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Gibbs stand in der kleinen Kabine des Fahrstuhls und wartete darauf, dass ihn dieser in die Pathologie brachte. Ungeduldig trommelte er mit den Fingern auf seinem Oberschenkel herum und wünschte sich, dass er einen Becher Kaffee hätte, der ihm half, die wenigen Sekunden zu überbrücken, die der Aufzug in den Keller brauchte. Es war beinahe Mittag und wie er Tony kannte, würde sich dieser sicher bald etwas zu essen besorgen und ihm gewiss sein Lieblingsgetränk mitnehmen. Ein Lächeln umspielte seine Lippen, als er an seinen Ehemann dachte, der ein wenig gelangweilt an seinem Platz saß und das anscheinend nicht gerade interessante Leben des Toten durchforstete.
Die relative kurze Nacht hatte sich erneut bemerkbar gemacht und Jethro musste zugeben, dass er einem kurzen Nickerchen ebenfalls nicht abgeneigt wäre. Aber dass er nicht so viel Schlaf abbekommen hatte, war es allemal wert gewesen. Obwohl ihn Anthony letzten Abend buchstäblich in die Verzweiflung getrieben hatte, konnte er nicht leugnen, dass er es überaus genossen hatte. Alleine was er mit seiner Zunge und dem Gleitgel angestellt hatte, brachte ihn noch jetzt dazu, sich auf die Unterlippe zu beißen, um einen wohligen Kehllaut zu unterdrücken. Es überraschte ihn noch immer, dass er sich hin und wieder derart fallen lassen konnte, die Gedanken komplett ausschaltete und nur noch fühlte. Vor allem vertraute er Tony und er wusste, dass dieser nie etwas machen würde, das er nicht wollte und jederzeit aufhören würde, sollte er ihn darum bitten â€" was allerdings noch nie vorgekommen war.
Und er hatte seine Rache bekommen. Eigentlich hatte Gibbs nicht vorgehabt, Anthony ans Bett zu ketten, aber er hatte auf einmal große Lust auf Schokosoße verspürt â€" außerdem liebte er den Anblick der roten Plüschhandschellen an den Gelenken seines Lebensgefährten, obwohl diese verräterische Male hinterließen. Es war offensichtlich, dass sie ein wenig zu fest gewesen waren, aber es war kein Protest von Tonys Seite gekommen.
Mit keiner seiner Exfrauen hatte sich Jethro auf Fesselspiele eingelassen, er war nicht einmal besonders experimentierfreudig gewesen, aber das hatte sich nun grundlegend geändert. Der Halbitaliener brachte Seiten in ihm zum Vorschein, von denen er nicht einmal gewusst hatte, dass er sie besaß. Und es war selbst für ihn ein wenig seltsam, dass er an einem Hochzeitstag so gut gelaunt war. Aber diese Ehe war auch ganz anders als alle anderen, die er hinter sich hatte â€" sogar die mit Shannon. An sie und Kelly zu denken, schmerzte auch nicht mehr so sehr wie früher und er wusste, es lag daran, dass er sich damals Tony anvertraut, ihm seine Vergangenheit offenbart und dieser ihn verstanden hatte. Jethro hatte endlich loslassen können, um in eine glückliche Zukunft zu blicken, mit dem Menschen, den er weiterhin über alles liebte.
Er hatte es bis jetzt kein einziges Mal bereut, Anthony geheiratet zu haben, obwohl ihn dieser noch immer hin und wieder auf die Palme bringen konnte und er ihm an diesen Tagen am liebsten eine Kopfnuss nach der anderen verpassen wollte. Aber ein Blick in diese grünen Augen reichte, um ihn zu besänftigen. Er konnte seinem Ehemann einfach nicht lange böse sein, auch vor Monaten nicht, als er versucht hatte, eine verstopfte Wasserleitung herzurichten und stattdessen die ganze Waschküche unter Wasser gesetzt hatte. Anfangs war er verärgert gewesen, aber der entschuldigende Ausdruck in den Augen gepaart mit dem Dackelblick, der ihn ohne Ausnahme butterweich werden ließ, hatte diesen Ärger verpuffen lassen. Trotzdem hatte er ihn dazu verdonnert, die Schweinerei aufzuwischen und hatte die Reparatur schließlich selbst in Angriff genommen.

Das Trommeln der Finger hörte auf, als Gibbs unwillkürlich an Edwards dachte, von dem er geglaubt hatte, ihn nie wieder zu sehen. Etwas mehr als zwei Jahre war es her, dass dieser Detective zum ersten Mal auf der Bildfläche erschienen war und er hatte gehofft, auch zum letzten Mal. Bereits damals hätte er ihm am liebsten den Hals umgedreht, als er Tony förmlich mit den Augen ausgezogen hatte und heute war diese altbekannte Wut zurückgekommen.
Der Tag hatte so schön angefangen, er hatte sich gefreut, dass Anthony von der roten Rose, die er erhalten hatte, derart gerührt gewesen war, das Frühstück war perfekt gewesen und es hatte ihm nichts ausgemacht, dass er seit langem wieder einmal zu spät zur Arbeit erschienen war. Nicht einmal der Anruf, dass sie einen neuen Fall hatten, hatte seine gute Laune trüben können â€" bis sie am Tatort angekommen waren und bemerkt hatten, wer vom Morddezernat dort gewesen war. Edwards so plötzlich wieder zu sehen hätte ihn beinahe dazu veranlasst, sich vor Tony zu stellen, damit der andere keinen Blick auf diesen hätte werfen können.
Aber Gibbs wusste, dass dieses Verhalten mehr als kindisch gewesen wäre, weshalb er sich kurzerhand entschlossen hatte, sich wie der professionelle Bundesagent zu benehmen, der er war. Allerdings hatte er es nicht verhindern können, dass die Eifersucht durchgeschienen war. Zwar vertraute er Tony vorbehaltlos, aber Edwards war für ihn wie ein rotes Tuch. Dieser hatte etwas an sich, das er einfach nicht mochte und dass er ständig mit Anthony flirtete, war das berühmte Tüpfelchen auf dem i.
Wüsste er nicht, dass er sich jede Menge Ärger einhandeln würde, hätte Jethro Jack das überhebliche Grinsen einfach aus dem Gesicht gewischt. Allerdings war es ihm nicht entgangen, dass sich der andere nicht sonderlich wohl gefühlt hatte, als er bemerkt hatte, dass Gibbs ebenfalls anwesend war. Und der fassungslose Ausdruck, als der Detective erfahren hatte, dass Tony mit seinem Boss verheiratet war, war zu köstlich gewesen. Edwards hatte schnell erkannt, dass er keine Chance und verloren hatte. Zwar hatte er es nicht lassen können, Anthony weiterhin begehrliche Blicke zuzuwerfen, aber wenigstens hatte er sich rasch verzogen.
Obwohl der Tatort die reinste Müllhalde und nicht viel Tageslicht in die Wohnung gelangt war, war er ihm gleich viel freundlicher vorgekommen, kaum dass der Detective verschwunden war. Selbst der wenige Platz schien auf einmal mehr geworden zu sein. Seine Laune hatte sich ebenfalls verbessert und er hatte mit einem viertel Ohr sogar Duckys Geschichte von seinem alten Freund gelauscht. Dennoch… ein Gefühl in seiner Magengegend sagte ihm, dass es nicht das letzte Mal gewesen war, dass sie auf Edwards gestoßen waren. Allerdings würde er diesem überheblichen Kerl dann ein für alle Mal klar machen, dass er seine schmutzige Gedanken auf eine andere Person richten sollte.

Als sich die Türen endlich mit einem leisen Pling öffneten, beschloss Gibbs die Gedanken über Jack erst einmal ruhen zu lassen. Immerhin gab es einen Fall zu lösen und seinen Hochzeitstag würde er sich sicher nicht von diesem Detective vermiesen lassen, dafür war ihm der heutige Tag viel zu wichtig. Am Morgen hatte er sich Sorgen gemacht, dass die Wolken bis zum Abend bleiben und somit seine Pläne zunichte machen würden, aber zu seinem Glück wurden sie immer dünner und vorhin hatte sogar die Sonne bereits hervorgeblinzelt. Ein Sternenhimmel würde also garantiert sein â€" der wichtigste Teil seines Planes, ohne diesen würde sein Geschenk für Tony nur halb so schön werden.
Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen verließ Jethro schließlich den Aufzug und betrat kurz danach die Pathologie, wo Palmer eifrig dabei war, die Leiche des jungen Mannes zusammenzunähen. Die vielen Stichwunden hoben sich stark von der blassen Haut ab und auf seiner linken Wange war eine große Prellung zu sehen â€" ein eindeutiges Zeichen, dass er vor seinem Tod geschlagen worden war.
Ducky saß an seinem Schreibtisch und schrieb den Bericht, hob aber den Kopf, als er das Zischen der Tür hörte. „Ah, Jethro. Ich wollte dich in ein paar Minuten anrufen“, sagte er und erhob sich noch im selben Moment. Den Kugelschreiber legte er achtlos auf den Tisch und ging auf seinen Freund zu, der bei dem Toten stand und anscheinend interessiert Jimmy bei der Arbeit zusah â€" die plötzliche Aufmerksamkeit machte diesen ein wenig nervös.
„Was hast du für mich, Duck?“ fragte Gibbs und blickte endlich auf. „Außer einen Assistenten, der ohne ein Navigationssystem sich hoffnungslos verirren würde, nicht viel“, antwortete er und veranlasste Palmer seinen Kopf schnell zu heben und ihn mit großen Augen anzustarren. „Was ich bereits vermutet habe, hat sich bestätigt“, fuhr der Pathologe weiter, ohne auf die Reaktion des Jüngeren zu achten, „der Petty Officer ist an den zahlreichen Stichwunden gestorben. Der Darm wurde viele Male getroffen, genauso wie der Magen und ein Stich in die Milz hat massive innere Blutungen verursacht. Allerdings hatte er kurz vor seinem Tod noch Geschlechtsverkehr. Ich habe Reste von Gleitgel gefunden, mit Kokosgeschmack, wie Abby festgestellt hat“, fügte er hinzu und schüttelte den Kopf. „Was die Leute heutzutage alles kaufen“, meinte Jimmy und versenkte die Nadel wieder im Fleisch des Toten.
„Kokosgleitgel?“ fragte Gibbs überrascht und hob seine Augenbrauen. „Anscheinend ist Tony nicht der einzige, der das mag.“ „Agent DiNozzo steht auf…?“ begann Palmer sichtlich perplex, brach aber sofort ab, als er in den Genuss eines scharfen Blicks des Chefermittlers kam. „Nicht so wichtig“, murmelte er sofort und machte sich mit rosa angehauchten Wangen wieder an die Arbeit.
„Habe ich schon einmal erwähnt, dass ich nicht zu viel von eurem Liebesleben wissen will?“ fragte Ducky, konnte sich aber ein Lächeln nur schwer verkneifen. Es hätte ihn stark verwundert, würden die beiden nur normales Gleitgel verwenden, vor allem weil er sich vorstellen konnte, dass insbesondere Anthony ziemlich experimentierfreudig war. Und wie er den Ausdruck in Jethros Augen deutete, schien er dem Kokosgeschmack nicht abgeneigt zu sein.
„Du hast irgendwann einmal etwas in diese Richtung erwähnt“, erwiderte Gibbs schließlich und versuchte nicht in Gedanken an letzte Nacht abzudriften, in der er reichlich in Berührung mit Kokosgleitgel gekommen war. „Sonst noch etwas, das uns weiterhelfen könnte?“ brachte er die Sprache wieder auf den Fall zurück. „Nun, wer auch immer mit Nigel Wilder geschlafen hat, ist nicht sonderlich sanft mit ihm umgegangen. Ich habe Anzeichen von kleinen Blutungen gefunden, aber eine Vergewaltigung schließe ich aus, da es ansonsten keine Abwehrverletzungen gibt. Meinst du, er hat mit seinem Mörder geschlafen?“ „Wäre eine Möglichkeit, aber warum hat er dann die Nachricht mit dem Hinweis auf Zurückweisung hinterlassen?“ meinte Gibbs und runzelte die Stirn. „Ich denke eher, Wilder war noch bei seinem Freund, den er gestern Tony und mir gegenüber erwähnt hat.“ „Vielleicht findet Abby heraus, wer er ist. Ich habe Sperma gefunden und es ihr zur Analyse geschickt.“

Ducky verschränkte seine Arme vor der Brust und lehnte sich gegen einen der freien Stahltische. „Ich habe heute übrigens von Abby gehört, dass du und Anthony um eine halbe Stunde zu spät gekommen seid.“ „Woher weiß sie…?“ fragte Gibbs, etwas überrascht von dem plötzlichen Themenwechsel. „McGee“, beantwortete er gleich darauf seine eigene Frage und konnte innerlich nur den Kopf schütteln. Der junge Agent war anscheinend ein schlimmeres Tratschweib als seine ganzen Exfrauen zusammen.
„Es freut mich, dass du wenigstens am heutigen Tag nicht so streng bist, was den Dienstbeginn anbelangt“, fuhr Ducky fort und blickte seinen Freund wissend an. „Wir hatten ein überaus nettes Frühstück“, erwiderte Jethro, denselben Wortlaut wie Tony vor ein paar Stunden verwendend. Jimmy stieß ein vernehmliches Keuchen aus, das schnell in einen Husten überging, mit dem er kaschieren wollte, dass er nicht zu interessiert der Unterhaltung der beiden gelauscht hatte und kein Problem damit hatte, dass der Ermittler gerade aus seinem Privatleben plauderte. Palmer wusste, würde er auch nur ein Wort gegenüber jemand anderem darüber verlieren, würde er in nächster Zeit keine Leichen mehr zusammennähen können.
„Frühstück? Jethro, wir sind hier erwachsene Menschen. Du kannst es ruhig beim Namen nennen, dass ihr…“ „Hast du vorhin nicht gesagt, du willst nichts aus unserem Liebesleben wissen, Ducky?“ „Richtig, das überlasse ich lieber Abigail. Ihr hattet nicht zufällig etwas mit Kokosgeschmack zum Frühstück?“ Gibbs konnte nicht anders als zu lachen und schüttelte leicht seinen Kopf.
„Ich will den Bericht der Autopsie so bald wie möglich auf meinem Tisch haben“, sagte er schließlich und eilte auf die Tür der Pathologie zu. „Und ich erwarte einen ausführlichen Bericht darüber, wie Anthony auf dein Geschenk reagiert, Jethro!“ rief Ducky ihm hinterher. „Immerhin habe ich dich darauf gebracht!“ „Ja, aber auch nur, weil du erzählt hast, wie deine Mutter vor kurzem geglaubt hat, die Sterne wären Glühwürmchen!“ erwiderte Gibbs, bevor er im Fahrstuhl verschwand und auf den Knopf für die Forensik drückte. So verrückt Mrs. Mallard hin und wieder auch war, sie war eine liebenswerte Frau und sie konnte einen auf die besten Ideen bringen. Er war sich sicher, Tony würde das Hochzeitstagsgeschenk wundervoll finden und er freute sich jetzt schon auf den verblüfften Gesichtsausdruck seines Ehemannes. Es war das perfekte Geschenk, etwas, das jeder Engel haben sollte…

Kaum hatten sich die Türen des Fahrstuhls geöffnet, dröhnte Gibbs laute Musik entgegen, von der er sich wunderte, dass sie sein Trommelfell noch nicht zum Platzen gebracht hatte â€" oder besser gesagt, dass Abby keinen Gehörschaden davon getragen hatte. Diese war dem Gekreische jeden Tag ausgesetzt und zeigte kein Anzeichen von Taubheit. Wenn sie wenigstens Lieder spielen würde, die in seiner Jugend modern gewesen waren, würde er die Lautstärke nicht so schlimm finden. Er verstand nicht, wie man sich Songs zu Gemüte führen konnte, bei denen man nur mit viel Geduld den Text heraushören konnte. Allerdings wusste er, dass diese Art von Musik einfach zu Abby gehörte und wenn es ihr half, ihre Arbeit schneller zu erledigen, sollte es ihm recht sein.
Als Jethro das Labor betrat, stand die Forensikerin bei einem ihrer Babys und betrachtete es stirnrunzelnd, während sie energisch am Strohhalm saugte, um möglichst viel CafPow auf einmal zu sich zu nehmen. Dabei schaffte sie es irgendwie noch, mit einem Fuß im Takt des Liedes mitzuwippen. Obwohl sie beschäftigt wirkte, merkte sie sofort, dass sie nicht mehr alleine war. Kaum hatte Gibbs einen Fuß über die Schwelle gesetzt, wirbelte sie herum und auf ihren dunkel geschminkten Lippen erschien ein breites Lächeln.
Abbs stellte den Becher auf einen Tisch, der von dem Müll übersät war, den sie in Wilders Wohnung gesammelt hatten, eilte in den angrenzenden Raum und gleich darauf wurde die Musik auf eine erträgliche Lautstärke heruntergedreht, wobei es ihm lieber gewesen wäre, sie hätte die Anlage komplett zum Verstummen gebracht.
„Ich habe mich schon gefragt, wann du zu mir kommst, oh erhabener Meister“, sagte sie gut gelaunt und schnappte sich wieder den Becher, um einen großen Schluck von ihrem Lieblingsgetränk zu nehmen. „Was hast du für mich, Abbs?“ fragte Jethro direkt, ohne auf die Hibbeligkeit der jungen Goth zu achten. Es war ein deutliches Zeichen, dass sie an diesem Vormittag bereits mehrere CafPows intus hatte und dass sich das viele Koffein nun bemerkbar machte. „Eine Phobie gegen Müll“, antwortete sie ohne zu zögern und deutete auf den Haufen auf dem Tisch. „Wie kann ein einzelner Mensch nur so unordentlich sein? Hat er noch nie etwas von putzen gehört?“ Sie schüttelte den Kopf und beantwortete damit bereits ihre eigene Frage.
„Hast du etwas gefunden?“ wollte Gibbs wissen und nahm ihr den CafPow aus den Händen, von dem sie erneut einen riesigen Schluck trank. „Ich habe herausgefunden, dass euer toter Marine auf Bananen, Kartoffelchips mit Pfeffergeschmack und Bier steht. Laut den Rechnungen, die im Müll gewesen sind, geht er einmal im Monat zur Pediküre. Und ich habe eine Creme gegen Fußpilz gefunden. Außerdem scheint er auf Kokosgleitgel zu stehen, das Ducky an ihm entdeckt hat.“ „Ich weiß, ich war vorhin bei ihm“, erwiderte Gibbs, hütete sich aber auch nur ein Wort zu sagen, dass er letzte Nacht in den Genuss von Gleitmittel mit Kokosgeschmack gekommen war. Abby wartete immer nur darauf, dass entweder Tony oder er etwas von ihren Nächten erzählte und es war meistens ein Kampf, wieder aus ihrem Labor verschwinden zu können.
„Ansonsten gibt es nichts, das auf den Mörder hinweisen könnte“, fuhr sie fort und lehnte sich gegen den Tisch. „Auch keine Spur von einem Swingerclub. Laut McGee hat unser Petty Officer dich und Tony gestern gefragt, ob ihr nicht mit ihm dorthin gehen wollt. Stimmt das? Wart ihr wirklich in einem Sexshop? Ich bin beeindruckt, Gibbsman. Ich hätte nicht gedacht, dass du…“ „Abbs!“ unterbrach er sie ein wenig schroff und schüttelte warnend den Kopf. „Ich schweife wohl wieder etwas ab, oder?“ fragte sie rein rhetorisch, seufzte, ging zu ihrem Computer und tippte ein paar Befehle in die Tastatur ein. Auf dem Bildschirm erschien ein blutbeflecktes Klappmesser â€" die Tatwaffe.
Obwohl sie lieber ihren Boss ausgehorcht hätte, was er und Tony alles in einem Sexshop einkauften, erkannte sie an seinem Gesichtsausdruck, dass es besser wäre, zu schweigen. Sie wusste nicht, woran es lag, dass sie so neugierig war, was ihre beiden Kollegen anging, aber sie fand es noch immer aufregend, dass sie verheiratet waren und das seit einem Jahr. Und die zwei schienen weiterhin glücklich miteinander zu sein und zeigten keinerlei Anzeichen, dass sie genug von einander hatten. Abby bewunderte das, vor allem, weil die beiden Tag und Nacht zusammen waren. Sie wusste nicht, ob sie das schaffen würde, wenn sie einen Freund hätte, mit dem sie gemeinsam arbeitete und diesen auch noch am Feierabend um sich hatte. ‚Wahre Liebe’, dachte sie verträumt und drehte sich wieder zu Gibbs um, der sich vor den großen Bildschirm gestellt hatte und das Messer musterte.

„Die Tatwaffe ist eine Sackgasse“, sagte sie schließlich, „man kann so ein Klappmesser überall kaufen. Das Blut darauf stammt nur von Nigel Wilder. Der Mörder war wirklich vorsichtig. Er hat keine Spuren hinterlassen. „Und was ist mit der Nachricht?“ fragte Gibbs und drehte sich um. Abby verzog ihren Mund und schüttelte den Kopf. „Keine Fingerabdrücke und die Tinte des Druckers, der verwendet wurde, ist ein handelübliches Produkt und wird täglich hunderte Male verkauft. Wer auch immer der Täter ist, er ist wirklich clever. Er muss etwas von Spurensicherung verstehen.“ „Oder er hat nur verdammt viel Glück“, meinte Gibbs und fuhr sich mit einer Hand über sein Gesicht. Gleich darauf wünschte er sich, er hätte das unterlassen, als Abby ihre Augen zusammenkniff und auf sein Handgelenk blickte, das kurz entblößt worden war. Ein wissendes Grinsen umspielte auf einmal ihre Lippen und sie sah so aus, als ob Weihnachten, Ostern und ihr Geburtstag auf den heutigen Tag vor verschoben worden wären.
„Also wirklich, Gibbsman“, sagte sie zuckersüß und kam auf ihn zu. „Und da habe ich immer gedacht, dass es gegen deine Natur geht, unterwürfig zu sein.“ „Ich bin nicht unterwürfig“, erwiderte er brummend, verschränkte demonstrativ die Arme vor der Brust und funkelte die junge Goth mit seinem gefährlichsten Blick an. Diese nahm das allerdings als Bestätigung, dass ihre Gedanken in die richtige Richtung gegangen waren. „Hat Tony die roten Plüschhandschellen verwendet, von denen er mir einmal erzählt hat? Ich wette, die haben heiß an dir ausgesehen, wobei ich schwören könnte, dass die Linie auf deinem Gelenk zu dünn für Handschellen ist. Ich würde eher auf einen Seidenschal tippen. Du kannst es mir ruhig sagen, mein silberhaariger Fuchs. Du hast hier die Meisterin der Fesselspiele vor dir.“ Abby reckte ihr Kinn und straffte ihre Schultern.
Gibbs schüttelte nur seinen Kopf und obwohl er versuchte, sauer zu sein, schaffte er es nicht einmal annähernd. Trotzdem behielt der den bösen Blick bei und ließ sich von dem beigeisterten Funkeln in Abbys Augen nicht erweichen. „Behalt die Details für dich“, sagte er schließlich und ließ seine Arme wieder sinken. „Hauptsache ihr hattet euren Spaß“, meinte die junge Goth ohne auf Jethros Einwand zu achten und zwinkerte ihm verschwörerisch zu. „Wenn ihr irgendwann einmal ein paar Tipps braucht, müsst ihr nur fragen. Ich helfe euch gerne weiter.“ „Ich würde es bevorzugen, wenn du mir verraten würdest, wie weit du mit der DNA Analyse bist“, erwiderte Gibbs mit Nachdruck in seiner Stimme und signalisierte damit Abby, dass es klüger wäre, nicht weiterzubohren.
Sie ließ ihre Schultern ein wenig hängen, erkannte aber, dass sie nichts weiter erfahren würde. Vielleicht war ja Tony gesprächiger, überlegte sie und lehnte sich wieder gegen ihren Tisch. „Das Ergebnis müsste ich morgen haben“, sagte sie schließlich und hob eine Hand, als Jethro den Mund aufmachte. „Nein, es geht nicht schneller. Die Wissenschaft braucht ihre Zeit und man kann sie nicht hetzen. Du musst schon ein wenig Geduld haben, Bossman.“
„Vielleicht findest du noch etwas in dem Müllhaufen hier“, sagte Gibbs und deutete auf den Berg voller Abfälle, die teilweise nicht angenehm rochen. „Dafür will ich aber eine Gehaltserhöhung haben.“ „Du kannst einen Assistenten beantragen, Abbs.“ „Bloß nicht. Muss ich dich erinnern, was das letzte Mal passiert ist? Da wühle ich mich lieber alleine durch den Müll.“ Gibbs konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen und eilte auf die Tür zu, hielt aber inne, als ihm die Forensikerin etwas nachrief. „Was schenkst du eigentlich Tony zu eurem Hochzeitstag?“ Jethro drehte sich um und hob eine Augenbraue. „Etwas, das auch noch in mehreren hundert Jahren Bestand haben wird und zeigt, dass ich für ihn die Sterne vom Himmel holen würde.“ Mit diesen Worten verließ er endgültig das Labor und ließ eine stirnrunzelnde Abby zurück, die schließlich nach einer Minute einen Freudenschrei ausstieß, als ihr bewusst wurde, was Gibbs mit dem einen Satz gemeint hatte.

Fortsetzung folgt...
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