmes Blut an seinen Unterarmen hinab rann, aber das war ihm egal. Bilder von seinem Freund, der in einer Ecke kauerte, nachdem er vergewaltigt worden war, formten sich in seinem Gehirn und ließen ihn nicht mehr los. „Sie Schwein!" schrie er und versuchte mit dem Fuß auszuholen, um den anderen zu treffen, aber kaltes Metall, das sich gegen seinen Hals presste, ließ ihn wieder zur Besinnung kommen. „Noch ein Wort und ich erschieße Sie auf der Stelle, anstatt vor den Augen Ihres Freundes", zischte sein Gegenüber boshaft und drückte den Lauf der Waffe schmerzhaft gegen seine Haut.
„Lass das, Gary", erklang nach ein paar Sekunden eine Stimme von links und sorgte dafür, dass dieser die Waffe wegnahm. „Du hast nachher noch genug Zeit, um zu spielen." Gibbs drehte seinen Kopf in die Richtung, aus der die Stimme kam und fragte sich, wie lange der Mann schon dort gestanden hatte, wie viel er mitbekommen hatte. Er selbst hatte ja nicht einmal gemerkt, dass noch jemand anwesend war, so sehr war er damit beschäftigt gewesen, nicht den Verstand zu verlieren, bei den Worten, die seine Ohren erreicht hatten und die noch immer in seinem Kopf widerhallten.
„Für Sie ist das also alles nur ein Spiel?" fragte Jethro und wunderte sich über seine beherrschte Stimme. „Das gesamte Leben ist doch nur ein großes Spiel", erwiderte dieser und betrat den Raum. „Wenn das so ist, dann ist es ein Spiel, das Sie verlieren werden." „Sie sind ein unverbesserlicher Optimist, Agent Gibbs. Gary", wandte er sich an seinen Handlanger. „Geh nach oben. Unser Gast wird sicher in den nächsten Minuten eintreffen. Nimm ihn in Empfang und bring ihn hier herunter, aber lebendig, wenn es geht. Nachher kannst du dich noch gebührend um ihn kümmern." „Verstanden, Boss", erwiderte der andere unterwürfig und verschwand aus dem Raum, wobei seine schwerfälligen Schritte laut von den Wänden zurückgeworfen wurden.
„Das können Sie nicht zulassen", sagte Gibbs fast flehend. „Sie können doch nicht zulassen, dass er sich einfach an Tony vergreift. Von mir aus kann er mit mir machen was er will, nur er soll ihn in Ruhe lassen." „Es ist bedauerlich, dass dieser in diese Sache hineingezogen wurde. Glauben Sie mir, hätte Clive Erickson das Handy jemand anderem zugesteckt, würde dieser das alles durchmachen. Gary ist untröstlich über den Tod von Jerry und will seinen Schmerz ein wenig lindern. Das wird er auf seine Art und Weise machen und ich werde ihn nicht daran hindern."
Die gesamte Kraft wich aus Jethros Körper und er ließ seinen Kopf nach unten hängen. „Wieso?" fragte er leise. „Wieso machen Sie das alles?" „Macht", kam prompt die Antwort. „Und Geld. Ich habe mir geschworen, nie wieder arm zu sein. Und dafür würde ich alles machen." „Sogar einen Bundesagenten umbringen?" „Es bleibt mir nichts anderes übrig. Zuviel steht auf dem Spiel. Ich kann nicht riskieren, dass man auf dem Video doch etwas erkennt." „Wieso lassen Sie uns dann nicht einfach gehen, wenn Sie das Handy haben? Ich weiß doch nicht einmal, wer…" „Ich bitte Sie, Agent Gibbs. Wir beide wissen, wer vor Ihnen steht, also versuchen Sie nicht, sich herauszureden." „Dann können Sie mir doch genauso gut die Augenbinde abnehmen. Ich kann es nicht ausstehen, wenn ich nichts sehen kann." Unwillkürlich hielt Gibbs die Luft an. Wie er erwartet hatte, wusste der andere, dass ihm klar war, wer der Drahtzieher war. Für ein paar Sekunden war nichts zu hören, nur das regelmäßige Tropfen von Wasser und das Ächzen der Leitungen. Aber dann erklangen Schritte und gleich darauf spürte er, wie sich jemand an dem Tuch zu schaffen machte, den Knoten löste und es schließlich von seinem Kopf entfernte. Blinzelnd öffnete er seine Augen. Der Raum, in dem er sich befand, wurde nur durch eine Glühbirne hoch oben an der Decke erhellt, weshalb er nicht lange brauchte, um sich an das Dämmerlicht zu gewöhnen. Die Mauern seines Gefängnisses bestanden aus schmutziggrauem Beton und an einigen Stellen wuchs grünlich-weißer Schimmel. Eine fette Ratte scharrte in einer Ecke am Boden und zeigte ihm ihren langen kahlen Schwanz. Links von ihm war eine Tür, die offen stand und den Blick auf einen langen Gang freigab, der ebenfalls nur schwach beleuchtet war und weiter hinten einen Knick nach rechts machte. Auch dieser bestand aus Beton und hatte schon bessere Zeiten gesehen.
Gibbs jedoch interessierte der Flur nicht sonderlich, sondern er konzentrierte sich auf den Mann, der vor ihm stand und in der rechten Hand ein schwarzes Tuch hielt. Noch immer trug er den schicken Anzug, genauso wie die Krawatte, die fest um seinen Hals saß. Der Mantel war verschwunden, genauso wie der freundliche Ausdruck in den Augen. Seine Haare waren ordentlich frisiert und schienen gegen die klamme Kälte und Feuchtigkeit in diesem Keller immun zu sein. Auf seinen Lippen lag ein beinahe freundliches Lächeln und seine Stimme klang sanft, als er fragte: „Zufrieden, Agent Gibbs?" Jethro erwiderte den Blick des anderen und legte seine gesamte Verachtung in diesen. „Ich bin erst dann zufrieden, wenn Sie im Gefängnis sitzen", erwiderte er und beugte seinen Kopf ein wenig nach vorne, um den anderen noch mehr mit seinen Augen zu durchbohren, bevor er hinzufügte: „Agent DeLay."

Fortsetzung folgt...
Chapter 36 by Michi
Seit etwas mehr als 10 Minuten saß ich regungslos im Auto und betrachtete das heruntergekommene Haus, von dem ich wusste, dass sich in seinem Inneren Gibbs aufhalten musste. Die Farbe der Fassade war schmutziggrau, mit bunten Graffitis verziert und hatte ihre besten Tage bereits hinter sich. Die Fenster im Erdgeschoss waren bis auf wenige Ausnahmen eingeschlagen und teilweise mit Brettern vernagelt worden. Die Glasscheiben der ersten und zweiten Etagen waren jedoch intakt, aber schmutzig, so als ob sich schon seit langem keiner mehr die Mühe gemacht hatte, sie zu putzen. Vom Schornstein war nur mehr die Hälfte übrig und es fehlten ein paar Dachziegeln, die schwarze Löcher hinterlassen hatten und durch die der Regen mühelos seinen Weg ins Innere finden konnte.
Die gesamte Umgebung des Hauses wirkte trist und verlassen. Es gab insgesamt ein halbes Dutzend Gebäude, die auf Grundstücken standen, die entweder von Maschendraht- oder morschen Bretterzäunen voneinander getrennt waren. Es gab kein Bauwerk, bei dem die Fenster heil gewesen wären und überall lag Unrat auf dem braunen abgestorbenen Gras herum. Die Pflastersteine der Wege, die zu den Einganstüren führten, waren im Laufe der Zeit von Unkraut gesprengt worden, das an einigen Stellen bereits knöchelhoch wucherte. In der gesamten Gegend war kein einziger Mensch zu sehen und man hatte auch nicht den Eindruck, dass sich hier jemand aufhalten würde. Aber es war allgemein bekannt, dass sich vor allem Drogensüchtige und Obdachlose in diese Häuser zurückzogen, um dahinzuvegetieren, sich den goldenen Schuss zu verpassen oder sich besinnungslos zu betrinken. Manchmal wurden hier Kämpfe der verschiedenen Straßengangs ausgefochten und wenn man das Pech hatte, sich in der Nacht hier alleine aufzuhalten, war die Wahrscheinlichkeit groß, dass man ohne Brieftasche und Uhr und mit einer gebrochenen Nase im nächsten Krankenhaus landete – vorausgesetzt man überlebte die Begegnung mit dem Räuber, der für ein paar Dollar über Leichen ging. Es war die ideale Gegend, um einen Menschen zu verstecken, von dem man nicht wollte, dass er gefunden wurde. Die Personen hier kümmerten sich um ihre eigenen Angelegenheiten, scherten sich einen Dreck um die anderen und kamen nicht einmal jemandem zur Hilfe, der diese dringend benötigte. Es war mehr als offensichtlich, dass ich auf mich alleine gestellt war.
Mit Mühe riss ich meinen Blick von dem trostlosen Gebäude los und sah auf die Uhr des Armaturenbrettes. Ich hatte noch sieben Minuten, bis die Frist ablief und ich in dem Inneren des Hauses sein musste. Der Weg hierher war mit drei kleinen Staus und einem dichten Frühnachmittagsverkehr gepflastert gewesen. Je weiter ich mich jedoch dieser Gegend genähert hatte, desto weniger Autos waren auf der Straße unterwegs gewesen, bis ich schließlich der Einzige gewesen war. Würde mein Ford Mustang nicht noch vor meinem Haus stehen, hätte ich ihn sicher in der Tiefgarage des NCIS gelassen, denn die Chance, dass ich ihn ohne Reifen oder gar nicht mehr wiederfinden würde, war mehr als hoch. Über den Dienstwagen, indem ich saß, machte ich mir keine Gedanken, er gehörte mir immerhin nicht und unsere Bundesbehörde war gut gegen Diebstahl versichert.
Erneut blickte ich zu dem Gebäude und versuchte hinter einem der Fenster eine Bewegung auszumachen, aber nichts. Es gab zwar kein Anzeichen, dass sich dort drinnen jemand aufhielt, aber ich wusste es besser. Ich spürte regelrecht die Anwesenheit von Gibbs, genauso wie ich wusste, dass ich bald erfahren würde, wer hinter der ganzen Sache steckte.
Noch fünf Minuten – es wurde langsam Zeit. Ich nahm mein Handy vom Beifahrersitz und wählte McGees Nummer, der sich bereits nach dem ersten Klingeln meldete. „Ich bin es, Bambino. Wo seid ihr?" „Auf dem Weg zu dir. Wir brauchen noch ungefähr 20 Minuten. Trotz des Blaulichtes sind wir wegen einem Unfall in einem Stau gestanden und…" „Ich werde jetzt reingehen", unterbrach ich ihn, in der Befürchtung, er würde auch noch in einer Stunde weiterreden. „Seht zu, dass ihr euch beeilt. Ich habe nicht das Bedürfnis, hier in einem Leichensack weggebracht zu haben." „Keine Bange, Tony, wir werden rechtzeitig da sein. Außerdem funktioniert das Signal des Peilsenders hervorragend. Wir wissen demnach immer wo du bist." Ich schloss für ein paar Sekunden die Augen und ermahnte mich, etwas ruhiger zu sein. Meine Kollegen machten auch nur ihre Arbeit und sie würden verhindern, dass mir oder Gibbs etwas geschah. „In Ordnung", erwiderte ich freundlicher als vorher und setzte mich aufrechter hin. „Bis gleich." Bevor Tim noch etwas sagen konnte, legte ich auf und warf das Handy zurück auf den Beifahrersitz, da ich es nicht wirklich gebrauchen konnte. Das kleine Gerät, welches mir den ganzen Schlamassel eingebrockt hatte, steckte nach wie vor in meiner Hosentasche und würde vorerst auch dort bleiben.
Ich holte noch einmal tief Luft, bevor ich die Wagentür öffnete und mir kalte Luft entgegenschlug, aber dennoch entschied ich mich, meine Jacke auszuziehen. So konnten die Männer gleich sehen, dass ich unbewaffnet war und nicht vorhatte, sie reinzulegen – schon gar nicht, wenn es um Gibbs' Leben ging. Meine Pistole lag sicher verstaut in der obersten Schublade meines Schreibtisches und ich nur konnte hoffen, dass sich das FBI und meine beiden Kollegen beeilen würden, um mir Rückendeckung zu geben. Aber 20 Minuten konnten verflixt lange sein, vor allem wenn man Gefahr lief, getötet zu werden.
Mit einem leisen Geräusch schloss ich die Tür wieder und blieb für einen kurzen Moment stehen. Der Regen hatte aufgehört und die Wolken waren nicht mehr ganz so dicht und schwer, aber dennoch wirkte es hier düster, so als ob es selbst tagsüber nicht hell werden würde. Leichte Nervosität stieg in mir auf, gepaart mit der Angst vor der Ungewissheit, was mich in dem Inneren des Gebäudes erwarten würde. Aber nicht einmal der Weltuntergang würde mich aufhalten können, da jetzt reinzugehen.
Schritt für Schritt näherte ich mich dem Haus, wobei ich die Umgebung stets im Auge behielt, um nicht in einen Hinterhalt zu geraten. Es ließ sich zwar nirgendwo jemand blicken, aber dennoch hatte ich das Gefühl, dass ich beobachtet wurde. Stetig näherte ich mich dem halbverfallenem Bauwerk, bis ich schließlich die schiefen und ausgetretenen Stufen hinter mich brachte und meine Hand auf die Klinke der Tür legte, um sie hinunterzudrücken. Das Holz war morsch und hätte sicher einem harten Tritt nicht standgehalten. Die ehemalige braune Farbe war verblichen und erinnerte mich ein wenig an alten Lehm.
Ein weiteres Mal holte ich tief Atem, bevor ich die Tür langsam öffnete, die erbärmlich in den Angeln hing und mich durch ein Quietschen zusammenzucken ließ. Kühle, feuchte und nach Moder riechende Luft schlug mir entgegen und ließ mich beinahe wieder zurück taumeln. Zentimeter für Zentimeter schwang die Tür nach innen, bis sie den Blick in einen länglichen Vorraum freigab, an deren linker Seite eine Treppe aus dicken Holzbrettern nach oben führte, wobei das Geländer beängstigend schief hing. Auf den Wänden klebte eine Tapete, die bereits vergilbt war und irgendwann einmal weiß mit einem Blumenmuster verziert gewesen sein musste. Durch die Feuchtigkeit löste sie sich bereits von der Mauer und hing stellenweise in Fetzen herunter. Der Boden war mit einem zerschlissenen dunkelblauen Teppich ausgelegt, der ein paar Löcher und große Flecken aufwies. Es war düster und nicht einmal das Licht, welches durch die geöffnete Eingangstür fiel, konnte die Atmosphäre aufhellen.
Ich lauschte angestrengt, aber ich konnte kein Geräusch hören, keine Schritte, die sich mir näherten und ankündigten, dass ich nicht mehr alleine war. Hatte ich mir das Gefühl, beobachtet zu werden, etwa eingebildet? „Gibbs, wo bist du nur?" flüsterte ich und trat durch den Durchgang rechts von mir, der mich in ein Wohnzimmer führte, das überraschend freundlich eingerichtet war, zudem waren die Fenster heil. Zwar war der Teppich genauso durchgetreten, aber die Möbel, die auf ihm standen, waren zweifelsohne nicht sehr alt. In der Mitte des Raumes befanden sich zwei gemütlich aussehende Sofas, auf denen Polster und Decken lagen. Der Tisch war mit Fastfoodtüten, Pizzaschachteln und Getränkeflaschen übersät. In der rechten hinteren Ecke stand ein Schreibtisch mit einem Laptop darauf, der jedoch ausgeschaltet war. Zwar machte es auf mich nicht so den Eindruck, aber es musste sich her jemand eine Internetverbindung eingerichtet haben, wahrscheinlich ebenfalls unter falschem Namen. Zusätzlich gab es noch einen kleinen Fernseher und ein niedriges Bücherregal. Links gab es eine weitere Tür, die offen stand und mir einen Blick in eine abgenützte Küche gewährte. Aber es war nicht die alte Einrichtung, auf die ich mein Augenmerk legte, sondern auf den großen bulligen Mann, der mit der Hüfte an dem runden Tisch lehnte und eine Waffe in der Hand hielt, die genau auf mich zielte. Sein Gesicht war breit und wurde von einer krummen Nase dominiert, die mindestens zwei Mal gebrochen worden war. Der muskulöse Körper steckte in schwarzer Kleidung, die eine Nummer zu klein schien. Seine Lippen kräuselten sich zu einem gehässigen Grinsen und die dunklen kalten Augen verfolgten jede Bewegung meinerseits, als ich auf ihn zukam, bis ich schließlich die Küche betrat, in der überall benutztes Geschirr herumstand und in der es nach verbranntem Essen roch.
„Pünktlich auf die Minute", sagte er höhnisch und an seiner eisigen Stimme erkannte ich den Mann, der mich vor zwei Stunden angerufen und mir mitgeteilt hatte, dass Gibbs entführt worden war. Und dass er mir so bereitwillig sein Gesicht zeigte, bestärkte mich in der Vermutung, dass ich diesen Ort nicht lebend verlassen sollte. Mühsam schluckte ich den Kloß in meinem Hals hinunter, wobei ich nach außen hin weiterhin ruhig blieb. „Ich weiß doch, wie scharf Sie darauf sind, mich zu sehen und da dachte ich mir, ich kann Sie doch nicht warten lassen", erwiderte ich in meiner üblichen Art, weshalb mein Gegenüber seine Augen zu Schlitzen zusammenkniff. „Noch so jemand, der das Bedürfnis hat, seinen Mund zu weit aufzureißen, was? Bringen die euch beim NCIS keine Disziplin bei?" Seine Worte brachten mich beinahe zum Grinsen. So wie es aussah, hatte Jethro nicht geschwiegen, sondern gesagt, was er sich dachte und das hatte diesem Typen anscheinend nicht gerade gefallen.
„Wo ist Gibbs?" fragte ich und trat näher auf den Mann zu, der mich noch immer mit der Waffe bedrohte, sie aber ein wenig sinken ließ. „Nicht so schnell", meinte er, stieß sich von dem schmutzigen Tisch ab und ehe ich auch nur reagieren konnte, schlug er mir seine freie Hand ins Gesicht, so fest, dass ich benommen zur Seite taumelte. Eine Sekunde später schnappte er sich meinen rechten Unterarm, wirbelte mich herum und drehte ihn mir brutal auf den Rücken, sodass mir unwillkürlich ein Schmerzensschrei entfuhr. Mit dem Gesicht voran drückte er mich gegen die Wand und verstärkte seinen Griff noch mehr, bis ich das Gefühl hatte, er würde mir meinen Arm brechen. Der Lauf der Waffe wurde mir gegen meinen Nacken gedrückt und fauliger Atem peinigte meinen Geruchssinn. Aber anstatt mich weiter zu schlagen oder mich zu erschießen, presste er unerwartet seine Nase in meine Haare und schnupperte an ihnen. „Mmmm… du riechst echt gut", murmelte er in mein Ohr und ließ den Waffenlauf von meinem Nacken gleiten und fuhr mit ihm an meiner linken Körperseite nach unten und wieder hinauf, so als ob er mich liebkosen würde. „So unbeschreiblich sexy, so straffe Muskeln, so kraftvoll. Ich kann es gar nicht erwarten, meine Finger und meine Zunge so lange über deinen Körper wandern zu lassen, bis ich jede noch so verborgene Stelle berührt habe."
Ekel stieg in mir auf und ich begann mich gegen den eisernen Griff zu wehren, wobei mir ein stechender Schmerz durch meinen rechten Arm schoss, aber ich ignorierte ihn. „Wehr dich nur. Es wird dir aber niemand helfen können", flüsterte er weiter und berührte mein Ohrläppchen mit seiner Zungenspitze. Angewidert wollte ich meinen Kopf zur Seite drehen, aber sofort verstärkte er die Umklammerung um meinen Arm. „Gibbs hat es gar nicht gefallen, als ich ihm gesagt habe, dass ich mich mit dir amüsieren will", fuhr er fort, wobei seine Stimme heiser wurde, sich sein Körper fest gegen meinen Rücken presste und ich seine Erektion überdeutlich an meinem Gesäß spüren konnte. „Hat mich ein Schwein genannt." „Das sind Sie auch", zischte ich verächtlich. „Und Sie stinken aus Ihrem Mund wie ein Dutzend dieser Tiere." Ich ließ mir nicht anmerken, dass mich seine Worte, er wolle sich mit mir amüsieren, mehr als geschockt hatten. Mich ekelte schon alleine vor dieser Zunge, die vor kurzem meine Haut berührt hatte und die Vorstellung, dass mich dieser Typ überall angreifen wollte, ließ mich beinahe würgen. Ich konnte nur hoffen, dass das FBI noch auftauchen würde, bevor er seinen Plan in die Tat umsetzen würde.
Bei meiner nicht gerade netten Aussage über seine Mundhygiene, versteifte er sich und die Waffe wanderte zurück an meinen Nacken. Zusätzlich zog er meinen Arm noch weiter nach oben, bis mir selbst durch meine zusammengepressten Lippen ein leises Stöhnen entschlüpfte. „Es wird mir eine Freude sein, dich zu brechen", flüsterte er eiskalt. „Ich werde viel Spaß mit dir haben und du wirst noch lernen, deinen Mund zu halten." Er rieb seinen Körper provozierend an meinem Rücken, bevor er meinen Arm losließ und zurücktrat, aber trotzdem rührte ich mich für ein paar Sekunden nicht von der Stelle. Ich fühlte mich schmutzig und sehnte mich förmlich nach einer Dusche, die mich von diesem Gefühl befreite.
Hinter mir erklang ein Kichern, welches mich derart wütend machte, dass ich mich schließlich umdrehte und meine Hände zu Fäusten ballte, es aber unterließ, sie ihm ins Gesicht zu schlagen, da die Waffe erneut auf mich zielte. „Bevor wir zum amüsanten Teil des Tages kommen", sagte er und deutete mit seinem Kopf auf eine Tür, die ich vorher nicht gesehen hatte, „will dich vorher noch jemand sehen. Na los, vorwärts." Da ich mir sicher war, dass er erneut handgreiflich werden und mir dann wahrscheinlich doch noch den Arm brechen würde – worauf ich gut und gerne verzichten konnte - setzte ich langsam einen Fuß vor den anderen und ging an dem Mann vorbei, wobei ich mich mehr als unbehaglich fühlte, ihm den Rücken zuzukehren. Ich spürte regelrecht, wie seine Augen über meinen Körper wanderten, wie er mich förmlich mit seinen Blicken auszog und ich versuchte nicht daran zu denken, was er mit mir machen wollte und auch tun würde, falls das FBI nicht rechtzeitig hier auftauchen würde. Aber einfach würde ich es ihm sicher nicht machen, das schwor ich mir. Mit mir würde er sicher kein leichtes Spiel haben, da konnte er noch so viele Waffen in seinen Fingern halten.
Mit leicht zitternder Hand öffnete ich die Tür und sah eine Treppe aus nassem Beton vor mir, die in einen Keller hinunterführte. Noch mehr modrige Luft schlug mir entgegen und sie wurde um einiges kälter. Aber dennoch begann ich Stufe für Stufe hinunterzugehen, in dem Bewusstsein, dass dort unten Gibbs auf mich warten würde. Die Aussicht, ihn endlich wiederzusehen, ließ mich vergessen, in welcher Situation ich steckte.
Je weiter ich unter die Erdoberfläche kam, desto kühler wurde es und der modrige Geruch wurde stärker. Das einzige Licht kam von nackten Glühbirnen, die in regelmäßigen Abständen an der Decke angebracht worden waren und die eher eine Atmosphäre wie in einem Geisterhaus verströmten, als Behaglichkeit. Unsere Schritte hallten laut von dem Betongang wider, wobei sich der Mann hinter mir ziemlich schwerfällig bewegte und eher trampelte als zu gehen. Dass er sich so nahe bei mir befand, behagte mir gar nicht und ließ mich erschauern. Nur zu deutlich spürte ich noch immer seinen harten Griff um meinen rechten Arm, seine Erektion, die mir unmissverständlich klar gemacht hatte, dass er scharf auf mich war, und seine Zungenspitze, die mein Ohr berührt hatte. Ich hatte das starke Bedürfnis, genau an dieser Stelle ständig mit einer Hand darüber zu fahren, um seine DNA von meiner Haut zu entfernen, aber ich wusste, es würde ihn nur amüsieren und ihn wahrscheinlich noch mehr anturnen, wenn ich ihm zeigte, wie ich mich fühlte. Mittlerweile wünschte ich mir, ich hätte Fornell keine 15 Minuten Zeit gegeben, bis er und seine Männer eingriffen, sondern gleich gesagt, sie sollen zuschlagen – denn in einer viertel Stunde konnte so viel passieren.
Ich ballte meine Hände zu Fäusten und versuchte an etwas anderes zu denken als an den Typen hinter mir, dessen Atem ich in meinem Nacken spüren konnte. Allerdings verbannte ich ihn eine Sekunde später aus meinem Gehirn, als ich um eine Ecke bog und ein paar Meter vor mir eine offene Tür erkennen konnte, die mir einen Blick in den dahinterliegenden Raum gewährte. Unwillkürlich hielt ich die Luft an, als ich Gibbs sah, der noch immer von der Decke hing und seinen Kopf gedreht hatte, um uns entgegenzusehen.
Ich beschleunigte meine Schritte und stürmte beinahe in den Raum, in dem es nichts weiter als kahle Betonwände, Feuchtigkeit und Kälte gab. Meine gesamte Aufmerksamkeit galt jedoch meinem Freund, der mich aus seinen blauen Augen ansah, in denen es beruhigend lebend funkelte. Auf seiner linken Wange – genauso wie am Unterkiefer - prangte eine Prellung, die meiner eigenen ganz schön Konkurrenz machte. Dünne Rinnsale von Blut bedeckten seine bloßen Unterarme. Das Seil, das um seine Handgelenke gewickelt war, hatte sich unübersehbar in seine Haut gegraben und diese aufgeschürft. Obwohl es nur oberflächliche Verletzungen waren, stieg in mir eine unglaubliche Wut auf, die ich jedoch hinunterschluckte, als ich mich an Duckys Worte erinnerte. Ich durfte mich nicht von meinen Gefühlen leiten lassen, auch wenn ich es gerne tun würde.
Meine gesamte Konzentration hatte Gibbs gegolten, sodass ich den zweiten Mann, der sich hier aufhielt, erst nach ein paar Sekunden bemerkte. Im Gegensatz zu Jethro, dessen Kleidung ein wenig verdreckt und feucht war, war dieser wie aus dem Ei gepellt. Mein Blick glitt von dem teuren Anzug über die perfekt sitzende Krawatte zu einem Gesicht, das ich erst vor ein paar Stunden zum ersten Mal gesehen hatte. Meine Muskeln versteiften sich und ich hatte das Gefühl, als ob mich jemand in ein großes Becken mit eiskaltem Wasser getaucht hätte. Mir wurde unbeschreiblich kalt und Unglauben stieg in mir auf, als ich wie erstarrt den jungen Mann vor mir betrachtete, der noch vor kurzem Scherze gemacht und sich unbeschwert mit mir unterhalten hatte. Allerdings konnte ich von der Freundlichkeit von heute Vormittag nichts mehr erkennen, sie war verschwunden, genauso wie der warme Ausdruck in den graublauen Augen. Und mit einem Mal wurde mir klar, weshalb er mich für eine Sekunde eiskalt angesehen hatte, als ich das Handy erwähnt hatte, mir wurde klar, weshalb ich in Bezug auf ihn ein ungutes Gefühl gehabt hatte und vor allem wurde mir klar, dass ich keine Gnade erwarten konnte. Wieso hatte ich nur meinen Instinkt ignoriert? Wieso hatte ich nur meinen Mund gehalten? Andererseits, wer hätte mir schon geglaubt, dass hinter einem freundlichen FBI Agenten ein skrupelloser Mörder steckte? Wäre ich doch nur meiner ersten Eingebung gefolgt, dann wäre die ganze Sache bereits ausgestanden und Gibbs wäre nie entführt worden – und ich wäre nie von einem Kerl angefasst worden, der aus seinem Mund schlimmer als eine ganze Müllhalde stank und der sich sichtlich darauf freute, seine geheimen Fantasien mit mir auszuleben.
Ich verdrängte die nicht gerade rosigen Zukunftsaussichten und blickte DeLay fest in seine Augen, was ihm jedoch nur ein breites Grinsen entlockte. „Schön, dass Sie uns auch noch beehren, Agent DiNozzo", sagte er mit überraschend freundlicher Stimme. „Jetzt kann die Party endlich beginnen." Und dann fing er an lauthals loszulachen, so eiskalt, dass sich mir sämtliche Nackenhärchen aufstellten und sich die fette Ratte, die in einer Ecke mit ihren kleinen Pfoten herumgescharrt hatte, das Weite suchte.

Fortsetzung folgt...
Chapter 37 by Michi
Das Lachen hallte so laut in meinem Kopf wider, dass ich die Befürchtung hatte, es weiterhin zu hören, auch wenn es einmal verebben sollte, was allerdings derzeit unwahrscheinlich schien. DeLay machte auf mich plötzlich den Eindruck eines Verrückten, der aus einer Irrenanstalt ausgebrochen war und hatte nichts mehr mit dem netten FBI Agenten gemein, als den ich ihn kennen gelernt hatte. Noch immer war ich überrascht, dass sich herausgestellt hatte, dass er hinter allem steckte, dass er es war, der mich tot sehen wollte, egal auf welche Art und Weise dies geschehen sollte. Am liebsten hätte ich mir selbst die saftigste Kopfnuss auf der Welt verpasst, dass ich so dämlich gewesen war und sämtliche Anzeichen ignoriert hatte. Da hieß es immer, ich wäre Gibbs' bester Agent und dann passierte mir so etwas. Es war sicher das letzte Mal, dass ich meinem Bauchgefühl nicht gefolgt war.
Das Lachen war ein wenig abgeflaut, aber DeLay war noch immer so mit sich selbst beschäftig, dass ich es riskierte und einen Schritt nach vorne machte. Ich spürte förmlich, wie sich die Blicke des bulligen Mannes in meinen Rücken bohrten, aber er unternahm nichts, um mich aufzuhalten. Allerdings war ich mir sicher, dass er mir sofort eine Kugel in ein Bein oder eine Schulter jagen würde, sollte ich auch nur eine unbedachte Bewegung machen. Aber mein einziges Bestreben galt jetzt Jethro und nicht einer Flucht. Ich würde ihn sicher nicht hier zurücklassen, in dem Wissen, dass er wegen mir sterben würde.
Innerhalb von wenigen Sekunden hatte ich ihn erreicht und umfasste sanft sein Gesicht mit beiden Händen. Erst jetzt bemerkte ich so richtig, dass er die Augenbinde nicht mehr trug, so wie es auf dem Foto - das ich per Mail erhalten hatte - der Fall gewesen war. Anscheinend hatte er sofort erkannt, wer der Drahtzieher war oder DeLay war es egal gewesen, dass man schlussendlich sein Gesicht sehen konnte – ein Beweis mehr, dass er nicht vorhatte, uns leben zu lassen. Aber noch war ich nicht bereit aufzugeben, nicht mit dem Wissen, dass in etwa 10 Minuten das FBI hier aufkreuzen würde, vorausgesetzt, sie steckten nicht in einem weiteren Stau fest. Auf Fornells Gesichtsausdruck war ich bereits gespannt, wenn er erkannte, dass einer seiner Leute eine falsche Ratte war.
„Ist mit dir alles in Ordnung?" fragte ich Jethro und strich mit einer Hand seine Haare aus der Stirn, immer darauf bedacht, nicht an den Prellungen anzukommen. In mir stieg Wut auf, als ich daran dachte, dass er geschlagen worden war, aber er hatte sich sichtlich gut gehalten und in seinen blauen Augen funkelte es wie eh und je. Er erwiderte meinen Blick und für einen kurzen Moment lehnte er seine rechte Wange gegen meine Hand, bevor er leise sagte: „Du hättest nicht herkommen sollen, Tony." Ich strich mit meinen Fingern sachte über seine leicht verschwitzte Haut und lächelte ihn an, obwohl es nicht gerade die angemessene Situation dafür war. Seine Worte rührten mich und ich wusste, er machte sich mehr Sorgen um mich als um sich selbst. Er hatte sich schon immer Gedanken um seine Agents gemacht, wenn sie in Schwierigkeiten waren, aber diesmal war es anders. In seinen Augen konnte ich eine Spur Angst erkennen und mein Herz zog sich zusammen, als ich erkannte, dass diese Angst mir galt und nicht der Aussicht, dass er sterben könnte.
„Aber wie du siehst, bin ich hergekommen", erwiderte ich genauso leise und legte meine Stirn gegen die von Gibbs. Ein kurzes Lächeln umspielte seine Lippen, als ich ihn in dieser Art und Weise berührte und er erwiderte diese Berührung, indem er seinen Kopf ein wenig nach vor beugte. Ich war so froh, dass es ihm gut ging und dass ich wieder bei ihm war, dass ich nicht einmal mitbekam, wie DeLay mit dem Lachen aufgehört hatte und sich wieder Stille ausgebreitet hatte, die nur von einem beständigen Wassertropfen durchbrochen wurde. „Ich kann doch nicht zulassen, dass du wegen mir leidest. Immerhin ist es meine…" „Nein, ist es nicht", unterbrach er mich mitten im Satz und zu der Angst in seinen Augen gesellte sich grenzenlose Liebe dazu, die mich dahin schmelzen ließ. „Ich habe mich wie ein Anfänger überrumpeln lassen und ich fürchte, jetzt sitzen wir deswegen beide ziemlich tief in der Patsche. Ich wünschte, du wärst in der Sicherheit des Büros geblieben." „Aber jetzt ist nicht dort mein Platz, sondern hier bei dir." Tief atmete ich Jethros Duft ein und genoss seine körperliche Wärme, bevor mich eine höhnische Stimme in die grausame Realität zurückholte. „Wie süß die beiden doch sind", sagte der Riese und kicherte. „Was meinst du, A.J.? Man könnte glatt meinen, wir wären in einer Seifenoper gefangen." Ich ignorierte die spöttische Bemerkung und ließ meine Stirn weiterhin auf der von Gibbs ruhen. Sollten sich die beiden doch auf unsere Kosten amüsieren. Je mehr Zeit sie damit vergeudeten, desto größer war die Wahrscheinlichkeit, dass wir lebend hier herauskamen.
„Das ist wirklich ein wenig kitschig", erwiderte DeLay und ich hörte, wie er uns umrundete. „Da muss ich dir Recht geben, Gary. Vielleicht sollten wir ein Foto für die Nachwelt schießen? Der letzte glückliche Moment?" „Eine gute Idee. Aber verstehen kann ich Gibbs schon, dass er auf DiNozzo derart abfährt. Immerhin riecht er göttlich, irgendwie nach Vanille, gemischt mit einem Hauch von Apfel und dann diese strammen Muskeln, als wären sie für meine Hände wie geschaffen." Ich spürte förmlich, wie sich Jethro versteifte und er scharf Luft holte, bevor er sich von mir löste und mich mit einem Blick ansah, der mir durch Mark und Bein ging. „Was soll das heißen, Tony?" fragte er, wobei seine Stimme vor unterdrückter Wut leicht zitterte. „Woher weiß er wie du riechst und sich deine Muskeln anfühlen? Was hat er mit dir gemacht?!" Die letzten Worte schrie er heraus, wobei ich mir bewusst war, dass dieser Ärger nicht mir galt, sondern Gary, wie dieser eklige Kerl anscheinend hieß. Widerstrebend trat ich einen Schritt zurück und drehte mich um, sodass ich den bulligen Mann ansehen konnte, der mich hämisch angrinste, wobei er zwei Reihen weißer Zähne enthüllte, die in starkem Kontrast zu seinem Mundgeruch standen. Ich wusste genau, weshalb er Gibbs gesagt hatte, wie ich roch und mich anfühlte – um ihn zu provozieren, um ihm zu zeigen, dass er mit mir alles machen konnte, ohne dass mein Freund etwas dagegen tun konnte.
Ich ignorierte das Grinsen und wandte mich wieder um, wobei ich versuchte, einen möglichst sorglosen Gesichtsausdruck aufzusetzen, was mir allerdings nicht wirklich gelang. „Er hat gar nichts mit mir gemacht", antwortete ich schließlich mit bemüht fester Stimme. „Woher weiß er dann wie du riechst?! Woher?!" In seinen Augen war eine Spur Panik zu erkennen und ich wusste, welche Bilder ihm momentan durch den Kopf schießen mussten. Ich öffnete meinen Mund, brachte aber kein Wort heraus, so als ob ich die Fähigkeit zu sprechen verloren hätte. „Komm schon, Tony, erzähl es ihm", meinte Gary und kam langsam auf mich zu. „Erzähl ihm, wie ich dich gegen die Wand gedrückt habe, meine Nase in deinen Haaren vergraben und dich mit meiner Zunge gekostet habe."
Gibbs erstarrte und kniff seine Augen zu Schlitzen zusammen, aus denen Feuer zu sprühen schien. „Sie Schwein!" schrie er, unfähig noch weiter ruhig zu sein. „Ah, dass habe ich schon einmal gehört, wenn ich mich recht erinnere", erwiderte der andere und kicherte.
„Beruhige dich, Jethro", brachte ich schließlich über meine Lippen und legte ihm erneut eine Hand auf seine Wange. „Ich soll mich beruhigen?! Verdammt, wenn ich nur daran denke, was er mit dir…" „Es ist alles bestens, ich schwöre es", sagte ich eindringlich und spürte, wie er sich unter meinem Griff endlich entspannte, als er die Wahrheit in meinen Augen lesen konnte. „Es ist alles halb so schlimm gewesen wie es klingt. Er hat nichts weiter gemacht als an meinen Haaren zu riechen und mit seiner Zunge kurz über mein Ohr zu fahren. Das ist alles. Es ist nichts weiter passiert, außer dass er mir weis gemacht hat, was er mit mir anstellen will. Aber so weit wird es nicht kommen." Die letzten Worte flüsterte ich beinahe tonlos, sodass nur er sie verstehen konnte und warf einen kurzen Blick auf die Uhr, die ich am linken Handgelenk trug und in der ein Peilsender verborgen war. Gibbs folgte meinem Blick und nickte schließlich kaum merklich, als er verstand, was ich ihm damit zeigen wollte. Erleichterung machte sich auf seinem Gesicht breit und ich wusste, dass er erkannt hatte, dass ich nicht ohne Rückendeckung hierher gekommen war. Jetzt konnten wir nur noch hoffen, dass DeLay nicht auf die Idee kam, nachzusehen, ob wir immer noch alleine waren. Aber es war unübersehbar, dass er sich sicher fühlte und dachte, ich würde nichts machen, um das Leben meines Freundes zu gefährden. Allerdings hatte er sich da geschnitten und ich wusste, in knapp sieben Minuten war das ganze Spektakel vorüber. Aber sieben Minuten konnten verdammt lange sein, vor allem, wenn man sich in der Gewalt von verrückten Gangstern befand, von denen man nicht wusste, wie sie als nächstes reagieren würden. Aber eines war mir klar: ich musste ein wenig Zeit schinden, ohne dass es auffiel. Deshalb drückte ich aufmunternd Gibbs Wange und ließ ihn schließlich los, als er wieder seine übliche verschlossene Miene aufsetzte, die selbst einem Psychiater nicht verriet, woran er dachte.
Ich drehte mich um und fixierte DeLay, der die Arme vor seiner Brust verschränkt hatte, wobei seine Anzugsjacke auseinanderklaffte und mir deutlich die Waffe zeigte, die er in einem Schulterholster trug. Unwillkürlich fragte ich mich, ob es dieselbe Pistole war, mit der er den unbekannten Mann erschossen hatte, aber gleich darauf wurde mir klar, dass er nicht so dämlich wäre. Ich setzte ein Grinsen auf, was ihn dazu veranlasste, eine Augenbraue zu heben. „Weiß Fornell eigentlich, dass es unter seinen Leuten eine falsche Ratte gibt?" fragte ich und stellte zufrieden fest, dass mein Gegenüber seine Kiefer fest zusammenpresste und sich seine Körperhaltung anspannte. „Nein, ich schätze nicht", antwortete ich mir gleich darauf selbst und zuckte die Schulter. „Denn sonst würden Sie bereits im Gefängnis sitzen. Ist Ihnen klar, was Sie dort erwarten wird? Die Insassen verzehren sich nach Frischfleisch und werden Ihren Hintern sicher mehr als aufreizend finden. Ich wette, Sie halten keine Woche durch. Korrupte FBI Agenten sind nicht sehr beliebt." Ich hörte, wie hinter mir Gibbs tief Luft holte und ich wusste selbst, dass ich mich in Schwierigkeiten brachte, wenn ich meinen Mund derart weit aufriss, aber so vergingen die Sekunden und somit stieg unsere Chance, lebend aus dieser Sache herauszukommen.
DeLay ließ seine Arme sinken und kam auf mich zu, wobei er Gary den Weg abschnitt, der sich ebenfalls in Bewegung gesetzt hatte. „Ich bin also eine falsche Ratte, ja?" wollte er wissen, wobei seine Stimme einen zischenden Klang angenommen hatte, der mich warnte, aber dennoch rührte ich mich nicht vom Fleck. „Es ist immerhin die Wahrheit, oder? Und soll ich Ihnen etwas verraten? Ich kann Ratten nicht ausstehen." Zum ersten Mal, seit ich den Mann kennengelernt hatte, bekam seine Selbstbeherrschung einen tiefen Riss. Seiner Kehle entrang sich ein tiefes Knurren und der Schlag mit der Faust kam so schnell, dass ich nicht einmal eine Chance hatte, auszuweichen. Meine vom Vorabend leicht lädierte Nase begann erneut zu pochen und warmes Blut floss mir über das Kinn.
„Tony!" schrie Gibbs, aber ich drehte mich nicht zu ihm. „Keine Sorge, mir geht es gut", sagte ich und wischte mir ungerührt mit dem Hemdsärmel das Blut aus meinem Gesicht, wobei mir klar war, dass ich das Kleidungsstück wohl heute Abend im Müll entsorgen konnte. Immerhin waren solche Flecken schwer zu entfernen, vor allem, wenn sie bereits eingetrocknet waren.
„Das wollte ich schon machen, als ich Sie zum ersten Mal gesehen und herausgefunden habe, dass Sie das Handy entdeckt haben", meinte DeLay und schüttelte leicht seine Hand, was mich mit Zufriedenheit erfüllte. „Und ich habe sofort gewusst, dass Sie Dreck am Stecken haben, als ich Sie das erste Mal gesehen habe", erwiderte ich und versuchte das beständige Pochen meiner Nase zu ignorieren. Ich widerstand dem Drang auf meine Uhr zu sehen, obwohl ich wissen wollte, wie viel Zeit noch blieb, bevor endlich Rettung nahte, aber ich wusste, der Agent würde sofort wissen, was diese Geste zu bedeuten hatte. Dieser rang sichtlich um seine Fassung und schien zu überlegen, ob er mich ein weiteres Mal schlagen sollte, schüttelte aber dann seinen Kopf. Anscheinend überließ er das immer seinen Männern, in diesem Fall Gary, von dem ich aber noch mehr zu erwarten hatte als eine Begegnung mit seiner Faust.
„Schluss mit den Spielchen", sagte DeLay schließlich und ein täuschend friedlicher Ausdruck trat in sein Gesicht. „Wo ist das Handy?" Ich schluckte unwillkürlich, da mir klar wurde, dass es langsam brenzlig wurde. Wenn sie erst einmal das kleine Gerät hatten, hatten sie für Gibbs und mich keine Verwendung mehr. Deshalb zögerte ich auch und rührte im ersten Moment keinen Finger. Mein Gegenüber schien keine Geduld mehr zu haben, weshalb er Gary mit einem Wink seiner Hand ein Zeichen gab, der zu uns trat, seine Waffe hob und damit auf Jethros Stirn zielte. Ohne dass ich etwas dagegen tun konnte, stiegen Bilder von Kate in meinem Kopf auf, als sie tot auf dem Dach der Fabrik lag, erschossen von Ari. Gleich darauf wurde sie von meinem Freund ersetzt, dessen leblose Augen zum Himmel starrten und meine Eingeweide schmerzhaft zusammenkrampfen ließen. Also bewegte ich meinen rechten Arm wie in Trance, steckte meine Hand in die Hosentasche und holte jenes Handy hervor, mit dem alles angefangen hatte. Meine Finger umschlossen es fest, so als ob sie es am liebsten zerbrechen wollten, aber ich ließ schließlich locker. Ohne etwas zu sagen, warf ich es DeLay zu, der es geschickt auffing und sogleich aufklappte. Ich wusste, er würde überprüfen, ob es auch das Richtige war und ich nicht versuchte, ihm ein anderes Handy unterzuschieben.
Gary ließ seine Waffe sinken, nicht ohne mir vorher einen Blick voller Genugtuung zu schenken, und trat zu seinem Boss, um neugierig das Display zu beobachten. Die beiden waren so in der Betrachtung des Videos vertieft, dass sie für mich und Gibbs keine Augen mehr hatten, weshalb ich die Chance nutzte. Ich drehte mich zu meinem Freund um, der an dem Seil zog und erneut versuchte, sich zu befreien, wobei er seine Lippen zusammenpresste – ein Zeichen, dass diese Prozedur nicht schmerzfrei war. Deshalb stellte ich mich auf meine Zehenspitzen, um den Knoten zu erreichen und begann mit leicht zitternden Fingern daran zu werken. Aber ich erkannte, dass es nicht so einfach war, wie ich es mir vorgestellt hatte. Der Knoten war so fest zusammengezogen, dass ich keine Chance hatte, ihn ohne die Hilfe eines Messers aufzubekommen, aber ich gab nicht auf. Unermüdlich zog und zerrte ich daran, in dem Bewusstsein, dass ich Gibbs' Haut noch mehr in Mitleidenschaft zog, aber dennoch hielt ich in meinem Bemühen nicht inne. Mein Freund drehte seine Handgelenke hin und her und versuchte so, dass Seil zu lockern und ich sah, dass frische Blutstropfen darunter hervorquollen. ‚Geh endlich auf', dachte ich, aber mein Flehen wurde nicht erhört. Meine Fingerspitzen brannten vor Anstrengung, aber ich gab nicht auf. Ich bekam auch nicht mit, wie hinter mir Schritte erklangen – das merkte ich erst, als Jethro sich versteifte und schrie: „Tony, pass auf!" Aber es war zu spät. Ein harter Schlag traf mich zwischen meinen Schulterblättern und ließ mich gegen Gibbs taumeln. Instinktiv klammerte ich mich an ihm fest, um nicht hinzufallen, aber gleich darauf lockerte ich meinen Griff, als mich eine Faust in meiner linken Seite landete und mich schmerzhaft keuchen ließ. Ein starker Arm wurde um meinen Hals gelegt, der mir beinahe die Luft abschnürte und mich von meinem Freund umbarmherzig wegzog. Stinkender Atem drang in meine Nase und ich wusste, dass Gary hinter mir stand und mich an sich drückte.
„Ein netter Versuch, aber sinnlos", flüsterte er in mein Ohr und ich hielt unwillkürlich die Luft an, aus Angst, ich würde mich hier und jetzt übergeben, würde ich noch weiter diesen fauligen Geruch aus seinem Mund einatmen. Ich wehrte mich gegen seinen harten Griff, hielt aber schließlich inne, als er den Lauf seiner Waffe gegen meine Schläfe presste. „Das gefällt mir", sagte der Mann hinter mir und drückte sich noch fester an meinen Rücken. „So aufsässig. Es wird mir eine Freude sein, dich zu bezwingen." Leichte Panik stieg in mir auf und ich sah zu DeLay, der grinsend meinen Blick erwiderte und nur mit seinen Schultern zuckte – ein Zeichen, dass ich von ihm keine Hilfe erhalten würde. Seelenruhig spielte er mit dem Handy in seinen Fingern und schien sich köstlich zu amüsieren.
In einer hilflosen Geste umklammerte ich mit beiden Händen Garys Unterarm und versuchte ihn dazu zu bringen, mich loszulassen. Ich drückte meine Fingernägel in seine Haut, wollte ihm Schmerzen zufügen, aber das Einzige was ich erreichte, war, dass ich ihn damit erregte und ich deutlich spürte, wie er hart wurde. Sein Atem kam in keuchenden Stößen und strich über meine Haut. Er begann sich an mir zu reiben und ich wollte unwillkürlich einen Schritt nach vorne machen, um unseren Körperkontakt zu unterbrechen, aber er hielt mich eisern fest. „Du machst mich ganz scharf", flüsterte er leise in mein Ohr, aber dennoch laut genug, dass es Gibbs hören konnte. Dieser begann heftig an dem Seil zu zerren und ich konnte förmlich die Wut spüren, die in ihm brodelte und sich einen Weg an die Oberfläche suchte.
„Nehmen Sie Ihre dreckigen Finger von Tony!" schrie er und mir rann tatsächlich ein kalter Schauer über meinen Rücken. Noch nie hatte ich ihn derart aufgebracht gesehen und in diesem Moment konnte ich froh sein, ihn nicht zum Feind zu haben. Jethro war mehr als stinkwütend und wenn er seine Hände frei hätte, hätte er meinen Peiniger längst erwürgt oder ihm mit einem Ruck das Genick gebrochen. So musste er sich aber damit begnügen, an dem Seil zu ziehen, nur um damit zu erreichen, dass erneut Blut über seine Unterarme floss.
Gary schien das jedoch nur noch mehr anzuturnen und er kicherte leise. „Du fühlst dich so gut an", sagte er und mir wurde klar, dass die Worte nur dazu dienen sollten, Gibbs mental Schmerzen zuzufügen, ihm zu zeigen, wie hilflos er war und dass er mir nicht helfen konnte. Ich hörte auf mich zu wehren, entspannte ein wenig meine Muskeln und presste fest meine Kiefer zusammen, als der Kerl begann, die Waffe von meiner Schläfe gleiten zu lassen und sie über meinen Brustkorb wandern ließ. „So ist es Recht. Entspann dich", fuhr er fort und ich unterdrückte ein Würgen, als mir erneut eine Wolke seines fauligen Atems in die Nase stieg. Als er anfing, seine Lippen an meinen Hals zu drücken, schloss ich die Augen und kämpfte den Drang nieder, mich zu wehren, aber ich wollte ihm keinen Grund liefern, der ihn noch schärfer machte. Ich hörte, wie sich Gibbs' Kehle ein Knurren entrang, aber ich konzentrierte mich auf Gary und wartete auf den richtigen Moment. Die Waffe war bereits bedrohlich an meiner Körpermitte angelangt und glitt unaufhaltsam weiter nach unten.
„Verdammt, DeLay, unternehmen Sie endlich etwas!" schrie Jethro und ich konnte die Panik in seiner Stimme hören, was mein Herz zusammenkrampfen ließ. Ich wusste, er fragte sich, weshalb ich aufgehört hatte, mich zu wehren und ich würde ihm auch eine Antwort geben, wenn der richtige Moment gekommen war.
„Tut mir leid, Agent Gibbs, aber ich habe Gary versprochen, dass er seine Rache so ausleben kann wie er möchte. Es liegt nicht in meinem Ermessen, ihn daran zu hindern." Ich hielt meine Augen weiter geschlossen, spürte die Lippen des Mannes auf der Haut meines Halses, spürte seine Zunge, die darüber fuhr und unterdrückte den Ekel, der in mir aufstieg. Der Lauf der Waffe war mittlerweile bei meinem Schritt angelangt und ich wich unwillkürlich zurück, was dem anderen nur ein weiteres Kichern entlockte. „Ich weiß, dass dir das gefällt", sagte er und bei seinen Worten öffnete ich schließlich meine Augen. Ich begegnete dem Blick von Gibbs, der mich voller Entsetzen ansah, aber nach und nach veränderte sich der Ausdruck in Verständnis. „Sie haben einen guten Geschmack", wandte sich Gary an meinen Freund und ich konnte das Grinsen in seiner Stimme förmlich hören. „Ich wette, Sie genießen es, zuzusehen." Jethro presste fest seine Kiefer zusammen und ich konnte sehen, dass es all seiner Selbstbeherrschung bedurfte, nicht auszurasten. Sein Brustkorb hob und senkte sich schnell und seine Finger krampften sich um das Seil. „Hören Sie auf!" schrie er aber dann trotzdem und verfolgte, wie die Waffe wieder an meinem Oberkörper hinauf wanderte.
„Es scheint ihm wohl doch nicht zu gefallen", murmelte er an mein Ohr, bevor er seine Nase in meine Haare drückte und daran roch – und genau darauf hatte ich die ganze Zeit gewartet. „Ich liebe den Geruch von Vanille", fuhr er fort und holte tief Luft. „Gut zu wissen", erwiderte ich eiskalt und spannte meine Muskeln an. „In Zukunft werde ich mir ein anderes Shampoo kaufen." Mit einer blitzschnellen Bewegung ließ ich meinen Kopf nach vorne schnellen, nur um ihn gleich darauf nach hinten sausen zu lassen. Den Bruchteil einer Sekunde später war ein hässliches Knacken zu hören und Gary stieß einen lauten Schrei aus. Sein Griff lockerte sich und ich nutzte die Chance. Ohne zu zögern, rammte ich ihm meinen Ellenbogen in den Magen und befreite mich aus seiner Umklammerung. Mein Hinterkopf pochte unangenehm von dem Zusammenstoß, aber der Schmerz wurde von der Genugtuung überlagert, als ich das viele Blut bemerkte, das durch die Hand quoll, die sich der Mann auf seine gebrochene Nase presste. „Ich bring dich um!" schrie er, wobei seine Worte nur undeutlich zu verstehen waren. „Ich bring dich mit meinen bloßen Händen um!"
„Wirklich gut getroffen, Tony", meinte Gibbs und auf seinen Lippen bildete sich tatsächlich ein Lächeln. Ich wollte bereits auf ihn zustürmen, als mich das Geräusch einer Waffe, die entsichert wurde, inne halten ließ. DeLay hatte das Handy in seiner Hosentasche verschwinden lassen und zielte nun mit seiner Pistole genau zwischen meine Augen. „Jetzt ist Schluss mit lustig", zischte er und kam auf mich zu. Seine Gelassenheit von vorhin war verschwunden und hatte eiskalter Entschlossenheit Platz gemacht. Aus den Augenwinkeln bekam ich mit, wie sich Gary aufrichtete – mit einer bereits dick geschwollenen Nase. Seine gesamte untere Gesichtshälfte war blutverschmiert und seine Miene war von Mordlust verzerrt. Seine anfängliche Erregung hatte sich in Wut umgewandelt, aber anstatt sich mir zuzuwenden, trat er auf Gibbs zu, entsicherte seine Waffe und zielte genau auf sein Herz.
„Nein!" schrie ich und wollte auf ihn zustürmen, aber ich hatte die Rechnung ohne DeLay gemacht. Er verpasste mir einen harten Schlag in meine Eingeweide, umklammerte blitzschnell mit seiner freien Hand meinen Hals und drückte mich unbarmherzig gegen die nächste Betonwand. Sein Griff schnürte mir beinahe die Luft ab und ich umklammerte sein Handgelenk, in dem Versuch ihn ein wenig zu lockern. Panik stieg in mir auf, was aber nichts damit zu tun hatte, dass sich der Lauf einer Waffe gegen meine Stirn presste. Ich wusste, dass Gibbs verloren war. Tränen der Verzweiflung stiegen mir in die Augen, die schließlich ungehindert über meine Wangen strömten. Verdammt, wo blieb nur das FBI? Wo waren Ziva und McGee? Wo war meine Rückendeckung, auf die ich mich verlassen hatte?
„Das ist für meinen Freund", sagte Gary und sah mich eiskalt an. „Meinen Freund, den du mir weggenommen hast. Dafür werde ich dir deinen Freund nehmen, den Mann, den du liebst. Du sollst dir immer bewusst sein, dass es deine Schuld ist, dass er sterben muss." „Nein!" schrie ich erneut und blickte zu Gibbs, der mir ruhig entgegensah. In seinen Augen waren nur die Gefühle zu erkennen, die er für mich hegte und er schien keine Angst zu verspüren, dass er gleich sterben würde, getötet durch eine Kugel, die sein Herz treffen sollte – das Herz, das er an mich verschenkt hatte. Die flehenden Worte, die sich einen Weg über meine Lippen bahnen wollten, lösten sich in Luft auf und ich spürte, dass sich seine Ruhe auf mich übertrug. Die gesamte Umgebung rückte in den Hintergrund, ich sah nur mehr Jethros blaue Augen, sah nur mehr die Liebe, die in ihnen lag. Ich bekam nicht einmal mit, wie Gary seinen Zeigefinger immer mehr um den Abzug spannte, bis schließlich ein Schuss erklang, der laut in meinen Ohren widerhallte und alle anderen Geräusche überdeckte.

Fortsetzung folgt...
Chapter 38 by Michi
Die kurze Zeitspanne, die der Schuss brauchte, um in dem Keller zu verhallen, kam mir wie eine Ewigkeit vor und die Geschehnisse vor meinen Augen liefen in Zeitlupe ab. Das laute Geräusch ließ mich, obwohl ich damit gerechnet hatte, zusammenzucken und ich sah bereits vor mir, wie die Kugel in Gibbs' Körper eindrang, sein Herz durchschlug und hinten wieder austrat – aber so weit kam es nicht. Es war nicht mein Freund, der von dem Geschoss getroffen wurde, sondern Gary, der dadurch keine Gelegenheit mehr erhielt, seine Waffe abzufeuern. Wie in Trance bekam ich mit, wie sein Kopf auf der rechten Seite in einem Regen aus Blut, Knochensplittern und Gehirnmasse regelrecht explodierte und das Projektil, das ihn tödlich verwundet hatte, austrat und irgendwo in dem Raum landete. Sein Fall zu Boden dauerte nur den Bruchteil einer Sekunde, aber mir kam es wie Minuten vor. Der leblose Körper knallte mit einem plumpen Geräusch auf die Erde und blieb reglos liegen. Die Waffe war ihm aus den schlaffen Fingern gefallen und innerhalb kürzester Zeit breitete sich eine große Blutlache um seinen Kopf aus, die dem Betonboden eine widerliche Farbe verlieh.
Mit weit aufgerissenen Augen sah ich zuerst zu Gary, dessen Gesicht eine Spur Überraschung zeigte und dann zu Jethro, der ebenfalls den Toten anstarrte und schließlich meinem Blick begegnete. Seine Miene spiegelte für einen kurzen Moment Unverständnis wider und ich wusste, dass er sich wahrscheinlich fragte, weshalb nicht er es war, der jetzt tot war. Aber schließlich drehte er seinen Kopf und sah zu der offenstehenden Tür, die uns einen Flur zeigte, der nicht länger leer war, sondern in dem sich mindestens ein halbes Dutzend Personen aufhielten, alle bewaffnet und bereit, ihre Pistolen auch einzusetzen. Aber ich interessierte mich nur für einen Mann, konzentrierte mich auf denjenigen, der Gibbs' Leben gerettet hatte. Fornell stand auf der Schwelle zu dem Raum, seine Pistole noch immer erhoben, aber er hatte seine Aufmerksamkeit nicht auf Gary gerichtet, dessen Leben er innerhalb einer Sekunde ausgelöscht hatte, sondern starrte mit vor Ungläubigkeit verzogenem Gesicht in meine Richtung und erst jetzt bemerkte ich, dass ich noch immer gegen die Wand gedrängt wurde, sich der Lauf einer Waffe, der jetzt eine Spur zitterte, gegen meine Stirn presste und mir eine kräftige Hand beinahe die Luft abschnürte.
Ich ließ meinen Blick zu DeLay zurückwandern, der aber nicht mich sondern Tobias ansah. Sein Atem ging in keuchenden Stößen und ich konnte Panik auf seinem Gesicht erkennen. Es war mehr als offensichtlich, dass er nicht damit gerechnet hatte, dass noch irgendetwas schief gehen könnte, sondern dass er der festen Überzeugung war, dass er die Oberhand behalten würde, aber jetzt stürzte sein gesamtes Leben wie ein Kartenhaus zusammen, das einer starken Windböe ausgesetzt worden war. Die Tatsache, dass er ein korrupter FBI Agent war, war nicht mehr länger geheim und nach den verblüfften Mienen der Bundesagenten, die jetzt in den Raum stürmten, hatte keiner auch nur ansatzweise damit gerechnet, dass einer von ihnen zur Gegenseite übergewechselt war.
Seit der Schuss erklungen war, der Gary getötet hatte, waren insgesamt nur wenige Sekunden vergangen, aber sie hatten ausgereicht, um allen vor Augen zu führen, was es bedeutete, dass DeLay in diesem Raum war, die Waffe gegen meine Stirn presste und mich fast erwürgte. Und ich wusste, auch beim FBI konnte man korrupte Kollegen nicht ausstehen, waren sie doch ein Schandfleck für die Bundesbehörde und zogen ihren Ruf in den Dreck. Deshalb wunderte es mich auch nicht, dass es nicht lange dauerte, bis DeLay und ich von schwerbewaffneten Agenten umkreist waren, die nur darauf warteten, einen Schuss abzugeben. Selbst Fornell und Sacks waren darunter, genauso wie Ziva und McGee, die mit ihrer Kleidung so gar nicht zu den mit voller Kampfmontur ausgestatteten Männern passten.
„Verdammt, A.J., was soll der Mist?" Sacks war der Erste, der schließlich das Wort ergriff, seine Stimme vor Unglauben ungewöhnlich hoch. Es war ihm anzusehen, dass er sich hintergangen fühlte, immerhin hatte er lange mit dem Mann zusammengearbeitet, von dem sich plötzlich herausgestellt hatte, dass er zusätzliches Geld mit kriminellen Machenschaften verdiente. Die Frage riss ihn aus seiner Starre und er umklammerte meinen Hals eine Spur fester, sodass ich ein Würgen kaum mehr unterdrücken konnte. Aus den Augenwinkeln bekam ich mit, wie Gibbs versuchte, sich zu befreien, aber jeder schien sich nur auf mich und DeLay zu konzentrieren.
Fornells Gesichtsausdruck verwandelte sich rasch von ungläubig zu wütend und er ließ seine sonst so undurchschaubare Maske fallen. In seine Augen trat ein gefährliches Funkeln und plötzlich kam er mir so gefährlich wie ein hungriger Löwe vor. „A.J., lassen Sie die Waffe fallen", sagte er mit bemerkenswerter ruhiger Stimme und kam ein wenig näher, wodurch DeLay sofort den Druck der Waffe gegen meine Stirn erhöhte. „Keinen Schritt weiter", zischte er und spannte seinen Zeigefinger um den Abzug. Ich begann leicht panisch an seinem Handgelenk zu zerren, aber er ließ nicht locker. „Ich werde ihn erschießen, sollte einer vor euch nur eine kleine Bewegung machen." „Du wirst hier nicht rauskommen", ergriff erneut Sacks das Wort, blieb aber auf seiner Position stehen. „Nimm die Waffe runter, dann können wir über alles reden." „Über alles reden, ja?!" schrie DeLay und ich konnte förmlich spüren, wie die Panik in ihm immer weiter anstieg, da er langsam realisierte, dass er verloren hatte. „Wenn Sie Agent DiNozzo erschießen, kommen Sie hier nicht mehr lebend raus", mischte sich Fornell ein und umfasste seine Waffe fester. „Glauben Sie, dass interessiert mich?! Ich werde sicher nicht in den Knast gehen!"
Der Mann vor mir war so mit seinen ehemaligen Kollegen beschäftigt, dass er keine Augen mehr für mich hatte. Deshalb riskierte ich es und rutschte ein wenig an der Wand herum, aber nicht einmal das schien er zu registrieren. DeLay stand – mit leicht gespreizten Beinen - nicht ganz eine Armlänge von mir entfernt und es war genau diese Distanz, die ihm zum Verhängnis werden würde. Vorsichtig, damit er nichts mitbekam, winkelte ich mein rechtes Bein an und brachte es in Position. Die Einzigen, die mich beobachteten, waren Ziva und McGee und sie erkannten sofort, was ich vorhatte. Sie nickten mir zu und ich zögerte nicht mehr länger.
„Das hätten Sie sich überlegen sollen, bevor Sie beschlossen haben, ein korruptes Arschloch zu werden", sagte ich mit verächtlicher Stimme und noch während DeLay seinen Kopf zu mir umdrehte, ließ ich mein rechtes Bein nach oben schnellen und traf ihn mit dem Unterschenkel genau im Solarplexus. Der Schlag war nicht so fest, wie ich es gerne gehabt hätte, aber er reichte aus, ihn schmerzhaft aufschreien zu lassen und dass sich sein Griff um meinen Hals lockerte. Die Waffe glitt von meiner Stirn und ehe er auch nur die Möglichkeit hatte, sich zu erholen, wurde er von mehreren FBI Agenten auf den Boden gezerrt. Ich bekam nur am Rande mit, wie ihm Fornell höchstpersönlich Handschellen anlegte und ihm irgendwelche verächtlichen Worte ins Ohr zischte. DeLay wehrte sich heftig gegen die harten Griffe und stieß zahlreiche Verwünschungen aus, gegen mich und seine ehemaligen Kollegen, aber das interessierte mich herzlich wenig. Ich vergeudete nicht einmal Zeit damit, Luft in meine Lungen zu saugen, sondern löste mich sofort von der Mauer und eilte auf Ziva und McGee zu, die etwas abseits von dem Geschehen standen und noch immer nicht so richtig fassen konnten, dass es ein FBI Agent gewesen war, der hinter der ganzen Sache gesteckt hatte. Noch dazu einer, der vor Stunden im Hauptquartier gewesen war, sich nett mit jedem unterhalten und nicht den Eindruck eines skrupellosen Killers erweckt hatte.
„Gib mir dein Messer", fuhr ich die junge Frau unbeabsichtigt heftig an und streckte meinen rechten Arm aus. „Was?" fragte sie ein wenig irritiert, da sie sich auf die Szene vor ihr konzentriere und nicht wirklich mitbekommen hatte, dass ich vor ihr stand. „Gib mir dein verdammtes Messer!" schrie ich sie an und in meinen Augen musste ein unheilverkündender Ausdruck stehen, denn ohne zu zögern zog sie es aus der Scheide an ihrer Hüfte und reichte es mir, wobei sie aber ihre Lippen spitzte und mir damit signalisierte, dass sie es nicht gut hieß, dass ich sie so angeschnauzt hatte. Aber ich hielt mich nicht mit Entschuldigungen auf, entriss ihr die Waffe und stürmte zu Gibbs, der mich mit erhobenen Augenbrauen ansah, sich aber ein Grinsen nicht verkneifen konnte, da er noch nie miterlebt hatte, dass ich derart laut geworden war.
„Ein wirklich guter Schlag, Tony", sagte er anerkennend, aber ich ging nicht auf die Worte ein, schien sie nicht einmal richtig mitzubekommen. Wichtig war jetzt nur Jethro endlich zu befreien, ihn aus seiner misslichen Lage zu erlösen. Mit ungewohnt zittrigen Händen begann ich das Seil durchzuschneiden und innerhalb von zwei Sekunden fielen seine Arme nach unten, wobei er einen leisen Aufschrei nicht unterdrücken konnte, als seine überstrapazierten Schultergelenke bewegt wurden. Ohne lange nachzudenken, warf ich das Messer auf den Boden, wo es mit einem scheppernden Geräusch landete und löste den Strick von seinen Handgelenken, deren Haut aufgescheuert war und noch immer leicht blutete. Meine Hände zitterten immer mehr und ich spürte, wie die gesamte Anspannung der letzten Minuten von mir abfiel und ich erst jetzt realisierte, wie knapp ich davor gestanden hatte, Gibbs für immer zu verlieren - ein Gedanke, der mein Herz schmerzhaft zusammenkrampfen ließ und mir schier den Atem raubte. Ich wusste nicht, was ich getan hätte, wäre er wirklich gestorben, hätte ihn die Kugel aus Garys Waffe in sein Herz getroffen.
Hinter mir waren die aufgeregten Stimmen der FBI Agenten zu hören, die damit beschäftigt waren, DeLay aus dem Raum zu zerren, der es mittlerweile aufgegeben hatte, Verwünschungen auszustoßen. Sie schienen sich auf nichts anderes mehr zu konzentrieren und keiner machte auch nur den Versuch, mir zu helfen.
Irgendwie schaffte ich es jedoch, Gibbs mit meinen bebenden Händen von dem Seil zu befreien, das ich achtlos auf den Boden schleuderte, so als ob ich mich daran verbrannt hätte und umschlang ihn, ohne lange darüber nachzudenken, mit meinen Armen. Ich presste seinen wunderbar lebendigen und warmen Körper an meinen, krallte meine Finger in sein Poloshirt und erneut stiegen mir Tränen in die Augen, aber diesmal nicht vor Verzweiflung, sondern vor Erleichterung. Ich wusste, dass uns jeder zusehen, uns jeder beobachten konnte, wie ich mich an Jethro wie an einen Rettungsring klammerte, aber das war mir egal. Wichtig war nur, dass er lebte und nicht tot auf dem Boden lag. Wie aus weiter Ferne hörte ich Zivas Stimme, die irgendetwas zu uns sagte, aber weder mein Freund noch ich reagierten darauf. Selbst als sie sich mit einem lauten Räuspern meldete und so versuchte, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, ignorierten wir sie.
Ohne zu zögern legte Gibbs seine Arme um mich und hielt mich fest, ließ seine Finger beruhigend über meinen Rücken streicheln, was meine Knie butterweich werden ließen. Meine Beine gaben schließlich unter meinem Gewicht nach, die gesamte Kraft schien aus meinem Körper zu strömen und ohne uns voneinander zu lösen, glitten wir langsam auf den Boden, wo er sich sanft aus meiner Umarmung befreite und mein Gesicht mit seinen Händen umfasste. Zärtlich wischte er mit seinen beiden Daumen die Tränen von meinen Wangen und begann mit der rechten Hand liebevoll durch meine zerzausten Haare zu streichen. „Es ist vorbei, Tony", sagte er leise und seine blauen Augen blickten mich voller Liebe an. „Es ist vorbei."
Ich schluckte das Schluchzen hinunter, das sich in meiner Kehle gebildet und sich einen Weg an die Oberfläche gesucht hatte und erwiderte mit ungewohnt schwacher Stimme: „Ich dachte, ich würde dich verlieren. Ich… ich habe dich bereits auf dem Boden liegen sehen, deine Augen leer und stumpf. Als… als der Schuss erklungen ist, dachte ich, die Kugel hätte dein Herz getroffen, hätte dich mir genommen. Ich dachte… dachte…" Die Worte kamen immer schneller über meine Lippen und ich fing unkontrolliert zu stottern an. „Gott, es ist alles meine Schuld. Wenn ich doch nur…"
„Nichts ist deine Schuld", erwiderte Gibbs leise und streichelte sanft meine rechte Wange. „Doch ist es. Ich hätte nicht gewusst, was ich tun würde, hätte er dich erschossen. Zu wissen, dass es meine Schuld wäre, dass du…" Aber ich kam nicht mehr dazu, den Satz zu Ende zu bringen. Unvermittelt beugte sich Jethro nach vorne und stoppte mein Gebrabbel, indem er seine Lippen auf meine presste. Für die Dauer eines Herzschlages war ich viel zu überrascht, um irgendwie zu reagieren, aber schließlich schloss ich meine Augen, vergrub meine Hände in seinen Haaren und zog ihn nahe zu mir heran. Ich konnte die Blicke von allen förmlich auf uns beiden spüren, wie sie uns ungläubig anstarrten und versuchten zu realisieren, welches Schauspiel sich ihnen gerade bot. Aber mir war es egal, dass es in diesem Raum gerade vor FBI Agenten wimmelte, dass ihn unserer Nähe ein Toter lag und dass wir beide beinahe hier den Tod gefunden hätten. Es zählten nur mehr Jethro und ich und unser Kuss, der voller Liebe war und der mir endgültig bewies, dass die Sache vorbei war, dass wir in Sicherheit waren. Sein unverwechselbarer Geschmack breitete sich in meinem Mund aus, als er mit seiner Zunge in ihn eintauchte und gab mir die Kraft, die vorher aus meinem Körper geströmt war, wieder zurück. Die Ereignisse der letzten Minuten rückten in den Hintergrund und ich versank in dem Kuss, der der Schönste war, den ich je erlebt hatte. Er war sowohl voller Leidenschaft als auch von den Gefühlen beherrscht, die wir füreinander hegten und dass mich Gibbs vor allen küsste, war der größte Liebesbeweis, den er mir überhaupt machen konnte. Wir besiegelten hier und jetzt, an diesem mehr als ungemütlichen Ort, vor allen anderen unsere Liebe und ließen jeden einzelnen damit wissen, dass wir ein Paar waren. Unbeschreibliches Glück durchströmte mich, als mir klar wurde, dass es nun offiziell war und wir uns nicht mehr länger zu verstecken brauchten.
Ich verzog meine Lippen zu einem Lächeln, was Jethro schließlich dazu veranlasste, sich von mir zu lösen. Glücklich sah er mich an und streichelte erneut meine rechte Wange. Meine Hände waren noch immer in seinen Haaren vergraben, aber ich nahm sie nicht weg, sondern liebkoste seinen Hinterkopf mit meinen Fingern. Ich war weiterhin im Zauber dieses Augenblickes gefangen und bemerkte nicht einmal, dass es mittlerweile mucksmäuschenstill geworden war, nur das stetige Tropfen von Wasser war zu hören.
„Ich liebe dich, Tony", sagte Gibbs leise, aber ich wusste, dass es jeder in dieser Stille vernommen haben musste. So wie vor ein paar Minuten schon einmal, legte ich meine Stirn an seine und mein Lächeln wurde breiter. „Ich liebe dich auch", hauchte ich und gab ihm einen kurzen, zärtlichen Kuss, bevor ich mich wieder von ihm löste und hinzufügte: „Dir ist schon klar, dass wir nicht alleine sind." Er gab ein Brummen von sich, weshalb ich annahm, dass er genau wusste, dass uns viele Augenpaare anstarrten. „Aber ehrlich gesagt, ist mir das egal", meinte er schließlich und war sichtlich von seinen eigenen Worten überrascht. „Mir auch", gab ich zu und atmete befreit durch.
Langsam kehrte ich wieder in die Realität zurück, hörte immer mehr Geräusche, wie das Schaben von Füßen auf dem Beton, spürte die feuchte Luft um uns herum und die Kälte des Bodens, auf dem wir saßen. Nur mit Mühe unterdrückte ich ein Zittern, aber dennoch entging es Gibbs nicht, der mich deswegen anlächelte. „So gerne ich dich auch berühre", sagte ich schließlich und löste meine Hände von seinen Haaren, „aber langsam wird mir wirklich eiskalt und ich habe nicht diese Sache hier überstanden, nur um mir den Tod durch Erfrieren zu holen." In Jethros Augen trat ein amüsiertes Funkeln. „Dir scheint es ja wieder bestens zu gehen", meinte er und drückte mir sanft meine Wange, bevor er mich losließ. „Und du hast Recht. Es wird wirklich ein wenig ungemütlich und ich habe nichts gegen eine wärmere Umgebung einzuwenden. Und gegen einen Kaffee", fügte er hinzu und brachte mich leise zum Lachen. Es hätte mich auch gewundert, wenn er sein Lieblingsgetränk nicht vermisst hätte. „Den hast du dir wirklich verdient", erwiderte ich und umfasste seine rechte Hand mit meiner linken. „Und jetzt lass uns von hier verschwinden. Ich bin froh, wenn wir endlich aus dem Keller rauskommen." Gibbs gab ein zustimmendes Brummen von sich und gemeinsam standen wir von dem harten und kalten Boden auf – unsere Finger waren weiterhin miteinander verschlungen.
Bei dem Bild, das sich mir bot, als ich wieder mehr sah als die blauen Augen meines Freundes, konnte ich mir ein breites Grinsen nicht verkneifen. Ich verfluchte die Tatsache, dass ich keinen Fotoapparat dabei hatte, um diesen Moment für die Nachwelt festzuhalten. Ziva hatte ihre Augen so weit aufgerissen, dass sie beinahe übergroß wirkten und der Arm mit ihrer Waffe hing an ihrer Seite herunter, so als ob sie nicht recht wusste, was sie mit ihm anstellen sollte. Es war das erste Mal, dass ich sie sprachlos erlebte und ich freute mich jetzt schon darauf, wenn ich sie damit aufziehen konnte.
McGees Gesicht hatte eine wunderschöne rosa Farbe angenommen und sein Unterkiefer war so weit nach unten gesunken, dass ich die Befürchtung hatte, er würde sich ihn bald ausrenken. Seine Augen huschten rastlos zwischen mir, Gibbs und unsere miteinander verschränkten Hände hin und her. Über seine Lippen kamen komische Geräusche und erst nach einer Sekunde realisierte ich, dass er versuchte etwas zu sagen, aber dadurch, dass er seinen Mund nicht in seine Ausgangsposition brachte, bekam er kein Wort hervor. Seine gesamte Körperhaltung war steif und es hätte mich nicht gewundert, wenn er wie ein Brett nach hinten gefallen wäre, würde man ihm einen Stoß versetzen.
Sacks schien ebenfalls sprachlos zu sein, allerdings hatte er seine Mimik besser unter Kontrolle als meine beiden Kollegen. Nur seine Augen waren geweitet und in ihnen stand noch größeres Unglauben geschrieben als vorher, als er entdeckt hatte, dass sich DeLay als kriminell entpuppt hatte. Die Tatsache, dass ich vor seiner Nase einen Mann geküsst hatte, schien ihn aus der Bahn geworfen zu haben und er war immer noch dabei, sein Gleichgewicht zu finden.
Fornell hingegen war der Einzige, der nicht im Mindesten überrascht wirkte, sondern eher zufrieden. Seelenruhig steckte er seine Waffe in das Holster zurück und eines von seinen seltenen Lächeln bildete sich auf seinen Lippen. Mir war sofort klar, dass er bereits vorher gewusst hatte, wie Gibbs und ich zueinander standen und ich hatte das Gefühl, dass er es herausgefunden hatte, als mein Boss und er das Gespräch in dem Fahrstuhl geführt hatten. Jetzt verstand ich auch, weshalb er sich so schnell bereit erklärt hatte, uns zu helfen. Aber ich war Jethro nicht einmal ansatzweise böse, dass er es Tobias gesagt hatte, dass wir zusammen waren, zu groß war die Erleichterung, dass er nicht tot war und ich ihn lebendig nach Hause bringen konnte.
Die anderen FBI Agenten waren mittlerweile aus dem Raum verschwunden, genauso wie DeLay, der sich sicher wünschte, uns nie begegnet zu sein. Man legte sich eben nicht ungestraft mit dem NCIS an und schon gar nicht mit Gibbs. Diese Lektion hatte er heute gelernt, aber sie würde ihm nichts mehr nützen. Denn ich war mir sicher, dass er für den Rest seines Lebens hinter Gitter wandern würde, wo er keinen Schaden mehr anrichten konnte.
„Bambino, mach deinen Mund zu, bevor sich eine Fliege hineinverirrt", konnte ich mir nicht verkneifen zu sagen, als wir die kleine Gruppe erreicht hatten. McGees Gesichtsfarbe verwandelte sich von rosa in ein helles Rot und er brachte ein leises „ähm" hervor, bevor er es irgendwie schaffte, seinen Unterkiefer halbwegs wieder in seine Ausgangsposition zu bekommen. Allerdings waren seine Augen weiterhin auf Gibbs' und meine Hände fixiert.
Meine Worte hatten Ziva aus ihrer Starre gerissen und sie blinzelte ein paar Mal, bevor sich auf ihrem Gesicht ein hämisches Grinsen breit machte. „Ha!" stieß sie hervor und fuchtelte mit der Waffe vor meinem Gesicht herum. „Ich wusste es! Von wegen zwischen dir uns Gibbs läuft nichts!" Sie piekste mir mit einem Zeigefinger in die Brust. „Auf meinen Instinkt konnte ich mich schon immer verlassen!"
Jethro warf mir einen Blick mit erhobenen Augenbrauen zu, den ich mit einem Schulterzucken quittierte. Schließlich wandte ich mich an Fornell und reichte ihm meine freie Hand, die er nahm und schüttelte. „Vielen Dank. Ich schulde Ihnen etwas", sagte ich, worauf Tobias den Kopf schüttelte. „Im Gegenteil, Agent DiNozzo. Ich schulde Ihnen etwas, da wir durch Sie herausgefunden haben, dass DeLay ein falsches Spiel getrieben hat. Keine Ahnung, wie er es geschafft hat, das vor uns zu verbergen. Aber ich freue mich schon darauf, es aus ihm herauszuquetschen." „Seien Sie aber nicht zu feinfühlig", meinte ich und ließ seine Hand wieder los. „Bestimmt nicht. Da können Sie sich darauf verlassen. Gibbs", wandte er sich an meinen Freund und klopfte ihm auf die Schulter. „Schön, Sie lebendig wiederzuhaben. Und versauen Sie es sich nicht." Fornell deutete mit seinem Kopf in meine Richtung, bevor er Sacks winkte, ihm zu folgen. Dieser schüttelte den Kopf und zu meiner Verblüffung grinste er mich freundlich an. „Ich habe Sie komplett falsch eingeschätzt, Agent DiNozzo. Im Grunde sind Sie ein anständiger Kerl." Ich brauchte einen Moment, bevor ich die Worte wirklich verstanden und verarbeitet hatte. „Das kann ich nur zurückgeben", erwiderte ich schließlich, woraufhin er nickte und seinem Boss nach draußen folgte.
„Du scheinst Konkurrenz zu bekommen, Gibbs", sagte Ziva und hob ihr Messer vom Boden auf, das ich vorhin fallen gelassen hatte. „Wenn du nicht aufpasst, spannt er dir noch Tony aus." „Na, das soll er einmal versuchen", meinte Jethro und schenkte mir einen liebevollen Blick. „Ich schätze, Sacks würde nicht lange leben, wenn er es versuchen würde, oder?" fragte ich und seufzte leise. Ich spürte, wie sich Müdigkeit in mir ausbreitete und ich mich immer mehr nach einer ausgiebigen Dusche sehnte – zu zweit, versteht sich. Als Antwort auf meine Frage drückte mein Freund meine Hand. „Und jetzt lasst uns endlich von hier verschwinden. Ich habe keine Lust, hier zu übernachten." „Dein Wort in Gottes Ohr." Bevor wir den Raum jedoch verließen, ließ ich noch einmal meinen Blick über alles schweifen, über die schmutzigen Betonwände, über Gary, der darauf wartete, dass man ihn ins Leichenschauhaus brachte und über den Boden, wo schon wieder eine fette Ratte ihre Runden drehte. Ich wusste, es würde ein wenig dauern, bis ich alles so weit verarbeitet hatte, dass ich nicht mehr an diese ganze Sache denken musste. Aber jetzt hatte ich ja Gibbs und alleine seine Anwesenheit half mir, dass dieser Ort nicht mehr so trostlos wirkte wie am Anfang.
„Alles in Ordnung?" fragte er und sah mich besorgt an. „Ja, alles bestens", erwiderte ich wahrheitsgemäß und lächelte. „Und jetzt lass uns gehen. Es wird Zeit, dass wir von hier verschwinden." Und ohne lange darüber nachzudenken, zog ich ihn einfach durch die Tür und den Gang entlang, der in die Freiheit führte.

Die Luft, die in meine Lungen strömte, als wir das alte Haus endgültig verließen, hatte noch nie so herrlich frisch gerochen. Die Wolkendecke war stellenweise aufgerissen und zeigte Flecken blauen Himmels. Ein paar Sonnenstrahlen hatten bereits ihren Weg zur Erde gefunden und ließ die Temperatur ansteigen. Obwohl es noch immer ein wenig kühl war, so war es hier draußen nach dem kalten Keller herrlich warm. In diesem Moment fühlte ich mich unglaublich entspannt. Das schlechte Wetter war verschwunden, mein Leben war nicht länger in Gefahr und ich hatte endlich meine große Liebe gefunden. Gibbs war an meiner Seite, hielt weiterhin meine Hand und passte sich automatisch meinem Schritttempo an, als ich zu dem Dienstwagen ging, mit dem ich hierher gefahren war, was Stunden zurückzuliegen schien, aber nicht länger als 30 Minuten her war. In dieser Zeitspanne war so viel passiert und ich hatte einen wahren Gefühlssturm durchlebt, der sich jedoch wieder gelegt hatte.
Auf der Straße wimmelte es von FBI Agenten, die sich bereit machten, das Haus auseinanderzunehmen und auf weitere Spuren zu durchsuchen. Es war mir nur Recht, dass es diese Bundesbehörde übernehmen würde, sich um alles zu kümmern. Zum ersten Mal war ich froh, dass sie sich einmischten und uns die Arbeit abnahmen.
Als wir den Wagen erreicht hatten, drehte ich mich um und blickte meinen beiden Kollegen entgegen, die auf uns zukamen. Ziva und McGee waren mit Fornell hierher gefahren, würden aber jetzt mit uns zurückkehren. Allerdings würde ich nicht zulassen, dass sich die junge Frau hinter das Steuer setzte. Ich überlebte doch nicht einen verrückten, korrupten FBI Agenten, um dann bei einem Autounfall zu sterben. Gibbs, der das anscheinend genauso sah, schlüpfte sofort wieder in die Rolle des Chefermittlers. „McGee, du fährst." „Alles klar, Boss", erwiderte Tim, der anscheinend seine Sprache wiedergefunden hatte, aber noch immer ziemlich durch den Wind war. „Ähm… wohin?" „Wohin wohl?" meinte ich und verpasste ihm aus einem Impuls heraus eine Kopfnuss. „Zurück zum Hauptquartier natürlich." „Kein Krankenhaus?" McGee hatte zwar wieder gelernt zu reden, aber ganze Sätze schien er trotzdem noch nicht zu Stande zu bringen. Er sah zu Gibbs, der ein wenig lädiert wirkte und dessen Unterarme weiterhin mit Blut bedeckt waren.
„Erwähn das Wort bloß nicht in meiner Gegenwart", sagte ich angewidert und öffnete die linke Hintertür. Alleine die Vorstellung, auch nur ein Krankenhaus betreten zu müssen, ließ mich erschauern. „Ich denke, es reicht, wenn uns Ducky durchcheckt", meinte Gibbs und folgte mir in das Innere des Wagens. „Was heißt hier uns?" wollte ich wissen und rückte ganz nahe an ihn heran. „Mir geht es bestens. Ich brauche niemanden, der mich untersucht." Jethro brachte seinen Mund an mein Ohr und flüsterte: „Bist du dir da sicher, Tony? Ich würde dich nachher gerne untersuchen." Seine Worte jagten mir einen heißen Schauer durch meinen Körper und ließen mich erbeben. „Aber vorher soll Ducky sicherstellen, dass dir nichts fehlt. Okay?" Da ich meiner Stimme nicht ganz traute, nickte ich und seufzte glücklich, als er einen Arm um meine Schultern legte und mich nahe zu sich zog – auf das Anschnallen verzichteten wir diesmal, da McGee nicht die Angewohnheit hatte, jede noch so kleine Verkehrsregel zu missachten. Meine linke Hand positionierte ich auf seinem Oberschenkel und streichelte ihn sanft, wodurch er leicht erzitterte.
Zufrieden grinste ich und gab ihm einen zärtlichen Kuss, den wir auch nicht unterbrachen, als Ziva und McGee vorne einstiegen. Erst ein lautes Räuspern ließ uns auseinander fahren. Meine Kollegin hatte sich zu uns umgedreht und schüttelte ihren Kopf. „Was ist?" fragte ich und versuchte Gibbs' Finger zu ignorieren, die meinen rechten Oberarm streichelten. „Und ihr beide seid wirklich… ihr wisst schon…" Ich hob eine Augenbraue, weshalb sie sich entschied, hinzuzufügen: „So richtig zusammen?" „Ja", antworteten Jethro und ich synchron. „Und was ist mit Regel Nummer 12?" wollte sie wissen, unfähig ihren Mund zu halten. „Das ist meine Regel, Ziva. Also kann ich sie auch brechen, wenn ich will. Außerdem hat jede Regel auch eine Ausnahme und diese Ausnahme sitzt gerade neben mir. Können wir jetzt endlich fahren?" In Gibbs' Stimme war der übliche schroffe Ton zurückgekehrt, den ich an ihm so sehr liebte. Die junge Frau nickte zögerlich, nicht ohne vorher ihre Lippen zu schürzen, drehte sich nach vorne und schnallte sich an.
„Hast du nicht gehört, Bambino?" wandte ich mich an McGee, dessen Augen richtiggehend am Innenspiegel zu kleben schienen und der die Vorgänge im hinteren Teil des Wagens wie in Trance beobachtete. „Oder hast du vergessen, wie man Auto fährt? Du weißt schon, dass man dazu den Schlüssel drehen muss, damit der Motor anspringt und… Au!" rief ich empört, als mir Gibbs eine saftige Kopfnuss verpasste. „Wofür war das denn?" „Dafür, dass du dich so kindisch benimmst." Ziva konnte sich ein Kichern nicht verkneifen und drehte sich noch einmal zu uns um, während Tim endlich den Motor anließ und seinen Blick nach vorne richtete – wenn auch etwas verstört.
„Ihr beide seid wie Feuer und Luft. Kein Wunder, dass ihr euch verknallt habt." „Es heißt, wie Feuer und Wasser", korrigierte ich sie, musste ihr aber Recht geben. Gibbs und ich konnten gegensätzlicher nicht sein und es war gerade das, was ich so anziehend fand.
Ziva warf mir einen ärgerlichen Blick zu, da ich sie wieder einmal ausgebessert hatte und murmelte etwas, dass sich anhörte wie „Amerikaner und ihre dämlichen Redewendungen." Ich schenkte ihr ein breites Grinsen, woraufhin sie sich nach vorne drehte und es bevorzugte, aus dem Seitenfenster zu starren.
McGee hatte endlich das Gaspedal gefunden und gondelte langsam die Straße entlang, in dem Bestreben, keinen FBI Agenten über den Haufen zu fahren. Aber ich regte mich über die lahme Geschwindigkeit nicht auf, sondern legte meinen Kopf auf Gibbs' Schulter, der sanft mit seiner Hand durch meine Haare fuhr. Sein warmer Körper presste sich an meinen und erneut fanden unsere Finger zueinander, um sich zu verschränken. In seinen Armen fühlte ich mich wunderbar sicher und je weiter wir uns von dem halbverfallenen Haus entfernten, desto entspannter wurde ich. Glücklich schloss ich die Augen, in dem Bewusstsein, dass alles vorbei war und uns nichts mehr passieren konnte. Und während wir Richtung Hauptquartier fuhren, glitt ich in einen leichten Schlaf, geborgen in den Armen des Mannes, mit dem ich in Zukunft mein Leben verbringen würde.

Fortsetzung folgt...
Chapter 39 by Michi
Washington D.C.
Montag, 20. Juni
05:25 Uhr


Obwohl es erst kurz vor halb sechs Uhr morgens war, wanderte die Sonne bereits über den Horizont und überzog den Himmel mit einer herrlichen blutroten Farbe. Die Luft war für diese frühe Zeit ungewohnt warm und es versprach ein wunderschöner Tag zu werden. Zahlreiche Vögel begannen ihr Konzert zu veranstalten und produzierten dadurch einen Lärm, der in der sonst so stillen Umgebung besonders laut erschien. Überall konnte man satte, grüne Wiesen, bunte Blumen und mit dichtem Blattwerk bedeckte Bäume bewundern, die nach dem lang anhaltenden Regen wieder zu neuem Leben erwachten. Von den grauen Wolken, die lange über Washington gehangen und auf das Gemüt der Bewohnter gedrückt hatten, war keine Spur mehr zu sehen und sie hatten einen wunderschönen blauen Himmel zurückgelassen. Die Luft roch angenehm frisch, die Sonne hatte ihre Kraft zurückgewonnen und wärmte den Erdboden mit ihren Strahlen. Waren vor ein paar Tagen noch Jacken und Schirme in Mode gewesen, so wurden diese wieder in die Schränke verbannt und von leichten T-Shirts, kurzen Hosen und Miniröcken ersetzt.
Vor den zahlreichen Cafés waren wieder Tische und Stühle aufgestellt worden, die ständig besetzt waren. Um sich einen Platz zu ergattern, musste man sich hin und wieder anstellen und warten, bis endlich einer frei war, um sich ein Eis oder ein kühles Getränk zu gönnen. Waren die Menschen noch vor kurzem lieber ins Kino gegangen, um dem trostlosen Wetter zu entfliehen, so besuchten sie jetzt Parks und tankten neue Kraft durch die warme Luft.
Das vergangene Wochenende war von vielen genutzt worden, um sich zu erholen und mit ihren Familien und Freunden Picknicks zu veranstalten. Es hatte nicht viele Personen gegeben, die bei diesem herrlichen Wetter in ihren Häusern geblieben waren - nicht einmal Gibbs hatte sich in seinen vier Wänden verbarrikadiert, um vielleicht an seinem Boot weiterzubauen. Selbst ihn hatte es nach draußen verschlagen, um sich von den Strapazen der letzten Tage zu erholen – immer in Begleitung von Tony, der ihm keine einzige Minute von der Seite gewichen war. Hatte er es vor kurzem gar nicht ausstehen können, ständig jemanden um sich zu haben, so hatte sich das mittlerweile geändert. Er genoss die Nähe seines Freundes, denn diese zeigte ihm, dass sie beide noch am Leben waren, dass sie die Ereignisse von letztem Donnerstag mehr oder weniger unbeschadet überstanden hatten.
Während draußen die Sonne immer weiter über den Horizont kletterte, stand Jethro unter der Dusche und ließ die warmen Wasserstrahlen auf seine Haut einprasseln. Er hatte sich mit den Armen an der Wand abgestützt, den Kopf nach unten hängend und die Augen fest geschlossen. Obwohl er erst vor kurzem zusammengeschlagen, mit einem Elektroschocker betäubt und fast erschossen worden war, fühlte er sich so entspannt wie noch nie. In seinen Muskeln befand sich kein einziger harter Knoten – dank einer ausgiebigen Massage von Tony – und er hatte das erste Mal seit langem vier Nächte hintereinander in einem Bett geschlafen und nicht auf dem Boden in seinem Keller, wo er des öfteren unter seinem Boot in das Land der Träume entflohen war. Deshalb fühlte er sich jetzt auch nicht wie durch den Fleischwolf gedreht, ungeachtet dessen, dass es erst kurz vor halb sechs Uhr am Morgen war. Es wäre ja nicht so, dass Gibbs nicht mehr schlafen hätte können, aber heute hatte er einen guten Grund dafür, weshalb er so bald aufgestanden war und dieser Grund lag noch immer in seinem großen Bett und schnarchte leise vor sich hin. Ein Lächeln bildete sich auf seinen Lippen, als er an Tony dachte, der nicht einmal mitbekommen hatte, dass er momentan alleine im Schlafzimmer war. Es war unglaublich, dass dieser so tief schlafen und ihn wahrscheinlich nicht einmal eine Kanonenkugel aufwecken konnte.
Jethro seufzte leise und trat einen kleinen Schritt nach vorne, um die Strahlen auf seinen Rücken prasseln zu lassen. Die Wärme verdrängte auch den letzten Rest von Müdigkeit aus seinem Körper und hinterließ nichts anderes als ein wohliges Gefühl – abgesehen von einem leichten Brennen seiner Handgelenke. Die Haut war an dieser Stelle weiterhin wund und noch nicht verheilt. Eigentlich hätte er einen Verband tragen müssen, aber diesen hatte er abgenommen, um ihn nicht nass werden zu lassen. Außerdem war es sowieso an der Zeit gewesen, ihn zu wechseln und er war sich sicher, Tony würde ihm nachher dabei helfen. Dieser war in den letzten Tagen unglaublich fürsorglich gewesen und hatte sogar dafür gesorgt, dass sie drei Mal täglich etwas zu Essen auf den Tisch bekommen hatten – wobei er jedes Mal selbst am Herd gestanden und gekocht hatte. Aber er hatte nicht protestiert, als Gibbs ihm einfach geholfen hatte. Diese gemeinsame häusliche Tätigkeit hatte sich unerwartet gut angefühlt und hatte ihn auf eine Art und Weise ausgefüllt, mit der er nie gerechnet hätte.
Sein junger Freund hatte sich wie immer verhalten, hatte seine Späße gemacht, blöde Sprüche zum Besten gegeben und hatte Jethro damit gleichzeitig zum Lachen und auf die Palme gebracht. Man hätte meinen können, es wäre nie etwas geschehen, der letzte Donnerstag hätte nie stattgefunden. Nur die oberflächlichen Verletzungen wiesen darauf hin, was beide durchgemacht hatten, wobei das Geschehen sich mittlerweile wie ein böser Albtraum anfühlte. Aber dennoch ballte Gibbs unwillkürlich seine Hände zu Fäusten, als er an den kalten, feuchten Keller dachte, an seine Hilflosigkeit und die ohnmächtige Wut, die in ihm aufgestiegen war, als Gary Tony vor seinen Augen angefasst und mit seiner Zunge über seinen Hals gefahren war. In diesem Moment hätte er beinahe die Kontrolle über sich verloren und wäre er nicht gefesselt gewesen, hätte er dem Mann höchstwahrscheinlich eigenhändig den Hals umgedreht, so lange, bis sein Genick gebrochen wäre. Die Panik, die seinen Freund überkommen hatte, als dieser gegen seinen Willen berührt worden war, hatte sich auf ihn übertragen und war noch größer geworden, als Anthony aufgehört hatte, sich zu wehren. Jethro hatte in diesem Moment ungläubiges Entsetzen gepackt und er hatte nicht verstanden, weshalb er das machte, weshalb er einfach so dagestanden war und alles über sich hatte ergehen lassen. Als ihn jedoch ein paar Sekunden später ein Blick aus grünen Augen getroffen hatte, hatte er verstanden, weshalb Tony keine Gegenwehr mehr leistete, auch wenn es ihn immense Anstrengung gekostet hatte, sich gegen den Griff nicht weiter aufzulehnen. Das laute Knacken, als er schließlich Garys Nase mit einem einzigen Schlag gebrochen hatte, hatte den Chefermittler mit Genugtuung erfüllt, welche gleich darauf aber wieder verschwunden war, als DeLay eingegriffen und Anthony in Schach gehalten hatte, während der bullige Mann mit einer Waffe auf Gibbs gezielt hatte - und er hatte geahnt, dass es zu Ende gehen würde. Zwar war ihm bewusst gewesen, dass Verstärkung unterwegs sein musste, aber er hatte nicht wirklich damit gerechnet, dass sie noch rechtzeitig eintreffen würde. Und je mehr Sekunden verstrichen waren, desto ruhiger war er geworden, hatte akzeptiert, dass er wohl sterben würde und deswegen Tony seine gesamte Aufmerksamkeit geschenkt. Wenn er schon in diesem Keller sein Leben verlieren würde, dann sollte es sein Freund sein, dessen Gesicht er als Letztes sehen würde, bevor er für immer in Dunkelheit versinken würde. Aber eine höhere Macht hatte wohl Einsehen gehabt und nicht ihn, sondern Gary sterben lassen. Gibbs war noch nie so froh gewesen, Fornell zu sehen, wie in diesem Moment. Von da an hatte er gewusst, dass alles gut werden würde, dass sie endlich gerettet waren. DeLays Gesicht, als er erkannt hatte, dass er verloren hatte, hatte ihn für die Strapazen ein wenig entschädigt und er wusste, dieser Mann würde es im Gefängnis nicht leicht haben – eine weitere Genugtuung.
Jethro seufzte leise und hob seinen Kopf, um das Wasser über sein Gesicht laufen zu lassen. Es war die erste Dusche seit Tagen, die er alleine machte. Sonst war Tony immer bei ihm gewesen, aber diesmal lag dieser noch im Bett und schlief tief und fest. Ihm würde es sicher nicht gefallen, in ein paar Minuten aufgeweckt zu werden, aber Gibbs hatte eine kleine Überraschung für ihn und es war unumgänglich, dass sie etwas früher losfuhren, wollte er seinen Plan in die Tat umsetzen. Anthony würde nicht gerade erfreut sein, derart bald loszumüssen, aber die Entschädigung, die er dafür erhalten würde, würde ihm sicher gefallen. Ursprünglich war es auch seine Idee gewesen und diese hatte sich in Jethros Kopf festgesetzt und ließ ihn nicht mehr los, seit er davon erfahren hatte. Und dabei hatte er fast schon geglaubt, er würde in nächster Zeit keine Möglichkeit erhalten, seine Vorstellungen auszuleben, hatte er doch Angst gehabt, Anthony würde seine Berührungen nicht genießen können – nicht nachdem er gegen seinen Willen von einem anderen Mann angefasst worden war. Aber er hatte sich noch nie geirrt. Bereits bei der Autofahrt zurück ins Hauptquartier hatte er sich an ihn gekuschelt und war sogar eingeschlafen.
Zwei Stunden später hatten sie ein paar von Tonys Sachen aus seinem Haus geholt – er wollte für ein paar Tage aus seinen eigenen vier Wänden verschwinden, die ihn zu sehr daran erinnert hätten, was vorgefallen war – und zu Gibbs gebracht. Das Erste, was sie gemacht hatten, war eine heiße Dusche zu nehmen, um sich den ganzen Dreck und das Blut abzuwaschen. Dabei hatte Jethro die ganze Zeit Angst gehabt, seinen Freund zu berühren, aus der Befürchtung heraus, dieser würde nicht seine Hände, sondern die von Gary spüren, würde den Mann vor sich sehen, der ihn vergewaltigen wollte. Der Chefermittler hatte hinter ihm gestanden und es nicht fertig gebracht, seine Hände zu heben, wollte er doch keine unangenehmen Erinnerungen wecken. Aber es war schließlich Anthony gewesen, der seine Nähe gesucht hatte, der einen Schritt nach hinten gemacht und seinen Rücken an Gibbs' Körper gepresst hatte. Er war es gewesen, der seinen Kopf an seine Schulter gelegt, seinen Mund an sein Ohr gebracht und „Liebe mich" geflüstert hatte. Für einen Moment waren nur ihr beider Atem und das Rauschen des Wassers zu hören gewesen, bis er seine Worte wiederholt hatte, diesmal mit einem leicht flehenden Ton in der Stimme. Und als Jethro nicht schnell genug reagiert hatte, hatte sich Tony umgedreht und ihn mit einer Leidenschaft geküsst, die ihn ganz schwindelig gemacht hatte. Da hatte er begriffen, dass ihn sein Freund brauchte, dass er spüren wollte, dass sie beide noch am Leben und in Sicherheit waren - und er hatte ihm diesen Wunsch erfüllt. Er hatte mit einer Hingabe den muskulösen Körper erforscht, der beiden den Atem geraubt hatte und hatte besonders den Stellen Aufmerksamkeit geschenkt, die Gary angefasst hatte, um die Erinnerungen an dessen Berührungen durch seine zu ersetzen. Anthony war wie Wachs in seinen Händen gewesen und hatte auf jede noch so kleine Streicheleinheit mit einer Intensität reagiert, die er nie für möglich gehalten hätte. Und Jethro hatte ihn schließlich geliebt, mit einer Zärtlichkeit, die beide überrascht hatte – mit langsamen Stößen, die erregender als grenzenlose Leidenschaft gewesen waren. Der Höhepunkt seines Freundes hatte ihn selbst in den Abgrund gerissen und hatte beide den Boden unter den Füßen weggezogen. Er wusste bis heute nicht, wie sie es danach ins Schlafzimmer geschafft hatten. Nach diesem Liebesakt war der alte Tony wieder da gewesen, der Tony, der ihn mit seinen Sprüchen immer auf die Palme brachte und der für jeden Spaß zu haben war. Es war beinahe so, als ob er mit diesem einen Höhepunkt all die Erinnerungen an Gary in einen hinteren Teil seines Gehirns verbannt hätte und Gibbs hätte sofort gemerkt, hätte er ihm nur etwas vorgemacht – was aber nicht der Fall gewesen war. Und somit hatten beide die drei freien Tage mehr als genossen, waren zusammen spazieren gegangen, hatten gekocht, waren einkaufen gewesen und hatten sich jeden Abend geliebt, wobei sie es einmal nicht mehr ins Schlafzimmer geschafft hatten, nachdem Jethro Anthony eine kleine Lektion im Boote bauen gegeben hatte. Diesmal war ihm der Boden seines Kellers gar nicht so hart vorgekommen.
Ein breites Grinsen bildete sich auf seinen Lippen und er öffnete seine Augen. Der Dampf im Bad hatte sich mittlerweile verdichtet und legte sich wie ein feiner Nebel auf die Einrichtung und auf den weißen Fliesenboden. Es war an der Zeit, endlich die Dusche zu verlassen und Tony aus dem Reich der Träume zu holen. Bevor sich Gibbs anders entscheiden konnte, drehte er das Wasser ab, stieg aus der Dusche und schnappte sich eines der Handtücher, um es sich über die Hüfte zu wickeln. Anschließend stellte er sich vor den Spiegel, wischte darüber und musterte sein Gesicht. Die beiden Prellungen waren noch immer deutlich zu sehen, wechselten aber langsam von einem intensiven Blau zu einem Gelbton. Trotz der Verletzungen merkte er selbst, dass er einen entspannten Gesichtsausdruck hatte und dass seine Augen ungewohnt glücklich funkelten. Kein Wunder, dass Abby gleich gemerkt hatte, dass er verliebt war, so wie er momentan aussah. Es hatte ihn auch nicht sonderlich überrascht, als er erfahren hatte, dass sie es von alleine herausgefunden hatte, dass er mit Tony zusammen war – eher hätte es ihn gewundert, wenn dies nicht der Fall gewesen wäre.
Gibbs wandte sich von dem Spiegel ab, trocknete sich in Rekordzeit ab und öffnete die Tür, um in den Gang hinauszugehen, nur um gleich darauf das Schlafzimmer zu betreten. Seit er es vor ein paar Minuten verlassen hatte, hatte sich nichts an dem Bild verändert, außer dass die Sonne weiter über den Horizont geklettert war und den Raum nun in ein sanftes Licht tauchte. Auf dem großen Bett, welches auf der linken Seite an der Wand stand, lag Tony auf dem Bauch, den Kopf – dessen Haare in alle Richtungen abstanden und vom Schlaf zerzaust waren - zu der Tür gedreht, die Augen geschlossen und den Mund leicht geöffnet. Seinen rechten Arm hatte er unter dem Polster vergraben, während der linke neben seinem Kopf ruhte. Das Laken war bis auf seine Hüfte hinuntergerutscht und entblößte seinen muskulösen Rücken, der in der aufgehenden Sonne brauner wirkte, als er eigentlich war.
Für ein paar Sekunden lehnte sich Gibbs gegen den Türrahmen und nahm das friedliche Bild in sich auf. Sein Herz begann unwillkürlich schneller zu schlagen und er hätte lügen müssen, wenn er behauptet hätte, jetzt keine Schmetterlinge im Bauch zu haben. Es war ihm mehr als bewusst, dass nicht viel gefehlt hätte und er würde in diesem Augenblick nicht hier stehen und seinen schlafenden Freund betrachten. Er hatte sogar Fornell angerufen, um ihn zu danken, dass er ihm das Leben gerettet hatte, was dieser mit einem verlegenen Räuspern zur Kenntnis genommen und gleich darauf gefragt hatte, ob es dem Chefermittler gut gehe. Es kam immerhin nicht oft vor, dass sich dieser bedankte und schon gar nicht bei einem FBI Agenten. Dieser hatte ihm sogar angeboten, an dem Verhör von DeLay teilzunehmen, aber er hatte es abgelehnt. Er wollte einfach nur vergessen und bei Tony sein, der ihn dringender brauchte und auch wichtiger als irgendein Verhör war.
Mit einem Lächeln auf den Lippen löste sich Gibbs von dem Türrahmen und ging langsam über den cremefarbenen Teppich auf das Bett zu, wo er sich vorsichtig – um seinen Freund nicht zu wecken – seitlich auf die Matratze legte, sich auf seinen linken Ellenbogen abstützte und seinen Kopf in seine Hand legte. Unwillkürlich holte er tief Luft und sog den Duft von Tony ein, der sich leicht in dem Schlafzimmer ausgebreitet hatte. Jetzt roch er nicht mehr nach Vanille, sondern nach Kokos, ein Aroma, das ihn ständig an lange Sandstrände, türkisblaues Meer und Palmen erinnerte. Und er hatte ständig das Bedürfnis, an Anthonys Haut zu knabbern, um den Geschmack in sich aufzunehmen. Er hatte gar nicht gewusst, dass Kokos so verführerisch sein konnte. Wenn er ehrlich war, war er dem jungen Mann vor ihm bereits verfallen und er fühlte sich deswegen glücklich wie noch nie zuvor – jedenfalls seit Shannons und Kellys Tod. Damals hatte er gedacht, nie wieder wirklich Freude am Leben zu haben und hatte sogar versucht, sich mit seiner eigenen Waffe zu erschießen, wollte dem grenzenlosen Schmerz des Verlustes ein Ende setzen. Aber eine innere Stimme hatte ihn davon abgehalten und er konnte einfach nicht abdrücken – manchmal hatte er sich sogar dafür gehasst. Jetzt wusste er allerdings, weshalb er weiterhin am Leben war und der Grund befand sich nur ein paar Zentimeter von ihm entfernt. Tony hatte eine Tür zu seinem Herzen aufgestoßen, von der er geglaubt hatte, sie wäre für immer verschlossen, aber er hatte sich gerne eines Besseren belehren lassen.
Langsam streckte Gibbs seinen rechten Arm aus und fuhr mit seinem Zeigefinger sachte über Anthonys Wange. Vermochte ein noch so lauter Schuss – oder das Konzert der Vögel draußen - ihn nicht zu wecken, so würde es diese sanfte Berührung allemal schaffen. Langsam ließ er seinen Finger über die Haut gleiten, immer weiter hinunter, bis er die weichen Lippen erreicht hatte, von denen er nie genug bekommen konnte. Zärtlich fuhr er sie entlang, bis sie sich nach wenigen Sekunden zu einem Lächeln verzogen, das seinen Puls in die Höhe schießen ließ. Gleich darauf hoben sich Tonys Lider und grüne, noch vom Schlaf verhangene Augen, begegneten Jethros Blick.

Eine sanfte Berührung an meinen Lippen riss mich aus einem tiefen und traumlosen Schlaf. Ich spürte, wie ein Finger immer wieder über meinen Mund fuhr und ihn liebkoste, weshalb ich nicht anders konnte, als ihn zu einem Lächeln zu verziehen. Es war nicht schwer zu erraten, wer sich da solche Mühe gab, mich aufzuwecken. In dem Bewusstsein, wer neben mir lag, öffnete ich blinzelnd meine Augen und blickte in die blauen von Gibbs, die mich voller Liebe anfunkelten. Seine Haare waren feucht, einzelne Wassertropfen hatten sich auf seine Schultern verirrt und rannen langsam seine Brust hinab. Es war unübersehbar, dass er frisch aus der Dusche kam. Der Geruch seines Duschgels stieg mir angenehm in die Nase und ließ mich mehr und mehr in die Wirklichkeit zurückkehren. Erst jetzt bekam ich so richtig mit, dass die Sonne bereits am Aufgehen war und das Schlafzimmer – das in den letzten vier Nächten mein zu Hause geworden war - in immer helleres Licht tauchte und Jethros Haare schimmern ließ. Die Prellungen in seinem Gesicht begannen langsam zu verblassen und würden in den nächsten Tagen sicher verschwinden, um nur mehr eine unangenehme Erinnerung zu sein.
Die Geschehnisse des vergangenen Donnerstages waren mehr als präsent und kamen ständig an die Oberfläche, aber ich schaffte es immer wieder sie zurückzudrängen, genauso wie ich es geschafft hatte, darüber hinwegzukommen, dass ich kurz davor gestanden hatte, vergewaltigt zu werden. Zuerst hatte ich geglaubt, es würde einige Zeit dauern, bis mich Jethro wieder liebkosen konnte, ohne dass ich an Gary denken musste, aber unsere gemeinsame heiße Dusche hatte mich eines besseren belehrt. Der Drang, dass er mich berührte, dass er mich liebte, war übermächtig gewesen. Ich hatte genau gespürt, dass Gibbs Angst gehabt hatte, seine Hände über meinen Körper fahren zu lassen, in der Annahme, ich würde nicht seine Finger sondern die von Gary spüren. Anfangs hatte ich das selbst angenommen, aber als er sich schließlich dazu durchgerungen und mir meinen Wunsch, mich zu lieben, erfüllt hatte, war es nur mein Freund gewesen, den ich gefühlt hatte, waren es seine Hände und seine Zunge, die ich gespürt und die mir heiße Lust durch meinen Körper gejagt hatten. Er war unglaublich zärtlich gewesen – eine Seite an ihm, die man nie vermutet hätte, sah man ihn in der Rolle des Bundesagenten, wo er knallhart und ohne zu zögern einen Verbrecher ins Gefängnis brachte – oder ihn erschoss, wenn es die Situation erforderte. Aber in den letzten Tagen war eine Seite von ihm zum Vorschein gekommen, die ich genauso liebte wie den Chefermittler, der mich herumscheuchte und mir Kopfnüsse verpasste.
Gibbs fuhr noch immer mit seinem Zeigefinger über meine Lippen, weshalb ich sie öffnete und ihn in meinen Mund aufnahm, um ihn leicht mit meiner Zunge zu kitzeln. Seine Augen verengten sich ein wenig und ich konnte sehen, dass er hart schluckte, was mich noch breiter Lächeln ließ. Zärtlich saugte ich an dem Finger, knabberte mit meinen Zähnen daran und das leise Stöhnen, das sich seiner Kehle entrang, jagte mir einen heißen Schauer durch meinen Körper. Wenn es nach mir ging, hätten wir ewig so daliegen können, uns einfach nur in die Augen schauend und Jethros Finger in meinem Mund. Aber schließlich zog er ihn zurück und ersetzte ihn durch seine Lippen, die natürlich noch viel besser waren. Ich hob ihm meinem Kopf entgegen und ließ meine Zunge mit seiner spielen, bis wir beide keine Luft mehr bekamen und uns voneinander lösten mussten.
Gibbs legte mir sanft seine rechte Hand auf meine Wange und erst da bemerkte ich, dass er den Verband um seine Gelenke abgenommen hatte. Die Verletzung war noch nicht verheilt, die Haut wund und rot, aber auch das würde irgendwann verschwinden, um nur eine weitere unangenehme Erinnerung zu sein.
„Soll ich dich nachher verarzten?" fragte ich mit noch vom Schlaf leicht heiserer Stimme und streichelte sanft über sein Handgelenk. „Wenn du möchtest", erwiderte er, nahm seine Hand von meiner Wange und verschränkte seine Finger mit den meinen. „Und wenn du ein braver Patient bist, bekommst du nachher auch einen schönen starken Kaffee", sagte ich und ahmte dabei einen Kinderarzt nach, der versuchte, die Kleinen dazu zu animieren, folgsam zu sein und die Behandlung ohne große Quengelei über sich ergehen zu lassen.
Meine Worte entlockten Jethro ein leises Lachen und er beugte sich zu mir herunter. „Und einen Kuss?" „Vielleicht", meinte ich mit leiser Stimme und grinste breit. „Und wenn du mir heute während der Arbeit keine Kopfnuss verpasst, dann gibt es zur Belohnung mehr als einen Kuss. Au!" Blitzschnell hatte er seine Hand von meiner gelöst und mir damit auf meinen Hinterkopf geschlagen, den ich mir jetzt murrend rieb. „Habe ich dir schon einmal gesagt, dass ich es liebe, wenn du diese Geräusche machst, wenn ich dir eine Kopfnuss verpasse?" fragte Gibbs, legte sich auf den Rücken und musterte mich eingehend. „Ach, deshalb bekomme ich immer so viele." Mein Grinsen kehrte wieder zurück und ich setzte mich auf, nur um gleich darauf zu gähnen und mich ausgiebig zu strecken. Dabei wanderte mein Blick über seinen Körper und zu meiner Freude hatte er es versäumt, sich nach der Dusche anzuziehen, weshalb er sich in all seiner Pracht präsentierte. „Ich schätze mal, ich kann dir verzeihen, dass du mir einen Klaps verpasst hast", sagte ich und fuhr aufreizend mit meiner Hand über seinen Oberkörper. „Na, das will ich auch hoffen. Außerdem sind wir nicht in der Arbeit." Grummelnd musste ich ihm Recht geben, als ich an meine eigenen Worte zurückdachte. Aber wenn ich ehrlich war, konnte er mir noch so viele Kopfnüsse verpassen und ich würde ihn trotzdem nicht von der Bettkante stoßen.
Ich ließ meine Hand immer weiter abwärts gleiten, als ich plötzlich inne hielt, als mein Blick auf den Wecker fiel, der auf dem Nachttisch stand und der sich auf Gibbs' Seite des Bettes befand. Ungläubig riss ich meine Augen auf und sah schließlich zu meinem Freund, der mich amüsiert musterte. „Es ist erst kurz nach halb sechs?" fragte ich, nahm meine Hand von seinem Körper und fuhr mir damit durch meine Haare, wobei ich sie noch mehr zerzauste. „Warum weckst du mich in dieser Herrgottsfrühe auf? Wir könnten locker noch eine halbe Stunde schlafen." Meine Stimme klang ein wenig vorwurfsvoll, was ihn aber nicht im Geringsten zu stören schien. „Du weißt schon, dass wir erst um sieben Uhr anfangen, oder?" „Aber sicher weiß ich das", antwortete er ruhig und verschränkte seine Arme hinter seinem Kopf. „Und weshalb…?" Aber ich schaffte es nicht, meine Frage fertig zu stellen, da er mich unterbrach – mit Worten, die ich von ihm nie erwartet hätte und die mich verblüffter nicht machen könnten. „Weil ich eine kleine Überraschung für dich habe." Mir klappte der Mund so weit hinunter, dass ich beinahe McGee Konkurrenz machte, dem es nicht anders ergangen war, als er erfahren hatte, dass Gibbs und ich zusammen waren. Irgendwie schaffte ich es, mich zu räuspern und hervorzubringen: „Du… Überraschung? Für mich?" Mein Gehirn war für einen Moment nicht fähig, ganze Sätze zu bilden und ich wusste auch nicht, ob ich es jemals wieder lernen würde.
Jethro nickte und schien sich nach dem belustigten Funkeln in seinen Augen köstlich zu amüsieren. „Und… und ich dachte, du hasst Überraschungen", sagte ich schließlich, weiterhin stotternd. „Ich mache gerne einmal eine Ausnahme", erwiderte er und setzte sich auf. „Okay. Wer sind Sie und was haben Sie mit Gibbs gemacht?" Dieser konnte sich ein Lachen nicht verkneifen. „Glaub mir, ich bin immer noch derselbe und wurde nicht durch einen Doppelgänger ersetzt." Ich schüttelte ungläubig den Kopf, bis ich endlich realisierte, was seine Worte bedeuteten. Auf meinen Lippen breitete sich ein Kleinjungengrinsen aus und ich begann mich tierisch zu freuen. „Was ist es denn für eine Überraschung?" wollte ich aufgeregt wissen und blickte ihn flehend an, in dem Versuch, es mir zu verraten. „Wenn ich es dir jetzt sagen würde, wäre es keine Überraschung mehr", erwiderte Jethro und hob eine Augenbraue, angesichts meiner kindlichen Begeisterung. „Komm schon. Verrate es mir." Ich setzte meinen Dackelblick auf, gegen den er nicht immun war, weshalb er ganz schnell seine Beine über das Bett schwang und aufstand, wodurch er mir einen fabelhaften Blick auf seine Kehrseite gewährte. „Gibbs! Jetzt sag schon!" quengelte ich, mir nicht einmal bewusst, dass ich mich wie ein stures Kleinkind verhielt.
„Je schneller du aufstehst, desto eher wirst du es erfahren", meinte er beinahe ungerührt, ging zum Schrank und suchte sich frische Kleidung. „Aber du kannst ruhig im Bett liegen bleiben, Tony. Dann musst du wohl auf ein anders Mal warten." Ich wusste, ich würde nichts aus ihm herausbringen, egal wie hartnäckig ich nachbohrte, außer ich würde ihn auf Kaffeeentzug setzen, aber dann würde ich wahrscheinlich nicht mehr lange leben. Mich meinem Schicksal ergebend schlug ich die Bettdecke zurück und stand auf, wobei Jethro mich genau betrachtete, so wie ich vorhin jeden Zentimeter seines Körper gemustert hatte. Als ich ihn erreicht hatte, zog er mich blitzschnell in seine Arme und küsste mich leidenschaftlich. „Habe ich dir schon einen guten Morgen gewünscht?" fragte er nahe an meinen Lippen. „Nein, hast du nicht", erwiderte ich leise und ein wenig atemlos. „Guten Morgen, Tony", holte er das Versäumte nach und glättete ein wenig meine zerzausten Haare. „Dir auch einen guten Morgen, Jethro." Mit den Zähnen knabberte ich leicht an seiner Unterlippe, bevor ich mich darauf entsann, weshalb ich zu so einer frühen Stunde aus dem Bett geschmissen worden war. Deshalb trat ich rasch einen Schritt zurück. „Und jetzt lass uns keine Zeit mehr vergeuden", sagte ich und kramte im Schrank, um mir meinerseits Kleidung zu suchen. „Wird mir die Überraschung gefallen?" konnte ich mir jedoch nicht verkneifen zu fragen, während ich in ein Paar Boxershorts schlüpfte. Gibbs schüttelte über meine Ungeduld seinen Kopf, zog sich sein weißes T-Shirt an, bevor er antwortete: „Sie wird dir garantiert gefallen und du wirst sie sicher eine Weile nicht vergessen." Ein unergründliches Lächeln bildete sich auf seinen Lippen und ließ mich meine Stirn runzeln. So geheimnisvoll kannte ich ihn gar nicht und irgendwie war es mir ein wenig unheimlich. Aber ich dachte nicht länger darüber nach, sondern zog mich in Rekordzeit an. Schließlich wollte ich endlich wissen, was es für eine Überraschung war, die er für mich parat hatte. Während der ganzen Zeit überlegte ich, was es wohl sein könnte, was sich sein Gehirn ausgedacht hatte, aber ich kam einfach auf kein Ergebnis. Genau 29 Minuten später sollte ich es jedoch erfahren und es war etwas, womit ich nie im Leben gerechnet hätte, schon gar nicht an dem Ort, an den er mich brachte.

Fortsetzung folgt...
Chapter 40 by Michi
Es war das erste Mal, das ich mir wünschte, Gibbs würde noch schneller fahren, als er es ohnehin tat. Da es noch recht früh war, war der Verkehr auf den Straßen nicht so dicht, wie er es sicher in einer Stunde sein würde, wenn jeder in die Arbeit unterwegs war. Die Sonne kletterte immer weiter über den Horizont und tauchte Washington in ein blutrotes Licht – ein herrlicher Anblick, den ich garantiert genossen hätte, wäre ich nicht damit beschäftigt gewesen, ein wenig nervös mit meinen Fingern auf meinen Oberschenkeln herumzuklopfen und gleichzeitig zu verhindern, dass ich bei jeder noch so kleinen Kurve gegen die Tür geschleudert wurde.
Jethro konzentrierte sich auf die Straße und schien gar nicht zu bemerken, dass meine Aufregung immer mehr wurde, zusätzlich steigerte sich meine Verwirrung. Welche Überraschung hatte er denn für mich parat? Was war es, dass ich deswegen so früh aufstehen hatte müssen und dass er es mir nicht bei sich zu Hause überreichen hätte können? Und die wichtigste Frage: wo brachte er mich überhaupt hin?
Ich riskierte einen Seitenblick zu meinem Freund, der entspannt hinter dem Lenkrad saß und seine Aufmerksamkeit auf den Wagen vor uns gerichtet hatte, den er gleich darauf mit lautem Reifengequietsche überholte und dabei nicht einmal mit der Wimper zuckte. Seine Hände lagen ruhig auf dem Steuer und unter seinem Jackett lugte der weiße Verband um seine Gelenke hervor, den ich ihm noch angelegt hatte, bevor wir losgefahren waren. Obwohl ich keine Zeit vergeuden hatte wollen, hatte ich doch Duckys Worte noch immer in meinem Kopf gehabt, der mir eingebläut hatte, dass kein Schmutz in die Wunden kommen durfte, sonst würden sie sich entzünden. Ungeachtet dessen, dass er Pathologe war, so verstand er doch einiges von lebenden Patienten und ich war darauf bedacht, seine Anweisungen auch zu befolgen.
Ich riss meine Augen von Gibbs los und starrte aus dem Seitenfenster, unterdrückte einen leisen Aufschrei, als er bei der nächsten Kreuzung ohne zu bremsen abbog und setzte mich gleich darauf kerzengerade auf, als ein mir nur allzu vertrautes Gebäude vor meinen Augen auftauchte. Die Sonne spiegelte sich in den zahlreichen Fenstern und ließ sie in den verschiedensten Farben reflektieren. Noch war es ruhig, keine Agenten oder Besucher strömten durch den Eingang, um sich ihren Tätigkeiten zu widmen. Ein paar Sekunden lang konnte ich nur das Hauptquartier anstarren, in dem ich die letzten Jahre gearbeitet und von dem ich niemals gerechnet hatte, dass mich Jethro hierher bringen würde. Verwirrt runzelte die Stirn und fragte mich, ob er sich vielleicht verfahren hatte. Oder befand sich die Überraschung etwa in dem Gebäude? Gleich darauf schüttelte ich den Kopf. Ich konnte mir nicht wirklich vorstellen, dass sie sich dort drinnen befinden konnte. Hatte er sich eventuell nur einen Scherz mit mir erlaubt? Aber dann kam mir in den Sinn, dass er nicht der Typ Mensch für Scherze war. Ich hegte noch immer die Hoffnung, dass wir nur vorbeifahren würden, dass es nur zufällig derselbe Weg war, aber diese wurde zerstört, als Gibbs mit quietschenden Reifen in die Abfahrt einbog, die in die Tiefgarage hinunterführte. Enttäuschung machte sich in mir breit. Ich ließ mich in den Sitz zurücksinken und blickte zu Jethro, der den Wagen auf seinem üblichen Platz abstellte und den Motor abschaltete.
„Ich dachte, du hast eine Überraschung für mich?" fragte ich leise, wobei ich nicht verhindern konnte, dass sich die Enttäuschung auch auf meine Stimme auswirkte. Er sah mich mit erhobener Augenbraue an und lächelte bei meinem Gesichtsausdruck. „Die habe ich auch", antwortete er und öffnete die Tür. „Aber was machen wir dann hier?" wollte ich wissen und folgte ihm nach draußen, obwohl ich lieber im Wagen sitzen geblieben wäre, aber so schnappte ich mir brav meinen Rücksack und schmiss die Tür laut ins Schloss, sodass das Geräusch laut in der Tiefgarage – die um diese Uhrzeit fast verwaist war – widerhallte. „Dir die Überraschung geben, was sonst?" Mein Freund runzelte leicht die Stirn, als ich meinen Mund skeptisch verzog und kam auf mich zu, um mich bei der Hand zu nehmen, aber ich rührte mich nicht vom Fleck. „Hier? Oh, warte!" rief ich plötzlich begeistert und auf meinen Lippen bildete sich ein strahlendes Grinsen aus. Mit einem Schlag war die Enttäuschung verschwunden und hatte erneut der Aufregung Platz gemacht. „Es ist eine kleine Willkommensparty, richtig? In Abbys Labor, oder?"
Jethro sah mich für eine Sekunde amüsiert an, bevor er seinen Kopf schüttelte und mich ohne große Mühe zum Fahrstuhl zog. „Nein, es ist keine Willkommensparty." „Nicht? Was dann?" Ich überlegte und als wir beim Aufzug angekommen waren, hatte ich eine neue Idee. „Jetzt weiß ich es. Ziva hat extra für mich einen Kuchen gebacken, den sie mir feierlich überreichen will." Aber gleich darauf fragte ich mich, ob sie überhaupt backen konnte. Sie war zwar eine hervorragende Köchin, aber gehörten Mehlspeisen auch zu ihrem Repertoire? Die Türen glitten mit einem leisen Pling auf und automatisch folgte ich Gibbs in die kleine Kabine hinein. „Ziva hat auch keinen Kuchen für dich gebacken", sagte er, drückte auf den Knopf für die dritte Etage und lächelte über meinen verwirrten Gesichtsausdruck. „Kein Kuchen?" wollte ich enttäuscht wissen und seufzte leise, als er den Kopf schüttelte. Und dabei hatte ich mich sogar ein wenig darauf gefreut, nachdem ich keine Zeit mehr zum Frühstücken gehabt hatte und mein Magen langsam sein Recht einforderte. „Was ist es dann?" Anstatt mir eine Antwort zu geben, streckte er seinen Arm aus und betätigte den Stopphebel, kaum dass sich der Fahrstuhl in Bewegung gesetzt hatte. Die Lichter gingen aus und wurden durch die Notbeleuchtung ersetzt, die eine dämmrige Atmosphäre schaffte.
Verwirrt blickte ich zu Jethro, der meine Hand losließ, sie zu meiner Schulter hob und meinen Rucksack zu Boden gleiten ließ, wo er mit einem dumpfen Geräusch landete. „Ähm… was wird das?" fragte ich, nicht ganz sicher, ob ich weiterhin träumte und noch immer im gemütlichen Bett lag oder ob ich wirklich wach war. Aber ich bekam keine Antwort, wie ich es eigentlich erwartet hatte, sondern wurde gegen die kühle Wand des Aufzuges gedrängt, bis sich mein Rücken hart dagegen presste. Gibbs stützte seine Arme links und rechts meines Oberkörpers ab und brachte sein Gesicht ganz nahe an meines, sodass ich seinen warmen Atem auf meiner Haut spüren konnte. In seine Augen trat ein Verlangen, das mir beinahe den Atem raubte und für einen Moment war ich unfähig, auch nur einen Muskel zu rühren.
„Meine Überraschung für dich", antwortete er schließlich leise auf meine vorherige Frage, bevor er seine Lippen auf meine legte und ohne zu zögern seine Zunge in meinen Mund gleiten ließ, wo sie jeden Millimeter zu liebkosen schien. Vage erinnerte ich mich an unseren leidenschaftlichen Kuss letzten Donnerstag und meinen Vorschlag, in diesem Fahrstuhl zu Ende zu bringen, was wir angefangen hatten, aber Jethro hatte verneint, kurz darauf jedoch gemeint, es sei nur aufgeschoben und nicht aufgehoben. Die Erkenntnis, dass er vor hatte, hier und jetzt, in dieser kleinen Kabine mit mir zu schlafen, jagte mir einen unglaublich intensiven Schauer der Erregung durch den Körper und ließ mich leise aufstöhnen. Meine Muskeln, die ich vor kurzem nicht mehr bewegen hatte können, schienen auf einmal wieder zu funktionieren. Ich hob meine Hände, nur um sie gleich darauf in seinen Haaren zu vergraben und ihn noch weiter an mich heranzuziehen. Vergessen war die Tatsache, dass ich so bald aufstehen hatte müssen und keine Zeit zum Frühstücken gehabt hatte. Mein Hunger war jetzt anderer Natur und diesen würde ich auch stillen.
Gibbs löste seine Lippen von meinen, die von dem leidenschaftlichen Kuss prickelten, ließ sie über meine linke Wange gleiten, bis er an meinem Hals angekommen war, an dem er sachte knabberte und meine Knie dadurch butterweich werden ließ. „Das war schon immer eine meiner heißesten Fantasien", keuchte ich und ließ meinen Kopf gegen die kühle Wand sinken. Meine Worte kommentierte er mit einem Saugen an meiner Haut, wodurch er wahrscheinlich einen prächtigen Knutschfleck hinterlassen würde, der zeigen würde, dass ich ihm gehörte. „Ich wollte schon immer mal Sex im Fahrstuhl haben", fuhr ich fort und schloss genießerisch die Augen, die ich jedoch gleich darauf wieder öffnete, als seine Lippen von meinem Hals verschwanden. Ich begegnete seinem Blick, der voller Leidenschaft und Liebe war. Seine Haare waren dank meiner Finger zerzaust und in dem dämmrigen Licht wirkte er extrem attraktiv, weshalb ich mich zusammenreißen musste, um nicht einfach über ihn herzufallen. „Eine deiner heißesten Fantasien, ja?" fragte er leise an meinem Mund. „Hast du denn noch weitere Fantasien dieser Art?" „Bei Gelegenheit werde ich sie dir verraten", erwiderte ich und grinste breit, als er seinen Kopf schief legte und mich eingehend musterte. „Und du hattest Recht. Die Überraschung gefällt mir wirklich. Danke." Das letzte Wort unterstrich ich dadurch, dass ich meine Arme um seine Taille schlang, ihn zu mir heranzog und ihn voller Verlangen küsste. Unsere Zungen führten einen sinnlichen Tanz auf und Gibbs presste seine wachsende Erektion gegen meine und begann sich langsam an mir zu reiben. Ich stöhnte unwillkürlich in seinen Mund hinein und zog ihn noch näher an mich heran, um ihn zu spüren. Unser Kuss wurde leidenschaftlicher und der Rhythmus, in dem wir uns aneinander rieben, passte sich daran an. Wieder einmal verfluchte ich die Tatsache, dass ich unbedingt eine enge Jeans anziehen hatte müssen, anstatt eine weite Hose. Hätte ich auch nur ansatzweise geahnt, welche Überraschung auf mich warten würde, hätte ich wahrscheinlich auf die Boxershorts verzichtet, um nicht unnötige Zeit mit dem Ausziehen zu verbringen. Andererseits mochte ich es total gerne, wenn sie mir Gibbs langsam über die Hüfte zog und mich damit ein wenig quälte.
Ungeduldig ließ ich meine Hände unter sein Jackett gleiten, streifte es über seine Schultern und ließ es einfach auf den Boden fallen, wo es neben meinem Rucksack zu liegen kam. Eine Sekunde später zog ich ihm mit einem Ruck seine beiden Shirts aus der Hose, schob sie ein Stück nach oben und wanderte mit meinen Fingern über seinen muskulösen Rücken. Jetzt war es an ihm, in meinen Mund zu stöhnen und er hörte auf, sich an mir zu reiben, um die Berührungen meiner Hände zu genießen. Ich liebte es, seine warme Haut zu fühlen, seine festen Muskeln, die sich unter meinen Fingern bewegten und die wie geschaffen dafür waren. Zärtlich erkundschaftete ich seinen Körper und löste schließlich meinen Mund von seinem, um wieder zu Atem zu kommen, nur um ihn gleich darauf auf die Stelle knapp unterhalb seines Ohrläppchens zu pressen. Mit meiner Zungenspitze zog ich von dort eine feuchte Spur bis zum Übergang zwischen Hals und Schulter, von dem ich wusste, dass Jethro dort besonders sensibel war – und auch heute reagierte er mit einem sichtbaren Zittern, als ich ihn liebkoste und sanft an der Haut sog. Er legte seinen Kopf in den Nacken, um es mir noch leichter zu machen und krallte seine Finger ein wenig schmerzhaft in meine Hüften, sodass er wahrscheinlich leicht sichtbare Abdrücke hinterließ. Ich spürte deutlich, dass Gibbs' Erregung immer größer wurde und sich seine Erektion mittlerweile hart gegen meinen rechten Oberschenkel presste. Obwohl ich liebend gerne meine Zurückhaltung aufgeben und alles beschleunigen wollte, ließ ich mir weiterhin Zeit. Ich wollte es genießen, dass eine meiner Fantasien endlich Wirklichkeit wurde und wollte nicht, dass es zu schnell vorbei war.
Meine Lippen wanderten wieder über seinen Unterkiefer nach oben und legten sich fordernd auf seine, die sich sofort öffneten und mich einließen. Während wir einen weiteren atemraubenden Kuss teilten, fuhren meine Finger sachte über seinen Rücken, bis ich bei seinem Hinterteil angelangt war und es mit beiden Händen umfasste. Durch den Stoff seiner Hose konnte ich die festen Muskeln spüren und begann sie langsam zu kneten. Jethro löste seinen Mund von meinem und ich konnte seinen in unregelmäßigen Stößen kommenden Atem auf meinem Gesicht fühlen. „Gott, Tony", keuchte er, womit er mich zum Grinsen brachte. „Jetzt schon?" fragte ich neckend, ließ von seinem Hintern ab und umfasste seine beiden Shirts, um sie nach oben zu schieben. „Was wirst du erst sagen, wenn ich vor dir auf die Knie sinken werde, um…" Mit einem Aufstöhnen unterbrach er mich und küsste mich erneut leidenschaftlich, wodurch er es prima schaffte, meinen Redefluss zu stoppen. Ich liebte seine Lippen über alles – genauso wie den Rest von ihm auch – aber dennoch trennte ich mich nach ein paar Sekunden von ihnen, um ihm sein Polo- und T-Shirt über den Kopf zu ziehen. Ich hätte ihn auch diesmal wieder wie ein Geschenk auspacken können, aber ich wollte endlich zu einer weiteren sensiblen Stelle an seinem Körper kommen und da waren die Kleidungsstücke – die sich zu dem Jackett am Boden gesellten – nur hinderlich.
Ich packte Gibbs bei den Schultern und drehte ihn, bevor er auch nur reagieren konnte, blitzschnell um, sodass nun er es war, der mit dem Rücken gegen die Wand stand. Seine Haut schimmerte leicht in dem dämmrigen Licht der Notbeleuchtung und ich musterte ihn für ein paar Sekunden ausgiebig, so wie ich es jedes Mal machte, wenn er sich derart entblößt vor mir befand. Schließlich ging ich ein wenig in die Knie, senkte meinen Kopf und ließ meine Zunge über seine rechte Brustwarze gleiten, die sich sofort zusammenzog und hart wurde. Jethro stieß keuchend seinen Atem aus und als ich ihn leicht biss, drängte er sich mir unwillkürlich entgegen. Mit diesen leichten Berührungen schaffte ich es jedes Mal, dass er aufhörte zu denken und sich nur noch von seinen Gefühlen leiten ließ. Ich hob meine Hand und fuhr mit meinem Daumen über seine linke Warze, während ich die andere weiter mit meiner Zunge bearbeitete. Sein Körper durchlief ein heftiger Schauer und seiner Kehle entrangen sich leise Geräusche, die ich so gerne mochte und von denen ich hoffte, dass ich sie zu hören bekam.
Während mein Daumen weiterhin in Einsatz blieb, drückte ich zahlreiche kleine Küsse auf seine nackte Brust, bevor ich schließlich meinen Mund weiter nach unten wandern ließ, wobei ich immer weiter in die Knie ging, bis ich schließlich ganz am Boden angekommen war. Meine rechte Hand löste sich von seiner linken Brustwarze und umfasste fest seine Hüften. Zärtlich liebkoste ich seinen Bauch, bevor ich mit meiner Zunge aufreizend seinen Nabel umkreiste und sachte an der Haut knabberte. Gibbs' Finger fuhren durch meine Haare, weshalb ich meinen Kopf hob und seinem Blick begegnete, der voller Leidenschaft war. Ich ließ ihn nicht aus den Augen, auch nicht, als ich meine Hand von seiner Hüfte löste und sie auf seine Erektion legte, die sich deutlich durch den Stoff seiner Hose abzeichnete. Er holte unwillkürlich Luft und als ich den Druck leicht erhöhte, kniff er seine Augen zusammen und das Blau wurde noch dunkler. Ohne meinen Blick von ihm abzuwenden, begann ich ihn langsam zu massieren und spürte deutlich, wie er noch härter wurde. Sein Brustkorb hob und senkte sich rasch und sein keuchender Atem ging in ein leises Stöhnen über, das meinen eigenen Körper mit einer heißen Welle der Lust überschwemmte und den Platz in meiner Jeans weiter schrumpfen ließ.
„Tony", flüsterte Jethro heiser, drückte mir sein Becken entgegen und legte seinen Kopf gegen die Wand des Fahrstuhles, dessen Lufttemperatur sich in den letzten Minuten um einiges erhöht hatte. Meine Zurückhaltung löste sich beinahe in Nichts auf und ich öffnete seinen Gürtel, gefolgt von dem Knopf und zog quälend langsam den Reißverschluss nach unten, um endlich zum Hauptgericht zu kommen. Mit einem Ruck zerrte ich ihm die Hose samt Boxershorts über die Hüften und entblößte sein erigiertes Glied, das mir entgegenragte und nur darauf wartete von mir berührt zu werden.
Voller Vorfreude leckte ich mir über die Lippen und drückte einen zärtlichen Kuss auf die empfindliche Eichel. Jethros Knie knickten leicht ein und für eine Sekunde hielt er die Luft an, nur um sie gleich darauf heftig auszustoßen. Dem zärtlichen Kuss ließ ich einen kleinen Stupser meiner Zunge folgen und kostete seinen ureigenen Geschmack, als sich der erste Lusttropfen bildete. Sachte fuhr ich den harten Schaft entlang, hinunter und hinauf, bis ich schließlich seine Erektion vollends in meinem Mund aufnahm und ihm dadurch einen erstickten Schrei entlockte, der leise von den Fahrstuhlwänden widerhallte. Mit meinen Händen umfasste ich erneut sein Hinterteil und begann es im Rhythmus meines sich auf und ab bewegenden Kopfes zu kneten. Gibbs vergrub seine Finger in meinen Haaren und versuchte daran ein wenig Halt zu finden - zusätzlich fing er an, in meinen Mund hineinzustoßen. Durch sein Stöhnen, gepaart mit seinem Geschmack, der meine Sinne überflutete, überkam mich eine unglaubliche Ekstase und mir wurde von innen heraus schrecklich heiß. Kleine Schweißperlen bildeten sich auf meiner Stirn und rannen mir langsam seitlich an meinem Gesicht nach unten. Mein Atem wurde schneller und ich hatte Mühe, nicht alleine durch Jethros Stöhnen, das ihn jeder Nervenfaser meines Körpers vibrierte, zu kommen.
Geschickt setzte ich meine Zunge ein und als er seinen Griff in meinen Haaren verstärkte, wusste ich mit Sicherheit, dass er nicht mehr weit vom Höhepunkt entfernt war. Ich hätte ihn alleine mit meinem Mund in den Abgrund gerissen, wenn er nicht seine Hände auf meine Wangen gelegt und mir somit signalisiert hätte, dass ich aufhören sollte. Etwas widerwillig kam ich seinem Wunsch nach und ließ mich nach oben ziehen, um mit einem langen und leidenschaftlichen Kuss begrüßt zu werden. Sein Geschmack war weiterhin auf meiner Zunge und ich teilte ihn nur zu gerne mit ihm.
„Du hast viel zu viel an, Tony", sagte Gibbs schließlich mit vor Erregung heiserer Stimme nahe an meinen Lippen. Bevor ich auch nur etwas darauf erwidern konnte, fing er bereits an, den ersten Knopf meines Hemdes zu öffnen. Obwohl es ihn sichtlich viel Mühe kostete, es nicht einfach auseinander zu reißen, ließ er sich für meinen Geschmack viel zu viel Zeit. Zentimeter für Zentimeter meiner Haut wurde entblößt und schließlich landete das Kleidungsstück neben den anderen am Boden. Jethro entledigte sich schnell seiner eigenen Hose, die noch immer um seine Knöchel geschlungen war, bevor er sich meiner Brust zuwandte und gierig meine linke Warze mit seinem Mund umfing. Als ich meine Finger durch seine Haare fahren lassen wollte, schnappte er sich blitzschnell meine Handgelenke, nutzte die eine Sekunde, die ich brauchte, um überhaupt zu realisieren, was er da machte und plötzlich fand ich mich erneut mit dem Rücken gegen die Fahrstuhlwand gedrängt. Er zog meine Arme nach oben, sodass ich mich in einem harten Griff wiederfand und ich mich nicht mehr wirklich rühren konnte. Mit einem Mal hatten sich die Fronten geändert. Nicht ich war mehr am Zug, sondern Gibbs, der ohne Mühe die Führung an sich gerissen hatte. Anstatt mich unwohl zu fühlen, jagte mir diese neue Situation einen heftigen Schauer der Erregung durch meinen Körper. „Halt still", flüsterte er und da ich nicht sicher war, wie sprechen funktionierte, nickte ich einfach nur und widerstand dem Drang, mich in seinem Griff nicht hin und her zu winden. Zufrieden mit meiner Reaktion ließ er meine Gelenke los, wanderte mit seinen Fingern sachte über meine Arme, wobei er mir einen warnenden Blick zuwarf, als ich sie nach unten sinken lassen wollte, weshalb ich sie weiterhin über meinem Kopf ließ.
„So ist es gut", murmelte er und schenkte mir einen heißen Kuss, bevor er anfing, sich abwärts vorzuarbeiten. Seine Lippen glitten über meinen Hals und überall dort, wo er meine Haut berührte, hatte ich das Gefühl, sie würde in Flammen aufgehen. Seine Hände fuhren sachte an meinen Seiten hinauf und hinunter, wobei er mich damit ein wenig kitzelte. Dennoch schaffte ich es weiterhin, ruhig dazustehen, auch wenn es mir mehr als schwer fiel. Ich schielte nach unten und beobachtete Gibbs, wie er meinem Hosenbund immer näher kam. Es war unglaublich erregend ihm dabei zuzusehen, wie er meine Haut mit einer feuchten Spur überzog und je weiter er zu meinem Glied kam, desto schwerer fiel es mir, still zu halten. Nur zu gerne hätte ich meine Finger in seinen Haaren vergraben, um sie zu zerzausen. Sein Blick begegnete meinem und er stellte sicher, dass sich meine Arme noch immer über meinem Kopf befanden, bevor er sich vor mich hinkniete und anfing, mir als erstes die Schuhe auszuziehen, gefolgt von meinen Socken, um sie auf den Wäscheberg auf dem Boden zu werfen. Anschließend ließ er seine Hände über meine Waden und Oberschenkel wandern, um sie gleich darauf auf die Schnalle meines Gürtels zu legen, die er mit unvorstellbarer Selbstbeherrschung langsam öffnete. In derselben Geschwindigkeit machte er sich an dem Knopf meiner Jeans zu schaffen, gefolgt vom Reißverschluss. Je näher er seinem Ziel kam, desto schneller ging sein Atem und schließlich gewann Ungeduld die Oberhand. Ruckartig zog er mir meine Hose mit der Boxershorts nach unten und half mir, sie komplett auszuziehen.
Jethro richtete sich wieder auf, bis wir auf Augenhöhe waren, umfasste erneut meine Handgelenke und als er seine harte Erektion gegen meine presste, schnappten wir beide nach Luft. Welle um Welle heißer Lust schoss mir durch meine Adern, als er anfing, sich an mir zu reiben und erstickte mein Stöhnen mit einem Kuss. Unsere Zungen passten sich dem Rhythmus seiner Stöße an und ich drängte ihm meine Hüften entgegen. Aber mir war das nicht genug. Ich wollte ihn in mir spüren, wollte spüren, wie er mich ausfüllte, um mir damit den Verstand zu rauben. Deshalb löste ich meinen Mund von seinem und alleine mein Blick genügte, um ihm zu sagen, was ich wollte.
Ein kleines Lächeln, das auf mich unheimlich erotisch wirkte, bildete sich auf seinen Lippen. Er ließ mich los und trat einen Schritt zurück. Vorsichtig senkte ich meine Arme und drehte mich um, sodass er eine wunderbare Sicht auf meine Kehrseite hatte. Ich spürte seinen Atem in meinem Nacken, als er sich dicht an mich stellte, mich aber nur mit einem Zeigefinger berührte, den er langsam über meine Wirbelsäule nach unten gleiten ließ, wodurch er mir unzählige kleine Schauer der Erregung durch meinen Körper jagte, die allesamt in meinem Glied endeten und mich noch härter werden ließen. Je näher er meinem Hinterteil kam, desto mehr spreizte ich meine Beine, um es ihm leichter zu machen. Meine Hände legte ich auf die Wand vor mir, um wenigstens so ein wenig Halt zu finden und als er seinen Finger der anderen Hand in mich hineingleiten ließ, stockte mir der Atem und mein Kopf fiel nach hinten. Ich hatte keine Ahnung, woher er auf einmal das Gleitgel oder wie er es geschafft hatte, es in so einer kurzen Zeit auf seine Haut aufzutragen, aber mir war es egal. Ich wollte ihn einfach nur in mir spüren.
„Atme, Tony, atme", flüsterte er in mein Ohr und gerade als ich mich wieder darauf entsann, wie man Luft in die Lungen bekam, fand er den Hotspot in meinem Inneren und meiner Kehle entrang sich unwillkürlich ein Schrei. Ich stieß nach hinten, wollte mehr und als er einen zweiten Finger zu Hilfe nahm, wurden meine Knie butterweich und ich hatte die Befürchtung, sie würden mein Gewicht nicht mehr länger tragen. „Jethro", keuchte ich voller Lust und dieses eine Wort reichte aus, um seine Selbstkontrolle zu vernichten. Er zog seine Finger zurück und gleich darauf spürte ich seine Erektion, die sich gegen meinen Hintern presste. Vorsichtig, um mir nicht weh zu tun, drang er in mich ein und unser beider Stöhnen wurde eins. Gibbs presste seinen Oberkörper gegen meinen Rücken und ließ mir Zeit, um mich daran zu gewöhnen, dass er mich derart ausfüllte.
„Habe ich dir schon einmal gesagt, dass du unglaublich eng bist?" hauchte er heiser an meinem Ohr und küsste gleich darauf meinen Nacken. Ich musste erst einmal ein paar Mal schlucken, um überhaupt ein Wort herauszubringen. „Nicht seit Freitag, als wir in deinem Bootskeller waren." Er lachte leise und begann sich schließlich langsam in mir zu bewegen. Mit jedem langen Stoß berührte er den einen Punkt in meinem Körper, der mir unglaubliche Lust bescherte und meine Nerven in einem wahren Feuerwerk aufgehen ließ.
Als Jethro eine Hand über meinen Bauch wandern ließ und sie schließlich um mein Glied schlang, war ich es, der das Tempo erhöhte. Er passte sich meinem Rhythmus an und ließ dabei seinen Daumen über die empfindliche Eichel gleiten. Ich schloss meine Augen, da die Umgebung anfing, sich um mich herum zu drehen und ich fühlte nur noch Gibbs' Erektion in mir und seine Hand, die mich immer mehr dem Höhepunkt entgegen trieb. Seine Stöße wurden von mal zu mal schneller und härter und an den erstickten Schreien, die über seine Lippen kamen, wusste ich, dass es nicht mehr viel brauchte, damit er kam. Seine Hand ließ mein Glied los, nur um sich gleich darauf auf meine Hüfte zu legen. Seine Finger gruben sich fest in meine Haut, als er ein letztes Mal tief in mich eindrang, sich sein Körper versteifte und er sich mit einem lauten Stöhnen in mir entlud. Jethro hielt sich an mir fest, als die Wellen des Höhepunktes ihn überrollten und mich beinahe ebenfalls in den Abgrund mitgerissen hätten. Sein heißer Atem strich über meinen Nacken, als er sich weiterhin an mich presste und versuchte, wieder in die Realität zurückzufinden.
In meinen Adern hingegen pulsierte weiterhin Lust und es fehlte nicht mehr viel, bis ich selbst meinen Orgasmus erreicht hatte. Deshalb löste ich meine Hand von der Wand und wollte es selbst zu Ende bringen, als mich ein harter Griff um mein Handgelenk stoppte. „Nicht", sagte Gibbs in mein linkes Ohr, seine Stimme noch immer ein wenig heiser und atemlos. „Das ist meine Aufgabe", fügte er nach einer Sekunde hinzu und zog sich schließlich langsam aus mir zurück. Ich drehte mich um und begegnete einem Blick, der sowohl voller Liebe als auch Leidenschaft war. Zärtlich legte er seine Lippen auf meine und als er sich sicher war, dass ich meine Hand brav bei mir behalten würde, ließ er sie los und sank auf seine Knie hinunter – ein Anblick, der mir jedes Mal den Atem raubte. Er sah zu mir hoch und schenkte mir ein kleines Lächeln. „Ich nenne das Beweismittelvernichtung", sagte er und bei meinem verdutzten Gesichtsausdruck grinste er noch breiter. „Beweismittelvern…?" Der Rest des Wortes ging jedoch in meinem Stöhnen unter, als er mich in seinem Mund aufnahm und mir das Reden unmöglich machte. Mein Kopf fiel in meinem Nacken und ich spürte nur noch die Wärme, die mich umgab. Ich legte meine Hände gegen die Wand, versuchte irgendwie Halt zu finden, was an dieser glatten Oberfläche jedoch nicht möglich war. Meinen Körper überschwemmte unglaubliche Ekstase und ich steuerte unaufhaltsam dem Höhepunkt entgegen. Seine Zunge fuhr gekonnt an meinem harten Schaft entlang und als er mich erneut tief in seinen Mund aufnahm, war es um mich geschehen. Meine gesamten Muskeln versteiften sich, mein Becken löste sich von der Fahrstuhlwand und ich schrie voller Lust Jethros Namen, als mich der Orgasmus mit Wucht überrollte. Meine Knie gaben unter mir nach und als mich Gibbs freigab, rutsche ich nach unten und kam nach einer schieren Ewigkeit am Boden an. Mein Atem ging in keuchenden Stößen und ich hatte die Befürchtung, dass er sich auch in nächster Zeit nicht normalisieren würde. Mein gesamter Körper fühlte sich fiebrig heiß an und war mit einem dünnen Schweißfilm überzogen.
Jethro kniete sich zwischen meine Beine, beugte sich nach vorne und küsste mich voller Leidenschaft. Mein eigener Geschmack breitete sich in meinem Mund aus und raubte mir erneut den Atem. Der Kuss wurde zärtlicher und als wir uns lösten, fuhr mir Gibbs liebevoll durch meine Haare. „Das war…" begann ich, musste mich aber räuspern, da meine Stimme ziemlich heiser war. „Wow", brachte ich schließlich hervor und holte tief Luft. Nur langsam beruhigte sich mein Herzschlag und die Lust, die mich vor kurzem überrollt hatte, verschwand nach und nach und hinterließ ein wunderbar entspanntes Gefühl in mir.
„Wow trifft es ganz genau", erwiderte er und ich seufzte glücklich, als ich meinen Kopf an seine Schulter legte. Eine Zeit lang lauschte ich seinem Atem, der wieder regelmäßiger wurde. Zärtlich ließ ich meine Finger über seinen Rücken gleiten, aber so schön es auch war, dass wir uns so nahe waren, dass wir so eng umschlungen dasaßen, so war uns beiden bewusst, dass wir uns in einem Aufzug befanden und in ein paar Minuten ein neuer Arbeitstag startete.
„War es so gut, wie du es dir vorgestellt hast?" fragte Gibbs schließlich und löste sich sanft aus der Umarmung. Ich schüttelte den Kopf und als er verwirrt seine Stirn runzelte, erwiderte ich breit grinsend: „Viel, viel besser. Nur weiß ich jetzt nicht, ob ich jemals den Fahrstuhl wieder betreten kann, ohne daran zu denken, was wir hier getrieben haben." Meine Worte brachten ihn zum Lachen, etwas, von dem ich nie genug bekommen konnte. Er wirkte unglaublich entspannt und ich konnte mir vorstellen, dass er an diesem Tag viel besser gelaunt sein würde als sonst. Für ein paar Sekunden sahen wir uns tief in die Augen, bevor ich mich nach vorne beugte und flüsterte: „Vielen Dank für die Überraschung, Jethro. Das war das schönste Geschenk, das ich je erhalten habe." Als Belohnung schenkte ich ihm einen liebevollen Kuss, der der perfekte Abschluss dieses perfekten Morgens war.

Fortsetzung folgt...
Chapter 41 by Michi
Mit geübten und schnellen Bewegungen knöpfte ich mir das Hemd zu, wobei meine Augen jedoch auf Gibbs fixiert waren, der vor mir stand und in sein Jackett schlüpfte. Die einzigen Anzeichen dafür, dass wir vor ein paar Minuten in diesem Fahrstuhl heißen Sex gehabt hatten, waren seine noch immer zerzausten Haare, das Glitzern in seinen Augen und der entspannte Gesichtsausdruck. Sein Geschmack war weiterhin allgegenwärtig in meinem Mund und ich wusste, es würde ziemlich schwer werden, sich heute auf die Arbeit zu konzentrieren und nicht ständig daran zu denken, was wir in dieser kleinen Kabine getan hatten. Ich konnte nur hoffen, dass uns bald ein neuer Fall ins Haus flattern würde, der uns nach draußen verschlug und langwierige Tatortuntersuchungen verlangte, damit ich meine Gedanken wieder in geordnete Bahnen zurückbringen konnte. Es ging doch nichts über einen blutrünstigen Mord, um die heißen Fantasien, was ich mit meinem Boss alles anstellen konnte, aus meinem Gehirn zu verbannen – jedenfalls so lange, bis es Abend wurde und endlich der Arbeitsschluss winkte.
So als ob Jethro in meinem Kopf schauen und dadurch erraten konnte, woran ich gerade dachte, zog er sein Jackett zu Recht, lehnte sich mit verschränkten Armen gegen die linke Wand und musterte mich eingehend, während ich den letzten Knopf meines Hemdes schloss, um es mir anschließend einfach in meine Jeans zu stopfen. „Welche Fantasien hast du denn noch so in deinem Repertoire?" fragte er und schenkte mir ein Lächeln, das meine wieder in normale Bahnen zurückgekehrte Körpertemperatur erneut nach oben schießen ließ. Mein Hals wurde staubtrocken und ich musste mich erst einmal räuspern, um auch nur ein Wort herauszubringen. Dass sich Gibbs für meine geheimen Fantasien interessierte, hatte zur Folge, dass ich am liebsten erneut über ihn hergefallen wäre. Aber es war beinahe sieben Uhr, andere Leute warteten sicher schon darauf, den Fahrstuhl zu benutzen und außerdem würde es nicht gut aussehen, wenn der Chefermittler höchstpersönlich einmal zu spät kommen würde – daran, dass ich nicht pünktlich war, hatten sich mittlerweile alle gewöhnt. Sie würden eher Scherze darüber machen, dass ich es endlich einmal geschafft hatte, zu Arbeitsbeginn an meinem Schreibtisch zu sitzen.
„Ich habe noch viele Fantasien, die McGee die Schamesröte ins Gesicht treiben würden, wenn ich sie in seiner Gegenwart aussprechen würde", antwortete ich schließlich, trat vor meinen Freund und brachte meine Lippen ganz nahe an seine, sodass ich seinen warmen Atem auf meiner Haut fühlen konnte. Bei meinen Worten bildete sich ein Funkeln in seinen Augen und das Blau wurde dunkler. „Heute Abend, wenn wir alleine sind und im Bett liegen, werde ich sie dir verraten. Jedes noch so kleine Detail und ich schwöre dir, dass ich dich alleine durch meine Erzählungen so weit bringen kann, dass du kommst." Meine Stimme hatte einen verführerischen Klang angenommen und ich konnte deutlich sehen, wie Gibbs hart schluckte und ein leises Stöhnen entrang sich seiner Kehle. Zufrieden mit seiner Reaktion überbrückte ich die letzte Distanz zwischen uns und küsste ihn leidenschaftlich, wobei ich das Versprechen hineinlegte, dass ich ihm heute Abend beweisen würde, dass es nicht nur leere Worte gewesen waren, die ich gesagt hatte.
„Und jetzt lass uns an die Arbeit gehen", meinte ich ein wenig atemlos, als wir uns wieder voneinander gelöst hatten. „Ich denke, wir haben lange genug den Fahrstuhl blockiert." Ich hob meine Arme und strich Jethros Haare glatt, sodass er nicht mehr aussah, als ob er gerade in einen starken Sturm geraten wäre. „Ich denke, heute werden wir einmal früher Feierabend machen", erwiderte er schließlich, weshalb ich leise zu lachen anfing. „So etwas aus deinem Mund zu hören, gleicht einem Weltwunder. Au!" Prompt hatte er mir für meine freche Aussage eine Kopfnuss verpasst. Gespielt gekränkt rieb ich mir über die schmerzende Stelle und trat einen Schritt zurück, aber er kaufte mir keine Sekunde lang ab, dass ich wegen dem Klaps böse war – dafür kannte er mich bereits viel zu gut. Er hob lediglich eine Augenbraue, als er meinen Gesichtsausdruck bemerkte und ich zuckte mit den Schultern. Dennoch konnte ich nicht widerstehen und bestrafte ihn ein wenig, als ich mich nach meinem Rucksack auf dem Boden bückte und ihm dabei einen fabelhaften Blick auf mein Hinterteil, das von der engen Jeans vorteilhaft betont wurde, gewährte. Ich konnte regelrecht fühlen, wie seine Augen auf meiner Kehrseite klebten und konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. Betont langsam richtete ich mich auf und ehe ich mich versah, wurde ich mit dem Rücken gegen die Wand gedrängt und sah mich einem Gibbs gegenüber, der mich erneut voller Verlangen musterte. „Wir werden heute definitiv früher Feierabend machen und dann werden wir ja sehen, wer wen mit Worten zum Höhepunkt bringt." Aufreizend knabberte er an meiner Unterlippe, bevor er zurücktrat, sich noch einmal durch die Haare strich, während ich für ein paar Sekunden unfähig war, auch nur einen Muskel zu rühren. Dieser Mann hatte eine Wirkung auf mich, die beinahe unheimlich war. Mit einem großen Kloß in meinem Hals hängte ich mir den Rucksack auf die Schulter, löste mich schließlich von der Wand und stellte mich neben Jethro. Unsere Finger fanden automatisch zueinander und der feste Druck, mit dem er meine Hand hielt, ließ meine Knie weich werden. Aufregung begann durch meine Adern zu pulsieren und verdrängte die Gedanken, was unsere Pläne für den heutigen Abend betraf, aus meinem Kopf. Gleich würde es so weit sein und wir hatten unseren ersten offiziellen Auftritt als Paar. Bis auf Abby, Ducky, Ziva, McGee und Direktor Sheppard wusste noch niemand, dass wir zusammen waren und ich konnte die ungläubigen und teilweise schockierten Gesichter bereits vor mir sehen.
Gibbs holte tief Luft, bevor er den Stopphebel umlegte und sich der Lift wieder in Bewegung setzte. Ich drückte aufmunternd seine Hand, weshalb er mir einen kurzen Blick zuwarf. „Nervös?" fragte ich leise und glaubte bereits, dass er es abstreiten würde – aber genau das Gegenteil war der Fall. „Ein wenig", gab er zu meiner größten Verblüffung zu und zuckte mit den Schultern. „Du weißt, dass wir das nicht tun müssen", entgegnete ich und fuhr mit meinem Daumen über seinen Handrücken. „Ich weiß", erwiderte er mit leiser, aber fester Stimme. „Aber ich will es und du willst es. Kein Versteckspiel, das habe ich mir geschworen. Außerdem weiß ich, wie viel es dir bedeutet, also gibt es keinen Rückzieher." Mein Herz begann schneller zu schlagen und mich überkam eine unbeschreibliche Zärtlichkeit. „Ich liebe dich", sagte ich, beugte mich vor und gab ihm einen kurzen Kuss. „Ich liebe dich auch", erwiderte er lächelnd und auf einmal schien es, als ob die ganze Nervosität von ihm abfiel und sich seine Körperhaltung entspannte.
Als das mir allzu vertraute leise Pling erklang, holten wir beide noch einmal tief Luft und als sich die Türen des Fahrstuhles öffneten, sahen uns mindestens ein halbes Dutzend Agenten entgegen. Sofort verstummten ihre Gespräche und genauso wie ich es mir vorgestellt hatte, fielen ihnen nacheinander die Unterkiefer hinunter. Ein besonders junger Mann, der aussah, als ob er gerade einmal 18 Jahre alt wäre, vergaß vollkommen, dass er Akten in seinen Händen hielt, die auf dem Boden landeten, als er, bei dem Anblick der sich ihm bot, seinen Griff um die Ordner lockerte. Sechs Augenpaare starrten uns entgegen, huschten zwischen mir, Gibbs und unsren miteinander verschränkten Finger hin und her. Anstatt mich jedoch unwohl zu fühlen, durchströmte mich unbeschreibliches Glück und ich konnte nicht anders als breit zu grinsen. „Was?" fragte ich unser Publikum und folgte meinem Freund, der die Kabine verließ und jedem einzelnen seinen speziellen Blick zuwarf, der jeden Laut sofort im Keim erstickt hätte – hätten sie nicht ihre Sprache verloren. „Habt ihr noch nie zwei Männer Händchen halten sehen?" fuhr ich fort, wobei dem Jüngsten sofort die Röte in seine Wangen schoss. Ich hätte das Schauspiel, das sich uns bot, noch länger genießen wollen, aber Gibbs zog mich einfach mit sich mit. Jeder Agent, den wir passierten, warf uns einen ungläubigen Blick zu und die meisten Gespräche in unserer Nähe verstummten sofort. Ich konnte es ihnen nicht einmal verdenken. Immerhin war ich für meine Frauengeschichten bekannt und es war kein Geheimnis, dass Jethro drei Mal verheiratet gewesen war und uns beide jetzt so zu sehen, Hand in Hand und mit einem glücklichen Gesichtsausdruck, musste für manche Personen mehr als ein Schock sein. Wer rechnete schon damit, dass ich jemals etwas mit meinem Boss anfangen würde?
Die vielen Blicke ignorierend, die uns zugeworfen wurden, blieben wir an meinem Schreibtisch stehen. Ich drehte mich so, dass ich Gibbs direkt ansehen konnte und lächelte. „Siehst du, es war gar nicht so schwer, oder?" wollte ich wissen und zog ihn nahe zu mir heran, mir nur allzu bewusst, dass uns viele Augenpaare beobachteten. „Nein, war es nicht. Und ich bin froh, dass wir es gemacht haben." „Ich auch, wobei jetzt sicher das Weltbild von einigen zusammengestürzt ist." Meine Worte brachten ihn zum Grinsen und er beugte sich vor, um mir vor allen einen liebevollen Kuss zu geben, bevor er einen Schritt zurücktrat und meine Hand losließ. „Und jetzt lass uns an die Arbeit gehen. Nicht, dass wegen uns noch der ganze Betrieb zusammenbricht, da alle das Bedürfnis haben, uns anzustarren", sagte er, zerzauste mir ein letztes Mal die Haare und ging zu seinem Schreibtisch. Ich konnte nicht anders, als ihm verträumt hinterher zu sehen, bevor ich meinen Blick von ihm löste, meinen Kopf hob und Direktor Sheppard entdeckte, die eine Etage höher stand, eine aufgeschlagene Akte in ihren Händen haltend und zu uns herunter starrend. Den Agent, der ihr Bereicht erstattete, schien sie vollkommen vergessen zu haben. Selbst von hier unten konnte ich erkennen, dass sie ihre Kiefer so fest aufeinandergepresst hatte, dass es schmerzen musste. Ihre kurzen Haare standen mehr denn je in alle Richtungen ab und ich konnte ihre Eifersucht richtig spüren, als sie meinem Blick begegnete. Allerdings konnte ich mir keinen Reim darauf machen. Ich wusste, Jethro und Jenny waren früher einmal Partner gewesen, aber das war lange her. Nun war sie sein Boss und eigentlich müsste es ihr egal sein, mit wem er zusammen war, solange die Arbeit nicht darunter litt. Aber anscheinend hatte sie irgendetwas dagegen, dass Gibbs sein privates Glück gefunden hatte – noch dazu mit mir.
Ich erinnerte mich an jede Einzelheit, als sie am Donnerstag erfahren hatte, dass wir zusammen waren. McGee hatte uns ins Hauptquartier zurückgebracht, wo wir zu Ducky hinuntergefahren waren, um uns durchchecken zu lassen, so wie es mein Freund gewollt hatte. Wir waren nebeneinander auf einem der Stahltische gesessen, unsere Finger miteinander verschlungen und glücklich darüber, dass wir noch lebten. Der Pathologe war in seinem Reich herumgeeilt und hatte die notwendigen Instrumente zusammengesucht, als die Tür aufgegangen war und Direktor Sheppard den Raum betreten hatte. Zuerst war ihr deutlich anzusehen gewesen, dass sie froh war, dass uns nichts weiter passiert war und wir am Leben waren. Aber als sie Gibbs' und meine miteinander verschränkten Hände gesehen hatte, war alle Farbe aus ihrem Gesicht gewichen. Bei der Frage, was das zu bedeuten hatte, hatte ihre Stimme einen unnatürlichen hohen Klang angenommen, der mich zusammenzucken hatte lassen. Jethro hingegen hatte sich nicht aus dem Konzept bringen lassen und ruhig mit der Gegenfrage geantwortete, wonach es denn aussehe. Da die sonst nie um Worte verlegene Direktorin anscheinend nicht gewusst hatte, was sie sagen sollte, hatte mein Freund ihr erklärt, dass wir ein Paar waren und mir vor ihren Augen einen kleinen Kuss gegeben. Den eifersüchtigen Blick, den sie mir zugeworfen hatte, hatte mich zum Grübeln gebracht und zum ersten Mal hatte ich mir wirklich Gedanken darüber gemacht, ob sie nicht für Jethro mehr als nur Freundschaft empfand. Aber er hatte sich nun einmal für mich entschieden und deshalb hatte ich Jenny schnell wieder aus meinem Kopf verdrängt, als sie aus der Pathologie gerauscht war, ohne sich einen Bericht der Geschehnisse geben zu lassen, wie sie es wahrscheinlich vorgehabt hatte.
Am Samstag hatte sie sich telefonisch bei Gibbs gemeldet und ihm knapp berichtet, dass DeLay ausgepackt hatte, in der Hoffnung, dadurch einen Deal mit dem Staatsanwalt zu bekommen. Dabei war rausgekommen, dass der Mann, dessen Mord gefilmt worden war, Frank Clarence gewesen war und die ganze Zeit bei Ducky in der Pathologie residiert hatte. Zusätzlich hatte er den Namen des Handybesitzers verraten. Ein gewisser Clive Erickson, der irgendwo auf einer Müllhalde verweste und nach dessen Leiche nun fieberhaft gesucht wurde. Aber bis heute war sie nicht aufgetaucht und vielleicht würde man sie auch niemals finden. Ehrlich gesagt war mir das auch egal, war er doch der Mann, der mir alles eingebrockt und mir das kleine Gerät in die Jackentasche gesteckt hatte. Ich wollte die ganze Sache einfach vergessen und nicht länger darüber nachdenken.
Ich riss meinen Blick von der Direktorin los, die noch immer die Vorgänge im Großraumbüro beobachtete und bemerkte erst in diesem Moment Abby, die es sich auf McGees Schreibtisch gemütlich gemacht hatte, ihre Beine übereinander geschlagen, und breit grinsend zwischen mir und Gibbs hin und her sah, wobei ihre Rattenschwänze kleine Tänze aufführten. Heute trug sie eine weiße Bluse, auf der kleine schwarze Totenköpfe abgebildet waren und einen dazupassenden kurzen schwarzen Rock, der mehr von ihren Beinen enthüllte, als er verdeckte. Tim hingegen zog es vor, auf seinen Computerbildschirm zu starren. Sein Gesicht hatte schon wieder die Farbe einer reifen Tomate angenommen, ein sichtbares Zeichen dafür, dass er sich noch immer nicht daran gewöhnt hatte, dass Jethro und ich zusammen waren und er es weiterhin irritierend fand. Ziva saß an ihrem Schreibtisch, die Unterarme auf der Platte abgestützt und weit nach vorne gebeugt, sodass sie mit ihrem Oberkörper beinahe darauf lag. Sie schüttelte den Kopf, grinste dabei aber leicht hämisch.
„Was ist?" fragte ich, ließ den Rucksack auf den Boden gleiten und setzte mich auf meinen Stuhl. „Nichts", antwortete sie schließlich, lehnte sich zurück und verschränkte die Arme hinter ihrem Kopf. „Ich muss mich nur erst daran gewöhnen, dass ihr beide jetzt ein Paar seid, zumal ich euch nie für den Typ gehalten habe, der auf Männer steht. Besonders dich nicht. Aber etwas Gutes hat die Sache auch", fügte sie hinzu und ihr Grinsen wurde breiter. „Und das wäre?" wollte ich wissen und schaltete meinen PC ein. Erneut beugte sie sich nach vorne und schürzte ihre Lippen. „Wir werden jetzt von deinen zahlreichen Frauengeschichten verschont. Keine Details mehr, wie du dein Wochenende verbracht hast, während du versuchst, dich an den Namen deiner neuesten Flamme zu erinnern. Vielleicht wird mir das doch ein wenig fehlen", gab sie nach einer Sekunde des Überlegens zu und zuckte ihre Schultern.
„Mir sicher nicht", mischte sich Gibbs ein und fixierte mich mit zusammengekniffenen Augen. „Es wird keine Frauengeschichten mehr geben und auch keine Berichte davon. Und wenn doch, werde ich irgendwo so viele Akten auftreiben, dass ihr beide bis zum Jahresende damit beschäftigt seid. Nur damit das klar ist." Seinen Worten folgte ein Schweigen, das nur von den Stimmen der anderen Agents und dem Geklingel der Telefone unterbrochen wurde. Die Drohung dahinter entging mir keineswegs, aber ich fühlte mich eher geschmeichelt als zu Recht gewiesen. Jetzt war es an mir, mich nach vorne zu beugen und ich schenkte ihm ein beruhigendes Lächeln. Ich hatte sogar den Eindruck, dass er eifersüchtig auf meine zahlreichen Freundinnen war, die der Vergangenheit angehörten. „Keine Frauengeschichten mehr", wiederholte ich seine Worte und zwinkerte. „Das weißt du doch, Jethro. Es gibt nur noch dich und mich. Also kannst du die Akten getrost dort lassen wo sie sich momentan befinden." Seine Mundwinkel zuckten verräterisch und in seine Augen trat an amüsiertes Funkeln. Gleich darauf konzentrierte er sich jedoch auf Abby, die laut in ihre Hände klatschte und vergnügt quietschte. „Ihr beide seid ja so süß!" rief sie begeistert und ihr Lächeln wurde noch breiter. „Habe ich nicht Recht?" Sie boxte McGee in den Oberarm, der aufsah, seine Wangen noch immer mit einem Hauch rosa überzogen. „Ähm", machte er, nicht sicher, was er sagen sollte. Er schien sich ein wenig unwohl zu fühlen und vermied es noch immer, Gibbs oder mich anzusehen. Es war mehr als offensichtlich, dass er ziemlich daran zu knabbern hatte, dass ich plötzlich nicht mehr auf Frauen stand, sondern auf einen oft schlecht gelaunten Chefermittler, dessen Blick einen in eine Eisstatue verwandeln konnte.
„Genau meine Meinung", sagte Abby auf seinen nicht sehr aufschlussreichen Kommentar und streckte ihm ihre flache Hand entgegen. „Du schuldest mir 20 Dollar, Timmy", fügte sie hinzu und wedelte mit ihren Fingern unter seiner Nase herum, bis er schließlich widerwillig das Geld aus seiner Hosentasche hervorholte und es ihr reichte.
Eine Spur verwirrt runzelte ich die Stirn, weshalb Ziva die Erklärung übernahm. „Die beiden haben um 20 Dollar gewettet, ob ihr heute Händchen haltend aus dem Fahrstuhl kommt. Abby hat gemeint, ihr würdet es machen, McGee hat dagegen gehalten. Das ist auch der Grund, weshalb wir alle schon so früh da sind. Um zu sehen, wer von beiden die Wette gewinnt." Belustigt hob ich meine Augenbrauen, konnte es mir aber nicht verkneifen, aus einem leeren Blatt einen Papierball zu formen und ihn Tim an den Kopf zu werfen. „Danke für dein Vertrauen, Bambino", meinte ich und verschränkte demonstrativ meine Arme vor der Brust.
„Was habe ich dir über das Werfen mit Papierbällen gesagt, Tony?" ließ mich Gibbs Stimme auffahren. Automatisch richtete ich mich kerzengerade auf und setzte einen unschuldigen Gesichtsausdruck auf. Ich wusste, dass er es nicht gerne sah, wenn ich McGee Sachen an den Kopf warf, und sei es nur ein harmloser Papierball. „Ich soll sie nicht als Waffe verwenden", antwortete ich ein wenig kleinlaut, was Ziva zu einem Kichern animierte. Gleich darauf hellte sich jedoch meine Miene wieder auf und ich warf Jethro einen herausfordernden Blick zu. „Anscheinend habe ich das viel zu schnell wieder vergessen. So wie es aussieht, musst du mir noch ein paar Manieren beibringen. Wie wäre es mit heute Abend?" Tim fiel der Bleistift, den in den Fingern hielt, aus der Hand, Ziva vergaß auf ihr Kichern und Abby grinste erneut. Gibbs hob eine Augenbraue und ich konnte erkennen, dass es ihm schwer fiel, nicht auf meine Worte zu reagieren. Für eine Sekunde hielt er den Atem an, stieß ihn jedoch gleich darauf wieder aus und meinte: „Darüber reden wir, wenn wir alleine sind." In seiner Stimme schwang ein Unterton mit, der mir einen Schauer der Erregung durch meinen Körper jagte und ich riss schließlich meinen Blick von ihm los, um ihn auf meinen Computerbildschirm zu richten, nur um sofort wieder den Kopf zu heben, als ich förmlich spürte, dass mich Ziva weiterhin beobachtete.
„Ist noch etwas, Officer David?" wollte ich wissen und wünschte mir, ihre Augen würden nicht so auf mir kleben. „Du hast auf deinem Hals einen wirklich großen Kussfleck", antwortete sie schließlich und für einen Moment hatte ich keine Ahnung, wovon sie redete, bis ich mich daran erinnerte, wie Gibbs vor nicht allzu langer Zeit gierig an meiner Haut gesaugt hatte, als ich ihm erklärt habe, dass Sex im Fahrstuhl eine meiner heißesten Fantasien sei.
„Es heißt Knutschfleck", korrigierte ich sie und widerstand dem Drang, meinen Hemdkragen nach oben zu ziehen, um ihn vor ihrem neugierigen Blick zu verstecken. „Zeig mal her!" rief Abby sofort, sprang von McGees Tisch herunter und eilte auf mich zu, um meinen Hals mit Kennerblick zu inspizieren. „Wow, Gibbsman, da hast du aber ganze Arbeit geleistet", meinte sie so laut, dass er es problemlos verstehen konnte, ließ meinen Hals aber nicht aus den Augen. Wenn irgendjemand anderes das gesagt hätte, hätte derjenige bereits seinen Fahrschein ins Jenseits gelöst und würde nicht mehr leben. Aber die junge Goth wusste, dass ihr Jethro nie etwas antun würde, weshalb sie in seiner Gegenwart kein Blatt vor den Mund nahm. Die Tatsache, dass auch ein paar andere Agents ihre Worte gehört hatten, schien sie nicht zu stören. Gibbs hingegen warf allen einen mörderischen Blick zu, sodass sie eilends die Flucht antraten und einen großen Bogen um uns machten. Es war ihm deutlich anzusehen, dass er etwas zu Abbys Kommentar sagen wollte, kam aber nicht dazu, da sein Telefon zu klingeln anfing.
„Hast du keine Arbeit, die im Labor auf dich wartet?" fragte ich ein wenig genervt und bückte mich, um so zu tun, als ob ich mir meine Schuhbänder neu binden müsste, um endlich den Blicken der beiden zu entkommen. Mittlerweile hatte ich mich wie am Präsentierteller gefühlt und ich machte mir gedanklich eine Notiz, morgen ein Halstuch zu verwenden oder vielleicht einen Rollkragenpullover anzuziehen, obwohl das Wetter viel zu warm dafür war. Aber es würde mich hoffentlich davor bewahren, angeglotzt zu werden.
„Sag mal, Tony", hörte ich Zivas Stimme, weshalb ich wieder auftauchte und bemerkte, dass es sich Abby jetzt auf meinem Schreibtisch bequem gemacht hatte. Anscheinend hatte sie keine Arbeit in ihren heiligen Hallen liegen, weshalb sie bei uns Unterhaltung suchte. Erneut hatte sie ihre Beine, die in hohen Plateaustiefeln steckten, übereinander geschlagen und wippte mit einem Fuß zu einem Takt, den sie nur in ihrem Kopf hörte und der wahrscheinlich zu ihrem aktuellen Lieblingslied gehörte.
„Was habt Gibbs und du so lange im Fahrstuhl gemacht?" Sofort wünschte ich mir, ich würde mich weiter mit meinen Schuhen beschäftigen. Ich warf einen hilfesuchenden Blick zu meinem Freund, der aber weiterhin telefonierte und sich dabei Notizen machte. Er schien von Zivas Frage nichts mitbekommen zu haben. Abby hingegen sah mich genauso neugierig an und wartete gespannt auf eine Antwort.
„Wie kommst du darauf, dass Gibbs und ich so lange im Aufzug waren? Wir sind in der Tiefgarage eingestiegen und sind hier herauf gefahren." „Und habt dabei einen Zwischenstopp eingelegt", meinte die junge Agentin, grinste mich wissend an und verschränkte erneut ihre Arme hinter dem Kopf. Ich machte meinen Mund auf, um ihr zu widersprechen – immerhin brauchte sie nicht zu wissen, was Jethro und ich vor kurzem in der Kabine getrieben hatten – aber ich kam nicht einmal dazu, ein Wort zu sagen, da sie sofort fortfuhr: „Such bloß keine Ausrede. Ich würde sie dir sowieso nicht abkaufen. Ich bin um halb sieben hier im Hauptquartier gewesen und Gibbs' Auto stand um diese Uhrzeit bereits in der Tiefgarage. Und ich musste feststellen, dass der Fahrstuhl nicht funktioniert hat, weshalb ich die Treppe genommen habe. Ich war nicht die Einzige, die gemerkt hat, dass der Aufzug nicht funktioniert. Du hättest mal die Flüche hören sollen, die die Agenten ausgestoßen haben, die vor den Türen gewartet haben, oder Abby?" wandte sie sich an die Forensikerin, die zustimmend nickte. „Da waren wirklich blumige Ausdrücke dabei, die nicht einmal ich gekannt habe und dass soll schon etwas heißen. Ich habe den hinteren Fahrstuhl genommen, da der andere nicht funktioniert hat und McGee hat ebenfalls die Treppe benutzt." „Wir waren nicht…" setzte ich zu einer Erklärung an, wobei ich die Röte zu ignorieren versuchte, die mir in die Wangen stieg. Obwohl wir so bald ins Hauptquartier gekommen waren, war es nicht unentdeckt geblieben, dass der Aufzug blockiert worden war.
„Ich bitte dich, Tony", fuhr Ziva fort und beugte sich wieder nach vorne, um mich mit zusammengekniffenen Augen zu fixieren. „Der Fahrstuhl war über eine halbe Stunde außer Betrieb und schließlich seid Gibbs und du herausgekommen. Und glaub mir, ich habe euch beide vorher gesucht, da ich ja den Wagen erkannt habe, aber ich habe euch nicht gefunden. Also, was habt ihr so lange dort drinnen gemacht?" Im Prinzip wartete sie nur auf die Bestätigung ihrer Gedanken, die sie sich bereits gemacht hatte, aber die würde ich ihr nicht geben. Die Überraschung, die mir Jethro gemacht hatte, ging nur ihn und mich etwas an und aber sicher nicht Ziva.
„Ich habe keine Ahnung, wovon du redest", sagte ich schließlich und versuchte mir nichts anmerken zu lassen. „Als wir den Fahrstuhl benutzt haben, hat er einwandfrei funktioniert. Wir haben dort drinnen überhaupt nichts gemacht." Die Lüge kam mir glatt über die Lippen, aber es tat mir innerlich weh.
„Weshalb ist dann dein Hemd falsch zugeknöpft?" wollte sie wissen und grinste breit. „Was?" fragte ich schockiert und sah sofort nach unten, um zu überprüfen, ob ich mich mit den Knöpfen vertan hatte, aber jeder einzelne war in dem Loch, zu dem er gehörte. Gleich darauf wurde mir klar, dass das nur eine List gewesen war und mein Kopf schnellte nach oben. „Wirklich witzig, Officer David", erwiderte ich und schenkte ihr meinen gefährlichsten Blick. „Also doch", sagte sie und konnte sich ein Kichern nicht verkneifen. Ich wollte bereits aufspringen, um ihr meine Meinung mitzuteilen, als mir Abby eine Hand auf den Unterarm legte und mich somit in der Bewegung stoppte. „Ruhig Blut, Tony", meinte sie und schenkte mir ein breites Lächeln. „Die Hauptsache ist doch, ihr hattet euren Spaß. Sex im Fahrstuhl. Ich stelle mir das aufregend vor." Verträumt sah sie zur Decke hinauf und ich war froh, dass ich ihre Gedanken nicht lesen konnte. Aber ich musste ihr Recht geben: es war mehr als aufregend gewesen und wenn sich jemals wieder die Chance ergeben sollte, würde ich sie auch nutzen.
Abby klopfte abwesend auf meinem Unterarm herum und schien das gar nicht zu bemerken. Ziva wandte sich, da sie doch Recht gehabt hatte, endlich ihrem Computer zu und McGee versuchte so zu tun, als ob er nie mitbekommen hätte, dass Gibbs und ich im Fahrstuhl miteinander geschlafen hatten. Sein Gesicht war schon wieder von einem tiefen Rot überzogen und er vertippte sich ständig. Nur Jethro schien nicht mitbekommen zu haben, worüber wir gerade gesprochen hatten. Er knallte den Telefonhörer in seiner unnachahmlichen Art auf die Station zurück und stand auf. Abby wurde dadurch endlich aus ihren Gedanken gerissen und hüpfte von meinem Schreibtisch.
„Los, Leute, schnappt euch eure Sachen. Wir haben einen neuen Fall. Ein toter Lieutenant Commander in Norfolk. Tony, tank den Truck auf." Er warf mir die Schlüssel zu, die ich geschickt auffing und schnappte mir meinen Rucksack. „Mach ich, Boss", erwiderte ich automatisch und wollte bereits zum Fahrstuhl gehen, als mich Zivas Blick vor ihrem Platz innehalten ließ. „Ich frage mich, wer von euch beiden wohl zu Hause der Boss ist", sagte sie und befestigte ihr Holster an ihrer Hüfte.
Ich beugte mich ganz weit nach vorne, sodass unsere Gesichter nur Zentimeter voneinander entfernt waren und zischte: „Das geht dich absolut nichts an. Und hör endlich auf, ständig Fragen nach meinem Privatleben zu stellen", fügte ich wütend hinzu. „Schon gut, schon gut." Abwehrend hob sie ihre Hände, überrascht von meinen plötzlichen Ärger. „Und zu deiner Information", sagte ich eine Sekunde später. „Zu Hause sind Jethro und ich auf derselben Ebene und… Autsch!" Ich war so auf meine Kollegin fixiert gewesen, dass ich Gibbs nicht bemerkt hatte, der hinter mir aufgetaucht war und mir eine Kopfnuss verpasst hatte.
„Wenn du nicht gleich den Truck auftankst, werde ich dir heute Abend zeigen, wer der Boss ist." Ich schluckte den Kloß, der sich auf einmal in meinem Hals gebildet hatte, hinunter und drehte mich um, wobei ich einem funkelnden Blick aus blauen Augen begegnete. Wir waren uns so nahe, dass ich seinen Atem auf meiner Haut spüren konnte und mein Herz fing unwillkürlich schneller zu schlagen an. „Versprochen?" fragte ich mit einem breiten Grinsen, als ich mich wieder gefangen hatte. Bei dem einen Wort erschauerte er leicht und in seinen Blick trat Begehren. Er kam noch näher an mich heran und brachte seinen Mund an mein linkes Ohr. „An mir soll es nicht liegen, wenn du das wirklich willst", flüsterte er so leise, dass nur ich es hören könnte. Mir stockte unwillkürlich der Atem und für einen Moment vergaß ich, dass wir uns mitten in einem Großraumbüro befanden und wir einen neuen Fall hatten. Das Wissen, dass Jethro bereit war, ein wenig herumzuexperimentieren, ließ den Platz in meiner Jeans erneut schrumpfen, obwohl ich vor nicht allzu langer Zeit einen heftigen Höhepunkt gehabt hatte. Er verpasste mir einen leichten Klaps auf mein Hinterteil, bevor er sich schließlich von mir löste und endgültig in die Rolle des Chefermittlers schlüpfte.
„Ziva, sag Ducky Bescheid. Wir treffen uns in fünf Minuten unten", befahl er und wollte bereits zum Fahrstuhl gehen, als er sich noch einmal umdrehte und die Ex-Mossad Agentin mit einem Blick ansah, der jeden Verdächtigen sofort dazu gebracht hätte, ein Geständnis abzulegen. „Falls der Aufzug in Zukunft irgendwann wieder einmal nicht funktionieren und ich zufällig mit Tony dort drinnen sein sollte, wäre es angebracht, deine Gedanken für dich zu behalten. Haben wir uns da verstanden, Officer David?" Ich war nicht der Einzige, er überrascht davon war, dass Jethro es anscheinend doch mitbekommen hatte, worüber wir vor wenigen Minuten geredet hatten. Eigentlich sollte es mich ja nicht wundern, bekam er doch die kleinste Kleinigkeit mit, auch wenn er nicht in der Nähe war. Wie er das anstellte wusste ich jedoch nicht. Vielleicht sollte ich ihn einmal danach fragen.
„Verstanden", sagte Ziva schließlich und zum ersten Mal wich sie seinem Blick aus, was mich mit einer gewissen Schadenfreude erfüllte. Ich wusste, von nun an würde sie sich aus meinem Privatleben heraushalten, wollte sie es sich mit Gibbs nicht verscherzen. Und ein Chefermittler, der auf jemanden wütend war, war mehr als unangenehm.
„Gut", meinte er und nickte zufrieden. „Und jetzt bewegt euch endlich. Ich will nicht erst morgen in Norfolk ankommen." Ohne ein weiteres Wort zu sagen, drehte er sich um und ging zum Fahrstuhl. Da wir wussten, dass er nicht gerne wartete, eilten wir ihm nach und betraten die Kabine, bevor sich die Türen schließen konnten – und ließen damit Abby alleine zurück. Wie ich es erwartet hatte, überkam mich sofort die Erinnerung daran, was zwischen Jethro und mir hier vorgefallen war und ich konnte nichts gegen das Grinsen machen, das sich auf meinen Lippen ausbreitete. Mein Freund griff nach meiner Hand und signalisierte mir damit, dass er genau wusste, woran ich dachte. McGee vor uns starrte auf seine Füße und ich konnte mir lebhaft vorstellen, dass er versuchte, sich nicht auszumalen, wofür der Fahrstuhl vor kurzem verwendet worden war. Ziva hingegeben hatte ihren Blick stur auf die Türen gerichtet und schaffte es tatsächlich, ihre Gedanken für sich zu behalten.
Die gesamte Fahrt nach unten herrschte Schweigen und ich ließ meinen Freund nicht aus den Augen. Obwohl unsere Finger miteinander verschränkt waren, hatte er seine übliche Miene aufgesetzt. Nur das strahlende Funkeln in seinen blauen Augen ließ ihn nicht mehr ganz so gefährlich erscheinen.

Es waren genau vier Wochen seit dem Undercovereinsatz vergangen – vier Wochen, in denen so viel passiert war und die damit geendet hatten, dass Leroy Jethro Gibbs und meine Wenigkeit, Anthony DiNozzo, glücklich vereint und offiziell ein Paar waren. Ich wusste, die Zukunft würde nicht immer einfach werden – nicht bei zwei so großen Sturköpfen, wie wir es waren - aber gemeinsam würden wir sicher alle Probleme meistern, die unweigerlich auf uns zukommen würden. Wir würden immer zusammenhalten – egal, was auch geschehen würde.

Ende!!!!

Oder Fortsetzung folgt, wie man es sehen möchte^^
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