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Ich hatte keine Ahnung, wie ich es geschafft hatte, meinen Wagen heil in die Garage zu bringen. Die gesamte Fahrt vom Hauptquartier zu meinem Haus war einfach an mir vorbeigezogen, mein Körper hatte automatisch reagiert, meine Arme hatten ohne dass ich nachdenken hatte müssen gelenkt, während mein Gehirn wie leergefegt gewesen war. Ich hatte weder den für einen Sonntag etwas untypischen dichten Verkehr noch den Schneematsch auf den Straßen wahrgenommen. Nicht einmal die Sonne, die weiterhin von einem blauen Himmel schien, hatte ich registriert, genauso wenig wie die vielen Menschen, die sich aufgrund des schönen – wenn auch eiskalten – Wetters ins Freie begeben hatten. Kinder hatten auf den Bürgersteigen herumgetollt und hatten sich gegenseitig mit großen Bällen abgeschossen und dabei mehr als einmal vorbeifahrende Autos erwischt. Überall hatte man fröhliche Gesichter bestaunen können, deren Besitzer mit guter Laune herumspaziert waren. Alles war wie immer, die Welt hatte nicht aufgehört sich zu drehen und war nicht dabei, unterzugehen. Es tat sich kein großer Spalt in der Erde auf, um alles zu verschlingen – so wie ich mir wünschte, dieser würde mich verschlingen. Die Wirklichkeit kam mir so schrecklich surreal vor, alles hatte ihre Farbe verloren, selbst die Sonne wirkte verwaschen. Obwohl der Schnee herrlich bunt glitzerte, kam er mir schmutzig vor und jedes noch so leise Geräusch drückte mir aufs Gemüt.
Seit einigen Minuten saß ich in meinem Wagen, den ich in der Garage abgestellt hatte. Ich konnte mich nicht einmal daran erinnern, dass ich die Tiefgarage des Hauptquartiers verlassen hatte. Das Einzige, was ich noch wusste, war, dass ich mit hoher Geschwindigkeit die Treppen hinuntergelaufen war, den Ring in meiner Hand haltend und nur den Wunsch, aus dem Gebäude zu verschwinden, verfolgt hatte. Von da an war alles verschwommen, der Verkehr, die Autofahrt, meine Ankunft zu Hause – nicht einmal die Nachbarskinder hatte ich bemerkt, die in den Gärten dabei waren, große Schneemänner zu bauen. Für sie war die Welt weiterhin in Ordnung, während sie für mich in Trümmern lag.
Ich hatte meinen Kopf in den Nacken gelegt, die Augen geschlossen und versuchte zu realisieren, dass sich innerhalb einer Stunde alles geändert hatte – sich mein Leben geändert hatte. Innerlich fühlte ich mich schrecklich hohl, obwohl mich ein unglaublich heftiger Schmerz quälte. Mein gesamter Körper war angespannt und ich stand unter Schock, etwas, das ich sofort gemerkt hatte, nachdem ich einfach nicht weinen konnte. Die Tränen, die mir über die Wangen gelaufen waren, als mir Ziva den Ring gegeben hatte, waren schon lange versiegt und es kamen einfach keine Neuen nach, wobei mir klar war, dass es besser wäre, ich würde alles rauslassen, würde den gesamten Schmerz hinausschreien. Der Schock, der mich ergriffen hatte, als Jenny die verhängnisvollen Worte gesagt hatte, ließ nicht einmal zu, dass ich trauern konnte. Ich fühlte rein gar nichts, außer den riesigen Kloß in meinem Hals, der mir das Atmen erschwerte und sich nicht hinunterschlucken ließ, egal wie hartnäckig ich es versuchte.
Die leise Stimme des Nachrichtenmoderators aus dem Radio nahm ich gar nicht wahr, genauso wenig wie das laute Kinderlachen, das durch das geöffnete Garagentor zu mir herein drang. Das Einzige, was ich hörte, war mein Herzschlag und das laute Rauschen des Blutes in meinen Ohren. Am liebsten würde ich mich einfach zu einem Ball zusammenrollen, mich irgendwo verkriechen und nur schlafen, um den Schmerz nicht mehr spüren zu müssen. Aber ich wusste genau, ich würde von Gibbs träumen, würde ihn vor mir sehen, wie er mich anlächelte, wie er mich aus seinen blauen Augen liebevoll anblickte, um mir gleich darauf zu sagen, dass er mich liebte.
Keuchend stieß ich meinen Atem aus und krallte meine Hand um die rechte Hosentasche, in die ich den Ring gesteckt hatte, ohne dass ich es wirklich mitbekommen hatte. Der kleine, runde Gegenstand zeichnete sich leicht durch den Stoff ab und ich wünschte mir nichts sehnlicher, als ihn seinem Besitzer zurückzugeben, nur würde das unmöglich sein. Mit einem Ruck riss ich meine Augen wieder auf und nahm zum ersten Mal seit langem meine Umgebung wahr, die Garage mit den Betonwänden, an denen Regale aufgestellt worden waren, auf deren Bretter verschiedenste Sachen herumlagen, die mir aber irgendwie fremd vorkamen. Auch sie gehörten zu einer anderen Welt und nicht zu derjenigen, in der ich gefangen war, unfähig ihr zu entfliehen.
Der Moderator wünschte den Zuhörern einen wunderschönen Sonntag und wurde von einem Song aus den Charts abgelöst, den ich noch nie gehört hatte. „Von wegen schöner Tag", sagte ich mit ziemlich heiserer Stimme und schlug auf den Off Knopf, wobei das Plastik unheilverkündend knackte, wobei mir das aber ziemlich egal war. Der Wagen kam mir auf einmal ziemlich eng vor und die Luft zum Atmen war irgendwie dünn. Ich schnallte mich ab, nahm den Rucksack vom Beifahrersitz und öffnete die Tür. Obwohl meine Muskeln angespannt waren, fühlten sich meine Beine wie Wackelpudding an und konnten mein Gewicht kaum tragen. Überhaupt kam mir der Boden ziemlich uneben vor. Ein Schwall kalter Winterluft begleitete mich zu der Tür, die ins Innere des Hauses führte und mich direkt in den Vorraum brachte, in dem es herrlich warm war – normalerweise. Für mich war es mehr als stickig und nachdem ich den Rucksack einfach auf den Boden geworfen hatte, entledigte ich mich meiner Jacke und schmiss sie über das Treppengeländer. Nichts hatte sich verändert, seit ich vor einer Stunde losgefahren war und es war weiterhin ruhig – zu ruhig, wie ich feststellen musste. Alles war wie immer, aber die Atmosphäre kam mir nicht mehr so freundlich und einladend vor und die Möbel wirkten wie Fremdkörper. Genauso wie die Außenwelt hatte hier herinnen ebenfalls alles seinen Glanz verloren und wirkte farblos.
„Jethro!" rief ich, obwohl ich genau wusste, dass ich keine Antwort erhalten würde, aber dennoch konnte ich meinen Wunsch, nach ihm zu schreien, nicht widerstehen. War meine Stimme vorher noch schwach gewesen, so hatte sie zusehends an Intensität gewonnen, auch wenn sie weiterhin heiser war – woran der Kloß in meinem Hals Schuld war, der sich dort eingenistet hatte. „JETHRO!!!" Es blieb still, was nicht anders zu erwarten gewesen war, aber trotzdem gab ich nicht auf, wollte mich einfach selbst vergewissern, dass er nicht da war und auch nie wieder zu mir kommen würde. Ich begann, das gesamte Haus zu durchsuchen, angefangen im Keller, gefolgt vom Wohnzimmer und der Küche, wo auf dem Tisch noch immer der Zettel lag, den Gibbs geschrieben hatte, um mir mitzuteilen, dass er Frühstück besorgen wollte. Die Frage, weshalb er nach Norfolk gefahren war, drängte sich mir erneut auf, aber ich wusste, ich würde wahrscheinlich nie eine Antwort darauf erhalten. Genauso wenig, wie ich seine Stimme jemals wieder hören oder seine Lippen spüren würde, mit denen er mich gerne liebkost hatte.
Der Kloß in meinem Hals wurde, obwohl ich es für unmöglich gehalten hatte, noch größer und ich hatte langsam das Gefühl, daran zu ersticken, meine Augen blieben jedoch weiterhin trocken. Hilflos ballte ich meine Hand zur Faust, zerknüllte den Zettel und schleuderte ihn quer durch den Raum. Ich bekam nicht mit, wo er landete, da ich mich einfach umdrehte und aus der Küche stürmte. Immer zwei Stufen auf einmal nehmend, rannte ich in den ersten Stock, weiterhin nach meinem Freund schreiend. Eine Tür nach der anderen riss ich auf, nur um leere Zimmer vorzufinden. Es gab lediglich Möbel, die von einer leichten Staubschicht überzogen waren und die von der Sonne hell angestrahlt wurden. Aber sie hatten ihre Behaglichkeit verloren und alles erschien kalt und trostlos. Raum für Raum nahm ich mir vor und als Letztes stand ich im Schlafzimmer, das noch genauso aussah, wie ich es verlassen hatte. Die Laken des Bettes waren zerknittert und die Decke lag zusammengeknüllt am Fußende. Die Luft war wegen dem gekippten Fenster kühl, aber nicht einmal das registrierte ich. Wie in Trance durchquerte ich das Zimmer und fuhr mit einer Hand sachte über die Seite der Matratze, auf der immer Jethro lag. Als wir nicht einmal einen Monat zusammengewesen waren, hatte ich ihm einen eigenen Nachttisch gekauft und Platz in meinem Schrank gemacht, damit er seine Kleidung dort verstauen konnte. Selbst im Bad standen Sachen von ihm, die er wohl nie wieder brauchen würde.
Diese Erkenntnis traf mich mit einer unglaublichen Wucht und ich taumelte einen Schritt zur Seite, so als ob mich plötzlich ein Schwindelanfall überkommen hätte. Mein Atem beschleunigte sich und meine Knie gaben vollends unter mir nach. Ein wenig schmerzhaft knallte ich auf den Boden, aber mir war egal, wenn ich mir ein paar blaue Flecken holte – alles war mir mittlerweile egal. Nichts war mehr wichtig, nicht mein Job, nicht meine Freunde und schon gar nicht der körperliche Schmerz.
Irgendwie schaffte ich es, mich aufzusetzen und mich mit dem Rücken gegen den Bettrahmen zu lehnen. Die Knie winkelte ich an und versuchte mich so klein wie möglich zu machen. Ich wusste nicht, wie lange ich so dasaß, unfähig auch nur einen vernünftigen Gedanken zu fassen. Die letzten sieben Monate wirbelten wie ein Kaleidoskop durch meinen Kopf, glückliche Momente, die ich mit Gibbs verbracht hatte, aber auch anstrengende, wenn wir bei einem Fall nicht weitergekommen waren. Ich hätte schwören können, seine Anwesenheit hier und jetzt zu spüren, seinen Duft zu riechen, ihn zu schmecken. Obwohl er nicht da war, so war er doch präsent und seine Stimme schien beruhigende Worte in mein Ohr zu wispern.
Wie in Trance steckte ich meine Hand in die rechte Hosentasche und holte den Ring hervor, den ich ihm geschenkt hatte. Das Metall war ganz warm und fühlte sich glatt an, als ich mit einem Finger langsam den Rand entlangfuhr. Er passte einfach perfekt zu Jethro, das hatte ich bereits erkannt, als ich ihn zum ersten Mal gesehen hatte und noch viel besser hatte er an seinem Ringfinger ausgesehen. Ein kleines, aber trauriges Lächeln, stahl sich auf meine Lippen, als ich an den Tag dachte, an dem er Geburtstag gehabt und ich meine romantische Ader ausgegraben hatte. Alles war vollkommen gewesen – einfach alles…

Den ganzen Tag über schien die Sonne hell vom Himmel und bescherte damit allen einen wunderschönen Spätsommertag. Es war September und der Herbst stand vor der Tür. Am Abend wurde es bereits ein wenig kühl, aber untertags war es weiterhin herrlich warm, sodass es weiterhin kein Problem war, kurzärmlig vor die Tür zu gehen.
Gibbs und ich waren fast vier Monate zusammen und ich war so glücklich wie nie zuvor. Mein Leben war auf einmal auf eine Art und Weise ausgefüllt, mit der ich nie gerechnet hatte und ich fühlte mich geborgen, sei es in seinen Armen oder auch in der Arbeit, wenn ich einfach nur in seiner Nähe war. Mittlerweile schafften wir es sogar, gemütlich nebeneinander auf dem Sofa zu sitzen, ohne gleich übereinander herzufallen und ich hatte nicht einmal ansatzweise gewusst, dass er redselig war. Es gab Abende, da saßen wir einfach beieinander und sprachen über alles. Genauso gab es Stunden, die von angenehmer Stille beherrscht wurden, vor allem, wenn Jethro an seinem Boot baute und ich auf den Stufen zu seinem Keller saß und ihn beobachtete. Ich fand es faszinierend, wie er das Holz glattschliff und noch faszinierender fand ich dabei das Spiel seiner Muskeln unter dem T-Shirt. Es war unglaublich beruhigend, ihm bei der Arbeit zuzusehen, vor allem, da er im Nachhinein herrlich nach Sägespänen roch – ein Duft, der mich unbeschreiblich anturnte. Ich war diesem Mann mit Haut und Haaren verfallen und ich wusste, umgekehrt war es genauso. Gibbs und ich ergänzten uns einfach wunderbar und es schien, als ob ich meine zweite Hälfte endgültig gefunden hatte – das bewies schon alleine die grenzenlose Liebe, die ich weiterhin für ihn empfand, genauso wie die vier Monate, die unsere Beziehung bereits andauerte. Bis jetzt hatte ich es noch nie geschafft, so lange mit einem Menschen zusammen zu sein, aber das hatte sich geändert. Er war ein Teil meines Lebens geworden und ich wollte, dass das auch weiterhin so blieb.
Der heutige Freitag war für mich etwas Besonderes: Gibbs hatte Geburtstag und ich freute mich mehr als er selbst. Im Gegensatz zu ihm fand ich es nicht schlimm, dass er ein Jahr älter wurde, machte es ihn in meinen Augen doch attraktiver. Bereits am Morgen hatte ich ihn mit einem ausgiebigen Frühstück verwöhnt, wobei ich entgegen meiner Angewohnheit viel früher aufgestanden war, um alles herzurichten. Diesmal hatte es mir nichts ausgemacht, mich vom Bett zu trennen und es hatte sich allemal gelohnt. Für meine Mühe hatte ich einen ausgiebigen Kuss erhalten, gefolgt von einer heißen Dusche, die dazu geführt hatte, dass wir ganze 10 Minuten zu spät ins Hauptquartier gekommen waren, aber niemand hatte uns darauf angesprochen, außer Ziva, die sich einen Kommentar nicht verkneifen hatte können, weshalb ich ihr einen großen Papierball an den Kopf geworfen hatte, wofür ich mir wiederum einen saftigen Klaps von Jethro eingefangen hatte.
Abby hatte ihrem silberhaarigen Fuchs im Laufe des Tages einen großen Strauß schwarzer Rosen geschenkt, den er immer wieder ein wenig misstrauisch angestarrt hatte, so als ob die Blumen beißen würden. Ziva und McGee hatten ihn zum Mittagessen eingeladen, gefolgt von einem extragroßen Becher starken Kaffees und von Ducky hatte er eine Flasche Bourbon erhalten. Allerdings fehlte ein Geschenk und das war meines. Das war auch der Grund, warum ich, je näher der Abend rückte, immer nervöser wurde. Ich hatte mir lange überlegt, was man einem Mann wie Gibbs zu seinem Geburtstag schenkte, bis ich zufällig einen silbernen Ring in der Auslage eines Juweliers entdeckt hatte. Er war schlicht und glatt gearbeitet und da er ein wenig breiter war, hatte ich mich spontan entschieden, etwas eingravieren zu lassen.
Ich hatte keine Ahnung, wie mein Freund darauf reagieren würde, wenn er sein Geschenk auspackte, zumal es ein wenig wirken könnte, als ob ich ihm einen Heiratsantrag machen würde.
Nicht einmal ein Mordfall flatterte uns ins Haus, womit ich mich ablenken hätte können. Mir blieben nichts weiter als langweilige Akten und je näher der Abend kam, desto mehr Varianten wirbelten durch meinen Kopf, was Gibbs zu dem Ring sagen könnte. Ich hoffte, er würde ihm gefallen und noch mehr hoffte ich, dass er ihn tragen würde. Für den Notfall hatte ich ein weiteres Geschenk in petto: mich selbst.
Der Tag zog sich in die Länge und als es endlich 18 Uhr war, war ich das reinste Nervenbündel. Ich registrierte nicht einmal, dass das Wochenende vor der Tür stand, was bedeutete, zwei freie Tage ohne Mörder oder andere Verrückte, die irgendwelche Straftaten begingen.
Jethro und ich fuhren auch weiterhin getrennt zur Arbeit, da wir so flexibler und nicht auf den anderen angewiesen waren. So war ich ein wenig froh, dass er vorher bei sich vorbeischauen wollte, um die Geschenke, die er erhalten hatte, zu verstauen und die Post durchzugehen, die sicher im Briefkasten auf ihn warten würde. Das gab mir mindestens eine Stunde, um alles vorzubereiten und Gibbs einen unvergesslichen Abend zu bescheren. Ich würde meine romantische Ader ausgraben, damit alles perfekt war und damit er nicht weiter grummelig sein musste, weil er wieder ein Jahr älter geworden war. Ich würde ihm zeigen, dass Geburtstage wunderbar waren, vor allem, wenn man jemanden hatte, der ihn mit einem verbrachte.
Während der Heimfahrt ging die Sonne langsam unter und tauchte den Himmel in ein blutrotes Licht. Um diese Uhrzeit waren viele Autos unterwegs, weshalb ich ein paar Minuten verlor, zumal ich nicht dazu neigte, jede Verkehrsregel zu missachten.
Ohne die Post zu beachten, oder auch nur den Anrufbeantworter abzuhören, ließ ich meinen Rucksack im Vorraum stehen und eilte ins Schlafzimmer hinauf, um mit den Vorbereitungen zu beginnen. Vergessen war die Nervosität und hatte einer freudigen Aufregung vollends Platz gemacht. Ich vergeudete nicht einmal Zeit mit Duschen, wusste ich doch, dass Gibbs innerhalb der nächsten halben Stunde hier sein würde und bis dahin sollte alles perfekt sein.

Exakt 29 Minuten später hörte ich unten die Haustüre aufgehen, gefolgt von einem leisen Krachen, als sie wieder ins Schloss geworfen wurde – und mit einem Schlag war die Nervosität wieder da. Ich war viel zu sehr beschäftigt gewesen, um über alles nachzudenken, aber jetzt, wo Gibbs hier war, konnte ich nichts mehr dagegen machen. Ein letztes Mal ließ ich meinen Blick über das Schlafzimmer schweifen und ein Lächeln breitete sich auf meinen Lippen aus, als ich alles in mich aufnahm. Die Sonne war mittlerweile untergegangen und hatte Sterne und einen hellen Mond hinterlassen, die ich jedoch ausgesperrt hatte, indem ich die Vorhänge zugezogen hatte. Das einzige Licht kam von den rund zwanzig, weißen, langstieligen Kerzen, die ich strategisch im Raum aufgestellt und deren Dochte ich vor kurzem angezündet hatte. Die Flammen flackerten leicht und warfen teils lustige Schatten an die Wände, verströmten aber eine gemütliche Atmosphäre und einen zarten Duft. Zusätzlich hatte ich das Bett frisch bezogen, mit einer roten Seidenbettwäsche, die sich einfach herrlich auf der Haut anfühlte. Und genau in der Mitte der Matratze lag das kleine Päckchen, indem sich der Ring befand. Das Papier war golden und mit einer gold/roten Schleife umwickelt. Es war wirklich perfekt und genauso wie ich es mir vorgestellt hatte.
„Tony!" rief Gibbs von unten und riss mich aus der Betrachtung des Schlafzimmers. Ich holte tief Luft und eilte schließlich auf den Gang hinaus, um oben an der Treppe stehen zu bleiben. Jethro sah zu mir herauf und selbst auf die Entfernung konnte ich das Funkeln, das in seine Augen trat, erkennen. Sein Blick glitt über meinen Körper und er leckte sich unbewusst seine Lippen, was mich zu meinem schönsten DiNozzolächeln verleitete. Ich wusste genau, weshalb er so reagierte, da ich mir eine besonders enge schwarze Jeans und ein schwarzes Hemd, von dem ich die ersten beiden Knöpfe offen gelassen hatte, angezogen hatte. Die Hose enthüllte mehr als sie verdeckte und presste sich genau an den richtigen Stellen an meine Beine. Jedes Mal wenn ich sie trug, hatte Jethro Mühe, nicht über mich herzufallen und mir einfach alles vom Leib zu reißen, was ich anhatte. Mit anderen Worten ausgedrückt: wenn meine Kleidung komplett schwarz war, machte es ihn fast verrückt und auch diesmal verfehlte sie ihre Wirkung nicht.
„Hey", begrüßte ich ihn und grinste noch breiter, als ich seinen verlangenden Blick spürte. „Willst du nicht heraufkommen?" Das ließ er sich nicht zweimal sagen und ehe ich mich versah, war er vor mir, drängte mich gegen die Wand und gab mir einen atemraubenden Kuss, der mich beinahe in die Knie gehen ließ. Gleich darauf schnupperte er an meinem Hemdkragen und sah mir direkt in die Augen. „Du riechst echt gut. Hast du ein neues Parfum?" fragte er und fing an, an meinem Hals zu knabbern, so als ob er den Duft kosten wollte. „Nein", brachte ich schließlich heiser hervor und versuchte, mich nicht auf der Stelle verführen zu lassen. „Das ist nur für besondere Anlässe." Gibbs hob seinen Kopf, den er leicht schief legte und mich anblickte. „Besondere Anlässe?" Ich nickte, griff nach seiner rechten Hand, die auf meiner Hüfte lag und verschränkte unsere Finger miteinander. „Und heute ist so ein besonderer Anlass. Schon vergessen? Du hast Geburtstag." Ein leises Knurren kam als Antwort, weshalb ich auflachte. „Du wirst sehen. Den Tag wirst du so schnell nicht wieder vergessen und nach heute Abend wirst du dich auf jeden einzelnen Geburtstag, den du noch haben wirst, freuen." Ein skeptischer Blick war alles, was ich erntete, weshalb ich ihm einen kurzen Kuss gab und ihn schließlich zu meinem Schlafzimmer zog. Mein Herz schlug ziemlich laut in meiner Brust und aufgeregt kaute ich auf meiner Unterlippe herum. Gleich darauf erkannte ich, dass meine Angst, dass es Gibbs vielleicht nicht gefallen würde, unbegründet war.
Kaum hatte er einen Schritt in das Schlafzimmer gesetzt, blieb er abrupt stehen und an seinen leicht geweiteten Augen, war ersichtlich, dass ich ihn mehr als überrascht hatte. Er ließ seinen Blick über die vielen Kerzen schweifen, über die Schatten an den Wänden, bis er schließlich am Bett hängen blieb und die seidenen Laken musterte, die ich vor kurzem gekauft hatte.
„Das ist…" begann er, drehte sich zu mir um und sein Gesicht drückte Verblüffung aus. „Ist das für mich?" fragte er schließlich, da er anscheinend vergessen hatte, was er sagen wollte. „Ja. Nur für dich. Ich dachte mir, das würde dir gefallen." Nervös lächelte ich ihn an und zuckte mit den Schultern. „Und es gefällt mir. Ich habe nicht gedacht, dass du eine so eine romantische Ader hast." „Ich auch nicht. Aber das ist noch nicht alles", meinte ich und führte ihn zum Bett, in dessen Mitte das kleine Päckchen lag, das ich nun in die Hand nahm und ihm reichte. „Happy Birthday, Jethro", sagte ich leise und beobachtete, wie er zuerst sein Geschenk musterte und schließlich mich. In seine Augen trat eine Zärtlichkeit, die mich schwach werden und meinen Puls in die Höhe schießen ließ.
Ohne ein Wort zu sagen, beugte er sich vor, küsste mich liebevoll und ich hatte das Gefühl, zu zerschmelzen. „Mach auf", flüsterte ich an seinen Lippen und erneut packte mich Aufregung. Über meine Ungeduld den Kopf schüttelnd, löste er langsam die Schleife und um mich wahrscheinlich ein wenig zu quälen, beschäftigte er sich lange mit dem Papier, bis es schließlich zu Boden fiel und die quadratische, samtene kleine Schachtel enthüllte, die sich seit gut zwei Wochen in meinem Besitz befand und nun Gibbs gehörte. Es war unübersehbar, dass er wusste, was er da in Händen hielt und für ein paar Sekunden starrte er die Box einfach an, um mich schließlich mit seinen Augen zu fixieren.
„Tony…" begann er und seine Stimme klang ungewöhnlich heiser. Mein Herz begann erneut schneller zu schlagen und ich wartete darauf, dass er fortfuhr. Aber stattdessen öffnete er die Schachtel und brachte den silbernen Ring zum Vorschein, der in schwarzem Samt steckte und in dem Kerzenlicht glitzerte. „Also, ich weiß nicht, was ich…" Ich konnte nicht anders und fing leise zu lachen an. Denn genau das, was ich mir gedacht hatte, war eingetreten. Gibbs' verblüffter und gleichzeitig verwirrter Gesichtsausdruck war einfach zu komisch. Sein Körper hatte sich angespannt und ich konnte genau erkennen, dass er fieberhaft überlegte, was er sagen sollte. Meine Nervosität hatte sich verflüchtigt und sich anscheinend auf ihn übertragen.
„Jethro, das ist kein Heiratsantrag, wenn es das ist, was du dich gerade fragst", sagte ich schließlich eine Spur amüsiert. ‚Aber ich hätte nichts dagegen, wenn es einer wäre', fügte ich in Gedanken hinzu und erschreckte mich damit selbst. Vier Monate und ich dachte übers Heiraten nach? Das war doch verrückt. Gleich darauf konzentrierte ich mich jedoch wieder auf meinen Freund, der sich sichtlich entspannte und mir ein kleines Lächeln schenkte. „Und ich dachte…" „Ja, ich weiß, was du gedacht hast", unterbrach ich ihn sanft und nahm den Ring aus der Schachtel, die er auf die Matratze zurücklegte. „Aber glaube mir. Wenn ich dir einen Heiratsantrag machen würde, würde ich vor dir auf die Knie sinken, schon alleine wegen des Effektes." Und ich war ehrlich knapp davor, dies zu tun, aber ich hatte Angst, ihn damit zu vergraulen, kannte ich doch seine Erfolgsquote mit Ehen und seine Einstellung dazu. Aber vielleicht irgendwann einmal, wenn genug Zeit verstrichen war.
Stattdessen blieb ich stehen und drehte den Ring so, dass die Gravur sichtbar wurde und zu meiner Überraschung konnte er sie lesen, obwohl er meistens Probleme damit hatte, Buchstaben scharf zu erkennen, die nicht weit genug von ihm entfernt waren. „In Liebe, Tony?" fragte er und sah mich mit erhobener Augenbraue an. „Damit du das niemals vergisst", erwiderte ich, nahm seine linke Hand und steckte ihm den Ring an den Ringfinger – wie ich es mir vorgestellt hatte, passte er perfekt. „Das würde ich auch so nie vergessen", meinte er und hob seine Hand, um sein Geschenk zu betrachten. Gleich darauf grinste er mich schief an. „Du weißt aber schon, dass er wie ein Ehering aussieht, oder?" wollte er wissen und fuhr mit dem Zeigefinger seiner rechten Hand an dem Metall entlang. „Stört dich das denn?" stellte ich eine Gegenfrage und wartete geschlagene fünf Sekunden – die mir jedoch wie eine Ewigkeit vorkamen – auf seine Antwort.
„Nicht wirklich", gab er schließlich zu und trat nahe an mich heran. „Der Ring sagt, dass ich zu dir gehöre, so wie du zu mir gehörst. Danke, Tony. Danke für das wunderschöne Geschenk. Ich verspreche dir, ihn nie abzunehmen, egal was passiert." Jethro überbrückte die letzten Zentimeter, legte seine Lippen auf die meinen und küsste mich sowohl voller Zärtlichkeit als auch voller Leidenschaft. „Ich hatte schon ein wenig Angst, er würde dir nicht gefallen", meinte ich ein wenig atemlos, als wir uns voneinander gelöst hatten. „Aber zur Sicherheit hatte ich noch ein anderes Geschenk." „Ach ja?" fragte er und trat einen Schritt zurück. „Welches denn?" Lächelnd setzte ich mich auf das Bett, rutschte in die Mitte, legte mich anschließend auf den Rücken und streckte meine Arme über meinen Kopf, sodass ich ohne Probleme mit meinen Fingern das Kopfteil umschließen konnte.
Gibbs' Augen blieben die ganze Zeit über an mir haften und als ich anfing, mich auf der Matratze zu räkeln, kniff er sie zu Schlitzen zusammen und seine Brust begann sich schnell zu heben und zu senken. „Mich", antwortete ich auf seine vorherige Frage und spreizte ein wenig meine Beine, um ihn zu provozieren. Er kam auf mich zu und ehe ich mich versah, war er über mir, seine Hände links und rechts meines Körpers aufgestützt, sodass er mich nicht zerquetschte. „Und bekomme ich dieses Geschenk auch noch?" wollte er wissen und knabberte leicht an meiner Unterlippe, was meine enge Jeans noch enger werden ließ.
„Aber auf eine Schleife musst du verzichten", erwiderte ich, als ich mir sicher war, dass meine Stimme wieder funktionierte und brachte ihn mit meinen Worten zum Lachen. „Ich denke, ich habe auch so genug zum Auspacken", sagte Jethro, ließ sich auf mir nieder und küsste mich voller Leidenschaft – der Beginn einer Nacht, die keiner von uns je vergessen würde.


Drei Monate später hatte ich sie immer noch nicht vergessen, wusste noch genau, was Gibbs gemacht hatte, um mir fast den Verstand zu rauben, wusste noch genau, wonach er an diesem Abend geschmeckt hatte, wusste noch genau, welche Geräusche er gemacht hatte, wenn er zum Höhepunkt gekommen war. An alles konnte ich mich erinnern, selbst an meine Gedanken übers Heiraten und dass ich noch warten würde, bis wir mehr Zeit miteinander verbracht hatten. Ich hatte wirklich geglaubt, wir würden solange beisammen sein, bis ich davon überzeugt war, dass ich ihn nicht vergraulen würde, wenn ich vor ihm auf die Knie sinken würde, um ihm die Frage aller Fragen zu stellen. Immer und immer wieder hatte ich mir das vorgestellt, hatte die Szene in meinem Kopf durchgespielt. Selbst die richtigen Worte hätte ich parat und konnte sie jederzeit aufsagen. Und jetzt? Jetzt würde ich nie die Chance erhalten, sein Gesicht zu sehen, wenn ich vor ihm niederknien würde, würde nie die Chance erhalten, seine Reaktion zu beobachten, wenn ich ihm alles sagte, was ich mir sorgfältig zurecht gelegt hatte, würde nie die Chance erhalten, seine Miene zu sehen, wenn ich ihm den Ring an seinen Finger stecken würde.
Die Möglichkeit, mit Jethro mein restliches Leben zu verbringen, war mir genommen worden und ich wünschte mir, ich wäre damals ins kalte Wasser gesprungen und hätte ihn gefragt. Vielleicht wäre er dann nie nach Norfolk gefahren, wäre nie gegen einen Baum gekracht, wäre noch immer an meiner Seite und nicht auf irgendeinem Obduktionstisch.
Liebevoll betrachtete ich den Ring in meiner Hand und dachte an Gibbs, an sein Lächeln, an seine Stimme, an seinen Geruch. Und plötzlich war es da - das Brennen in meinen Augen. Aus meinem Körper strömte die gesamte Kraft und der erste Schluchzer bahnte sich einen Weg an die Oberfläche, um in der Stille des Schlafzimmers zu verhallen. Mein Blickfeld wurde verschwommen und heiße Tränen rannen mir über die Wangen, tropften auf die geöffnete Hand und auf mein Hemd. Ich fing an, unkontrolliert zu zittern und ehe ich es verhindern konnte, barg ich den Ring in meiner Faust und stieß einen lauten Schrei aus, der all den Schmerz des Verlustes enthielt, den ich erlitten hatte. Immer und immer wieder rief ich Jethros Namen, wobei mein Körper jedes Mal stärker von Schluchzern geschüttelt wurde. Ich kauerte mich zusammen, schlang meine Arme um meine Knie und fing hemmungslos zu weinen an – weinte endlich um die Liebe meines Lebens, die ich für immer verloren hatte.

Fortsetzung folgt...
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