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„Wieso dauert das so lange?" fragte McGee sicher bereits zum 10. Mal. Er war unverkennbar nervös und er versuchte sich nicht vorzustellen, was Gibbs und Tony gerade in diesem Club trieben. Er war mehr als überrascht gewesen, als DiNozzo gemeint hatte, die Aktion durchzuziehen. Gerade von ihm hätte er einen Rückzug erwartet. Und dass er jetzt mit Gibbs dort oben knutschend auf einem Sofa saß, war mehr als grotesk – immerhin standen beide auf Frauen. Tim war froh, dass er hier im Hauptquartier sein durfte. Nicht vorzustellen, wenn er jetzt bei Jethro sein musste oder noch schlimmer, bei Tony. Alleine bei dem Gedanken wurde ihm übel.
„Beruhige dich, McGee", antwortete Abby. „Es sind gerade mal 12 Minuten vergangen und wenn es echt aussehen soll, dann dauert so was eben ein wenig." Sie begann an ihrer Unterlippe zu kauen und wünschte sich, auf dem großen Bildschirm mitverfolgen zu können, was im Blue In vor sich ging, obwohl sie die beiden verstand. Ihr wäre es auch megapeinlich, wenn ihre Teamkollegen sie beim Küssen einer anderen Frau beobachten würde, – nicht, dass sie so etwas je tun würde. Innerlich bewunderte sie Tony und Gibbs, die ihre Rolle konsequent weiterspielten. Sie hätte eher damit gerechnet, dass sie auf das Angebot von Direktor Sheppard einsteigen und alles abblasen würden – und ausgerechnet DiNozzo hatte es abgelehnt. Seine Beweggründe würden sie brennend interessieren. Vielleicht sollte sie ihn nachher fragen? Nur, ob sie eine Antwort bekommen würde, das stand in den Sternen.
„15 Minuten", meldete sich McGee erneut. „Meint ihr, es ist irgendwas schief gelaufen?" „Die beiden bekommen das hin", erwiderte Ziva und überraschte mit ihren Worten alle, selbst Jenny, die nach außen kühl wirkte, aber innerlich genauso nervös war, wie Tim. Die Vorstellung, dass der Mann, der mit ihr vor Jahren einmal eine Affäre gehabt hatte, gerade einen anderen küsste, machte sie beinahe verrückt. Sie war Tony mehr als dankbar, dass er vorgeschlagen hatte, niemand sollte zuhören oder zusehen. Aber trotzdem konnte sie nicht verhindern, dass sich vor ihren Augen Bilder entwickelten.
„20 Dollar darauf, dass sie es mit der Zunge machen", sagte Abby. „Wer steigt ein?" „Abbs!" rief Tim schockiert. „Das ist nicht witzig!" „Finde ich auch, Timmy. Aber trotzdem, will jemand mitwetten?" Ziva schüttelte kurz ihren Kopf, kramte dann aber in ihrer Hosentasche und holte einen Geldschein hervor. „Ich halte dagegen. Tony würde so was nie machen." „Ihr seid doch verrückt", meinte McGee. „Und wie wollt ihr das überhaupt rausbekommen? Die beiden etwa fragen?" „Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht", erwiderte die Forensikerin. Nach kurzer Überlegung zuckte sie die Schultern. „Vielleicht verspürt nachher einer der beiden das Bedürfnis, über die Erfahrung zu reden."
„Wohl kaum", mischte sich Jen ein. „Und könnten wir uns jetzt wieder wichtigeren Dingen zuwenden?" Obwohl sie das mit strengem Ton gesagt hatte, konnte sie sich nur schwer ein Lächeln verkneifen. Sie bewunderte immer wieder, wie das Team mit schwierigen Situationen umging.
Ziva steckte den 20 Dollar Schein zurück in ihre Hosentasche und starrte auf den dunklen Bildschirm, froh darüber, nicht zusehen zu müssen, was Gibbs und Tony in dem Club machten. Insgeheim freute sie sich bereits auf morgen, wenn sie ihren Kollegen damit aufziehen konnte, einen Mann geküsst zu haben. Das würde sicher Spaß machen, nur musste sie aufpassen, dass sie Jethro dabei nicht erwischte, sonst wäre ihr eine Kopfnuss sicher, zumal die ganze Sache für ihn auch nicht einfach war.
„Wenn sie sich nicht bald melden, sollten wir überlegen, die beiden Agenten reinzuschicken", sagte McGee und fuhr sich mit einer Hand durch sein kurzes Haar. Gleich darauf ließ ihn das Klingeln seines Handys zusammenzucken.

Ich hatte keine Ahnung, wie viel Zeit vergangen war, als uns das Geräusch eines umfallenden Glases in die Realität zurückholte. Mein Herz klopfte wie verrückt in meiner Brust, mein Körper prickelte vor Erregung und meine Lippen fühlten sich geschwollen an. Gibbs' Geschmack hatte sich in meinem Mund ausgebreitet und ließ mich nicht mehr los. Unsere Küsse waren immer leidenschaftlicher geworden und ich hatte von seinen Berührungen einfach nicht genug bekommen können. Seine Finger hatten mein T-Shirt immer höher geschoben und waren über meinen nackten Rücken geglitten - am Anfang zaghaft, dann immer schneller. Es war wie in einem Rausch gewesen, unfähig aufzuhören. Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass ein Mann in mir solche Gefühle auslösen konnte und gerade das war es, was mich nach der Rückkehr in die Realität am meisten erschreckte. Beinahe panisch löste ich mich aus Jethros Umarmung und rückte ein Stück von ihm weg. In seinen blauen Augen lag ein Funkeln, welches ich nicht deuten konnte, gepaart mit einem bestürzten Ausdruck. Also war ich nicht der Einzige, der fassungslos darüber war, dass zwischen uns eine derartige Leidenschaft entstanden war.
Ich spürte es förmlich, dass die Küsse zwischen uns etwas verändert hatten und so wie es sich momentan anfühlte, war es negativ. Plötzlich konnte ich Gibbs nicht mehr in die Augen sehen und ich riss meinen Blick von ihm los. Inzwischen waren fast alle Tische besetzt und das Glas, welches jemand umgestoßen hatte, lag noch immer auf einer der Platten. Anscheinend waren wir die Einzigen, die sich aus dem Konzept hatten bringen lassen.
Die Menge der Personen, die jetzt auf dem Balkon war, verriet mir, dass mehrere Minuten vergangen waren, seit wir uns auf das Sofa gesetzt hatten. Ich konnte es immer noch nicht fassen, dass ich mich so gehen hatte lassen und nur mühsam unterdrückte ich das Zittern meiner Hände – der Finger, die noch vor kurzem durch die Haare meines Bosses gefahren waren. Ein dicker Kloß bildete sich in meinem Hals und um ihn und den Geschmack Jethros aus meinem Mund zu vertreiben, nahm ich das Glas und trank den Cocktail in einem Zug aus. Der Alkohol breitete sich aus und lähmte ein wenig das Entsetzen, das mich einfach nicht mehr loslassen wollte. Mein ganzes Leben lang war ich von Frauen fasziniert gewesen und dann passierte so etwas. Noch vor Stunden hätte ich es für unmöglich gehalten, dass mich die Berührungen eines Mannes derart erregen konnten und unwillkürlich fragte ich mich, weshalb Gibbs dreimal geschieden war. An seinen sexuellen Fähigkeiten schien es jedenfalls nicht gelegen zu haben.
„Wir sollten uns langsam auf den Rückweg machen", riss er mich aus meinen Gedanken. Seine Stimme klang ungewohnt rau und als ich mich ihm zuwandte, war er es diesmal, der meinem Blick auswich. Anscheinend war ihm die Situation genauso peinlich wie mir, aber deswegen fühlte ich mich nicht besser. Normalerweise war ich es ständig, der nicht in seine Augen sehen konnte und jetzt war er es? Es wurde Zeit, dass wir diesen Auftrag hinter uns brachten, sonst würde noch alles in einem Chaos enden.
„Prima Idee", erwiderte ich und stellte erleichtert fest, dass meine Stimme halbwegs normal klang. Jethro bückte sich, nahm das Kuvert, welches an der Unterseite des Tisches befestigt war und steckte es sich in die Hosentasche. „Verschwinden wir von hier." Das ließ ich mir nicht zweimal sagen und sprang fast auf. Erneut kam ich in den Genuss des Händchen haltens, denn wir mussten schließlich den Eindruck erwecken, die Knutscherei hätte uns Spaß gemacht – was in meinem Fall sogar zutraf. Diese Erkenntnis traf mich mit einer unglaublichen Wucht und ich hatte Mühe, mich seinem Griff nicht zu entwinden. In meinem Gehirn wirbelten die Gedanken durcheinander und mir wurde leicht schwindelig. Ich war direkt froh, an die frische Luft zu kommen, die ich gierig in meine Lungen sog. Kaum waren wir aus der Sichtweite des Clubs, ließ Gibbs meine Hand los, so als ob er sich an mir verbrannt hätte. „Ich schätze, jetzt werde ich von Jen ebenfalls eine Gehaltserhöhung verlangen", sagte er mehr zu sich selbst und schloss den Wagen auf. „Sieh nach, was in dem Kuvert steht." Gemeinsam mit dem Handy zog er es aus der Tasche und gab es mir, kaum dass ich mich auf den Beifahrersitz gesetzt hatte. Jethro wählte eine Nummer und wartete, dass jemand dranging. Währenddessen öffnete ich den Briefumschlag und zog ein zusammengefaltetes Blatt Papier heraus. Ich faltete es auf und wollte bereits vorlesen, als Gibbs sagte: „Wir haben das Kuvert, McGee." Ich reichte ihm den Zettel, sodass er die Zeilen lesen konnte, wobei er sich die Nachricht so weit wie möglich von den Augen weg hielt. „Das Treffen findet Freitagabend um 22 Uhr auf einem alten Fabrikgelände statt." Er gab die Adresse durch und fügte hinzu. „Ihr könnt Feierabend machen." Ohne ein weiteres Wort legte er auf, steckte das kleine Gerät wieder ein und startete den Motor. Gleich darauf fuhr er mit quietschenden Reifen los. Normalerweise machte ich immer einen Kommentar über seine schreckliche Fahrweise, aber diesmal hielt ich den Mund. Da zwischen uns den ganzen Weg bis zum Hotel ein drückendes Schweigen herrschte, zog ich es vor, aus dem Fenster zu sehen und das nächtliche Washington zu beobachten. Irgend etwas hatte sich definitiv verändert, das war uns beiden bewusst und keiner von uns wollte auf die letzten Minuten zu sprechen kommen – mir sollte es Recht sein. Ich konnte noch immer Gibbs' Lippen auf meinen fühlen, seine Finger auf meinem Körper spüren und die Leidenschaft, die er in mir hervorgerufen hatte, lauerte im hintersten Winkel und wartete nur darauf, erneut freigelassen zu werden. Sein Geschmack war beständig in meinem Mund und nicht einmal der Alkohol hatte ihn vertreiben können.
Mir wurde Jethros Nähe bewusst und beinahe hätte ich ihm gesagt, er solle noch schneller fahren. In dem Wagen war mir viel zu wenig Platz zwischen uns. Nach einer Ewigkeit, wie mir schien, erreichten wir das Hotel, wo uns sofort ein Angestellter die Türen aufmachte. Der Chefermittler ließ das Auto in der Obhut des jungen Mannes zurück und gemeinsam betraten wir die luxuriöse Eingangshalle. Wir hatten immer noch kein Wort miteinander gesprochen und diesmal verzichteten wir sogar auf das Händchen halten. Ich würde seine Berührung nicht ertragen können, denn ich hatte die Befürchtung, sie zu genießen, so wie ich unsere Küsse genossen hatte.
Die Fahrt mit dem Aufzug dauerte mir viel zu lange und als sich die Türen öffneten, stürmte ich fast zu der Zimmertür, die ich mit leicht zitternden Händen aufschloss. „Ich geh duschen", presste ich hervor und ohne Licht zu machen durchquerte ich das Schlafzimmer, um ins Bad zu gehen. Ich musste jetzt unbedingt alleine sein – egal, was Gibbs von mir denken mochte. Seine Gegenwart würde ich einfach nicht aushalten.
Mit einem Knall warf ich die Tür ins Schloss und lehnte mich dagegen. Nun, da ein gewisser Abstand zwischen uns herrschte, fühlte ich mich ein wenig besser. Nur, wie sollte ich die nächsten beiden Tage überstehen? Immerhin war der Einsatz noch nicht erfüllt. Ich beschloss, wenn die Aktion gelaufen und die Verbrecher verhaftet waren, würde ich mir Urlaub nehmen, um mir über die Gefühle klar zu werden, die Gibbs in mir hervorgerufen hatte und die mich mehr als alles andere erschreckten.

„Ich geh duschen", drang Tonys Stimme an Gibbs' Ohr und die Worte klangen ungewohnt gepresst. Kurz darauf war das Knallen einer Tür zu hören – was ihn leicht zusammenzucken ließ – und dann herrschte Stille, viel zu drückend für seinen Geschmack. Um dieser Ruhe zu entkommen, schnappte er sich die Fernbedienung und schaltete den Fernseher ein. Er suchte sich einen Nachrichtensender und stellte die Lautstärke so ein, dass ihn die Stimme der Moderatorin leicht berieselte. Anschließend ließ er sich auf das Sofa fallen, legte den Kopf in den Nacken und betrachtete die Decke, so als ob sie das Interessanteste der Welt wäre.
Tony schien ganz schön durch den Wind zu sein, was Jethro allzu gut verstand, immerhin fühlte er sich nicht anders. Bereits als DiNozzo gesagt hatte, die Sache durchziehen zu wollen, hatte er gewusst, es würde nicht ohne Folgen bleiben. Es hatte ihn gewundert, dass er nicht auf Jens Angebot eingestiegen war, zumal er selbst stark in diese Richtung tendiert hatte. Die Aussicht, seinen Kollegen küssen zu müssen, hatte ihm überhaupt nicht gefallen und er war wirklich kurz davor gewesen, auf den Vorschlag der Direktorin einzugehen, als sein Kollege zugestimmt hatte, die Aktion durchzuziehen. Er hätte überraschter nicht sein können, vor allem da Tony die ganze Zeit solche Probleme damit gehabt hatte, homosexuell zu sein. Gibbs hätte noch immer den Einsatz abblasen können, aber eine innere Stimme hatte ihn davon abgehalten und jetzt bereute er es, auf die Sache eingestiegen zu sein.
Jethro hatte gedacht, ein kleiner Kuss würde genügen, aber dann lief die Sache aus dem Ruder. Als er DiNozzos weiche Lippen gespürt und der ihn anschließend mit der Zunge gereizt hatte, war es um seine Selbstbeherrschung geschehen. Er hatte sogar dem Drang nachgegeben, seinen Kollegen berühren zu wollen und war enttäuscht gewesen, als dieser den Kuss plötzlich unterbrochen hatte. Gibbs sah noch immer die grünen Augen vor sich, die dunkler als sonst gewesen waren und in denen eine Leidenschaft geleuchtet hatte, welche er noch nie gesehen hatte, vor allem nicht bei dem jungen Mann. Die Erkenntnis, dass er dies bewirkt hatte, hätte ihn eigentlich abschrecken müssen, hatte es aber nicht. Und als Tony seinen Kopf wieder zu sich herangezogen hatte, hatte er es widerstandslos geschehen lassen, aus dem Bedürfnis heraus, diese Lippen noch einmal spüren zu dürfen.
Ihn hatte eine Leidenschaft überfallen, die er lange nicht mehr gefühlt hatte und die Erregung, die die Küsse in seinem Körper hervorgerufen hatten, kribbelte immer noch nach. Alleine dafür, dass DiNozzo in ihm solche Gefühle ausgelöst hatte, verdiente er eine saftige Kopfnuss.
Jethro war sich nicht sicher, ob er dem Mann, der das Glas umgestoßen hatte, dankbar sein sollte oder nicht. Das Geräusch hatte ihn aus einem Rausch befreit, der einen Nachgeschmack in seinem Mund hinterlassen hatte, genauso wie Tony. Sein Aroma hatte seine Sinne förmlich überflutet und auch jetzt hatte ihn das noch nicht losgelassen. Am liebsten würde er sich jetzt die Zähne putzen, um diesen Geschmack loszuwerden, aber das Bad war ja besetzt. Unwillkürlich sah er DiNozzo vor sich, wie er in der Duschkabine stand und der warme Wasserstrahl auf seinen gebräunten Körper prasselte.
„Verdammt", fluchte Gibbs, obwohl er das sonst nie tat und setzte sich wieder aufrecht hin. Die Nachrichtensprecherin war verschwunden und hatte einer Wetteransagerin Platz gemacht, deren rote Haare weich in dem Studiolicht schimmerten. Ihre blauen Augen schienen ihn zu durchbohren und normalerweise würde er auf diese Haarfarbe ansprechen, aber heute ließ sie ihn völlig kalt. Irgendwie schien er neuerdings auf braun zu stehen.
Schrecken breitete sich in seinem Inneren aus, als ihm bewusst wurde, was er da dachte. Die Knutscherei mit seinem Agent hatte ihn mehr aus dem Konzept gebracht, als zuerst angenommen. Wütend darüber, dass er überhaupt Gefühle für einen Mann entwickeln konnte, stand er auf und ging zur zimmereigenen Bar. Jetzt brauchte er unbedingt etwas Stärkeres als ein Bier. Vielleicht würde es der Whiskey schaffen, Tonys Geschmack aus seinem Mund zu vertreiben. Das erste Glas stürzte er beinahe gierig hinunter, das nächste ließ er langsamer angehen. Der Alkohol lief warm seine Kehle hinunter und landete im Magen.
„Was passiert hier nur?" fragte er sich und starrte die Flüssigkeit an. In seinem Inneren tobte ein wahres Gefühlschaos, das er noch nie erlebt hatte und das ihn zu ersticken drohte. Da war er dreimal verheiratet gewesen, hatte sogar eine Affäre mit Jenny gehabt und dann brauchte es nur ein paar Minuten mit einem Mann, um ihn derart aus dem Konzept zu bringen – und ausgerechnet Tony hatte dies geschafft.
Nur mit Mühe konnte Gibbs den Impuls unterdrücken, das halbvolle Glas gegen die Wand zu schleudern, obwohl es bekanntlich hieß: ‚Scherben bringen Glück.' Und Glück konnte er jetzt definitiv gebrauchen, um die nächsten Tage zu überstehen. Wieso konnte der Auftrag nicht bereits morgen über die Bühne gehen oder noch besser, heute Nacht? Denn dann wäre die ganze Aktion endlich vorbei und er konnte in sein Haus zu seinem geliebten Boot zurückkehren, an dem er in diesem Moment nur zu gerne weiterbauen wollte. Das Schleifen des Holzes gepaart mit einem starken Kaffee hatten ihn immer beruhigt. Außerdem brauchte er Zeit zum Nachdenken - Zeit, um sich über seine Gefühle klar zu werden. Deshalb war er Tony auch ein wenig dankbar, dass er sich ins Bad verzogen hatte, um ihm aus dem Weg zu gehen. Aber dies war auch nicht die beste Lösung. Immerhin arbeiteten sie zusammen und konnten nicht ständig einen Bogen umeinander machen – das würde auf Dauer nicht gut gehen. Nein, sie mussten unbedingt miteinander reden, egal wie peinlich es für sie beide war, sich im selben Raum aufzuhalten. Und je schneller dieses Gespräch stattfand, desto besser war es und vielleicht konnten sie die Freundschaft, die all die Jahre zwischen ihnen geherrscht hatte, noch retten.
Gibbs hörte, wie die Tür zum Bad aufging und Tony ins Schlafzimmer trat. Beinahe wartete er darauf, dass er zu ihm kam, aber er ließ sich nicht blicken. Leichte Enttäuschung machte sich in ihm breit und so ging er auf die doppelflügige Tür zu. Noch immer hatte DiNozzo kein Licht angemacht, aber vom Wohnzimmer drang genug Helligkeit hinein, um ihn zu erkennen. Er trug nur eine Boxershorts und seine Haare waren leicht feucht – was ihn noch attraktiver auf ihn wirken ließ.
Ohne sich umzusehen ließ sich der Agent aufs Bett fallen, zog die Decke über seinen Körper und rührte sich nicht mehr. Jethro beobachtete ihn einfach, wie er ruhig atmete, die grünen Augen, die ihn vor etwas mehr als einer Stunde voller Leidenschaft angeblickt hatten, geschlossen. Zwischen ihnen hatte sich definitiv etwas verändert, so viel stand fest. Nur, wie sie damit umgingen, das stand noch in den Sternen.
Nach fünf Minuten beschloss Gibbs, das Schlafzimmer zu betreten. Tony atmete tief und gleichmäßig, woraus zu schließen war, dass er schlief. Die nassen Haare hinterließen einen Fleck auf dem Polster und standen in alle Richtungen ab. Sein Gesicht wirkte entspannt und er sah friedlich aus. Jethro stand einfach da und betrachtete den Mann, mit dem er bereits mehrere Jahre zusammenarbeitete und der plötzlich Gefühle in ihm wachrief, die er nicht kannte. Mühsam unterdrückte er den Impuls, seine Hand auszustrecken und mit einem Finger über diese weichen Lippen zu streichen, die ihn so sehr erregt hatten. Von seinen Gefühlen überwältigt, trat Gibbs einen Schritt zurück. Was machte er da überhaupt? Wieso betrachtete er DiNozzo als jemanden, der ihm mehr als ein Freund bedeutete?
Sein Herz schlug wie wild in seiner Brust und auf einmal hielt er es in dem Raum nicht mehr aus – musste aus der Nähe von Tony verschwinden. Beinahe fluchtartig verließ er das Schlafzimmer und schloss die Türen, sodass er nicht mehr in Versuchung kam, ihn anzusehen. Die heutige Nacht würden sie garantiert nicht im selben Bett verbringen. Er würde es nicht überleben, den Körper des Jüngeren so nahe bei sich spüren zu können, ohne ihn berühren zu dürfen.
Gibbs ließ sich auf das Sofa – auf dem er wohl schlafen würde – fallen und vergrub sein Gesicht in seinen Händen. Was war nur los mit ihm? Eine Frage, auf die er schnellstens eine Antwort finden musste.

Fortsetzung folgt...
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