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Ziva, McGee und ich saßen im Dienstwagen etwa hundert Meter von dem Apartmentgebäude entfernt, in dem sich Dariens Eigentumswohnung befand. Es war komplett aus roten Backsteinen aufgebaut, mit einer großen gläsernen Eingangstür, durch die man das weitläufige Foyer sehen konnte. Das Bauwerk hatte insgesamt fünf Stockwerke, wobei das Dritte zur Hälfte Coolidge gehörte und die andere Wohnung irgendeinem alten reichen Knacker, der sich an einer Pension erfreute, wie wir bei der Recherche bezüglich der anderen Eigentümer erfahren hatten. Sämtliche Einwohner hatten keine Geldprobleme und konnten, wenn sie wollten, darin schwimmen. Es schienen alle ehrbare Bürger zu sein – jedenfalls von außen betrachtet. Wer wusste, was wir finden würden, würden wir tiefer graben, aber dazu hatten wir definitiv keine Zeit. Das Wichtigste war jetzt, Darien das Handwerk zu legen und endlich in den Alltag zurückzukehren.
Ich kniff meine Augen zusammen und blickte zu der dritten Etage hoch, wo alle Vorhänge zugezogen waren und somit einen Blick in das Innere verhinderten. Allerdings wäre das so oder so schwer gewesen, da die Sonne in einem Winkel am Himmel stand, sodass sie von den Fensterscheiben reflektiert wurde. Ich hasste es, hier unten sitzen zu müssen, während Jethro in diesem Gebäude war. Wir wussten alle, dass jederzeit etwas schief gehen konnte und mit jedem Wort, das zwischen Darien und Gibbs fiel, versuchte ich zu erkennen, ob dieser Lunte gerochen hatte.
Das Gespräch wurde klar und deutlich zu uns übertragen und jeder hatte einen kleinen Stöpsel im Ohr, mit dem wir alles mitverfolgen konnten, was zwischen den beiden besprochen wurde. Coolidges Stimme war tief, hatte einen eisigen Unterton, der nicht ganz von der Freundlichkeit überdeckt wurde, mit der er redete. Alleine dadurch stellten sich in meinem Nacken sämtliche Härchen auf und ich wünschte mir, dass er endlich das Ziel des nächsten Anschlags ausspuckte, anstatt Smalltalk über einen Scotch zu führen.
McGee hinter mir sprach leise mit Abby über seinen Laptop und überprüfte ständig die Verbindung zu Gibbs, um rechtzeitig erkennen zu können, wenn etwas nicht mit der Wanze stimmte. Dafür, dass Darien ein intelligenter Verbrecher sein sollte, war er ganz schön blöd. Nicht eine Sekunde lang schien er zu denken, dass er vielleicht bald verloren hätte, dass ihm jemand gewaltig in die Suppe spucken würde. Der heutige Tag würde sein letzter in Freiheit sein und er würde zukünftig nur mehr Selbstgespräche in seiner winzigen Einzelzelle führen können – irgendwo würden wir schon ein Plätzchen finden, wo ihm niemand zuhören wollte.
Ich war froh gewesen, als Jethro vorhin noch einmal angerufen hatte, um zu überprüfen, ob die Wanze auch einwandfrei funktionierte. Seine Stimme zu hören, hatte mich für kurze Zeit vor der Angst abgelenkt, dass etwas gewaltig schief gehen konnte. Ich hatte ihm viel Glück gewünscht und ihm noch einmal gesagt, dass ich ihn liebte, damit er ja nicht vergaß, dass ich auf ihn wartete und er somit jeglichen Blödsinn unterlassen sollte. Ich wusste, für ihn war es nicht leicht, dort erneut hineinzugehen und dem Mann gegenüberzutreten, der seinen Neffen und auch seine Schwester ermordet hatte. Es war bewundernswert, wie er die Maske des alten Freundes aufsetzte, so tun konnte, als ob alles in Ordnung war, wo doch in seinem Inneren der Wunsch nach Rache tobte.
Ich würde Gibbs so gerne beistehen, ihm dort oben die Rücken mit meiner Anwesenheit stärken, aber es musste wohl reichen, dass ich an ihn dachte und ihn stumm anflehte, bloß vorsichtig zu sein. Denn wie ich McGee vorhin im Labor gesagt hatte, würde ich es keine Sekunde überleben, sollte Jethro wirklich sterben. Ich hatte ihn einmal verloren, ein zweites Mal konnte ich die ganze Trauer und den Schmerz nicht mehr durchstehen – geschweige denn eine weitere Beerdigung. Sein Untergang wäre wohl auch mein Untergang…

„Wieso hast du Gibbs denn auf einmal doch verziehen?" fragte Ziva neben mir. „Was?" Irritiert riss ich meinen Blick von der Fassade des Gebäudes los und sah zu meiner Kollegin, die sich ihre Haare gerade zu einem Pferdeschwanz zusammenband. Ich war so in Gedanken versunken gewesen, dass ich nur am Rande mitbekommen hatte, dass sie etwas gesagt hatte. „Na, du und Gibbs", wiederholte sie eine Spur ungeduldig und hob eine Augenbraue. „Warum hast du ihm nun doch verziehen, wo du gemeint hast, alles noch einmal durchdenken zu müssen?"
Ich schüttelte über die Neugier der Israelin den Kopf und lächelte sie breit an. „Sagt dir das Wort Privatsphäre etwas, Zivaaaa?" meinte ich und zog absichtlich ihren Namen in die Länge. Weshalb ich wirklich zu Jethro zurückgekehrt war, ging nur ihn selbst, mich und Ducky etwas an, der ja im Prinzip seine Finger im Spiel gehabt hatte. Hätte er mir nicht eine kleine Gehirnwäsche verpasst und mir Nahe geführt, was passieren würde, sollte ich mich für ein Leben ohne Gibbs entscheiden, würde ich hier nicht herumsitzen und mich auf unseren gemeinsam Abend freuen – und auf meinen Striptease, den er garantiert so schnell nicht mehr vergessen würde.
„Jetzt sei doch nicht gleich so verbohrt, Tony", erwiderte sie bissig und verzog ihre Lippen, da sie es nicht ausstehen konnte, wenn ich ihren Namen in die Länge zog. „Ich bin verbohrt? Wer hat denn vorhin gesagt, dass wir nicht im Labor sind, um Jethros und mein Liebesleben zu diskutieren", gab ich schlecht gelaunt zurück und blickte wieder geradeaus auf das Apartmentgebäude. „Hier geht es doch nicht um euer Liebesleben. Mich interessiert nur, warum du deine Meinung geändert hast. Nicht, dass es mich nicht freuen würde, aber…" „Sei doch mal still, Ziva", unterbrach sie McGee vom hinteren Sitz aus und was ich deshalb in meinem Ohr hörte, ließ mich augenblicklich aufrecht hinsetzen.
„Hat er gerade das Einkaufszentrum im Norden Washingtons gesagt?" fragte ich alarmiert und mein Herz begann schneller zu schlagen. „Ja, das hat er", meinte die Israelin und sie wirkte ebenfalls ein wenig geschockt. „Mein Gott", gab Tim seinen Kommentar dazu ab und starrte mich mit großen Augen an. „Ist das nicht das Einkaufszentrum, in dem Gibbs' Neffe…?" „Ja, das ist es", bestätigte ich atemlos, aber gleich darauf setzte mein Herz einen Schlag aus und Angst strömte durch meinen Körper, als ich die nächsten Worte Dariens vernahm. Dieser fing an, mit höhnischer Stimme von James Jr. und Jamie zu reden.
Eine mehr als ungute Vorahnung stieg in mir auf und ich wusste, dass es kein Zufall war, dass Coolidge auf einmal von Gibbs' Familie zu sprechen anfing, mit höhnischer Stimme erzählte, was vor etwa fünf Jahren geschehen war. Ich wusste, das Einkaufszentrum war neu errichtet worden und man hatte eine riesige Marmorplatte in der Eingangshalle an einer Mauer aufgehängt, zum Gedenken an die vielen Opfer, die es damals gegeben hatte. Dass dieses Gebäude erneut das Ziel eines Anschlags werden sollte, ließ Übelkeit in mir aufsteigen. Aber wenigstens würde es diesmal keine Toten geben, immerhin würden rechtzeitig Maßnahmen ergriffen werden, die verhindern würden, dass jemand zu Schaden kam. Morgen würden zahlreiche Agenten bereitstehen, um den Bombenbauer gebührend in Empfang zu nehmen.
Meinst du, sie schmort in der Hölle, weil sie sich umgebracht hat? Mein Blut gefror zu Eis, als ich die Frage hörte und ich fing innerlich zu zittern an, meine Finger krallten sich um das Lenkrad vor mir. „Er weiß es", flüsterte ich beinahe unhörbar, bekam wie aus weiter Ferne mit, wie jemand laut atmete und dann ein Geräusch erklang, so als ob einer der beiden ruckartig aufgestanden war. Mein Herz schlug unglaublich laut in meiner Brust und ich hatte das Gefühl, die Zeit würde still stehen.
Das Spiel ist aus, Special Agent Leroy Jethro Gibbs. Und du bist eindeutig derjenige, der verloren hat. Meine Eingeweide, verwandelten sich in riesige Eisklumpen, als hämisches Lachen in meinem Ohr erklang und mir vor Augen führte, dass die ganze Sache gerade vollkommen aus dem Ruder lief.
„Scheiße", entfuhr es McGee unwillkürlich und riss mich aus meiner Lethargie. Panik breitete sich in mir aus und ich wartete bereits auf einen Schuss, oder sonst irgendeinen Laut, der Jethros Tod begleitete. Aber nichts dergleichen geschah, nur Dariens schrilles Lachen und ein Atmen waren zu hören und dieses war das Schönste, was ich jemals wahrgenommen hatte, bedeutete es doch, dass Jethro noch lebte, dass ich ihn noch nicht verloren hatte. Aber wie lange würde das noch der Fall sein?
Blitzschnell öffnete ich die Wagentür und eisige Luft schlug mir entgegen. Aber das war nichts gegen die Kälte, die mich erfasste, wenn auch nur daran dachte, dass Gibbs in wenigen Sekunden sterben konnte. Darien wusste es, er hatte den Braten gerochen, er wusste, dass ihn sein alter Freund nur angelogen hatte. „Verstärkung ist unterwegs", sagte McGee, als er mir ins Freie gefolgt war. Ohne ihm auch nur zu antworten oder auf meine Kollegen zu warten, lief ich los, vorbei an Passanten, die mich mit großen Augen musterten, rannte auf das Gebäude zu, in dem sich mein Freund befand und vielleicht nicht mehr lebend herauskommen würde. Hinter mir hörte ich McGee keuchen, gefolgt von Ziva, die mir nachrief, ich solle doch warten. Aber den Teufel würde ich tun. Ich würde garantiert nicht stehen bleiben und damit wertvolle Sekunden vergeuden. Jethro war in Gefahr und mir war es egal, wenn ich mich unprofessionell verhielt, indem ich Hals über Kopf losrannte, ohne darüber nachzudenken, wie wir vorgehen sollten. Wichtig war nur, ihn da rauszuholen, ihn von Darien wegzubringen, bevor ihn dieser umbringen konnte. Die Panik in mir wurde stärker und ich rannte so schnell ich konnte. Ein paar Sekunden später stieß ich die Eingangstür zum Foyer auf, das verlassen vor mir lag. Es war sonnendurchflutet, Grünpflanzen lockerten die Atmosphäre auf und im hinteren Teil konnte ich Fahrstühle erkennen. Aber ich würde garantiert nicht auf diese warten. Stattdessen lief ich auf die Tür zu, auf der Treppenhaus stand, öffnete sie und spurtete die Stufen hinauf, gefolgt von Ziva und McGee, die alle Mühe hatten, mit meinem Tempo mitzuhalten.

Gibbs starrte in die Mündung der Waffe, die direkt zwischen seine Augen zielte und hatte das Gefühl, in einen langen, finsteren Tunnel zu sehen, in dem der Tod lauerte – und im Prinzip traf das auch zu. Darien musste nur den Abzug durchdrücken und innerhalb des Bruchteils einer Sekunde läge er mit einer Kugel im Kopf am Boden dieses abscheulichen Raumes. Er konnte nicht verhindern, dass sich seine Eingeweide vor Angst zusammenzogen, aber nicht vor seinem eigenen Ableben, sondern weil er an Tony dachte, der tränenüberströmt auf die Leiche seines Freundes blickte, Tony, der ein zweites Mal unglaubliche Trauer durchstehen müsste, Tony, der ihn über alles liebte und zu ihm zurückgekehrt war, nur um ihn vielleicht gleich wieder zu verlieren. Sollte er wirklich heute sterben, hoffte er, dass er Anthony noch einmal sagen konnte, wie sehr er ihn liebte und dass er stark bleiben und sich nicht aufgeben sollte.
Dariens schrilles Gelächter ging in ein hämisches Kichern über, das beinahe noch schlimmer war und ein amüsiertes Funkeln trat in seine hellblauen Augen, ließ ihn noch gefährlicher erscheinen. Die Waffe hielt er vollkommen ruhig, der Zeigefinger lag um den Abzug, aber er machte keine Anstalten, diesen zu betätigen – noch nicht. Was bedeutete, Jethro hatte noch Zeit und Zeit war jetzt das Wichtigste. Er wusste, Tony, Ziva und McGee hatten alles unten im Wagen mitbekommen und waren sicher bereits auf dem Weg hierher. Ein paar Minuten… er musste nur ein paar Minuten durchhalten, bis seine Verstärkung eingetroffen war. Er würde erst dann die Hoffnung aufgeben, wenn es zu spät war.
„Du solltest jetzt dein Gesicht sehen, Lee", sagte Darien und kicherte weiterhin, ließ damit die Abneigung in Gibbs noch mehr steigern. Wie hatte er es nur geschafft, diesem Mann gegenüber so zu tun, ihn noch zu mögen? Wie hatte er es nur hinbekommen, eine freundliche Maske aufzusetzen? Es war ihm ein Rätsel und er wusste, seine Miene spiegelte all den Hass wider, den er in diesem Moment empfand.
„Hör auf, mich Lee zu nennen", zischte Jethro verächtlich und beugte sich ein wenig weiter nach vorne, auch wenn er sich deswegen dem Lauf der Waffe näherte. „Du hast kein Recht mehr, diesen Namen in deinen Mund zu nehmen. Diese Zeiten sind vorbei." „Ach kommt schon, Lee", erwiderte Darien und grinste, als er die vor Wut geröteten Wangen des Agenten bemerkte. „Denk daran, was wir alles durchgestanden haben." „Für mich zählt das nicht mehr. Schon lange nicht mehr, vor allem, seit ich erfahren habe, dass du meinen Neffen auf dem Gewissen hast, du Mistkerl." Gibbs ballte seine Hände zu Fäusten und hätte sich am liebsten über den Schreibtisch gestürzt, würde da nicht eine Waffe auf seine Stirn zielen. Er hatte definitiv die schlechteren Karten, aber noch war nicht alles verloren, noch hoffte er darauf, dass ihn seine Freunde herausholen würden, so wie er sie immer aus allen möglichen Schwierigkeiten herausgeholt hatte. Sie würden sicher nicht zulassen, dass ihm etwas passierte, schon gar nicht Tony. Dieser würde in diesem Moment sicher wie eine Rakete die Stufen hinauf laufen und dabei alle Vorsicht in den Wind schießen.

„Das ist aber nicht nett, mich als Mistkerl zu bezeichnen. Eigentlich sollte ich derjenige sein, der dich so nennt. Immerhin warst du es, der mich hinters Licht geführt hat. Ich hätte es wissen sollen, bereits als du am Sonntag auf einmal in der Fabrik aufgetaucht bist. Der Special Agent, der so plötzlich die Seiten wechselt, wo doch sein Herz normalerweise für Gerechtigkeit schlägt. Aber du hast einen Fehler gemacht, Lee. Einen winzigen Fehler", wiederholte Darien leise und seine Stimme hatte alle Häme verloren, war nun eiskalt, noch kälter als die Temperaturen im Freien.
Gibbs stellten sich sämtliche Nackenhärchen auf und er musste den Kloß in seinem Hals hinunterschlucken, der sich dort gebildet hatte. Er dachte angestrengt nach… einen Fehler… welchen Fehler hatte er nur begangen? Was hatte seine Tarnung gefährdet? Die Entscheidung, Tony zu sagen, dass er noch am Leben war? Oder doch etwas ganz anderes? Aber er würde Darien nicht fragen, würde ihm nicht die Genugtuung lassen, keine Ahnung zu haben, wovon dieser redete. Coolidge hingegen war in seinem Element, weshalb er ohne zu zögern weitersprach, sich darüber aufplusterte, dass sein ehemaliger Freund doch nicht so klug war, wie es immer den Anschein erweckt hatte.
„Du hast in den letzten Jahren noch immer nicht gelernt, mit Computern umzugehen, nicht wahr, Lee? Sonst wüsstest du, dass es kleine, nette Programme gibt, mit denen man kontrollieren kann, wann zuletzt ein Computer eingeschaltet worden ist. Dein Unverständnis für Technik musste dir ja irgendwann das Genick brechen", fügte er hinzu und grinste schief.
Gibbs verpasste sich in Gedanken selbst eine Kopfnuss, als er sich an den Nachmittag am Montag erinnerte, wo er in der Fabrik herumgeschnüffelt hatte und dabei fast von einem dieser Wachhunde erwischt worden war, der ihm von Anfang an nicht über dem Weg getraut hatte. Er hatte gewusst, dass dieser nicht umsonst anschließend in den Raum gegangen war, wo er versuchte hatte, das Passwort von dem Computer zu knacken. Jethro hatte damals schon gespürt, das er einen Fehler begangen hatte, nur hatte er nicht mehr darüber nachgedacht, hatte es verdrängt, war viel zu sehr damit beschäftigt gewesen, Tony wieder zu bekommen. Es war ein weiterer Beweis dafür, dass Liebe blind machte und mit den Konsequenzen musste er jetzt wohl leben, aber die waren nicht so wichtig, wichtig war nur Anthony und dass er Gibbs verziehen hatte.
„Jetzt brauche ich wenigstens nicht mehr so zu tun, als ob ich dich mögen würde", zischte Jethro und blickte Darien direkt in die Augen. Dessen Lächeln verschwand von seinen Lippen und machte Verabscheuung Platz. „Für diese Vorstellung hast du wirklich einen Oscar verdient, das muss ich dir lassen. Ich habe es dir wirklich abgekauft, dass du zu mir überwechseln willst, bis du den Fehler mit dem Computer gemacht hast und ich meine Männer aufgetragen habe, ein bisschen nachzuforschen. Tja, so habe ich auch von deinem Neffen und deiner Schwester erfahren. Was für eine Ironie des Schicksals, noch dazu, wo ich das gleiche Einkaufszentrum noch einmal in die Luft jagen werde. Und soll ich dir noch etwas verraten, Lee? Vielleicht werde ich deinen geliebten Freund mit hochgehen lassen, direkt neben der Bombe."
„Bastard!" brüllte Jethro und die Angst in seinem Inneren erreichte eine Höhe, die er nie für möglich gehalten hatte. „Tony hat damit nichts zu tun! Lass ihn in Ruhe!" Darien spannte den Zeigefinger um den Abzug, als Gibbs sich auf ihn stürzen wollte, mit der Absicht, den Mann zu erwürgen, der seinen Anthony bedrohte. Hätte er nicht so einen starken Überlebenswillen, hätte er es wahrscheinlich zugelassen, dass Coolidge ihn erschoss. Aber er hielt mitten in der Bewegung inne, sein Atem ging keuchend und die Wut in ihm fraß ihn beinahe auf.
„Was wird wohl dein Freund dazu sagen, wenn ich ihm kurz vor seinem Tod verraten werde, dass du ihn belogen hast? Dass du ihn absichtlich trauern hast lassen? Welchen Hass musst du auf mich haben, dass du jemanden so weh tust? Weißt du, es hat mich überrascht, als ich erfahren habe, dass du auf einmal in anderen Gewässern fischst." „Ach, ist es jetzt schon ein Verbrechen, einen Freund zu haben?" fragte Jethro zynisch und war unendlich erleichtert, dass Darien nicht wusste, dass Tony in die ganze Sache eingeweiht war. Was wiederum bedeutete, Coolidge hatte keinen Schimmer davon, dass auch seine anderen Teammitglieder von dem Auftrag wussten. So wie es aussah, glaubte sein ehemaliger Freund, er würde auf eigene Faust handeln.
„Nein, ist es keineswegs. Ich habe dich nur nicht für den Typ gehalten, der sein Herz an einen Mann verschenkt. Noch dazu an einen deiner Agenten. Schade, dass du ihn nicht mehr sehen wirst, Lee. Es wird keinen Abschiedskuss geben, kein Ich liebe dich mehr. Du hast verspielt und nur damit du es weißt, du wirst schuld sein, dass dein Freund ebenfalls sterben muss. Nun denn, willst du noch etwas sagen, bevor ich dich erschieße?"
Darien ließ seine Waffe sinken, bis die Mündung direkt auf Jethros Herz zielte, das wie wild in seiner Brust schlug. Sein Hals war staubtrocken und er hatte das Gefühl, das Stunden vergangen wären, wo es doch nur wenige Minuten gewesen waren. Aber er erkannte, dass ihn Coolidge keine Kugel in den Kopf jagen würde, weshalb er eine Überlebenschance hatte. Er war nicht unvorbereitet hierher gekommen, hatte auf Jenny gehört, hatte etwas getan, was er nicht gerne machte.
„Ja, ich will dir noch etwas sagen", sagte Gibbs und blieb ruhig am Fleck stehen. „Fahr zu Hölle, Darien." Dieser blickte Jethro mit erhobenen Augenbrauen an, bevor er anfing zu lachen und den Finger um den Abzug spannte. „Nach dir, Lee", erwiderte er und drückte ohne mit der Wimper zu zucken ab. Ein lauter Knall ertönte, etwas Hartes traf Gibbs in die Brust und ließ ihn zu Boden gehen, wo er regungslos liegen blieb.

Mit gezückter Waffe betrat ich den kurzen Flur, der die beiden Wohnungen trennte, die sich in diesem Stockwerk befanden. Es war ruhig hier oben, ich konnte nur meinen eigenen Atem und die Unterhaltung zwischen Darien und Gibbs hören. Die Stimme meines Freundes war ruhig, er schien sich nicht aus der Fassung bringen zu lassen und je mehr er redete, desto mehr stiegen seine Chancen, dass wir ihm rechtzeitig helfen konnten. Seine Worte beruhigten mich, zeugten sie doch davon, dass er lebte, auch wenn mich Dariens Gerede ein wenig schockte. Dieser Mann hatte definitiv kein Gewissen und ich freute mich jetzt schon, wenn er endlich von seinem hohen Ross heruntergeholt wurde.
Leise eilte ich auf die Apartmenttür zu und gab Ziva mit dem Kopf ein Zeichen, diese zu öffnen. Sie nickte und streckte ihre Hand aus, die sie auf die Klinke legte, während McGee und ich uns links und rechts positionierten. Langsam drückte die Israelin den Griff nach unten und zu unser großen Überraschung schwang die Tür lautlos nach innen auf, gab den Blick auf ein großes, in schwarz-weiß eingerichtetes Wohnzimmer frei, das eine kalte Atmosphäre verströmte.
Ohne zu zögern betrat Ziva die Wohnung, ich folgte ihr mit Tim im Schlepptau. Leise Stimmen waren von einem Raum in der Nähe zu hören, der in dem Gang lag, der zum hinteren Teil des Apartments führte. Mein Herz klopfte wie verrückt, als ich mitbekam, wie Darien erzählte, wie er mich mit dem Einkaufszentrum in die Luft jagen wollte. McGee hinter mir sog scharf die Luft ein und ich gab ihn mit einem kurzen Blick zu verstehen, dass er ruhig sein sollte. Ihn schien es mehr zu schockieren, dass ich sterben sollte als mich selbst. Aber wer wusste, ob Darien es wirklich vorhatte? Immerhin war es möglich, dass er nur so daherredete, dass er Jethro absichtlich psychische Schmerzen zufügen wollte.
Dieser hatte einen einzigen winzigen Fehler gemacht, hatte versucht, sich zu einem Computer Zugang zu verschaffen, wo er doch gerade einmal wusste, wie man ein solches Gerät einschaltete. Ein kurzer Fehltritt mit einer großen Auswirkung. Aber gleich darauf durchfuhr mich Erleichterung, als ich erkannte, dass Coolidge keinen Schimmer hatte, dass ich eingeweiht war, dass wir alle davon wussten, dass Gibbs hier war. Dieser Mann unterschätzte ihn eindeutig, glaubte die Oberhand zu haben, dabei hatte er keinen Schimmer, dass er derjenige war, der verloren hatte und nicht mein Freund.
Ohne darauf zu achten, leise zu sein, lief ich in den Flur, die Waffe schussbereit erhoben und strebte auf die offene Tür zu, hinter der die Stimmen erklangen. Nur noch ein paar Sekunden, dann würde alles vorbei sein.
„Nun denn, willst du noch etwas sagen, bevor ich dich erschieße?" fragte Darien und für kurze Zeit verhinderte die Panik in mir, dass ich logisch denken konnte, dass ich mein Gehirn benutzte, anstatt mich von meinen Gefühlen zu leiten. Der Raum kam in mein Blickfeld, ich erkannte Gibbs, der vor dem Schreibtisch stand, seine Muskeln gespannt wie ein Flitzebogen. Darien zielte mit einer Waffe auf seine Brust, die sich schnell hob und senkte und ich konnte die Schweißtropfen erkennen, die sich auf seiner Stirn gebildet hatten. Ich drückte mich mit dem Rücken gegen die Wand und überlegte, ob ich einfach reinstürmen sollte. Aber was war, wenn Coolidge schneller war, wenn er einfach abdrückte?
„Ja, ich will dir noch etwas sagen", meinte Jethro ruhig und ich konnte sehen, wie er sich ein wenig entspannte. Verdammt, was machte er da? Warum stand er einfach so da und wartete darauf, dass Darien schoss? „Tony", wisperte Ziva neben mir und ich blickte sie an, riss für eine Sekunde den Blick von meinem Freund los. Sie sah mich fragend an und ich nickte langsam. Wir mussten das Risiko eingehen, so oder so, Coolidge würde wohl schießen und wir hatten immerhin das Überraschungsmoment auf unserer Seite.
„Fahr zu Hölle, Darien!" rief Gibbs und mein Herz setzte unwillkürlich einen Schlag aus. Ich wirbelte herum, verließ somit meinen Platz an der Wand, stand nun fast direkt vor der Tür, alle Vorsicht vergessen. „Nach dir, Lee", sagte Coolidge eiskalt und innerhalb des Bruchteils einer Sekunde erkannte ich, dass es zu spät war. Ein Knall zerriss die Stille und mit schreckgeweiteten Augen musste ich mit ansehen, wie die Kugel Jethro in die Brust traf und er zu Boden geschleudert wurde, wo er regungslos und mit geschlossenen Augen liegen blieb.

Fortsetzung folgt...
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