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Washington D.C.
Donnerstag, 14. August
05:40 Uhr


Eine sanfte Berührung am Rücken riss mich aus meinem tiefen und traumlosen Schlaf. Etwas fuhr zärtlich meine Haut hinauf und hinunter und überzog meinen gesamten Körper mit einem Prickeln. Ich gab ein wohliges Schnurren von mir und ließ meinen Kopf noch tiefer in das Kissen sinken, das einfach herrlich weich war. Meine Lider waren viel zu schwer, als dass ich sie heben könnte und ich war so müde, dass ich ohne Mühe wieder eingeschlafen wäre, wäre da nicht das beständige Streicheln auf meinem Rücken, das mich in der Wirklichkeit hielt. Auf meinen Lippen bildete sich ein Lächeln und ich begann, mich langsam zu räkeln.
Während ich gemächlich in die Realität zurückfand, tauchten in meinem Gehirn die Erinnerungen an die letzte Nacht auf und mein Lächeln verwandelte sich unwillkürlich in ein Grinsen. Gibbs hatte es doch tatsächlich geschafft, mich über drei Stunden von einem Höhepunkt abzuhalten, hatte ständig rechtzeitig aufgehört, als er gespürt hatte, dass ich auf die Erfüllung zugesteuert war. Und jedes Mal war ich verzweifelter geworden, hatte aber immer nur ein leises Lachen als Antwort erhalten, wenn ich ihn gebeten hatte, sich ein wenig zu beeilen.
Das Sprichwort ‚Rache ist süß’ hatte in diesem Fall vollkommen zugetroffen, wobei ich es eher auf ‚Rache treibt einen in die Verzweiflung’ umgetauft hätte. Jede einzelne von Jethros Berührungen hatte sich nach einer gewissen Zeit unglaublich intensiv angefühlt und ich war zu einem Bündel der Lust zusammengeschrumpft, hatte nichts tun können, als dazuliegen und über mich ergehen zu lassen, was er mit seiner Zunge und der Schokosoße angestellt hatte. Fast kein Körperteil war verschont geblieben und ich hätte schwören können, die klebrige Flüssigkeit noch immer auf meiner Haut zu spüren, obwohl wir danach eine ausgiebige Dusche genommen hatten.
Um kurz vor Mitternacht hatte ich schließlich erfahren, warum mich Gibbs wirklich so lange hatte zappeln lassen. Er hatte mich um Punkt 24 Uhr nehmen wollen, um unseren ersten Hochzeitstag gebührend einzuleiten â€" und das hatte er schließlich getan. Als die Ziffern des Weckers auf Mitternacht umgeschaltet hatten, war er langsam in mich hineingeglitten, hatte mich aus meiner Verzweiflung befreit und mich mit einer Zärtlichkeit geliebt, die im starken Kontrast zu unserer beider Erregung gestanden hatte. Dank der Handschellen hatte ich nichts weiter machen können, als dazuliegen und zu genießen. Allerdings hätte ich Jethro gerne gestreichelt, hätte seinen Rücken mit meinen Fingern liebkost, hätte ihm die gleichen Freuden schenken wollen, die mir zuteil geworden waren.
Aber ich hatte mich schließlich einfach fallen lassen, hatte nur mehr gefühlt und war zu einem Höhepunkt gekommen, der noch atemberaubender gewesen war, als derjenige, den ich Stunden zuvor gehabt hatte. Danach hatten wir beide auf der Matratze gelegen, unfähig uns zu rühren. Mir war es wie eine Ewigkeit vorgekommen, bis sich Jethro bewegt und mich schlussendlich von den Handschellen befreit hatte â€" amüsiert hatte er festgestellt, dass er nicht der einzige sein würde, der in den nächsten Tagen wohl etwas Langärmeliges tragen musste.
Er hatte zärtlich die roten Male geküsst, hatte keinen Millimeter ausgelassen und mich mit den Liebkosungen dafür entschädigt, dass er mich so lange hatte zappeln lassen. Ich liebte es über alles, nach leidenschaftlichem Sex mit Gibbs zu kuscheln, liebte es, wenn wir uns gegenseitig sanft streichelten, bis auch die restlichen Spuren von Lust aus unseren Körpern gewichen waren. Und letzte Nacht war es nicht anders gewesen und wir hatten bei der Vorstellung von Abbys Miene, wenn sie die roten Spuren eventuell an unseren Handgelenken sehen würde, breit gegrinst.
Wir hatten unseren ersten Hochzeitstag wirklich anständig eingeleitet und ich war mir sicher, wir würden ihn später auch gebührend ausklingen lassen. Egal ob wir heute einen anstrengenden Fall bekommen würden, dieser Tag würde etwas Besonderes sein und Jethro hatte mir gestern fest versprochen, pünktlich Feierabend zu machen, auch wenn wir viel Arbeit haben würden. Und ich wusste, dass er Wort halten würde, dass wir, egal was kommen mochte, aus dem Büro verschwinden würden, um an diesem Abend unsere Zweisamkeit zu genießen. Ich war jetzt schon gespannt, was er zu dem Geschenk sagen würde, das er von mir bekam. Dafür hatte ich einen alten Kontakt wieder aufleben lassen, auch wenn ich mir deswegen ein paar Witze anhören hatte müssen, da ich jetzt mit einem Mann verheiratet war.

„So könntest du mich jeden Morgen aufwecken“, murmelte ich verschlafen und mein Herz vollführte einen kurzen Hüpfer, als Gibbs leise lachte und sein Atem warm über mein Gesicht strich. Normalerweise war es der Wecker, der mich aus dem Schlaf riss und nicht Jethro, der meistens gute 20 Minuten vor mir aufstand und sich in Ruhe einen Kaffee genehmigte, während er die Zeitung durchblätterte. Ich hingegen war der reinste Morgenmuffel und fiel eher aus dem Bett, als dass ich es verließ, indem ich meine Beine über den Rand schwang.
Es kam oft vor, dass ich bei den lautesten Geräuschen hervorragend schlafen konnte, dass mich nicht einmal der Knall eines Schusses aufwecken hätte können und doch schaffte es mein Ehemann mit dieser sanften Berührung. Obwohl die Nacht relativ kurz gewesen war, wollte ich gar nicht mehr in die Untiefen des Schlafes verschwinden, nicht, wenn Jethro neben mir lag und mich mit etwas zärtlich streichelte. Dass es nicht seine Finger waren, hatte ich sofort erkannt, diese fühlten sich anders auf meiner Haut an.
Ich war buchstäblich gerührt, dass er sich an diesem Tag die Zeit nahm, mich persönlich aufzuwecken und das nicht dem Wecker zu überlassen wie sonst auch. Aber ich wusste, dass der heutige Tag für Gibbs genauso besonders war wie für mich, hatte doch genau vor einem Jahr unser Leben eine Wende genommen. 365 Tage voller Liebe, Zärtlichkeiten und Leidenschaft, Tage, die ich nicht missen wollte, in denen ich unglaublich glücklich gewesen war und die voller Erinnerungen waren, die für immer in meinem Gedächtnis verankert sein würden. Das letzte Jahr war einfach perfekt gewesen, genauso perfekt wie der Mann, der neben mir lag und der der Grund war, weshalb ich jeden Morgen aufstand.

Blinzelnd öffnete ich schließlich meine Augen und lächelte liebevoll, als ich Jethros Gesicht vor mir erkannte. Er lag mir gegenüber, auf seinem rechten Ellenbogen aufgestützt, während er mit der Hilfe seiner linken Hand etwas über meinen Rücken streichen ließ. Er war bereits komplett angezogen â€" ein sicheres Zeichen dafür, dass er bereits länger als nur ein paar Minuten wach war.
Draußen begann es erst zu dämmern, graue Wolken waren durch das große Fenster sichtbar, aber im Laufe des Tages würden sich diese verziehen, um einem blauen Himmel Platz zu machen â€" jedenfalls laut Wetterbericht. Es sollte auch wieder ein wenig wärmer werden, es war, als ob die Sonne mit uns mitfeiern, an unserem Glück teilhaben wollte.
Die Nachttischlampe sorgte für genug Licht, ließ Gibbs’ Haare ein wenig schimmern und verlieh seinen Augen ein dunkleres Blau, in dem ich jedes Mal versinken konnte. Er blickte mich an, seine Lippen zierte ein leichtes Lächeln und hätte ich es mir aussuchen können, würde ich den ganzen Tag über hier liegen und die federleichte Berührung genießen, die er mir schenkte. Es gab öfters Momente, wo wir einfach nur nebeneinander lagen, ohne dass Worte fielen und wir damit zufrieden waren, einander nahe zu sein.
Aber anstatt zu schweigen, beugte sich Jethro ein wenig nach vorne und flüsterte: „Guten Morgen, mein Engel.“ Mein Lächeln wurde breiter â€" ich liebte es über alles, wenn er mich als Engel bezeichnete - und ich hatte das Gefühl dahinzuschmelzen, als die Streicheleinheiten auf meinem Rücken aufhörten und ich eine Sekunde später eine langstielige rote Rose erblickte, die voll erblüht war.
Vergessen war die Müdigkeit und das weiche Kissen, stattdessen setzte ich mich auf und nahm die Blume, die er mir hinhielt. „Jethro, die ist wunderschön“, sagte ich ergriffen und schnupperte an den Blütenblättern, sog den zarten Duft förmlich in mich hinein. Er richtete sich auf, sodass wir auf Augenhöhe waren, hob eine Hand und fuhr sachte durch meine vom Schlaf zerzausten Haare. „Aber nicht so schön wie du“, erwiderte er leise und ich spürte, wie meine Wangen unwillkürlich warm wurden. „Charmeur“, meinte ich, roch noch einmal an der Rose und blickte dabei die ganze Zeit über Gibbs an, der mich seinerseits musterte.
„Schon seltsam, welche Seiten du in mir zum Vorschein bringst, Tony“, sagte er schließlich und beugte sich nach vorne. „Herzlichen Glückwunsch zum ersten Hochzeitstag“, fügte er hinzu, presste seine Lippen auf meine und küsste mich voller Liebe und Zärtlichkeit. Vorsichtig, um Gibbs oder mich nicht mit den Dornen zu stechen, schlang ich meine Arme um seinen Nacken, zog ihn noch näher an mich heran und vertiefte den Kuss, zeigte ihm, dass er auch nach einem Jahr Ehe noch das Wertvollste in meinem Leben war. Seine Hände streichelten über meinen bloßen Rücken und ich schmiegte mich buchstäblich an ihn, wollte ihn gar nicht mehr loslassen. Vergessen war die Tatsache, dass ich so bald aufgeweckt worden war und dass ein neuer Arbeitstag rief. In diesem Moment zählten nur Jethro und ich.
Ich war weiterhin gerührt, dass er mir eine rote Rose geschenkt hatte. Diese Geste fand ich noch liebevoller, als wenn er mir einen ganzen Strauß überreicht hätte. Normalerweise war Gibbs nicht der Blumentyp und heute war es das erste Mal, dass er mir eine gegeben hatte â€" es war für mich ein Zeichen, dass ich sein Ein und Alles war. Er grub nicht oft seine romantische Ader aus, aber wenn er es tat, dann immer auf eine Art und Weise, dass ich jedes Mal überwältigt war.

„Was hältst du davon, wenn wir den Morgen im Bett verbringen?“ fragte ich hoffnungsvoll, als wir uns nach einer kleinen Ewigkeit wieder voneinander gelöst hatten. Jethro nahm meine freie Hand in seine und drückte einen kurzen Kuss auf die rote Linie, die die Handschellen hinterlassen hatten. „Das könnten wir durchaus“, antwortete er schließlich und lächelte leicht. „Aber dann muss das Frühstück mit deinen Lieblingsbrötchen, deiner Lieblingsmarmelade und einer Tasse Kaffee, so wie du sie gerne magst, ausfallen. Ich habe sogar Haselnusssirup besorgt“, fügte er hinzu und bei seinen Worten meldete sich mein Magen unwillkürlich mit einem lauten Knurren.
Normalerweise nahmen wir uns nur an freien Tagen und Sonntagen Zeit für ein ausgiebiges Frühstück, unter der Woche vertilgte ich meistens einfach nur eine Schüssel meiner Lieblingscornflakes, gefolgt von einem Schokodonut, den ich mir kaufte, wenn sich Gibbs bei seinem Coffeeshop einen Becher seines heißgeliebten Getränkes besorgte.
Er sah mich wissend mit erhobenen Augenbrauen an und ich verzog leicht verlegen meine Lippen, als mein Magen ein zweites Knurren verlauten ließ. „Ich schätze, da ist jemand gar nicht glücklich bei der Aussicht, den Morgen im Bett zu verbringen“, meinte ich kleinlaut und erhielt ein amüsiertes Lachen als Antwort. „Ich frage mich ständig, wie du nur so viel essen kannst und dabei nichts zunimmst“, sagte Gibbs, was mich dazu veranlasste, meinen Kopf ein wenig schief zu legen und breit zu grinsen. „Nun ja“, begann ich, hob die Rose an meine Nase und schnupperte erneut daran, „das liegt wohl an gewissen abendlichen Aktivitäten. Die verbrennen eine Menge Kalorien und ich habe dabei auch noch richtig viel Spaß.“ „Na, das will ich auch hoffen“, erwiderte Jethro und seine Augen funkelten liebevoll. „Und ich kann dir versichern, dass ich mindestens genauso viel Spaß habe wie du.“ „Und du bliebst hervorragend in Form“, fügte ich hinzu und erhielt erneut ein Lachen als Antwort.
Ich roch noch einmal an der Rose, bevor ich sie vorsichtig auf den Nachttisch legte und meinen Ehemann anschließend schelmisch angrinste. Obwohl es wahrscheinlich besser wäre, den Mund zu halten und zu genießen, dass er extra für mich viel früher als sonst aufgestanden war und meine Lieblingsbrötchen besorgt hatte â€" ganz zu schweigen von Haselnusssirup für meinen Kaffee und der wunderschönen Rose â€" kamen die Worte schneller über meine Lippen, als ich nachdenken konnte.
„Das ist das erste Mal, seit ich dich kenne, dass du an einem Hochzeitstag so gut gelaunt bist. Dass ich das noch erleben darf.“ Ich konnte mich nicht in Sicherheit bringen oder einen Zentimeter zurückweichen, so schnell bewegte sich Gibbs’ rechte Hand und landete zielsicher auf meinem Hinterkopf. Ich stieß einen leisen Schrei aus, der mich eher an ein Quietschen erinnerte und noch bevor ich mir über die schmerzende Stelle reiben konnte, versetzte er mir einen Stoß gegen die Schulter, sodass ich rücklings auf die Matratze fiel. Innerhalb des Bruchteils einer Sekunde presste er mich mit seinem Gewicht auf das Bett und blickte von oben auf mich herab.
„Du bist ein unverbesserlicher Kindskopf, Tony“, sagte Jethro brummend, aber in seinen Augen blitzte es amüsiert auf. Das Grinsen kehrte auf meine Lippen zurück und ich räkelte mich unter ihm, rieb meinen Schritt an seinem, was ihm ein leises Keuchen entlockte. „Meinst du, mein Boss wird mir den Kopf abreißen, wenn ich heute nicht pünktlich zur Arbeit komme?“ fragte ich und erhöhte den Druck ein wenig, spürte, wie ich langsam hart wurde. „Normalerweise kann er das überhaupt nicht ausstehen.“ Jethro sah mich an und lächelte belustigt.
„Ich denke, dein Boss wird heute einmal eine Ausnahme machen und dich am Leben lassen, wenn du ein paar Minuten zu spät kommen wirst.“ Ich atmete gespielt erleichtert aus. „Gut zu wissen. Also ist er anscheinend doch kein so großer Mistkerl, wie er allen anderen immer weismacht.“ Das Lachen, das gleich darauf die Stille des Morgens durchbrach, jagte mir einen heißen Schauer über den Rücken. Ich hob meine Arme und schlang diese um Gibbs’ Nacken, damit ich ihn zu mir herunterziehen konnte. Er legte mir eine Hand an meine rechte Wange und streichelte diese sachte. „Alles Gute zum Hochzeitstag“, flüsterte ich, bevor ich seinen Mund mit meinem verschloss und ihn leidenschaftlich küsste â€" das Frühstück war für den Moment vergessen.

Mit vor der Brust verschränkten Armen lehnte ich auf der Beifahrerseite von Gibbs’ Wagen und beobachtete die Tür des Coffeeshops, in dem er vor einer Minute verschwunden war. Wie jeden Morgen hatten wir hier angehalten, damit er sich mit seinem Lieblingsgetränk versorgen konnte. Innerlich schüttelte ich den Kopf, als ich daran dachte, dass er vorhin bereits zwei Tassen getrunken hatte, während wir das Frühstück genossen hatten, das er für mich besorgt hatte. Er hatte wirklich an alles gedacht und ich hatte genüsslich von dem Haselnusssirup gekostet, bevor ich ein paar Spritzer davon in meinen Kaffee getan hatte.
Es war eine kleine Ewigkeit her, seit wir uns an einem Morgen unter der Woche so viel Zeit gelassen oder uns kurz nach dem Aufwachen geliebt hatten. Normalerweise achtete Jethro immer darauf, dass wir nicht zu spät zum Dienst erschienen und scheuchte mich â€" wenn es notwendig war â€" mit einer kräftigen Kopfnuss aus dem Bett. Seit wir zusammen waren, war ich nicht mehr unpünktlich gewesen, aber heute würden wir es garantiert nicht mehr rechtzeitig schaffen, alleine deswegen, weil es bereits zehn nach sieben war.
Nachdem wir uns geliebt hatten, hatten wir anschließend noch ausgiebig geduscht, gefolgt von dem großartigen Frühstück, das ich mehr denn je genossen hatte. Gibbs hatte sich wirklich alle Mühe gegeben und ich hatte innerhalb kürzester Zeit drei Brötchen verdrückt, was mir ein Kopfschütteln seitens meines Mannes eingebracht hatte. Obwohl der Stundenzeiger schnell auf die Zahl sieben vorgerückt war, hatten wir nichts überstürzt und Jethro hatte kein einziges Mal ungeduldig auf die Uhr geblickt. Er hatte sogar noch das benutzte Geschirr weggeräumt, während ich die Rose mit Wasser versorgt und sie schließlich in einer Vase auf den Kamin im Wohnzimmer gestellt hatte, gleich neben dem Bild unserer Hochzeit.
Ich liebte dieses Foto über alles, das zeigte, wie glücklich wir an diesem Tag gewesen waren â€" und noch immer waren. Jethro und ich standen nebeneinander, beide in einem schwarzen Anzug und lächelten voller Freude in die Kamera. Ich hatte meinen rechten Arm um seine Taille gelegt und ihn so nahe wie möglich zu mir herangezogen. Wenn ich das Bild ansah, versank ich meistens in Erinnerungen, so auch heute, bis mir Gibbs seine Arme von hinten um die Schultern gelegt, sich an mich geschmiegt und mich somit aus meinen Gedanken gerissen hatte. Eine kleine Weile waren wir so stehen geblieben, bis wir uns schweren Herzens voneinander gelöst hatten, um endlich ins Hauptquartier zu fahren.
Mich hatte es nicht gewundert, als Jethro vor dem Coffeeshop angehalten hatte, um sich einen Becher Kaffee zu besorgen. Es war für mich allerdings verwunderlich, wie er so viel Koffein zu sich nehmen konnte, ohne einen Herzanfall zu erleiden. Allerdings hoffte ich, dass er mir einen Schokodonut kaufen würde, wie er es so oft machte. Zwar hatte ich bereits eine Menge beim Frühstück gegessen, aber etwas Süßes konnte nie schaden.

Ich ließ meine Arme sinken und trommelte in einem unbestimmten Rhythmus mit den Fingern auf der Beifahrertür des Wagens herum, während ich die Leute beobachtete, die den Coffeeshop betraten oder verließen. Die meisten schienen ziemlich in Eile zu sein und hatten gestresste Gesichtsausdrücke. Ich hätte auch vom Inneren des Autos aus alles mitverfolgen können, aber ich wollte es ausnutzen, dass es endlich wieder ein wenig wärmer geworden war.
Der Regen vom vorherigen Abend hatte gänzlich aufgehört und die grauen Wolken waren nicht mehr ganz so dicht. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis sie aufreißen würden, um die Sonne durchzulassen. Trotzdem war es nicht ratsam, mit einem kurzärmligen Shirt herumzulaufen, da der leichte Wind doch noch ein wenig frisch war. Somit sah es auch nicht verdächtig aus, dass ich heute ein langes Hemd trug â€" ein grünes, von dem Jethro immer behauptete, es würde meine Augenfarbe betonen. Es verdeckte hervorragend die roten Male an meinen Handgelenken, die wohl erst in ein paar Tagen verschwinden würden. Die Handschellen waren ein wenig fest gewesen, aber ich hatte mich nicht beschwert. Viel zu sehr hatte ich es genossen, was Gibbs mit seiner Zunge und der Schokosoße angestellt hatte, jedenfalls bis zu dem Zeitpunkt, an dem ich erkannt hatte, dass er mich wirklich in die Verzweiflung hatte treiben wollen und dies auch erfolgreich geschafft hatte.
Bei der Erinnerung musste ich ein Grinsen unterdrücken und ließ meinen Blick umherschweifen, musterte genervte Autofahrer, die im Morgenverkehr feststeckten und die Passanten, die eilig an mir vorbeiströmten. Schließlich entdeckte ich ganz in der Nähe eine junge Frau, die gerade eine Zeitung aus einer Box hervorholte und mich unverhohlen anstarrte. Ihre Augen wanderten über meinen Körper und sie verzog ihre vollen Lippen zu einem breiten Lächeln, das weiße Zähne enthüllte. Sie trug einen teuren Hosenanzug, der ihre Figur vorteilhaft betonte und ihre Beine noch länger wirken ließ. Die schwarzen Haare hatte sie zu einem Pferdeschwanz hochgebunden und ein Pony fiel ihr keck in die Stirn.
Sie klemmte sich die Zeitung unter den Arm und kam direkt auf mich zu, ließ keinen Zweifel, dass ihr gefiel, was sie vor sich sah. Durch ihre hochhackigen Schuhe war sie nur einen halben Kopf kleiner als ich und braune Augen funkelten mich herausfordernd an. Das Trommeln meiner Finger hörte auf und ich richtete mich ein wenig auf, sodass ich nicht mehr den Eindruck erweckte, herumzulümmeln.
„Hey“, sagte sie mit einer leicht rauchigen Stimme und mich auf meine guten Manieren besinnend, lächelte ich sie freundlich an, was allerdings ein Fehler gewesen war, da sie noch näher an mich herankam, sodass mir ihr Parfüm in die Nase stieg. Früher hätte mich das ziemlich angeturnt, ich hätte sie meinerseits angestarrt, aber seit ich Jethro hatte, hatte jede Frau auf mich ihren Reiz verloren.
„Hey“, erwiderte ich ebenfalls und blickte über ihre Schulter, um zu sehen, ob Gibbs endlich aus dem Coffeeshop kam, aber er war nirgends zu sehen. „Warten Sie auf jemanden?“ fragte sie und legte ihren Kopf ein wenig schief, sodass ihr ein paar Strähnen ihres Ponys in die Augen fielen. „Ja“, antwortete ich knapp, ließ aber in meiner Stimme einen sanften Ton mitschwingen, damit das eine Wort nicht so hart klang.
„Wenn das so ist“, begann sie und leckte sich über ihre Lippen, „hätten Sie nicht Lust, die Wartezeit ein wenig zu verkürzen und mit mir eine Tasse Kaffee zu trinken? Wir können uns einen Platz am Fenster suchen, damit Sie die Straße nicht aus den Augen lassen müssen.“ Sie sah mich hoffnungsvoll an, weswegen ich nicht anders konnte, als zu lächeln. Wäre Jethro jetzt hier, hätte er die junge Frau sicher mit einem mörderischen Blick bedacht, weil sie so offen mit mir flirtete, ich hingegen fand es ein wenig amüsant.
„Tut mir leid“, sagte ich schließlich, „aber ich bin schon spät dran und ich kann Ihnen versichern, dass es mein Boss überhaupt nicht mag, wenn ich unpünktlich bin. Außerdem“, ich hob meine linke Hand und zeigte ihr den goldenen Ring an meinem Finger, „bin ich verheiratet.“
Das freudige Lächeln verschwand von ihren Lippen und Enttäuschung machte sich auf ihrem Gesicht breit. Sie schien es nicht gewohnt zu sein, eine Abfuhr zu bekommen. „Wirklich schade“, meinte sie eine Spur niedergeschlagen und seufzte. „Die attraktivsten Männer sind entweder verheiratet oder schwul.“ Ich lachte leise und entspannte mich. „Ja, das ist wohl wahr. Aber ich kann Ihnen versichern, es geht auch beides.“ „Beides?“ „Verheiratet und schwul“, antwortete ich und sie zuckte auf meine Aussage hin nur ihre Schultern.
„Ihre Frau kann sich glücklich schätzen, einen Mann wie Sie abbekommen zu haben“, sagte sie und trat einen Schritt zurück. „Man findet nicht oft Menschen, die absolut treu sind. Es gibt genug Leute, die ihre Partner betrügen.“ „Nicht, wenn man den Richtigen gefunden hat“, erwiderte ich und mein Gesicht hellte sich auf, als ich Jethro entdeckte, der den Coffeeshop verließ, in der einen Hand einen großen Becher hielt und in der anderen eine Tüte, von der ich sofort wusste, was sie enthielt.
Von meinem Stimmungsumschwung leicht verunsichert, drehte sich die Schwarzhaarige um und beobachtete Gibbs, der auf uns zukam und meine Gesprächspartnerin misstrauisch musterte. „Habe ich etwas verpasst?“ fragte er brummend und reichte mir die Tüte, die ich sofort öffnete. „Nein, die Dame hat mir nur ein wenig Gesellschaft geleistet, während du dir deinen Kaffee besorgt hast. Und… oh“, entfuhr es mir unwillkürlich, als ich den extragroßen Schokodonut entdeckte, der einfach verführerisch duftete. „Jethro, du bist der beste“, sagte ich und gab ihm einen kurzen zärtlichen Kuss, als Dankeschön dafür, dass er an mich gedacht hatte.

Die junge Frau starrte mich mit großen Augen an und sie schien ihre Zeitung vollkommen vergessen zu haben, die unter ihrem Arm hervorrutschte und auf dem Boden landete. „Wie gesagt, es geht auch beides“, meinte ich, bückte mich, hob die Zeitschrift auf und gab sie ihr. Ihr Mund hatte sich zu einem O geformt und ihre Wangen waren mit einem Hauch Rot überzogen. Gibbs blickte uns mit erhobenen Augenbrauen an und ich setzte ein unschuldiges Grinsen auf.
„Lass uns endlich fahren, sonst überlege ich mir das mit dem Kopfabreißen noch einmal“, grummelte er, umrundete den Wagen, öffnete die Tür und ließ sich hinter das Lenkrad fallen. „Ich war nicht derjenige, der noch unbedingt die Zeitung lesen wollte“, verteidigte ich mich, öffnete die Beifahrertür und zwinkerte er schwarzhaarigen Frau zu, die noch immer überrascht war, dass ich mit einem Mann verheiratet war. „Wir wären sicher nicht so spät dran, wenn du nicht angefangen hättest, dich unter mir zu räkeln.“ Ich lachte leise, setzte mich in den Wagen und schloss die Tür. „Du hättest auf meinen Verführungsversuch nicht eingehen müssen“, meinte ich, drehte mich und begegnete einem funkelenden Blick aus blauen Augen. „Bist du eifersüchtig, Jethro?“ Er blieb stumm, aber seine Körpersprache verriet ihn.
Lächelnd nahm ich seine linke Hand und drückte einen zärtlichen Kuss auf den goldenen Ring. „Du hast keinen Grund, eifersüchtig zu sein, mein Brummbär. Du bist der Einzige für mich, das weißt du. Außerdem hat sie mich angesprochen und versucht, mich zu überreden, sie auf eine Tasse Kaffee einzuladen.“ Sein Gesichtsausdruck wurde weicher und er seufzte. „Ich kann es einfach nicht ausstehen, wenn jemand mit dir flirtet. Wobei“, er musterte mich von oben bis unten und erleichtert registrierte ich das liebevolle Lächeln auf seinen Lippen, „verstehen kann ich sie ja. Immerhin hat sie Augen im Kopf und sie müsste schon blind sein, um nicht zu erkennen, dass du wunderschön bist, Tony.“ Er verstärkte den Griff um meine Hand und zog mich zu sich. Ich spürte, wie bei dem Kompliment meine Ohren rot wurden und mein Herz fing unwillkürlich schneller zu schlagen an.
„Heißt das, du reißt mir nicht den Kopf ab?“ fragte ich und ehe ich es realisierte, ließ er meine Hand los und verpasste mir einen Klaps. „Das heißt wohl nein“, meinte ich murrend und rieb mir über die leicht schmerzende Stelle. „Wirklich gut kombiniert“, sagte Jethro trocken, stellte den Becher in den dafür vorgesehen Halter und startete den Wagen. Ich schnallte mich an und blickte zu der jungen Frau, die bereits einen anderen Mann in ein Gespräch verwickelt hatte.
Ich schüttelte den Kopf und stieß gleich darauf einen leisen Schrei aus, als Gibbs heftig aufs Gaspedal trat und den Wagen mit quietschenden Reifen auf die Straße lenkte. Mit einer Hand umklammerte ich die Tüte mit dem Donut und mit der anderen den Griff an der Tür. Ich war viel zu sehr damit beschäftigt, mir keine blauen Flecken einzufangen, sodass ich die junge Frau aus meinem Gehirn verbannte. Aber es sollte nicht das letzte Mal sein, dass ich sie sehen würde, allerdings auf eine Weise, mit der ich nie gerechnet hätte.

Fortsetzung folgt...
Chapter End Notes:
So, nachdem das Archive wieder on ist, kann ich ja endlich weiterposten^^
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