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Ich kehrte mit meinen beiden Kollegen ins Großraumbüro zurück, obwohl ich ihnen beauftragt hatte, im Wagen auf mich zu warten. Aber weder Ziva noch McGee wollten etwas davon hören und stur wie sie waren, waren sie mit mir im Fahrstuhl in die dritte Etage gefahren. Ich wusste, sie wollten mir Rückendeckung geben, falls sich Direktor Shepard dazu entschließen sollte, uns von dem Fall abzuziehen und stattdessen ein anderes Team damit zu beauftragen. Die Israelin hatte mir angeboten, mit Jen zu reden, falls sich diese gegen uns stellen würde und ich wusste, falls es so weit kommen sollte, würde es nicht schaden, zumal die beiden Frauen eine Freundschaft verband.
Ich ließ Ziva und Tim an ihren Schreibtischen zurück und eilte die Stufen in die nächste Etage nach oben, bevor ich es mir wieder anders überlegen konnte, lief am MTAC vorbei und wäre beinahe mit einem Agenten zusammengestoßen, der gerade heraustrat und dabei fast eine Akte fallen gelassen hätte. Anstatt mich zu entschuldigen, öffnete ich die Tür zu Jens Empfangsraum eine Spur zu schwungvoll, sodass ich Cynthia erschreckte, die gerade etwas in ihren Computer eintippte. Sie zuckte merklich zusammen und blickte mich für die Dauer einer Sekunde mit offenem Mund an, erholte sich aber schnell wieder und als ich meine Hand nach der Tür zu Jens Büro ausstreckte, stand sie auf, sodass ihr Stuhl nach hinten rollte.
„Sie können da nicht hinein, Agent DiNozzo. Direktor Shepard will nicht gestört werden", sagte sie in einem Ton, der keinen Widerspruch zuließ. Ich blickte sie mit erhobener Augenbraue an und ehe sie auch nur ein weiteres Wort von sich geben konnte, drückte ich die Klinke hinunter und trat in den dahinterliegenden Raum. „Agent DiNozzo!" hörte ich Cynthia hinter mir, aber es war bereits zu spät.

Jen saß an ihrem Schreibtisch, hatte sich in ihrem Sessel zurückgelehnt und hatte den Telefonhörer in der Hand. „Ich kann mir vorstellen, wie schwer es für dich ist, aber…" Sie brach mitten im Satz ab, als ich hereinplatzte und ihr gesamter Körper versteifte sich. Ihr Griff um den Hörer wurde fester und ich hatte das Gefühl, gerade etwas mitbekommen zu haben, das nicht für meine Ohren bestimmt war. Für den Bruchteil einer Sekunde konnte ich Schrecken in ihren Augen erkennen, aber sie fing sich so rasch wieder, dass ich glaubte, mich getäuscht zu haben.
Jen bedeutete mir mit einem Schlenker ihrer freien Hand hereinzukommen, ließ es sich aber nicht entgehen, Cynthia einen gefährlich funkelnden Blick zuzuwerfen, der die junge Frau rückwärts aus dem Büro trieb und die Tür leise schließen ließ.
„Ich muss Schluss machen. Meine Sekretärin hat es versäumt, niemanden durchzulassen", sagte sie zu ihrem Gesprächspartner, während ich an ihren Schreibtisch trat und mich auf den Besucherstuhl niederließ, obwohl ich eher das Bedürfnis verspürte, hin und her zu gehen. „Ich ruf dich nachher noch einmal an." Es folgte eine kurze Pause, bevor sie nickte und hinzufügte, da sie der andere ja nicht sehen konnte: „Ich weiß, wo du nachher bist, ich werde mich schon rechtzeitig melden." Die Worte waren nicht gerade freundlich ausgesprochen worden und ohne sich zu verabschieden, legte sie einfach auf. Diese Geste erinnerte mich so sehr an Jethro, dass ich unwillkürlich lächeln musste. Ich fragte mich unwillkürlich, ob Jen das von ihm übernommen hatte, als sie vor Jahren Partner gewesen waren.

„Ich hoffe, Sie haben einen guten Grund, hier einfach so hereinzuplatzen und mich bei einem wichtigen Telefonat zu stören", riss mich die Direktorin aus meinen Gedanken und ließ keinen Zweifel daran, was sie davon hielt, dass ich nicht einmal angeklopft hatte. Der gefährlich funkelnde Blick, mit dem sie Cynthia bedacht hatte, war zwar nicht mehr so intensiv, aber dennoch durchdringend genug, dass ich unwillkürlich in dem Stuhl hin und herrutschte. Welches Gespräch ich auch immer unterbrochen hatte, es schien ihr überhaupt nicht zu passen, es zu einem anderen Zeitpunkt weiterzuführen. Oder lag es einfach nur daran, dass ich weiterhin das Gefühl hatte, dass ich es nicht mitbekommen hätte sollen? Hatte sie vielleicht einen Freund und sie wollte nur nicht, dass ihre Agenten etwas davon erfuhren? Aber wenn dem so wäre, warum hatte sie am Schluss so unfreundlich geklungen, ja beinahe sogar einen Befehlston in der Stimme gehabt? Außer sie bevorzugten irgendwelche Rollenspiele, um die Beziehung am Laufen zu halten.
„Ich warte, Agent DiNozzo", unterbrach sie erneut meinen Gedankengang und sie hörte sich ziemlich ungeduldig an. Sie hatte die Arme vor ihrer Brust verschränkt und ihre Laune schien nicht wirklich über dem Gefrierpunkt zu liegen – keine guten Voraussetzungen, um ihr zu sagen, dass Jethro nicht bei einem Unfall ums Leben gekommen war. Wenn die Direktorin bereits jetzt nicht gut aufgelegt war, würde sie diese Information nicht gerade ein einen Zustand der Freude versetzen und es würde noch schwerer werden, sie zu überreden, mir den Fall nicht abzunehmen.
„Ich war gerade bei Abby und sie hat etwas an Gibbs' Wagen gefunden", kam ich ohne Umschweife auf das Thema zu sprechen, da es keinen Sinn hatte, mich davor zu drücken. Einerseits würde sie dadurch noch ungeduldiger werden, andererseits würde es keinen guten Eindruck machen, wenn ich um den heißen Brei herumreden würde. Außerdem hatte sie ebenfalls das Recht zu erfahren, dass Jethro ermordet worden war.

Innerhalb einer Sekunde ließ Jen ihre Arme sinken und blickte mich geschockt an. Ihre Ungeduldigkeit war verschwunden und ihre Augen weiteten sich unmerklich. Sie hatte wohl mit allem gerechnet, nur nicht mit den Worten, die ich ihr soeben gesagt hatte. Ihre Hände ballten sich zu Fäusten und sie beugte sich nach vorne, brachte ihr Gesicht näher an mich heran, machte damit unwillkürlich den Eindruck, Angst zu haben, jemand könnte uns belauschen.
„Und was hat Miss Sciuto genau gefunden?" fragte Jen und ihre Stimme klang eine Spur belegt. Jetzt klang sie nicht mehr wie die forsche Direktorin, sondern wie eine Frau, die einen wichtigen Menschen verloren hatte. Und Gibbs war für sie wichtig gewesen, immerhin hatten die beiden eine Affäre gehabt. Vielleicht hatte sie ihn sogar einmal geliebt. Wer wusste das schon? Nach ihrer Eifersucht zu schließen, die sie mir gegenüber gezeigt hatte, als sie erfahren hatte, dass ich mit Jethro zusammen war, würde ich es glatt annehmen.
„Sprengstoff", antwortete ich schließlich und atmete tief durch. „Abby hat Sprengstoff gefunden. In der Nähe des rechten Hinterreifens und des Tanks. Es war kein Unfall." Die letzten Worte schwebten zwischen uns und bildeten eine unsichtbare Barriere. Es war kein Geheimnis, dass sie darauf beharrt hatte, dass es ein Unfall gewesen war, sie es nicht wahrhaben wollte, dass es jemanden gab, der es geschafft hatte, Gibbs zu ermorden. Aber es war eingetreten, jemand hatte seine Rache bekommen – aus welchem Grund auch immer. Und ich würde diesen herausfinden, egal ob sie mir Steine in den Weg legen würde.
Obwohl Jen versuchte, gefasst zu sein, wurde sie Weiß im Gesicht und sie starrte mich eine Sekunde lang völlig schockiert an, ehe sie sich wieder unter Kontrolle hatte. Aber ich hatte das Gefühl, dass es nicht der Schrecken war, erfahren zu müssen, dass Gibbs ermordet worden war, sondern eher der Schrecken, dass jemand von dem Sprengstoff Bescheid wusste. Genauso wie gestern erschien in ihren Augen ein seltsamer Ausdruck, den ich nicht deuten konnte und der mir überhaupt nicht gefiel. Konnte es sein, dass sie mir etwas verschwieg? Oder bildete ich es mir nur ein? Wollte ich einfach nur einen Schuldigen finden? Warum sollte mir Jen etwas vormachen oder etwas nicht sagen? Saßen wir nicht im selben Boot?

„Ist sich Abby sicher, dass es Sprengstoff ist?" wollte die Direktorin wissen und lehnte sich zurück, so als ob sie die Lehne als Stütze verwenden musste. „Ganz sicher. Abby macht nie Fehler. Allerdings dürfte es schwierig werden, herauszufinden, woher der Sprengstoff stammt, da er aus herkömmlichen Mitteln, die man überall bekommt, besteht." Mein Gegenüber kniff ihre Augen leicht zusammen und fixierte mich mit einem durchdringenden Blick.
„Ihnen ist klar, was das bedeutet, oder?" fragte sie und legte ihre Fingerspitzen aneinander. „Es bedeutet, dass Jethro ermordet worden ist", antwortete ich und die Worte zu sagen war irgendwie schlimmer, als sie nur zu denken. Die Wahrheit war heraußen und ich konnte mich nicht mehr davor verstecken oder sie schönreden. Jen seufzte leise und schüttelte ihren Kopf. „Es bedeutet, dass ich Sie von dem Fall abziehen muss, Agent DiNozzo. Gibbs war Ihr Lebenspartner und…" „Er ist es noch immer und wird es immer bleiben", unterbrach ich sie und beugte mich nach vorne. „Und ich weiß, dass Sie mich von dem Fall abziehen müssen, aber ich bitte Sie darum, es nicht zu tun. Ich werde sicher nicht ruhig herumsitzen, während jemand anderes ermittelt. Das können Sie mir und meinem Team nicht antun. Jethro war für uns alle mehr als nur ein Vorgesetzter."
Ich war beinahe so weit, dass ich ihr gestand, dass ich von der Affäre wusste, aber ich hatte es meinem Freund versprochen, es niemandem zu verraten, selbst Jen nicht. Aber irgendwie musste ich sie dazu bringen, mich zu verstehen, mir die Möglichkeit zu geben, selbst hinter alles zu kommen. Ich wollte denjenigen, der für alles verantwortlich war, finden und musste ich deswegen ein paar Regeln brechen, dann sollte es mir recht sein.

„Sie sind persönlich involviert, Tony." „Und genau deswegen sollte ich weiterermitteln. Ich kann und werde nicht zusehen, dass jemand anderes die Ermittlungen übernimmt. Jethro war mein Leben und jemand dort draußen hat mir das weggenommen. Würde der Mensch, den Sie über alles lieben, ermordet werden, würden Sie einfach herumsitzen und anderen die Arbeit machen lassen? Oder würden Sie selbst graben, um die Wahrheit herauszufinden?"
Ich wusste, ich überschritt in diesem Moment eine Grenze, aber ich konnte nicht ruhig bleiben, wollte nicht mitansehen, wie mir die Möglichkeit auf ein klein wenig inneren Frieden genommen wurde.
Jen blickte mich weiterhin durchdringend an und ihrer Miene konnte ich nicht entnehmen, was sie dachte. Sie schien jedoch nicht sehr verärgert zu sein, dass ich meine Stimme gegen sie erhoben und dass ich sie vorhin unterbrochen hatte.
Sekunden verstrichen, ehe sie sich überhaupt regte und wieder vorlehnte, ihre Hände auf der Tischplatte verschränkte. In ihre Augen trat ein sanfterer Ausdruck und sie entspannte sich ein wenig. „Ich würde wahrscheinlich selbst so lange suchen, bis ich den Schuldigen gefunden habe", sagte sie schließlich mit leiser Stimme. Ich machte den Mund auf, aber bevor ich auch nur ein Wort von mir geben konnte, hob sie einen Zeigefinger, um mir Einhalt zu gebieten. „Damit wir uns verstehen. Ich will einen täglichen Bericht haben und sollte ich das Gefühl haben, dass es Ihnen zu viel wird, werde ich Sie schneller in Urlaub schicken als Sie blinzeln können."
Auf meinen Lippen bildete sich ein kleines Lächeln und ich nickte. Ich würde wahrscheinlich alles machen, nur damit sie mir nicht den Fall wegnahm, dass ich selbst ermitteln durfte. Wenn Jen dafür einen täglichen Bericht haben wollte, damit konnte ich leben. „Danke", meinte ich nur, aber sie verstand auch so, welchen Gefallen sie mir tat. Ich stand auf und ging zur Tür. „Agent DiNozzo?" Meine Hand verharrte auf der Klinke, ohne sie hinunterzudrücken, stattdessen drehte ich mich noch einmal um. „Ja?" Auf ihrem Gesicht erschien ein trauriger Ausdruck und ihre Stimme hatte einen derart sanften Klang angenommen, dass ich nichts Gutes ahnte.
„Die Beerdigung. Sie findet am Donnerstag um 14 Uhr statt. Ich will Sie uns Ihr Team an diesem Tag in diesem Gebäude nicht sehen." Obwohl die Worte wie ein Befehl ausgesprochen worden waren, wurden sie durch den milden Ton gelindert. Allerdings bekam ich das nicht wirklich mit, da sich alles um mich herum zu drehen anfing und ich meine Hand so fest um die Klinke krampfte, dass sich das Metall schmerzhaft in meine Haut bohrte.
Beerdigung… ich hatte keinen einzigen Gedanken daran verschwendet, hatte mich geweigert, das Wort auch nur in mein Bewusstsein zu lassen. Aber es jetzt so unvorbereitet zu hören, traf mich mit voller Wucht. Die kurze Freude, die ich empfunden hatte, nicht von dem Fall abgezogen worden zu sein, verschwand so schnell wie sie gekommen war und hinterließ erneut den grässlichen Schmerz, der mich am Sonntag erfasst hatte. Ich hatte das Gefühl, nicht mehr atmen zu können, als mir bewusst wurde, dass ich mich von Jethro bald für immer verabschieden musste, dass sein Körper in einem Sarg von zwei Meter Erde bedeckt werden würde, um mit der Zeit zu Knochen zu werden.
Ich fing an, unkontrolliert zu zittern und damit es Jen nicht merkte, dass mich ihre Worte vollkommen aus der Bahn geworfen hatten, brachte ich ein tonloses „Verstanden" heraus, ehe ich die Tür aufriss, aus dem Büro eilte und sie wieder hinter mir ins Schloss warf. Cynthia blickte mich verwundert an, aber ich sah sie nicht vor mir, sondern einen Friedhof, einen Grabstein und ein tiefes Loch, in dem ein Sarg hinuntergelassen wurde.
Meine Knie drohten unter mir nachzugeben und Tränen brannten in meinen Augen. „Agent DiNozzo?" hörte ich die junge Frau fragen, aber ich ignorierte sie, lief an ihr vorbei, stürmte aus dem Vorzimmer auf den Gang hinaus. Ich musste weg, musste alleine sein, bevor meine Beine mein Gewicht nicht länger tragen konnten und ich vor allen anderen zusammenbrach.
Ich eilte die Stufen in das Großraumbüro hinunter, rammte dabei beinahe einen jungen Agenten, der mir verwirrt nachsah und bog nach rechts ab, wo sich mein Schreibtisch und die meiner Kollegen befanden. Mein Blickfeld wurde verschwommen und um den Schluchzer zu unterdrücken, der sich in meiner Kehle bildete, presste ich eine Hand auf meinen Mund.

„Tony?" fragte McGee und stand von seinem Stuhl auf, aber ich schüttelte einfach nur den Kopf, ignorierte ihn und Ziva, die beieinander an seinem Tisch waren und lief stattdessen einfach weiter, in den Flur hinein, der zu den Verhörräumen führte. Ich riss die erstbeste Tür auf, die ich erreichte und betrat den spärlich eingerichteten Raum, der zu meinem Glück unbesetzt war, mit dem Einwegspiegel. Stille umfing mich und das Geräusch, mit dem ich die Tür ins Schloss warf, hallte laut in meinen Ohren wider. Für eine Sekunde blieb ich reglos stehen, ehe ich nach links trat und mich mit dem Rücken zur Wand in die Ecke kauerte. Ich winkelte meine Beine an, legte meine Stirn auf meine Knie und umschlag meinen Kopf mit meinen Armen, so als ob ich mich vor etwas schützen wollte. Ich machte mich so klein wie möglich und versuchte nicht mehr, die Tränen zurückzuhalten. Der Schmerz in meinem Inneren wurde stärker und ich fing hemmungslos zu weinen an, mein gesamter Körper wurde von Schluchzern gebeutelt und ich hatte das Gefühl, nie wieder aufhören zu können.
Beerdigung… ich konnte Jethro doch nicht beerdigen, konnte ihn doch nicht unter der Erde begraben. Ich wollte mich nicht von ihm verabschieden, ich wollte ihn in meinen Armen halten, ihm sagen, wie sehr ich ihn liebte, ihm sagen, wie sehr ich ihn brauchte, ihm zeigen, dass er das Wichtigste in meinem Leben war. Ich wollte bei ihm sein, seine Nähe spüren und nicht jeden Abend in ein leeres Haus zurückkehren. Wie sollte ich das nur schaffen, wie sollte ich es nur schaffen, in die Zukunft zu blicken?
In meiner Verzweiflung bekam ich nur am Rande mit, wie die Tür des Verhörraumes geöffnet wurde und gedämpfte Schritte erklangen, aber ich machte mir nicht die Mühe, meinen Kopf zu heben, ich wusste auch so, wer es war. Anstatt vorzugeben, dass alles in Ordnung war, kauerte ich mich noch näher an die Wand, so als ob ich hineinkriechen wollte, um dort Schutz vor der erbarmungslosen Welt zu finden.
Ich hörte, wie die Tür leise geschlossen wurde und die Person auf mich zukam, kurz vor mir stehen blieb und sich ohne etwas zu sagen schließlich neben mich setzte. Der mir vertraute Geruch eines Aftershaves stieg in meine Nase und das Wissen, nicht mehr alleine zu sein, beruhigte mich seltsamerweise ein wenig. Dennoch schaffte ich es nicht, die Tränen zum Versiegen zu bringen, die mittlerweile meine Jeans durchnässten und weiter ungehindert über meine Wangen strömten.

„Ich dachte… dachte, ich bin… bin stärker", brachte ich zwischen den Schluchzern hervor, mit einer Stimme, die so schrecklich schwach war. „Ich dachte… ich dachte, ich würde das über… überstehen. Aber… ich weiß einfach nicht mehr… nicht mehr weiter, McGee. Ich kann… kann einfach nicht mehr." Erneut breitete sich Stille aus, die nur von meinen Schluchzern unterbrochen wurde und Tim wusste nicht so recht, was er machen sollte. Unbeholfen, so als ob er Angst hätte mich zu berühren, legte er mir eine Hand auf den Rücken und fing an, sanft darüber zu reiben. „Ich kann Jethro… ich kann ihn doch nicht einfach so begraben, mich von ihm ver… verabschieden. Das schaffe ich nicht." „Natürlich schaffst du das, Tony", sagte er beruhigend und fuhr weiter sachte über meinen Rücken, eine Berührung, die mir ein wenig Trost spendete. „Glaub mir, du bist stark genug." „Sieh mich doch an!" schrie ich beinahe und hob meinen Kopf, sodass er einen wunderbaren Blick auf mein tränenüberströmtes Gesicht hatte. „Sehe ich vielleicht so aus, als ob ich stark wäre?! Ich… ich kann nicht… nicht…"
Tims Blick war so voller Verständnis und Mitgefühl, dass ich meinen Kopf auf seine Schulter fallen und es erneut zuließ, dass mich Schluchzer um Schluchzer überrollten. McGees anfängliche Unbeholfenheit war verschwunden und er legte ohne zu zögern einen Arm um mich, zog mich nahe an sich und versuchte mich damit ein wenig zu beruhigen.
„Du bist nicht alleine, Tony", meinte er schließlich und ließ es zu, dass ich mich noch enger an ihn kuschelte. „Wir werden das zusammen durchstehen, auch wenn das jetzt so klingen mag, als ob es nie eintreffen würde. Ich habe wahrscheinlich keine Ahnung, wie du dich im Moment fühlst, aber wir bekommen das schon hin, du wirst sehen. Alles wird gut", fügte er leise hinzu und rieb mir leicht über meinen Oberarm.
Auch wenn ich nicht wirklich daran glaubte, dass jemals wieder alles gut werden würde, schafften es seine Worte, dass ich ruhiger wurde, dass ich nicht mehr das Gefühl hatte, von innen heraus zerrissen zu werden. Die Schluchzer wurden weniger, wohingegen die Tränen weiter über meine Wangen strömten und von meinem Kinn tropften.
„Wir werden den Schuldigen finden, der dafür verantwortlich ist und ich bin mir sicher, mit der Zeit wird der Verlust leichter zu ertragen sein. Du musst nur daran glauben." Obwohl ich nicht wusste warum, nickte ich leicht und zwang mich, wieder normal zu atmen und nicht mehr in abgehackten Stößen. Ich spürte, wie ich mich langsam wieder entspannte und der Schmerz erträglicher wurde.
„Willst du, dass ich dich alleine lasse?" fragte McGee zögerlich, als die Schluchzer vollkommen erebbt waren. „Damit du dich noch ein wenig sammeln kannst, bevor wir fahren. Wir fahren doch noch nach Norfolk, oder?" Wieder nickte ich und als er seinen Arm von meiner Schulter lösen wollte, schüttelte ich energisch meinen Kopf. „Bleib, Tim. Ich will jetzt nicht alleine sein. Bitte, bleib", flüsterte ich mit rauer Stimme und schloss die Augen, als er seinen Griff erneut verstärkte. Mir war nicht einmal bewusst, dass ich ihn zum ersten Mal mit seinem Vornamen angeredet hatte, aber ich spürte, dass unsere Freundschaft mit den Minuten, die wir beide in diesem Raum waren, gewachsen war. Er würde wahrscheinlich immer Bambino für mich bleiben, aber ich würde ihn auch in einem ganz anderen Licht sehen.
Und vielleicht hatte McGee ja doch recht, vielleicht war ich stark genug, um das alles zu überstehen.

Fortsetzung folgt...
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