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Abby beugte sich über ein Mikroskop, um sich jeden Millimeter des Zeitzünders anzusehen, mit dem Gibbs' Wagen in die Luft gesprengt worden war, während sie abwesend die Melodie eines Liedes mitsummte, das im Hintergrund leise lief. Es kam ihr nicht richtig vor, bereits einen Tag nach der Beerdigung ihre heißgeliebte Musik auf volle Lautstärke aufzudrehen. Das wäre ja so, als ob ein Ehemann gleich nach dem Tod seiner Frau wieder heiraten würde – was es ohne Zweifel durchaus gab, immerhin wimmelte es auf der Welt vor verrückten Menschen. Aber sie gehörte definitiv nicht zu den Verrückten und wollte an diesem Tag auch nicht damit anfangen.
Es war schon seltsam, dass es auf einmal keinen silberhaarigen Fuchs mehr gab, der sie im Labor besuchte, grummelnd nach Ergebnissen fragte und ihr einen großen Becher CafPow mitbrachte, auf den sie bereits sehnsüchtig gewartet hatte. Seit sie am Sonntag erfahren hatten, dass Gibbs nicht mehr lebte, hatte sich irgendwie alles verändert. McGee war ernster geworden, verfiel öfters in nachdenkliches Schweigen, Ziva drohte nicht mehr sooft Leuten, die ungefragt in ihre Nähe kamen, mit dem Umbringen, Ducky erzählte viel mehr Geschichten als sonst und hatte dabei einen traurigen Gesichtsausdruck aufgesetzt und Tony… Tony war ein Kapitel für sich.
Der sonst so lebenslustige und fröhliche Halbitaliener war nur mehr ein Schatten seiner Selbst, in seinen grünen Augen lag eine Trauer, die ihr jedes Mal das Herz schmerzhaft zusammenzog und sie hatte durch seine starke Fassade hindurchgesehen und bemerkt, dass er sich öfters nur mit größter Willenskraft aufrecht halten konnte.
Ihn so zu sehen, war für Abby das Schlimmste, vor allem, weil sie gedacht hatte, dass Anthony endlich das private Glück gefunden hatte, das er verdiente. Er und Jethro waren einfach das Traumpaar schlechthin, harmonierten sowohl im Büro als auch Zuhause und meisterten jede schwierige Situation. Es hatte sie so gefreut, die beiden derart glücklich zu sehen und sie hätte alles darauf verwettet, dass die Beziehung der beiden für die Dauer bestimmt war, aber anscheinend hatte das Schicksal andere Pläne parat. Von einer Minute zur anderen war für alle eine Welt zusammengebrochen und Abby musste gestehen, dass sie erst seit der Beerdigung so richtig realisiert hatte, dass ihr Bossman nicht mehr zurückkommen würde.
Obwohl die Beerdigung äußerlich wunderschön gewesen war, hatte sie es doch gehasst zuzusehen, wie sich Tony von seinem Freund verabschiedet hatte und sie hatte trotz seiner Sonnenbrille ganz deutlich die Tränen gesehen, die er vergossen hatte. Der Moment, wo er die Rose geküsst hatte, hatte sich für immer in ihr Gedächtnis eingebrannt und am liebsten hätte sie ihn ganz fest umarmt, um ihm zu sagen, dass wieder alles gut werden würde.
Aber wie sollte man jemandem sagen, dass alles wieder in Ordnung kam, wenn es nicht stimmte? Gibbs war Tonys große Liebe gewesen und diese zu verlieren, zeichnete einen für das Leben. Sie hoffte so sehr, dass ihr Freund irgendwann einmal wieder lachen konnte, ohne dass es gezwungen wirkte. Ihr war nicht wohl bei dem Gedanken, dass er für sich alleine sein wollte, obwohl sie es durchaus verstand. Aber was war, wenn er in ein schwarzes Loch fiel, ohne dass sie es merkten? Wie sollten sie ihn da herausholen, wenn er sich abkapselte? Oder war es möglich, dass er wieder ein wenig der alte Tony wurde, wenn sie endlich Gibbs' Mörder gefunden hatten?
Es wäre sicher für alle eine Erleichterung, würde derjenige, der für das ganze Leid verantwortlich war, endlich hinter Gittern sitzen. Vielleicht würde alles ein wenig seinen gewohnten Gang gehen, wenn der Schuldige gefasst war und Anthony auch offiziell ihr neuer Teamleiter war. Sie würde auf gar keinen Fall einen anderen Boss als den jungen Mann akzeptieren und die Direktorin brauchte nicht auf die Idee zu kommen, ihnen irgendeinen fremden Agenten vor die Nase zu setzen, nur weil dieser mehr Dienstjahre und Erfahrung hatte. Sie wusste, Tony war der Richtige für den Job und er konnte wunderbar Leute herumscheuchen. Außerdem war er so rücksichtsvoll und würde sie genauso mit CafPow versogen wie es Gibbs immer gemacht hatte. Den stechenden Blick hatte er auch schon halbwegs im Griff, nur an seiner noch nicht vorhandenen Koffeinsucht müssten sie ein wenig arbeiten, dann wäre alles perfekt.
Bei dem Gedanken daran musste Abby unwillkürlich lächeln, seufzte aber gleich darauf, als ihr bewusst wurde, dass sie aus Anthony einen zweiten Jethro machen wollte - nun, vielleicht sollte sie ihn dann braunhaariger Fuchs nennen.

Mit einer gekonnten Bewegung tauschte sie die Objekte unter dem Mikroskop und beugte sich wieder über das Okular, um sich den zweiten Zeitzünder anzusehen. Es war bereits das zehnte Mal, dass sie das tat, aber irgendwo musste es doch einen Hinweis geben, wo dieser gekauft worden war. Sie musste etwas finden, das sie weiterbringen konnte. Jeder Bombenbauer hinterließ ein Markenzeichen, aber hier fand sie absolut nichts.
Allerdings war die Bombe nicht das Einzige, was ihr Rätsel aufgab. Die Direktorin verhielt sich an diesem Tag sehr seltsam, wie sie fand. Wieso hatte sie die Überwachungskameras in der Tiefgarage, vor dem Labor und in der Forensik manipulieren sollen? Es war nicht allzu schwer gewesen, dies zu tun – es war immerhin nicht das erste Mal, dass sie so etwas machte – aber es hatte ihr Misstrauen erregt. Die Direktorin hatte allerdings nicht auf ihre Fragen geantwortet, egal wie sehr sie nachgebohrt hatte. War heute eine Übung, von der sie nichts wusste? Sollte es ein Test sein, um zu überprüfen, wie gut sie mit Computern umgehen konnte? Oder sollte die Sicherheit allgemein kontrolliert werden? Wenn dem so wäre, wieso hatte das Jen dann nicht gesagt? Wieso so eine Geheimniskrämerei darum machen? Oder war sie selbst noch wegen der Beerdigung durch den Wind, sodass sie nicht wusste, welchen Blödsinn sie ihren Mitarbeitern anschaffte?
Vielleicht war es an der Zeit, ein Gespräch von Frau zu Frau zu führen, beschloss Abby kurzerhand, konzentrierte sich jedoch wieder auf ihr Mikroskop. Über den Grund, warum sie die Überwachungskameras austricksen hatte sollen, konnte sie sich später noch Gedanken machen. Zuerst galt es, eine Spur zu finden, die sie zu Jethros Mörder führen würde.

Das Lied im Hintergrund wechselte zu einem langsamen Stück und Abby begann erneut, die Melodie mitzusummen, als sich hinter ihr die Türen leise zischend öffneten und sie Schritte vernahm. Sie konnte sich nicht erinnern, jemanden angerufen zu haben, da sie noch keine Ergebnisse hatte. Und hatten nicht Ziva und McGee gesagt, Tony wäre noch nicht hier? Selbst ihm sah es nicht ähnlich, so spät zu kommen, aber sie konnte es ihm nicht verübeln. Immerhin war gestern die Beerdigung gewesen und es hätte sie gewundert, wenn er an diesem Morgen nicht etwas länger schlafen würde.
Ohne auf ihren Besucher zu achten, schürzte sie die Lippen und kniff ihre Augen leicht zusammen, um das Objekt unter dem Mikroskop ganz genau zu untersuchen, als ihr ein leichter Geruch nach Sägespänen in die Nase stieg. Irritiert rümpfte sie die Nase, blickte kurz auf und sah zu dem Mann, der neben ihr stand, ehe sie sich wieder über das Okular beugte.
„Ich habe jetzt keine Zeit, Gibbs. Ich muss noch diesen Zeitzünder auf Spuren unters…" Mit einem Ruck richtete sich die junge Goth auf, mit so großen Augen, dass diese wie Murmeln wirkten, als ihr bewusst wurde, was sie da gerade gesagt hatte und vor allem, wen sie da gerade angesehen hatte. Langsam, so als ob sie einer Bombe gegenüberstehen würde, die bei der kleinsten Bewegung explodieren könnte, drehte sie sich um und blickte in ein Gesicht, von dem sie gedacht hatte, es nie wieder zu sehen. Blaue Augen funkelten sie freundlich – und vor allem lebendig – an und sie konnte nicht anders, als mit offenem Mund den Mann vor ihr anzustarren, der eine Erscheinung ihres Gehirns sein musste. Es konnte nicht anders sein. Das war bestimmt nur eine Wahnvorstellung, hatte sie immerhin kurz vorher noch über die Beerdigung nachgedacht.
Abby boxte sich zum Zeichen, das sie nur träumte, mit der Hand kräftig auf den linken Oberarm, so hart, dass sie einen leisen Schmerzenslauf nicht unterdrücken konnte, blinzelte ein paar Mal, aber das Bild blieb gleich. Die blauen Augen funkelten sie noch immer an, auf dem ihr wohlbekannten Mund lag ein kleines Lächeln und sie konnte seinen Atem leicht auf ihrer Haut fühlen.
„GIBBS!" schrie sie laut und ihre Stimme überschlug sich fast vor Freude. Ehe ihr Verstand überhaupt realisieren konnte, was da vor sich ging, stürzte sie nach vorne und warf ihre Arme um seinen Hals, drückte seinen Körper so fest wie sie konnte an ihren eigenen. „DU LEBST!!! Oh mein Gott, das gibt es doch nicht! Ich habe mir immer wieder vorgestellt, dass du hier auftauchst, aber dass es auf einmal Realität wird?! Gibbs!!! Du bist es wirklich!!!" Sie drückte ihn noch fester, sodass Jethro der Atem aus der Lunge gequetscht wurde.
„Du hast mir auch gefehlt, Abbs", brachte er ein wenig keuchend hervor und erwiderte die Umarmung der Forensikerin. Er hatte damit gerechnet, dass sie ihm um den Hals fallen würde, aber so heftig? Und wie lange würde ihre Freude andauern? Würde sie ihm, wenn sie die Wahrheit kannte, auch Sachen an den Kopf werfen, so wie es Tony getan hatte? Vorhin hatte er einfach gespürt, dass dieser bei Jen war und die Tatsache, dass er seinen Frust an ihr abgelassen hatte, hatte ihn ein wenig amüsiert, Vor allem deswegen, weil sich Anthony gegenüber der Direktorin anscheinend kein Blatt mehr vor den Mund nahm und sagte, was er dachte.
Es war eine Blitzentscheidung von ihm gewesen, zum Hauptquartier zu kommen und er wusste, dass es gefährlich war, aber er wollte die Chance nutzen, endlich Tony alles erklären zu können. Außerdem würde es sicher von Vorteil sein, wenn alle aus seinem Team wussten, dass er noch lebte.

„Oh Gott, weiß es Tony schon?!" rief Abby aufgeregt und ließ Gibbs wieder los, umfasste ihn aber bei den Schultern. „Er wird ausflippen, wenn er das erfährt!" Ein Schatten huschte über Jethros Gesicht und das Lächeln verschwand von seinen Lippen. Ein trauriger Ausdruck erschien in seinen Augen und er versuchte sich den Schmerz, den er gestern empfunden hatte und der jetzt wieder zurückkehrte, als ihn Anthony Bastard genannt hatte, nicht anmerken zu lassen, aber es war zu spät.
„Tony weiß es bereits", sagte er ungewohnt leise und trat einen Schritt zurück, sodass Abbys Hände von seinen Schultern rutschten. Sie verzog ihre dunkel geschminkten Lippen und legte ihren Kopf schief. „Oh oh. Das klingt nicht gut." „Es ist auch gar nicht gut. Ausgeflippt ist nicht einmal das richtige Wort, wie er reagiert hat." Gibbs lehnte sich gegen ihren Schreibtisch und umfasste die Kante so fest, dass seine Knöchel weiß hervortraten. „Er hat mir buchstäblich die Hölle heiß gemacht, als er erfahren hat, dass ich…" Er brach ab, weil er nicht auch noch Abby gegen sich aufbringen wollte, aber sie hatte bereits einen unergründlichen Gesichtsausdruck aufgesetzt, der ihm verriet, dass sie so lange nachbohren würde, bis sie alles wusste.
„Dass du was?" fragte sie und verschränkte die Arme vor ihrer Brust. Jethro schüttelte kurz seinen Kopf und fügte sich in sein Schicksal. Er hatte von Anfang an gewusst, dass es nicht leicht sein würde, allen die Wahrheit zu sagen, aber da musste er jetzt durch. „Dass ich meinen Tod nur vorgetäuscht habe, Abbs. Für einen Undercoverauftrag", fügte er leise hinzu und zum ersten Mal versuchte er ihrem Blick auszuweichen, wollte nicht die aufsteigende Wut in ihren Augen sehen. Er wartete bereits auf das Donnerwetter, das die junge Goth über ihm entladen würde, aber alles blieb still, nur ihre schreckliche Musik war zu hören.
Es vergingen ein paar Sekunden, bevor er es wagte, seinen Blick zu ihr zurückschweifen zu lassen und sah sich einer Forensikerin gegenüber, die ihre Hände in die Hüften gestemmt hatte und ihn streng ansah, wobei sie ihre Lippen leicht gespitzt hatte. „Ich hoffe, du hast für dein Verhalten einen triftigen Grund, Leroy Jethro Gibbs", sagte sie gefährlich ruhig und kam ganz nahe an ihn ran. Wegen ihrer Plateaustiefel waren sie auf Augenhöhe, trotzdem fühlte er sich auf einmal ganz klein.
„Weißt du überhaupt, was wir in den letzten Tagen deinetwegen durchgemacht haben? Was Tony durchgemacht hat? Er war am Boden zerstört und nur der Wille, deinen… Mörder zu finden, hat ihn aufrecht gehalten. Ich dachte, es müsse eine Ewigkeit dauern, bis ich wieder halbwegs den fröhlichen Sunnyboy wiederhabe. Er hat so viel gelitten und…" „Glaub mir, ich mache mir deswegen schon genug Vorwürfe", unterbrach Gibbs Abbys Redefluss und richtete sich ein wenig auf, damit er wenigstens einen Zentimeter größer war. „Mir ist es nicht leicht gefallen, diese Entscheidung zu treffen, eben weil ich gewusst habe, was ich damit anrichte. Aber ich…"
Das Zischen der Tür ließ ihn mitten im Satz innehalten und er und die junge Goth wandten ihre Köpfe der Geräuschquelle zu und sahen sich McGee und Ziva gegenüber, die wie vor eine unsichtbare Mauer geprallt ruckartig stehen blieben und zu ihnen blickten, als ob sie Geister vor sich hätten. Tim klappte der Mund auf, während die Israelin große Augen bekam und nicht wusste, was sie mit der ganzen Situation anfangen sollte.

„Gibbs?" brachte sie schließlich hervor, während McGee ihn weiterhin seltsam anstarrte, aber sein Hals langsam rot wurde. „Du lebst?" fragte der Jüngere atemlos, blickte von Abby zu Ziva und zurück zu Jethro, dem nicht ganz wohl in der Haut war. Tim war offensichtlich dabei, wütend zu werden. „Jetzt verstehe ich auch, weshalb sich Tony so seltsam benommen hat", meinte Ziva und trat ein paar Schritte vor. „Warum er vorhin so zornig zu Jen gerauscht ist, völlig durch den Wind gewesen ist und unbedingt mit Ducky reden wollte. Er weiß es, nicht wahr?" Ihre Stimme war vollkommen ruhig und von allen schien sie am wenigsten überrascht zu sein, ihren Boss lebend wiederzusehen.
Gibbs nickte nur, behielt aber McGee im Auge, der seinen Mund endlich geschlossen hatte und langsam auf ihn zukam, mit einem Gesichtsausdruck, den er bei ihm noch nie wahrgenommen hatte. „Hast du überhaupt eine Ahnung, was du angerichtet hast?" zischte er beinahe und er schien vollkommen vergessen zu haben, dass er seinen Vorgesetzten vor sich hatte. McGee spürte, wie seine Eingeweide anfingen zu brodeln, wie er dabei war, richtig wütend zu werden, auf den Mann, der ihm so viel beigebracht hatte, auf den Mann, der Tony in den letzten sieben Monaten so glücklich gemacht und ihm schließlich so weh getan hatte. Für ihn war offensichtlich, warum Gibbs noch lebte – auch wenn er es noch nicht richtig glauben konnte - und gerade das machte es für ihn derart schlimm.

„McGee", sagte Abby und versuchte ihn aufzuhalten, indem sie ihm am Arm packte, aber er riss sich sofort wieder los. „Nein, Abbs. Du hast nicht Tony heulend in einem Verhörraum vorgefunden", meinte er ziemlich laut und blickte die geschockte Forensikerin an – sie hatte immerhin bis jetzt nichts von dem Vorfall am Dienstag gewusst. Jethro hingegen fühlte sich, als hätte jemand einen Kübel eiskaltes Wasser über seinem Kopf ausgeleert als unwillkürlich das Bild eines weinenden Anthonys in seinem Gehirn aufstieg – sein Gesicht verdüsterte sich und ihn seinen Augen glomm Schmerz auf.
„Er hat sich dort verkrochen, als er erfahren hat, dass am Donnerstag die Beerdigung stattfinden wird! Ich habe ihn gefunden, als er wie ein Häufchen Elend in der Ecke gekauert, sich die Augen aus dem Kopf geheult und nicht mehr ein und aus gewusst hat! Ich hatte Angst, anfangs auch nur etwas zu sagen, da ich dachte, ich würde nur noch alles schlimmer machen! Tony ist mein Freund, Gibbs, und ich habe es gehasst, ihn so zu sehen, völlig am Boden zerstört! Und jetzt stellt sich heraus… stellt sich heraus, dass du nur deinen Tod vorgetäuscht hast! Ich dachte, ich kenne dich, aber das…!" „Es reicht, Agent McGee!" unterbrach Jen den aufgebrachten jungen Mann, der während seiner Tirade leicht rot angelaufen war und jetzt den Mund widerwillig zumachte, als die Direktorin auf die kleine Gruppe zukam, sich aber nur auf Jethro konzentrierte, der sich wünschte, im Moment irgendwo anders zu sein. Aber hatte er etwas anderes erwartet? Es war doch klar gewesen, dass sie auf ihn losgehen würden wie eine Schar Wespen auf süßen Honig. Sie alle hatten mitbekommen, wie schlecht es Tony die ganze Zeit gegangen war und er war schuld daran. Aber er hoffte noch immer, dass sich die Gemüter ein wenig beruhigen würden, wenn alle den Grund erfuhren, weshalb er das gemacht hatte.

„Bist du auch hier, um mit mir zu schimpfen?" fragte er Jen eine Spur zynisch und blickte sie herausfordernd an. Diese schüttelte leicht ihren Kopf und blieb vor ihm stehen, sodass McGee ausweichen musste, wollte er der Direktorin nicht in die Quere kommen. „Nein, das will ich nicht. Das hat bereits jemand anderes erledigt, aber ich kann dir sagen, dass ich enttäuscht von dir bin, Jethro. Ich habe dir von Anfang an verboten, vor allem Agent DiNozzo einzuweihen. Was passiert, wenn Darien erneut anfängt, herumzuschnüffeln? Meinst du nicht, er wird den Braten riechen?" „Wer ist Darien?" fragte Abby neugierig und blickte von einem zum anderen.
„Das würde ich auch gerne wissen", erklang eine weitere Stimme von der Tür aus und ließ alle herumfahren. Gibbs' Herzschlag setzte für einen kurzen Moment aus, nur um doppelt so schnell wieder weiterzuschlagen. Vor ihnen stand Tony, die Arme vor der Brust verschränkt und sah seinen Freund durchdringend aus seinen grünen Augen an. Zu Jethros großer Erleichterung war er sichtlich ruhiger als noch gestern Abend und er wertete das als gutes Zeichen. Er spürte, wie ihn eine Welle der Zärtlichkeit überrollte und am liebsten wäre er einfach zu Anthony gegangen und hätte ihn fest umarmt, aber er wusste, es wäre das Unklügste, was er in diesem Moment machen konnte.
Hinter Tony stand Ducky und für eine Sekunde tauschten sie einen Blick. Er war beruhigt, dass in dessen Augen keine Wut glitzerte. Der Pathologe hob überrascht seine Augenbrauen, als er Dariens Name vernahm, immerhin hatte er diesen persönlich gekannt, war dabei gewesen, als Gibbs die Nachricht von seinem Tod erhalten hatte. Aber gleich darauf konzentrierte sich Gibbs wieder auf Anthony, der ihn weiterhin ansah und zum Glück keine Anstalten machte, ihm erneut die Leviten zu lesen. Die Hoffnung, dass noch nicht alles verloren war, keimte in ihm auf und er spürte instinktiv, dass er endlich die Möglichkeit erhielt, seinem Freund alles zu erklären – und vielleicht würde sich danach alles zum Guten wenden.

Fortsetzung folgt...
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