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Washington D.C.
19:05 Uhr


„Weißt du überhaupt, wie man einen Wagen fährt, der keine Automatik hat?" fragte ich Gibbs, der sich hinter das Steuer des roten Flitzers setzte, den uns Direktor Sheppard besorgt hatte. Meine Hoffnung, das Auto fahren zu dürfen, hatte sich nicht erfüllt, da er Jen die Schlüssel beinahe aus der Hand gerissen hatte, bevor ich auch nur die Gelegenheit dazu gehabt hatte, danach zu greifen.
„Steig endlich ein, DiNozzo", schallte mir seine Stimme aus dem Inneren entgegen und widerwillig ließ ich mich auf dem Beifahrersitz nieder. „Dir ist schon bewusst, dass du jetzt ein Pedal mehr hast und du die Kupplung…" Bevor ich den Satz beenden konnte, beugte er sich zu mir herüber, warf mir einen bösen Blick aus seinen blauen Augen zu und versetze mir blitzschnell einen Klaps auf den Hinterkopf.
„Willst du fahren?" wollte er wissen, während ich mir die schmerzende Stelle rieb, und steckte den Schlüssel ins Zündschloss. „Allerdings." „Vielleicht im nächsten Leben", meinte er mit einem kleinen Lächeln, startete und ließ den Motor aufheulen. Das laute Geräusch musste in der gesamten Tiefgarage des NCIS zu hören sein. „Schnall dich an!" befahl Gibbs und trat auf das Gaspedal, wodurch der Wagen prompt auf die Ausfahrt zuschoss. „Das ist nicht dein Dienstwagen", sagte ich ein wenig ängstlich und versuchte mir den Gurt zu angeln, während ich unsanft in den Ledersitz gepresst wurde. „Der hat mehr als 200 PS unter die Haube, also wäre es angebracht, wenn du es etwas langsamer angehen lässt." „Willst du zu Fuß gehen?" „Nein." „Dann halt deinen Mund." Er warf einen kurzen Blick nach rechts und links und fuhr dann unter lautem Reifengequietsche auf die Straße hinaus.
Um mein wild klopfendes Herz ein wenig zu beruhigen, blickte ich in den Seitenspiegel und betrachtete meinen neuen Körperschmuck. Abby hatte Recht gehabt mit ihrer Aussage, sie wäre ein Profi. Innerhalb von Sekunden war sie fertig gewesen und es hatte gar nicht so wehgetan, wie ich zuerst vermutet hatte. Jetzt, Stunden später, war mein Ohr nur noch ein wenig gerötet und fühlte sich auch nicht mehr so heiß an. Mittlerweile musste ich gestehen, dass mir der Ohrring gar nicht mal so schlecht stand. Ich hatte das Gefühl, dass er mir ein cooleres Aussehen verlieh – zweifelsohne ein Vorteil für meine neue Identität, genauso wie die schwarze Lederjacke, die ich aus meinem Schrank hervorgekramt hatte. Die hatte ich seit Jahren nicht mehr getragen, aber es nie über das Herz gebracht, sie wegzuschmeißen. Mein Outfit wurde von einer schwarzen eng anliegenden Jeans und einem weißen Hemd vervollständigt. Wenn Melinda mich jetzt so sehen würde, würde sie mir glatt die Klamotten vom Leib reißen. Vor etwa einer Stunde hatte ich sie noch einmal angerufen, um ihr mitzuteilen, dass wir uns in den nächsten Tagen nicht treffen könnten, da wir einen Einsatz in einem anderen Land hätten – was sie mehr als fuchsteufelswild gemacht hatte. Die Lüge war mir ziemlich leicht über die Lippen gekommen und innerlich war ich froh, sie ein paar Tage nicht sehen müssen. Ihre Stimme würde ich sicher nicht vermissen.
Ich riss mich von meinem Anblick im Seitenspiegel los und sah zu Gibbs, der sich auf die Straße und den Abendverkehr konzentrierte. Seine Miene war verschlossen und ich konnte nicht einmal erahnen, was er dachte. Ob er sich auf seine neue Rolle vorbereitete? Den ersten Schritt hatte er mit seiner Kleidung getan. Ich musste zugeben, ich hatte ihn noch nie in einer blauen Jeans und einem locker sitzenden schwarzen Hemd gesehen. Normalerweise kam er immer mit einem Jackett ins Hauptquartier, aber so leger wie er heute Abend war, gefiel er mir fast besser. Es verlieh ihm ein nicht so strenges Aussehen und er wirkte viel männlicher. Bei diesem Gedanken zuckte ich leicht zusammen und ich spürte, wie sich in meinem Hals ein Kloß bildete. „Alles in Ordnung?" fragte Gibbs und für einen kurzen Moment trafen sich unsere Blicke. „Sicher. Wieso auch nicht?" antwortete ich und wandte mich ab, um erneut aus dem Seitenfenster zu starren. „Du wirkst ein wenig nervös." „Ich und nervös? Das gibt es doch gar nicht." Aber Jethro hatte Recht. Meine Nerven begannen bereits zu flattern, wenn ich nur daran dachte, dass in ein paar Minuten Anthony DiNozzo verschwinden würde und Nathan Edison an die Oberfläche kam.
Kurz darauf hielt Gibbs den Wagen vor einer roten Ampel an und drehte sich zu mir. „Wir sind gleich da." „Super." Mein Herz begann ein wenig schneller zu schlagen, als ich in seine blauen Augen sah. „Hör zu, wir bekommen das schon hin. Es wird nicht leicht, aber es ist durchaus machbar, verstanden?" Ich blickte ihn weiter an und als ich ihm nicht schnell genug antwortete, verpasste er mir einen Klaps auf den Hinterkopf. „Verstanden?" Ich nickte. „Verstanden. Die Ampel ist grün", fügte ich gleich darauf hinzu. Ein kleines Lächeln umspielte seine Lippen, als er den Gang einlegte und so schnell losfuhr, dass ich erneut in den Sitz gepresst wurde. „Ich würde es bevorzugen, wenn wir heil ankommen", sagte ich ein paar Sekunden später, als er einen anderen Wagen riskant überholt hatte, der daraufhin wild hupte. „Ich habe nicht Lust, wie die beiden Waffenschmuggler zu enden." „Siehst du hier irgendwo einen Baum?" „Nein, aber massenhaft Autos." Gibbs grinste noch breiter und bevor ein Streit bezüglich seines Fahrstils ausbrechen konnte, kam das Four Seasons in Sicht. Da die Sonne fast hinter dem Horizont verschwunden war, wurde die Fassade des mehrstöckigen Gebäudes mit Scheinwerfern angestrahlt. Um nicht allzu protzig zu erscheinen, zügelte Jethro das Tempo und ließ den Wagen sanft vor den Stufen ausrollen, die in das Innere des Gebäudes führten. Ich atmete tief durch und schnallte mich ab. „Auf geht's", murmelte ich und beobachtete den übereifrigen Angestellten, der sofort zu uns eilte und mir die Tür aufmachte. „Guten Abend, Sir", sagte er freundlich und verbeugte sich leicht. Ich stieg aus und sog förmlich die angenehm kühle Abendluft in meine Lungen. Der junge Mann lief auf die andere Seite und entließ Gibbs in die Freiheit. „Unser Gepäck ist im Kofferraum", sagte er, worauf der Lakai einem Kollegen winkte, der sich darum kümmerte. Dieses ganze Getue fand ich irgendwie komisch und ich musste mir ein Grinsen verkneifen.
„Ich werde Ihren Wagen in die Tiefgarage fahren", sagte er, als der andere unsere beiden Reisetaschen ausgeladen hatte, und reichte Jethro einen gelben Abschnitt. „Den Schlüssel können Sie sich dann bei der Rezeption abholen." „Und machen Sie keinen Kratzer", meinte ich und verzog meinen Mund zu einem schiefen Lächeln. „Mein Freund liebt dieses Auto, wenn Sie verstehen was ich meine." Die ersten beiden Wörter kamen mir erstaunlicherweise leicht über meine Lippen. „Sehr wohl, Sir." Ich kramte in meiner Hose, fischte einen 20 Dollar Schein hervor und gab ihm dem jungen Mann, der ihn sofort verschwinden ließ.
„Ich habe dir schon einmal gesagt, du sollst nicht so mit dem Geld um dich schmeißen, Nate." Gibbs kam an meine Seite, legte mir seinen Arm um die Taille und führte mich die Stufen nach oben zur Eingangstür, die uns ein weiterer Angestellte aufhielt. Ich war mir seiner körperlichen Nähe mehr als bewusst und ich hatte Mühe, mich nicht seinem lockeren Griff zu entwinden. ‚Stell dir einfach vor, er wäre eine Frau', redete ich mir in Gedanken Mut zu und schaffte es, keinen gequälten Gesichtsausdruck aufzusetzen.
Wir durchquerten die Halle, in der es von herumeilenden Gepäckträgern und Gästen des Hotels wimmelte und erreichten kurz darauf die Rezeption. „Guten Abend", begrüßte uns eine Frau Mitte 30 mit einem strahlenden Lächeln. Die schwarze Kleidung des Personals stand ihr wie angegossen und ich musste mich zusammenreißen, um ihr nicht zuzuzwinkern oder ihr ein mehr als eindeutiges Kompliment zu machen – immerhin stand ich ja jetzt auf Männer.
Gibbs ließ mich los und übernahm das Reden. „Rafe Cooper und Nathan Edison, wir haben eine Suite reserviert." „Einen Moment bitte", sagte sie und bevor sie sich ihrem Computer zuwandte, musterte sie mich schnell von oben bis unten. „Reiß dich ja zusammen", flüsterte mir Jethro so leise ins Ohr, dass nur ich es verstehen konnte. „Ich habe mich im Griff", erwiderte ich genauso leise. Er sah mich eine Sekunde lang misstrauisch an, schien aber dann zu beschließen, mir zu vertrauen. „Da haben wir es ja", wandte sich die Frau – die laut ihrem Namensschild Olivia hieß – wieder uns zu. „Sind Sie sicher, dass sie die Suite mit nur einem Schlafzimmer wollen?" „Absolut", meinte ich wagemutig. „Rafe und ich haben seit Jahren nicht mehr in getrennten Betten geschlafen, wenn Sie wissen was ich meine." Ihr schoss bei meinen Worten die Röte in die Wangen und für einen kurzen Augenblick glitt ein enttäuschter Ausdruck über ihr Gesicht. Aber sie war ein Profi und innerhalb von Sekunden hatte sie sich gefasst. „Entschuldigen Sie die Forschheit meines Freundes", meinte Gibbs mit sanfter Stimme und warf mir einen äußerst überzeugenden liebevollen Blick zu, der mir glatt einen Schauer über den Rücken jagte. Seit den Jahren die ich ihn kannte, hatte er mich nie so angesehen und ich hatte Mühe, nicht einen erschrockenen Schritt zurückzuweichen. Er spielte seine Rolle perfekt, was man von mir nicht gerade behaupten konnte.
„Kein Problem", erwiderte Olivia und holte einen Zimmerschlüssel hervor. „Sie haben eine Capital Suite im Westflügel, 5. Stock. Paul wird Ihnen Ihr Gepäck hinaufbringen. Und wenn Sie mir bitte bis morgen dieses Formular ausfüllen?" Sie gab uns ein Blatt Papier, auf dem Anmeldung stand. „Wenn Sie irgendwelche Fragen haben, können Sie sich ruhig an mich wenden. Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Aufenthalt." „Vielen Dank", sagte Gibbs und gab mir den Schlüssel. Gleich darauf spürte ich, wie seine rechte Hand meine linke umschloss. Seine Finger waren überraschend warm und der Griff sanft, sodass ich mich problemlos entwinden hätte können, aber aus einem Impuls heraus verstärkte ich den Druck und schaffte es meinerseits, ihn ein wenig liebevoll anzulächeln. „Schönen Abend noch", sagte ich zu Olivia und ließ mich widerstandslos zum Aufzug führen. Ich konnte die Blicke von den Leuten förmlich auf mir spüren, an denen wir vorbei kamen. Sicher sahen sie nicht alle Tage zwei Männer, die ineinander verliebt waren. Bei diesem Gedanken kam ich mir mehr als idiotisch vor und plötzlich wusste ich nicht mehr, weshalb ich Gibbs' Hand so fest hielt. Er schien zu spüren, dass ich verlegen wurde und drückte aufmunternd zu. In ein paar Minuten wären wir in unserem Zimmer und dann konnte ich die Maske wieder fallen lassen, was ich kaum noch abwarten konnte. Ich fragte mich, wie ich die nächsten Tage überstehen sollte, wenn ich jetzt schon solche Probleme damit hatte, so zu tun, als ob ich schwul wäre.
Die Türen des Aufzuges öffneten sich und gemeinsam mit dem Mann, der unser Gepäck trug, betraten wir die Kabine, die mir ein wenig klein vorkam. Mir wurde die Nähe von Gibbs erneut deutlich bewusst und ich hatte das Gefühl, Platzangst zu bekommen. Unsere Finger waren noch immer miteinander verschränkt und während uns der Lift in die 5. Etage brachte, hoffte ich, dass Händchen halten das Einzige war, was wir in den nächsten Tagen machen mussten.

Erleichtert, endlich Gibbs' Hand loslassen zu können, sperrte ich die Tür, auf der in goldenen Ziffern die Nummer 513 stand, auf und betrat den mehr als luxuriös eingerichteten Wohnraum. „Wow", entfuhr es mir leise und ich betrachtete die Sitzgelegenheiten, die einem geradezu zum Ausruhen einluden. Der Boden war mit einem dicken Teppich ausgelegt, der unsere Schritte dämpfte. Die gesamte Einrichtung war farblich aufeinander abgestimmt und die Lampen spendeten sanftes Licht.
„Gefällt es dir?" fragte Gibbs und lächelte über meinen begeisterten Gesichtsausdruck. „Es ist fantastisch. Ich habe ja gewusst, weshalb ich dir die Wahl des Hotels überlasse." Meine Freude war nicht einmal gespielt. Für einen kurzen Moment vergaß ich den Undercoverauftrag und ließ die teure Umgebung auf mich wirken. Hier konnte man es durchaus länger als ein paar Tage aushalten und noch dazu brauchte ich für den Luxus nichts zu bezahlen. Ich freute mich jetzt schon auf die erschrockene Miene von Direktor Sheppard, wenn sie die Rechnung bekam.
„Lassen Sie die Taschen einfach stehen, den Rest erledigen wir selbst", sagte Jethro zu dem jungen Mann und riss mich aus meinen Gedanken. Er sah uns kurz verwundert und ein wenig verlegen an, tat aber schließlich wie ihm geheißen. Ich kramte erneut in meiner Hosentasche und fischte einen weiteren 20 Dollar Schein hervor und drückte ihm ihn in die Hand. „Danke, Sir", sagte er, warf uns noch einen zögerlichen Blick zu und verließ nach ein paar Sekunden die Suite. Als die Tür mit einem leisen Geräusch ins Schloss fiel, atmete ich erleichtert auf. Die erste Hürde war geschafft.
„Eines muss ich den Typen lassen, sie haben auf jeden Fall Geschmack", meinte ich und öffnete einen großen Schrank. „Ist ja irre!" Direkt vor meiner Nase befand sich ein Flachbildfernseher mit sicher 81 cm Bilddiagonale. Ich sah mich bereits auf der gemütlichen Couch sitzen, Chips futtern und mir eine Folge Magnum auf diesem wahrhaftig tollen Gerät reinziehen.
Mit einem breiten Grinsen ließ ich meine Augen weiter wandern und stellte fest, dass es sogar einen DVD Player und eine Musikanlage gab. „Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich mir ein paar DVDs mitgenommen." „Wir sind nicht hier, um uns irgendwelche Filme anzusehen", erwiderte Gibbs und blickte mich ärgerlich an. Verschwunden war der liebevolle Ausdruck in seinen Augen und zurückgekehrt war das Funkeln, welches ich nur zu gut kannte und was mir eindeutig besser gefiel. „Gönn mir doch ein wenig Spaß." Er machte bereits den Mund auf, wurde aber von einem Klopfen unterbrochen. Ich konnte mir denken wer es war und mein Grinsen wurde noch breiter. Auf diesen Anblick freute ich mich, seit ich erfahren hatte, wer welche Rolle bei diesem Theater übernahm. „Ich geh schon", meinte ich, war mit wenigen Schritten bei der Tür und öffnete sie. Vor mir stand Ziva in dem schwarzen Kleid mit einer süßen weißen Schürze der Zimmermädchen. Ihre Haare hatte sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden und in ihren Augen konnte ich einen mörderischen Ausdruck erkennen, der mir sagte, wenn ich auch nur ein falsches Wort von mir gab, würde ich nicht mehr lange leben. Sie schob sich an mir vorbei ins Zimmer und gewährte mir einen Blick auf ihre wohlgeformten Waden. Langsam schloss ich die Tür und ließ mich anschließend auf einem der weichen Sessel nieder, möglichst weit weg von Gibbs.
„Ich habe jeden Winkel dieser Suite durchsucht", sagte sie. „Keine Wanzen oder sonst irgendwelche Abhörgeräte. Zur Sicherheit habe ich meine Spezialbrille mitgenommen und die Fenster der gegenüberliegenden Gebäude abgesucht, aber niemand beobachtet euch."
„Das ist eine gute Nachricht", erwiderte Jethro und er wirkte tatsächlich erleichtert. So mussten wir unser Spiel nicht auch noch hier fortführen, sondern konnten uns normal unterhalten – wenn dass zwischen uns überhaupt möglich war.
Ziva steckte ihre Hände in die weiße Schürze und holte zwei Handys hervor. „Die hat mir Abby gegeben. Sie sind abhörsicher. Und ich habe das Zimmertelefon angezapft, sodass wir mitbekommen, wenn ihr einen Anruf von den Hintermännern bekommt. Wenn sie nicht bereits Kontakt mit den Waffenschmugglern aufgenommen haben." „Das glaube ich nicht", sagte Gibbs und nahm eines der kleinen Geräte an sich. „Sonst hätten die beiden sich nicht eine Suite für mehrere Tage reserviert. Sie wären sicher bereits über alle Berge."
„Wie auch immer. Ich werde jetzt verschwinden, das heißt, wenn ihr nichts weiter braucht." Ich beugte mich vor und grinste sie an. „Nun, wie wäre es mit ein paar zusätzlichen Handtüchern? Ich brauche immer mehr als eines und ich habe gesehen, dass sich auf dem Bildschirm des Fernsehers ein wenig Staub angesammelt hat."
Ziva funkelte mich mehr als wütend an. „Mach nur so weiter und ich schmuggle demnächst meine Dienstwaffe rein." „Was regst du dich so auf. Du bist doch hier das Zimmermädchen." Sie machte einen Schritt auf mich zu, wurde aber von Gibbs aufgehalten, der aufstand. „Wir sehen uns morgen", sagte er. „Aber…" Meine Worte blieben mir jedoch im Hals stecken, als ich das gefährlich blaue Funkeln auf mir spürte. Jetzt wäre mir der liebevolle Ausdruck wesentlich lieber. Meine Kollegin schnitt eine Grimasse und ging zur Tür. „Angenehme Nachtruhe – in einem Bett", fügte sie nach einer Sekunde hinzu und grinste schadenfroh. „Übrigens, nettes Outfit!" rief ich ihr hinterher, was sie dazu veranlasste, die Tür mit einem lauten Knall zuzuwerfen.
Mit einer viel besseren Laune als vor unserer Ankunft, stand ich auf und bückte mich nach meiner Reisetasche. Gleich darauf verpasste mir Gibbs einen Klaps auf den Hinterkopf. „Au! Für was war das?" „Dafür, dass du dich aufführst, als ob du im Kindergarten wärst." Er nahm sich seine Sachen und öffnete die doppelflügige verglaste Tür, die ins Schlafzimmer führte. Grummelnd folgte ich ihm und fragte mich, ob ich nicht einen Fehler damit begangen hatte, diesen Auftrag anzunehmen. Ich hatte keine Ahnung, wie ich es mit diesem Brummbär länger als ein paar Stunden aushalten sollte.
Jethro schaltete das Licht ein und die Lampen erhellten das Schlafzimmer. Das Erste was ich erblickte, war das große Doppelbett, auf dem eine Tagesdecke ausgebreitet war und das mehr als gemütlich aussah. Der Boden war mit demselben dicken Teppich wie der Wohnraum ausgelegt und es gab zwei weitere Türen. Neugierig öffnete ich die Erste und machte sogleich Licht. „Irre!" entfuhr es mir, als ich den begehbaren Schrank erkannte. „Da hätte ich ja viel mehr Klamotten mitnehmen können." Breit grinsend drehte ich mich zu Gibbs um, der sich gerade auf die linke Seite des Bettes niederließ und begann, sich die Schuhe auszuziehen.
„Boss? Würde es dir etwas ausmachen, die rechte Seite zu nehmen? Ich schlafe immer links." Er hob seinen Kopf, musterte mich und knotete weiter die Schuhbänder auf. „Und was heißt das jetzt?" „Das heißt", begann er langsam, „dass du eben lernen musst, ab heute rechts zu schlafen." Das Grinsen verschwand aus meinem Gesicht und ich betrachtete wütend seinen Rücken. „Das ist nicht fair!" meinte ich lauter als eigentlich angebracht wäre. Gibbs befreite sich endgültig von seinen Schuhen, stand auf und kam auf mich zu. „Ach nein?" „Nein." Er kniff seine blauen Augen zusammen und näherte sein Gesicht bis auf wenige Zentimeter meinem. „Nun, dann musst du dich eben damit abfinden." „Aber du hast mich dazu überredet, bei diesem Einsatz mitzumachen, also wäre es nur angebracht, wenn…" „So weit ich mich erinnere, bin ich hier der Ältere und immer noch dein Vorgesetzter, also entscheide ich, wer auf welcher Seite schläft." Seine Stimme passte sich meiner Lautstärke an. „Und wenn du damit nicht zufrieden bist, kannst du auf dem Sofa übernachten." Ich schluckte und musste mich zusammenreißen, nicht einen Schritt zurückzuweichen, um ein wenig Raum zwischen uns zu schaffen. „Das würde ja dann den Eindruck erwecken, als ob wir uns gestritten hätten", wagte ich einen erneuten Versuch, ihn zu überzeugen. „Das kommt in den besten Ehen vor." „Womit du natürlich keine Erfahrung hast." Bei diesen Worten sprühte aus seinen Augen ein wahrer Funkenregen. „Ich nehme die rechte Seite", entschied ich, nur um diesen Blick zu entkommen. Schnell drehte ich mich um und so sah ich auch nicht sein zufriedenes Grinsen.
„Ich geh duschen", sagte ich und kramte in meiner Tasche, um die Sachen hervorzuholen, die ich brauchen würde. Gibbs saß wieder auf der linken Seite des Bettes und klappte das neue Handy auf. „Hmm", machte er lediglich und betrachtete stirnrunzelnd das Display. Anscheinend kam er nicht ganz damit zurecht. Kopfschüttelnd betrat ich das luxuriöse Bad, drehte mich aber noch einmal um. „Boss?" Er blickte mich an. „Ja?" „Wie hast du es geschafft, mich derart anzusehen, als wir unten bei der Rezeption waren?" Jethro hob eine Augenbraue und antwortete: „Ich habe mir vorgestellt, du wärst rothaarig." „Wirklich witzig." Ich schloss die Tür und betrachtete mich in dem großen Spiegel. Unwillkürlich fragte ich mich, ob er mir die Wahrheit gesagt hatte. Aber wieso sollte ich an seinen Worten zweifeln? Von sich aus würde er es nie schaffen, mich so liebevoll anzusehen. Oder etwa doch?

Gibbs saß auf dem großen Doppelbett mit der äußerst gemütlichen Matratze und betrachtete stirnrunzelnd sein neues Handy. Für seinen Geschmack hatte es viel zu viele Tasten und an die ganzen unnützen Funktionen wollte er gar nicht denken. Frustriert drückte er auf einen Knopf und landete prompt im Mitteilungsordner, wo aufgezählt war, was er jetzt alles machen konnte. Aber wie zum Teufel kam er ins Telefonbuch? Wieso hatte man ihm keine Anleitung mitgegeben? Die könnte er jetzt dringend gebrauchen. Er hatte diese neumodische Technik noch nie gemocht. Jethro konnte froh sein, dass er wusste, was ein PDA war, doch selbst dessen Handhabung war ihm ein wenig schleierhaft. Leicht verärgert klappte er das kleine Gerät wieder zu und legte es auf das Nachtkästchen. Tony würde ihm sicher erklären können, wie er zu den Telefonnummern kam.
Der Gedanke an seinen Agent ließ ihn kurz inne halten und seine Frage kam ihm wieder in den Sinn. Er wusste nicht, wieso er gelogen hatte, denn er hatte sich DiNozzo nicht einmal ansatzweise als rothaarig vorgestellt - diese Farbe würde ihm auch gar nicht stehen, was man von seinem heutigen Outfit nicht behaupten konnte. Die schwarzen Jeans saßen wie angegossen, genauso wie die Lederjacke und der Ohrring verlieh ihm ein leicht verwegenes Aussehen. Gibbs war es nicht gewohnt, Tony, der ziemlich oft schicke Anzüge trug, so zu sehen. Bereits auf dem Weg in dieses Hotel war ihm aufgefallen, dass er viel männlicher wirkte, was ihn ziemlich verstört hatte. Und dann diese grünen Augen, die ihn an diesem Abend zum ersten Mal an tiefe Bergseen erinnert hatten. Vielleicht war dies der Grund, weshalb er seinem Kollegen so selbstverständlich einen Arm um dessen Taille gelegt hatte. Seine Körpernähe war ihm mehr als bewusst gewesen und er hatte die Muskeln durch die Lederjacke hindurchgefühlt. Es hatte sich beinahe so angefühlt, als ob dieser Körper wie für seine Hände geschaffen wäre.
Diese Erkenntnis hatte ihn mehr als erschüttert und er hatte Mühe gehabt, seinen Arm nicht wegzunehmen. Innerlich hatte er zusätzlich Jen verflucht, die ihn zu diesem Einsatz überredet hatte und der Gedanke an die hohe Hotelrechnung, die er ihr präsentieren würde, hatte ihn dazu gebracht, keinen lauten Schrei auszustoßen.
Und dann war es zu der Situation gekommen, die Tony vorhin angesprochen hatte. Gibbs hatte nicht wirklich eine Antwort auf die Frage gehabt, denn er wusste es nicht einmal selbst, wieso er so einen Blick zustande gebracht hatte. Es war einfach passiert – ganz automatisch. Die rote Haarfarbe war nur eine Notlüge gewesen, denn er hätte DiNozzo schlecht sagen können: ‚Der Blick war nicht gespielt.'
Vom Bad drang leises Wasserrauschen an seine Ohren und riss ihn somit aus seinen Gedanken. Beschämt stellte Jethro fest, dass seine Hände leicht zitterten, jene Finger, die vor nicht einmal 30 Minuten die von Tony umschlossen hatten. Dieser Entschluss war spontan in ihm aufgestiegen und er hatte sehen wollen, wie sein Kollege reagierte. Dass er den Griff automatisch erwidert hatte, hatte ihn mehr als überrascht. Und jetzt, eine halbe Stunde später, hätte Gibbs schwören können, DiNozzos warme Hand noch immer zu spüren.
‚Das ist doch verrückt', dachte er erbost und erhob sich von der gemütlichen Matratze. Die Tatsache, dass er gerade ein paar Minuten so getan hätte, als ob er homosexuell wäre, hatte ihn komplett aus der Bahn geworfen. Nie und nimmer bestand auch nur die kleinste Möglichkeit, dass sich zwischen ihm und Tony etwas entwickeln könnte. Das wäre ja so, als ob plötzlich die verschwundene Insel Atlantis von einer Sekunde auf die andere auftauchen würde – also absolut unmöglich.
Seufzend bückte er sich, nahm seine Reisetasche und betrat den begehbaren Kleiderschrank. Irre war wirklich der richtige Ausdruck für diesen Raum. Ein Lächeln umspielte seine Lippen, als er das Gesicht seines Kollegen vor sich sah, der wie ein Honigkuchenpferd gegrinst hatte.
Schnell verstaute er seine Sachen und ging ins Schlafzimmer zurück, wo er beinahe mit Tony zusammenstieß, der soeben aus dem Bad kam. Lediglich ein weißes Handtuch verdeckte seine Blöße. Seine Haare waren noch ganz feucht und einzelne Wassertropfen bahnten sich ihren Weg über seinen Oberkörper, rannen weiter nach unten und wurden vom Handtuch aufgesogen. Es stieg ein Kribbeln in Gibbs auf, das ihm unerklärlich war und das ihn mehr als verstörte und ihn wütend machte. Vor ihm stand DiNozzo – sein Untergebener und der Mann, der ihn ständig mit seinen blöden Sprüchen auf die Palme brachte. Wieso reagierte er dann so, als ob er eine nackte Frau vor sich hätte?
„Alles in Ordnung, Boss?" wurde er aus seinen Gedanken gerissen. Ihre Blicken trafen sich und erneut erinnerten ihn die grünen Augen an tiefe Bergseen. „Sicher, alles bestens", antwortete er und legte einen schroffen Ton in seine Stimme. „Also, wenn du duschen willst, das Bad ist jetzt frei." Oh ja, eine Dusche war genau das, was er gebrauchen konnte – möglichst eiskalt, um ihn endlich wieder in die Realität zurückzuholen. Ohne ein weiteres Wort ging er an Tony vorbei, betrat das Bad und warf die Tür ins Schloss. Wie sollte er nur die nächsten Tage überstehen?

Fortsetzung folgt...
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