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NCIS Hauptquartier
11:04 Uhr


Nachdem Ducky gemeinsam mit Jimmy und dem unbekannten toten Marine den Tatort verlassen hatte, hatte Gibbs endlich befohlen, dass wir zusammenpacken konnten. Weder McGee noch Ziva hatten irgendwelche Spuren gefunden – was bei diesem Regen auch nicht verwunderlich war – außer das Blut und ein wenig Gehirnmasse, die aus der Austrittswunde am Hinterkopf des Mannes an der Mauer eines der heruntergekommenen Häuser gelandet war. Der Großteil der roten Flüssigkeit am Boden war gemeinsam mit dem Niederschlag in den nächsten Kanaldeckel geflossen und somit unwiederbringlich in der Kanalisation verschwunden.
Ich hatte die Skizze in 14 Minuten und 23 Sekunden geschafft, aber ich hatte das Papier nicht ganz mit meinen Körper vor dem Wasser schützen können, weshalb ich angenommen hatte, Gibbs würde mir, obwohl ich innerhalb der vorgegebenen Zeit fertig geworden war, eine Kopfnuss verpassen. Allerdings war dies nie geschehen – zu meiner größten Verblüffung. Er hatte das Blatt einfach an sich genommen, mir einen äußerst seltsamen Blick, den ich nicht deuten hatte können, zugeworfen und mir sogar mit einem knappen Nicken gedankt. Seine schlechte Laune war anscheinend so schnell verflogen wie sie gekommen war und er hatte halbwegs freundlich befohlen, dass wir die Ausrüstung zusammenräumen konnten. Während ich ihm nachgeblickt hatte wie er zum Truck zurückgekehrt war, hatte sich auf meinen Lippen ein kleines Lächeln gebildet und den Ärger, den ich gespürt hatte, als er mich angeschrieen hatte, verschwand einfach. Meine Vermutung, dass er auf den Detective eifersüchtig gewesen war, bestärkte sich noch mehr und verlieh mir ein ungewohnt herrlich warmes Gefühl. Der Gedanke, dass Gibbs vielleicht doch etwas für mich empfinden könnte, ließ mich nicht mehr los und selbst die waghalsige Fahrt zurück zum Hauptquartier machte mir diesmal überhaupt nichts aus – außer die Tatsache, dass Ziva zischen mir und dem Chefermittler saß und somit die Distanz zwischen uns für meinen Geschmack viel zu groß gewesen war.

Einige Hupkonzerte und schmerzhafte Aufschreie von McGee - aus dem Laderaum des Trucks - später, erreichten wir das Hauptquartier, wo ich sofort meine tropfnasse Jacke auszog und mich auf meinen Stuhl setzte, um die wohlige Wärme des Großraumbüros zu genießen. Noch nie hatte ich die Hektik, die lauten Stimmen der anderen Agents und das Telefonklingeln so sehr vermisst wie in der letzten Stunde, die ich bei dem miesen Wetter draußen hatte verbringen müssen. Allerdings war mir keine lange Pause gegönnt, denn kaum war McGee von Abby zurück – er hatte ihr die Blutproben gebracht – knallte Gibbs jedem von uns erneut einen Stapel Akten vor die Nase, der meinen Unerledigten um ein weiteres Stück anwachsen ließ. „Und was ist mit dem Fall?" fragte Ziva sofort und betrachtete leicht angewidert ihren Stoß. Sie war nicht die Einzige, die Schreibarbeit sterbenslangweilig fand, auch McGee und ich gaben ein leises Stöhnen von uns.
„Wir wissen noch nicht, wer der tote Marine ist, also müssen wir warten, bis Abby ihn aufgrund seiner Fingerabdrücke identifiziert hat. Und währenddessen könnt ihr die Zeit sinnvoll nutzen", antwortete er und schenkte ihr einen seiner berühmten Blicke aus funkelnden Augen. Deshalb zog sie es vor, sich lieber auf ihre Aufgabe zu konzentrieren, um sich nicht seinen Ärger zuzuziehen.
„Und was ist, wenn er weiter ein John Doe bleibt? Müssen wir dann bis in alle Ewigkeit Akten bearbeiten?" Jethro drehte sich zu mir um, brachte sein Gesicht so nahe an meines, dass ich seinen warmen Atem auf meiner Haut spüren konnte und sah mich durchdringend an. Mein Herz vollführte einige Purzelbäume und mein Hals war auf einmal staubtrocken. Er war wir plötzlich so unglaublich nahe, dass ich meinen Kopf nur ein wenig weiter vorbeugen hätte müssen, um ihn zu küssen. Kurz darauf wurde ich jedoch aus meinen Träumereien gerissen – in Form einer Kopfnuss. Allerdings lag diesmal nicht Ärger in Gibbs' Augen, weil ich wieder einmal einen blöden Spruch von mir gegeben hatte, sondern ein amüsiertes Funkeln. Verwundert sah ich ihn an und bevor er sich umdrehte, schenkte er mir ein kleines Lächeln. Gleich darauf setzte er sich an seinen Schreibtisch - mit seiner üblichen verschlossenen Miene - und ließ mich leicht verwirrt zurück. ‚Was war denn das?' fragte ich mich selbst und rieb mir über die schmerzende Stelle. Seit wann verpasste mir Jethro eine Kopfnuss und lächelt mich kurz darauf entschuldigend an? War ich vielleicht im falschen Film gelandet?
Aber bevor ich weiter darüber nachdenken konnte, holte mich seine gewohnt schroffe Stimme in die Realität zurück. „McGee?" „Ja, Boss?" fragte dieser sogleich und hob seinen Kopf, den er in einer Akte vergraben gehabt hatte. „Wer hat eigentlich die Leiche des toten Marines gefunden?" „Ähm…" Tim machte ein betretenes Gesicht und sah Hilfe suchend zu mir und Ziva herüber. Das Einzige, was wir tun konnten, war mit den Schultern zu zucken. Er schluckte sichtbar, sammelte seinen gesamten Mut und fügte hinzu: „Keine Ahnung." „Was soll das heißen, du hast keine Ahnung?!" schrie Gibbs und funkelte ihn mörderisch an. „Nun… es ist so, dass ich… ich meine…" Der Chefermittler schloss für einen Moment die Augen, zwang sich zur Geduld und wandte sich mir und Ziva zu: „Hat einer von euch beiden diesen Edwards danach gefragt?" Alleine bei der Erwähnung dieses Namens kamen in mir keine guten Erinnerungen hoch und selbst Gibbs wirkte noch wütender. Ich schüttelte den Kopf und meine Kollegin erwiderte: „Nein. Ich hatte angenommen, dass das Tony gemacht hat. Er hat sich ja anscheinend super mit dem Detective verstanden." Ohne dass sie es wissen konnte, traf sie mit dieser Aussage nicht nur bei mir einen wunden Punkt. Jethro kniff seine Augen zu schmalen Schlitzen zusammen, aber seine Stimme klang ruhig, als er meinte: „McGee, ruf Edwards an und frag ihn, wer den Toten gefunden hat. Und heute noch wenn es geht." „Sofort, Boss." Tim schnappte sich den Telefonhörer, sichtlich erleichtert, nicht mehr angeschrieen zu werden.
Zwei Minuten später legte er wieder auf, richtete sich seine Krawatte und sah zu Gibbs, der ihn ungeduldig musterte. „Und?" „Ähm, Edwards hat gemeint, er würde vorbeikommen." „Du meinst, er kommt hierher, Bambino?" fragte ich und leichte Panik überkam mich. „Genau das heißt es, Tony." Kraftlos ließ ich mich in meinen Stuhl zurücksinken und versuchte mir nicht anmerken zu lassen, dass ich mich auf einmal mehr als unwohl fühlte. Als der Polizist den Tatort verlassen hatte, hatte ich gedacht, ihn nie mehr wieder zu sehen, aber da hatte ich mich anscheinend gründlich geirrt. Sein Annäherungsversuch war mir noch immer deutlich in Erinnerung, genauso wie die hellblauen Augen, die mich lüstern gemustert hatten.
Mühsam schluckte ich den Kloß hinunter, setzte mich aufrecht hin und sah zu Jethro, dessen Gesicht sich verfinstert hatte. Ihm schien es ebenso wenig zu gefallen, dass uns Edwards einen Besuch abstatten würde. „Hätte er dir die Information nicht am Telefon geben können?" fragte er, wobei seine Stimme gezwungen ruhig klang. „Habe ich versucht, Boss", antwortete McGee, dem nicht entging, dass sich die Atmosphäre im Büro plötzlich verändert hatte. „Ich habe ihn dreimal gebeten, es mir einfach zu sagen, aber er hat gemeint, es wäre besser, wenn er es uns persönlich mitteilt. Dann hat er einfach aufgelegt." „Na schön." Gibbs stand auf, schnappte sich seine Jacke und zog sie an.
„Wo willst du hin?" fragte Ziva, als er an unseren Schreibtischen vorbeieilte. „Mir einen Kaffee holen", antwortete er schroff, warf mir einen kurzen Blick, der mir buchstäblich unter die Haut fuhr, zu und ging zum Fahrstuhl, dessen Türen sich kurz darauf hinter ihm schlossen.
„Was ist nur mit ihm los?" fragte meine Kollegin und hob eine Augenbraue. „Keine Ahnung", log ich und wandte mich der Akte vor mir zu. Aber ich wusste nur zu gut, was mit meinem Boss nicht stimmte. Ihm war genauso klar wie mir, weshalb Edwards wirklich ins Hauptquartier kam – um sich erneut an mich ranzumachen.

15 Minuten später ließ mich das leise Pling des Fahrstuhls aufsehen, aber es war jedoch nicht Gibbs, der heraustrat. Mein Herz rutschte mir in die Hose und nur mit Mühe widerstand ich dem Drang, aufzuspringen und die Flucht zu ergreifen. Ich konnte nicht einmal mehr so tun, als ob ich den jungen Detective nicht bemerkt hatte, da er bereits mitbekommen hatte, dass ich hin entdeckt hatte. Er verzog seine Lippen zu einem strahlenden Lächeln, steckte seine Hände in die Taschen seines schwarzen Mantels und schlenderte lässig auf meinen Schreibtisch zu. Seine blonden Haare waren mittlerweile trocken, aber weiterhin zerzaust und er kaute schon wieder auf einem Kaugummi herum – oder auf demselben, wer konnte das schon sagen.
Er ignorierte McGee, der eilig aufgesprungen war und auf uns zu kam und schenkte Ziva keinerlei Beachtung. Seine hellblauen Augen ruhten auf mir und plötzlich wünschte ich mir, dass Gibbs hier wäre, um ihn von mir wegzuzerren. Aber anscheinend hatte er für seinen Becher Kaffee einen längeren Weg einlegen müssen, denn normalerweise brauchte er nie so lange, um sich sein Lieblingsgetränk zu besorgen.
„Agent DiNozzo", sagte Edwards gut gelaunt und streckte mir seine Hand entgegen, die ich zögerlich nahm. „Schön Sie wieder zu sehen." ‚Kann ich nicht gerade behaupten', dachte ich und zwang mich zu einem Lächeln, was sich jedoch ziemlich verkrampft anfühlte. „Detective Edwards", erwiderte ich freundlich, obwohl mir eher nach Schreien zu Mute war. „Bitte, nennen Sie mich einfach Jack." Er ließ meine Hand los und ich widerstand dem Drang, sie an meiner Jeans abzuwischen. Stattdessen nahm ich eine Akte von dem noch immer großen Stoß, schlug sie auf und versuchte ihm so zu signalisieren, dass ich beschäftigt war. Ihn schien das jedenfalls nicht zu stören, denn er schob prompt den Stapel zur Seite, sodass er beinahe auf dem Boden gelandet wäre, setzte sich auf die Tischplatte und schlug lässig die Beine übereinander. Unwillkürlich rutschte ich mit meinem Stuhl zurück, um seiner Nähe zu entkommen und sah zu Ziva, deren Mundwinkel verräterisch zuckten.
„Ist Agent Gibbs gar nicht hier?" wollte er wissen und sah sich neugierig um. Auf seinem Gesicht spiegelte sich Erleichterung wider, immerhin hatte er die Begegnung mit dem Chefermittler in keiner guten Erinnerung, was mich beinahe grinsen ließ. „Nein, er ist momentan nicht hier", übernahm Tim die Antwort. „Agent McGee, wir haben miteinander telefoniert." Er streckte Jack seine Hand entgegen, die dieser für eine Sekunde schüttelte und sich wieder mir zuwandte, so als ob meine beiden Kollegen überhaupt nicht existieren würden. „Wirklich schön habt ihr es hier. Wenn ich da an unser Büro beim Morddezernat denke, wird mir ganz anders." Erneut lächelte er mich breit an und seine Augen wanderten unverhohlen über meinen Körper, sodass ich das Gefühl hatte, er würde mich alleine mit seinem Blick ausziehen. Edwards beugte sich zu mir herunter und fuhr fort: „Unsere Schreibtische sind in einen winzigen Raum gequetscht und ständig riecht es nach kaltem Zigarettenrauch und diversen anderen Ausdünstungen. Wirklich grässlich."
„Dann wechseln Sie doch den Job", sagte eine mir nur allzu bekannte schroffe Stimme hinter ihm und Erleichterung durchflutete mich. Das Lächeln gefror auf Jacks Gesicht und plötzlich sah er wie ein kleiner Junge aus, der beim Schummeln erwischt worden war. Langsam drehte er sich um und sprang beinahe von meinem Schreibtisch, als er den Mann erkannte, der ihm vorgeschlagen hatte, seine Arbeit aufzugeben. „Ah, Agent Gibbs, ich habe mich schon gefragt, wo Sie sind." „Ach, tatsächlich?" fragte dieser kalt und trank einen Schluck Kaffee, um seine Nerven zu beruhigen. Seine Haare waren von dem Regen ganz nass, seine Wangen von der kühlen Luft draußen leicht gerötet und in seinen Augen funkelte es Unheil verkündend – alles in allem war er unheimlich sexy, wie ich fand.
„Sicher", erwiderte Edwards gelassen – anscheinend hatte er seine Fassung wieder gefunden. „Immerhin wollen Sie ja wissen wer die Leiche gefunden hat." „Und das hätten Sie meinem Agent nicht am Telefon sagen können?" Jethro hob eine Augenbraue, trat ganz dicht an den Detective heran, der mühsam schluckte und schließlich einen Schritt zurückwich. Eine Spur von Schadenfreude stieg in mir auf und ich war froh, nicht in der Haut des Polizisten zu stecken, der seinen Entschluss, uns hier zu besuchen, sicher bereits bereute.
„Nun ja, wissen Sie, es ist so", begann Jack und fuhr sich nervös durch seine Haare, um sie noch mehr zu zerzausen. „In unserer Zentrale ist ein anonymer Anruf eingegangen. Wahrscheinlich irgendein Junkie, der Angst hatte, selbst wegen Mordes belangt zu werden. Und ich habe mir gedacht, da Sie sicher das Band von dem Anruf haben wollen, bringe ich es Ihnen vorbei." Er griff in seine rechte Jackentasche und holte eine kleine Kassette hervor. Gibbs nahm sie ihm aus der Hand, behielt sie aber bei sich. „Ähm, Boss, soll ich sie zu Abby bringen?" fragte McGee vorsichtig. „Nein, das werde ich selber erledigen. So weit ich mich erinnere, hast du noch einige Akten zu bearbeiten, oder?" Tim verstand sofort und bevor er Gefahr lief, eine Kopfnuss zu kassieren, eilte er zu seinem Schreibtisch.
Jethro trank seinen Kaffee aus, warf Jack einen letzten Blick zu und ging zu seinem Platz, um seinen Becher zu entsorgen und seine Jacke auszuziehen. Erleichtert darüber, dem Chefermittler entronnen zu sein, wandte sich der Detective wieder mir zu, setzte sein strahlendes Lächeln auf und fragte: „Na, wie wäre es mit einem ordentlichen Mittagessen? Ich kenne da ein wirklich nettes Restaurant in Georgetown." Hatte ich vorher noch geglaubt, er würde seine Annährungsversuche aufgeben, sah ich jetzt ein, dass ich mich gründlich geirrt hatte. „Nein, danke", erwiderte ich mit fester Stimme. „Ich habe keinen Hunger." Gleichzeitig versuchte ich irgendwie das laute Knurren meines Magens zu bändigen. Bei dem Wort Mittagessen hatte er sich lautstark zu Wort gemeldet und forderte nun sein Recht ein. „Außerdem habe ich noch einige Akten zu bearbeiten." „Schade", meinte Jack enttäuscht, griff in seine Manteltasche und holte eine Karte hervor, die er mir in die Hand drückte. „Wenn Sie es sich anders überlegen, rufen Sie mich einfach an. Wir könnten ja auch mal abends zusammen ein Bier trinken gehen. Ich würde mich freuen." Er schenkte mir noch ein letztes anzügliches Lächeln, strich über meinen Unterarm und drehte sich schließlich um, um zum Fahrstuhl zu gehen.
„Ich sicher nicht", murmelte ich, knüllte die Karte zusammen und warf sie in hohem Bogen in den Mülleimer. Anschließend schüttelte ich meinen Arm, um das Gefühl seiner Finger loszuwerden und blickte zu Gibbs, der aufstand und ebenfalls zum Lift eilte. „Wo willst du hin?" rief ihm Ziva hinterher. „Zu Abby", kam die Antwort zurück und gleich darauf quetschte er sich in die Kabine, in die gerade eben Jack verschwunden war. Eine ungute Ahnung stieg in mir auf.

Gibbs zwängte seine Hand zwischen die Fahrstuhltüren, bevor sie sich ganz schließen konnten und trat in die Kabine, in der sich bereits Edwards befand, der ihn erstaunt ansah. Erneut überkam ihn die unbeschreibliche Wut, die er vor Sekunden gefühlt hatte, als es dieser Mistkerl gewagt hatte, Tony einfach zu berühren. Eigentlich hatte er gedacht, sein Gegenüber mit seinen Blicken eingeschüchtert zu haben, aber er schien unverbesserlich zu sein. Als dieser schließlich eine Karte gezückt und sie seinem Agent gereicht hatte, wobei er ihm schon wieder ganz nahe gerückt war, wäre er beinahe aufgesprungen und hätte den Detective eigenhändig aus dem Gebäude befördert. Ihm war mehr als bewusst, dass er sich kindisch aufführte, aber er konnte einfach nichts gegen seine brodelnde Eifersucht tun. Alleine der Gedanke daran, dass es ein anderer wagte, DiNozzo derart mit seinen Blicken auszuziehen machte ihn rasend, obwohl er wusste, dass dieser niemals etwas mit einem anderen anfangen würde. Und dennoch konnte er seine Wut nicht zügeln und so hatte er kurzerhand beschlossen, ein kleines Gespräch mit Edwards zu führen, in der Hoffnung, ihn anschließend nie wieder zu sehen.
„Agent Gibbs, kann ich noch etwas für Sie tun?" fragte dieser verwirrt. Immerhin hatte er angenommen, sie hätten alles Wesentliche besprochen. Außerdem kam ihm der Lift auf einmal ziemlich eng vor und die Luft wirkte eiskalt. Unsicher musterte er die Türen, die noch immer geschlossen waren und ihn hier einsperrten.
„Allerdings", antwortete Jethro, drückte den Stoppknopf und der Fahrstuhl kam ruckend zum Stehen. Das Licht ging aus und die schwache Notbeleuchtung tauchte die beiden Männer in ein gespenstisches Licht. „Was soll das?" wollte Jack wissen und langsam überkam ihn Angst. In engen Räumen hatte er sich noch nie so richtig wohl gefühlt und noch dazu in der Gesellschaft eines wütenden Agents, denn dass dieser mehr als wütend war, war unübersehbar. Nur konnte er sich keinen Reim darauf machen, weshalb. Bereits in dem Großraumbüro war ihm aufgefallen, dass er schlechte Laune hatte, aber da er ihn heute Morgen bereits einmal angebrüllt hatte, war er davon ausgegangen, dass er immer so war und hatte sich dabei nichts weiter gedacht. Aber jetzt hatte er das Gefühl, er wäre derjenige, der ihn derart in Rage versetzte.
Gibbs kam auf ihn zu, bis Edwards mit dem Rücken gegen die kühle Wand stieß und nicht mehr weiter konnte. Hellblaue Augen sahen ihn verunsichert an. „Hey, was…?" „Jetzt hören Sie mir ganz genau zu", unterbrach er den Detective und brachte sein Gesicht bis auf wenige Zentimeter an das des anderen. Seine Stimme klang ruhig, aber gleichzeitig drohend. „Lassen Sie Ihre Finger von meinem Agent. Hören Sie auf, ihn derart anzusehen, so als ob er das Objekt Ihrer geheimen Träume wäre. Tony ist vergeben und somit für Sie tabu, haben wir uns da verstanden?" Gibbs hielt inne und konnte nicht fassen, was er da gerade gesagt hatte. Eigentlich hatte er seinem Gegenüber nur sagen wollen, dass er DiNozzo in Ruhe lassen sollte, aber dann war ihm der letzte Satz so einfach über die Lippen gekommen, ohne dass er es hätte verhindern können. Äußerlich ließ er sich jedoch nicht anmerken, was in ihm vorging und durchbohrte Edwards weiter mit seinen Blicken.
Jack hob abwehrend seine Hände – so gut es eben bei dem knappen Abstand zwischen ihren Körpern ging. „Was regen Sie sich denn so auf? Es ist ja nicht Ihr Problem, wenn Tony seinen Freund…" Er unterbrach sich selbst, als ihm ein Licht aufging. Seine Augen weiteten sich entsetzt und jetzt verstand er auch, weshalb Gibbs so wütend auf ihn war, oder besser gesagt, eifersüchtig. „Hey, ich konnte doch nicht ahnen, dass ihr beide etwas miteinander habt", fuhr er schließlich fort und ließ seine Hände sinken. Resignation überkam ihn und mit einem Mal wurde ihm bewusst, dass ihn DiNozzo wohl nie anrufen würde.
„Jetzt wissen Sie es", erwiderte Jethro und war selbst überrascht, dass er nicht berichtigte, dass sein Agent und er kein Paar waren, dieser wusste ja nicht einmal was er für ihn empfand. Aber dennoch gefiel es ihm, dass jemand annahm, Tony und er wären zusammen. Er trat einen Schritt zurück, da er wusste, dass seine Botschaft angekommen war und setzte den Fahrstuhl wieder in Gang. „Und falls Sie auf die Idee kommen sollten, ihn weiter zu belästigen, dann können Sie Ihr Testament verfassen", fügte Gibbs hinzu, in dem Bestreben, Edwards damit endgültig den Wind aus den Segeln zu nehmen. Dieser richtete sich seinen Mantel und blickte zu dem Agent. In seinen Augen erkannte er, dass er es ernst meinte und so nickte er. „Sie brauchen keine weiteren Drohungen auszustoßen. Ich werde Ihren Freund in Zukunft in Ruhe lassen."
Beschämt darüber, dass er einem anderen den Vortritt überließ – immerhin war er es gewohnt, alles zu bekommen was er wollte – verließ er fluchtartig den Fahrstuhl, als dessen Türen sich öffneten. Aber er wusste, es war besser für seine Gesundheit, wenn er diesem Mann nicht mehr in die Quere kam.
Zufrieden mit sich selbst, drückte Jethro den Knopf für die Forensik und lehnte sich gegen die kühle Wand. Die Worte Ihr Freund ließen ihn nicht mehr los. Ein unglaublich warmes Gefühl ging von seinem Herzen aus und ließ seine Wut innerhalb von Sekunden verpuffen. Ein breites Lächeln bildete sich auf seinen Lippen und noch bevor sich die Türen des Fahrstuhls erneut öffneten, hatte er einen Entschluss gefasst: heute Abend würde er Tony sagen, dass er ihn liebte.

Fortsetzung folgt...
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