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Entschlossen stopfte er sich das letzte Stück Peperonipizza in den Mund, kaute geräuschvoll, während er versuchte, die Pappschachtel in den viel zu kleinen Mülleimer neben seinem Schreibtisch zu entsorgen. Es hasste diesen Raum, in den ein dutzend Schreibtische gezwängt worden waren und der den Namen Großraumbüro eigentlich nicht verdiente. Zwischen den einzelnen Tischen war gerade genug Platz, um hindurchgehen zu können â€" die handvoll Kollegen, die dicklich waren, hatten damit allerdings ihre Probleme.
Tageslicht kam nur spärlich durch die kleinen Fenster hoch oben an der Wand und die einzige Aussicht, die er hatte, waren Poster von Pinup Girls und Aufnahmen von einsamen Wäldern, die auf die sonst grauen Betonmauern geklebt worden waren. Die Atmosphäre war düster, ja beinahe bedrohlich, eine der Deckenlampen flackerte in regelmäßigen Abständen und es war nur eine Frage der Zeit, bis sie endgültig den Geist aufgab. Es roch durchdringend nach zu vielen Menschen in einem zu kleinen Raum, wobei die Körperausdünstungen noch der angenehmste Geruch waren. Der graugrüne Linoleumboden sah so aus, als ob er das letzte Mal geputzt worden wäre, als dieses Büro eingerichtet worden war und wies zahlreiche Flecke auf, deren Herkunft größtenteils unbekannt war. Ein Deckenventilator wirbelte die schlechte und verbrauchte Luft von einer Ecke in die nächste, anstatt eine kühlende Wirkung zu haben.
Es gab vereinzelte Pflanzen auf den Tischen seiner Kollegen, allerdings ließen diese traurig ihre Blätter hängen, die wegen dem fehlenden Sonnenlicht bereits teilweise braun geworden waren. Das Netteste in diesem Raum waren die Bilder der halbnackten Frauen, wobei er sich ein wenig vernachlässigt fühlte, dass niemand an ihn dachte und Poster von durchtrainierten Männern anbrachte. Es war kein Geheimnis, dass er schwul war, wobei sich die anderen hin und wieder darüber lustig machten. Aber die Witze prallten schon lange an ihm ab und er erwiderte sämtliche Hänseleien mit einem müden Lächeln.
Sein Vorgesetzter, ein Anzugträger mit steifer Krawatte, war ein homophober Mistkerl, der ihn am liebsten schon lange gefeuert hätte, aber er war klug genug, das nicht zu tun, würde dies doch unter Diskriminierung fallen und sein Mitarbeiter könnte ihn deswegen verklagen. Und dieser versuchte sich nichts zu schulden kommen zu lassen, um keinen Grund zu liefern, hinausgeworfen zu werden. Er sah sich keine Pornos während der Arbeitszeit an, so wie manche seiner Kollegen, er kam nie zu spät und erledigte seine Aufgaben gewissenhaft. Glücklicherweise musste er seinen Boss nur noch ein Jahr ertragen, bis dieser endlich in Pension ging und hoffentlich einen toleranteren Nachfolger hatte. Und wenn nicht… er konnte sich immer noch um einen anderen Arbeitsplatz umsehen. Es gab genug, die ihn haben wollten und die nichts gegen seine sexuelle Orientierung hatten.

Mit einem letzten entschlossenen Stoß stopfte er die Schachtel vollends in den Mülleimer, schluckte das Pizzastück hinunter und richtete sich wieder auf, nur um dem Blick von Ernest Houser zu begegnen, der ihm gegenüber saß. Er war der einzige Mann in diesem Büro dem er vertraute und mit dem ihn so etwas wie Freundschaft verband. Der Braunhaarige war älter als er, knapp über 40, verheiratet und hatte zwei halbwüchsige Töchter. Er war der reinste Familienmensch und die Empfangsdamen fanden es mehr als schade, dass er nicht mehr zu haben war, gehörte er doch zu den bestaussehendsten Männern in diesem Gebäude. Mit seinen tiefblauen Augen, den hohen Wangenknochen und den gleichmäßigen Gesichtszügen hätte er Model werden können.
Auch er hatte vor Jahren einmal ein Auge auf Ernest geworfen, aber schnell erkannt, dass er keine Chance hatte â€" zu seiner eigenen Ãœberraschung hatte er das akzeptiert. Vielleicht war das der Grund, warum er sich ihm mehr anvertraute als allen anderen. Allerdings würde er sich hüten seinem Kollegen zu erzählen, was er gestern gemacht hatte â€" gewisse Sachen sollte man lieber für sich behalten und Mord gehörte definitiv dazu. Houser war ein Mann mit einem großen Sinn für Gerechtigkeit, er würde nicht zögern ihn anzuzeigen und wenn er auf etwas verzichten konnte, dann war es das Gefängnis.
„Was?“ fragte er, schnappte sich eine Papierserviette aus einer Schublade und wischte sich den Mund ab. „Nichts“, erwiderte Ernest, aber das Grinsen strafte ihn Lügen. „Ich habe mich nur gewundert, woher das Funkeln in deinen Augen kommt, Bobby. Du wirkst richtig glücklich.“ Er verzog unwillkürlich den Mund, als er mit der Kurzform seines zweiten Vornamens angeredet wurde. Den Namen Robert mochte er überhaupt nicht, aber Ernest fand ihn passend, weshalb er ihn seit dem ersten Tag ihrer Zusammenarbeit so nannte.
„Das liegt wahrscheinlich daran, dass ich glücklich bin“, erwiderte er schließlich und ein verträumtes Lächeln bildete sich auf seinen Lippen, als Tonys Gesicht vor seinem inneren Auge entstand. „Ich habe meinen Traummann getroffen“, fügte er hinzu und blickte kurz auf den Bildschirm, wo die Meldung aufblinkte, dass seine Suche nach dem Namen der Frau, die er am Morgen beobachtet hatte, erfolgreich gewesen war. Noch immer überkam ihn Wut, wenn er daran dachte, wie sie sich am liebsten Anthony an den Hals geworfen hätte. Aber spätestens am Abend konnte er seinen Gefühlen endlich freien Lauf lassen und ihr zeigen, dass es nicht förderlich für die Gesundheit war, sich den Menschen, den er über alles begehrte, unter den Nagel reißen zu wollen.

Die Meldung ignorierend â€" dafür hatte er auch noch nachher Zeit â€" sah er zu seinem Freund, der ihn interessiert musterte und ehrliche Freude zeigte. „Das ist doch großartig“, sagte er und beugte sich nach vorne - dass er beinahe seine Kaffeetasse umgeworfen hätte und wichtige Dokumente in Gefahr geraten wären, schien ihn nicht zu stören. „Wie heißt er? Wie sieht er aus? Wann wirst du ihn wiedersehen?“ sprudelten die Fragen nur so hervor und für einen kurzen Moment erweckte Ernest den Eindruck, noch begieriger auf Informationen zu sein als die beiden Tratschtanten von Empfangsdamen.
„Sein Name ist Anthony und er hat die schönsten grünen Augen die ich je gesehen habe“, antwortete er träumerisch, schnappte sich einen Bleistift und begann diesen zwischen seinen Fingern hin- und herzudrehen. „Er ist größer als ich, fast 1,90 Meter würde ich sagen und dieser Hintern ist einfach geschaffen, um von mir angefasst zu werden. Und die braunen Haare sind so lässig verwuschelt, dass man nicht widerstehen kann, die Finger durchgleiten zu lassen. Wann wir uns wiedersehen werden? Ich hoffe bald und bis es so weit ist, werde ich von ihm träumen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir ein richtiges Paar sind“, fügte er hinzu und seufzte glücklich.
Er wünschte sich es würde auch so einfach sein, wie es sich anhörte. Aber er war sich sicher, Tonys Herz zu erobern. Sein Ehemann konnte bleiben, wo der Pfeffer wuchs. Er war ein viel geilerer Hengst und konnte dem Halbitaliener viel mehr bieten als dieser Gibbs. Dieser würde leiden, das schwor er sich. Er würde dafür sorgen, dass der andere mit dem Wissen weiterlebte, Anthony für immer verloren zu haben. Aber noch war es nicht so weit, vorher musste er noch ein geeignetes Haus finden, am besten mit einem Keller, der komplett eingerichtet war. So wie er Tony kannte, würde er anfangs ganz schön widerspenstig sein, mit der Zeit jedoch erkennen, dass es dafür keinen Grund gab, dass ein glückliches Leben vor ihm lag.
„Dich hat es ja wirklich heftig erwischt“, riss ihn Ernest aus seinen Gedanken und er seufzte noch einmal. „Das wurde aber auch langsam Zeit, Bobby. Ich schätze, die Tage, wo du abends durch die Clubs gezogen bist, um ein Abenteuer zu finden, sind jetzt vorbei.“ Houser beugte sich noch weiter nach vorne und versetzte seinem Kollegen einen Klaps gegen die Schulter. „Ich freue mich für dich, ehrlich. Du musst mir nachher unbedingt erzählen, wo ihr euch kennen gelernt habt. Aber vorher muss ich noch zum Boss und ihm endlich Bericht erstatten. Das schiebe ich schon seit dem frühen Morgen vor mir her. Er hat heute ganz schlechte Laune, anscheinend hat er wieder Sodbrennen.“ Ernest verzog sein Gesicht, stand auf, nahm sich den Bericht, der vorhin beinahe dem Kaffee zum Opfer gefallen wäre, schlängelte sich elegant zwischen den Tischen hindurch und strebte auf eine Tür mit Milchglasscheibe zu, die sich neben der Treppe befand, die ins Erdgeschoss führte.
Kaum war sein Freund in dem Büro verschwunden, ließ er den Bleistift fallen und wandte sich dem Bildschirm zu, wo das Foto der schwarzhaarigen Frau erschienen war, gefolgt von all jenen Informationen, die er wissen musste. Der Name Christine Summers brannte sich unauslöschlich in sein Gehirn ein, genauso wie die Adresse unter der sie wohnte. Sie schien nicht arm zu sein, lebte sie immerhin in einem der besseren Viertel von Washington. Ihre dunklen Augen schienen ihn zu verhöhnen und in seiner Kehle bildete sich ein Knurren, das er mühevoll hinunterschluckte. Er würde ihr heute definitiv einen Besuch abstatten und er nahm sich vor, sie ein wenig länger leiden zu lassen als Nigel Wilder. Dieser war sowieso viel zu leicht davongekommen und im Nachhinein bereute er es, dass er sich nicht mehr Zeit gelassen hatte, um ihm noch eine abschließende Lektion zu erteilen.
Bevor erneut die Wut an die Oberfläche kam, schloss er das Fenster und ließ seinen Blick durch das Büro schweifen, in das nach und nach seine anderen Kollegen von der Mittagspause zurückkehrten. Ernest hatte vorhin recht gehabt: die Tage, wo er durch die Clubs gezogen war, waren nun vorbei. Erst jetzt wurde ihm so richtig bewusst, dass er an jenen Abenden sich unbewusst einen Ersatz für Tony gesucht hatte. Sämtliche One-Night-Stands hatten braune Haare und einen ähnlichen Körperbau wie Anthony gehabt. Aber niemand konnte diesem das Wasser reichen.
„Mein Geliebter“, murmelte er so leise, dass ihn sein Tischnachbar nicht hören konnte, der gerade vom Mittagessen zurück gekommen war und sich jetzt einen großen Donut in den Mund stopfte, wobei sein Doppelkinn wackelte. „Ich werde dir die Welt zu Füßen legen. Du bist mein und bald wirst du das auch erkennen. Mein Tony“, fügte er beinahe lautlos hinzu und zwang sich, sich wieder der Arbeit zu widmen. Aber er wusste, dass es nichts nutzen würde, der Mann seiner Träume würde so lange sein Denken beherrschen, bis er endlich an seiner Seite war, um mit ihm sein restliches Leben zur verbringen.

Mit einer entschlossenen Bewegung knüllte ich das Papier des Hamburgers zusammen, warf es zielsicher in den Mülleimer und leckte mir die Finger ab, die ein wenig fettig waren. Ich hätte auch ein Taschentuch oder eine Serviette verwenden können, aber das hätte nur halb so viel Spaß gemacht, da ich Gibbs’ Blick förmlich auf mir spüren konnte, obwohl er den Eindruck machte, sich auf eine Akte zu konzentrieren, wenn ich aufsah.
So als ob mein Magen einen Wecker eingebaut hätte, hatte er sich pünktlich zu Mittag mit einem lauten Knurren gemeldet und mich aus der Lektüre gerissen, die ungefähr so spannend war wie die vereinzelten Kratzer auf meinem Tisch. Jethro hatte mir ohne lange Diskussion erlaubt, mir etwas zu essen zu holen, wobei ich gleich darauf erfahren hatte, warum er diesmal so großzügig mit einer Pause war, wo wir doch mitten in einem Fall steckten â€" das Wort Kaffee hatte ausgereicht, um mir mitzuteilen, dass ich ihm einen großen Becher seines Lieblingsgetränkes mitnehmen sollte.
Zur Feier des Tages hatte ich meine spendable Seite ausgegraben und sowohl Ziva als auch McGee einen Burger mitgebracht, den sie noch schneller verschlungen hatten als ich â€" und da sollte es noch einmal heißen, ich hätte keine Tischmanieren.
Mittlerweile war es kurz nach 13 Uhr und wir waren die ganze Zeit damit beschäftigt, das Leben von Nigel Wilder zu durchforsten, das nicht sonderlich aufregend war, sah man davon ab, dass er die Marines dem Gefängnis vorgezogen hatte, als er bei einem Einbruch in ein Juweliergeschäft erwischt worden war. Die Autopsie hatte keine neuen Erkenntnisse gebracht, außer dass Nigels Freund nicht gerade der sanfte Typ war und die beiden Kokosgleitgel mochten. Als Gibbs das erwähnt hatte, hatte ich mir ein wissendes Grinsen nicht verkneifen können und sofort erkannt, dass er für eine Sekunde genauso an unsere letzte Nacht hatte denken müssen wie ich.
Für ein paar Minuten hatte ich Probleme gehabt, mich auf meine Arbeit zu konzentrieren, hatte mich dann aber förmlich dazu gezwungen, wusste ich doch wie unausstehlich Jethro werden konnte, wenn seine Agenten Tagträumen nachhingen. Deshalb hatte ich auch Seite für Seite von Wilders Dienstakte gelesen und in seiner Vergangenheit gegraben, während Ziva und McGee mit seinem Vorgesetzten und Kollegen geredet hatten. Allerdings hatten sie es tunlichst vermieden zu erwähnen, dass Nigel homosexuell war, da dieses Thema bei den Marines mehr als heikel war. Selbst Gibbs’ und meine Beziehung wurde weiterhin mit kritischen Augen betrachtet, da wir für eine Quasi Militäreinrichtung arbeiteten. Aber wir ignorierten die Menschen, die ein Problem deswegen hatten und auch Jen hielt uns den Rücken frei.

„Was habt ihr?“ fragte Jethro schließlich, stand auf und riss mich aus meinen Gedanken. Ich wischte meine Finger an der Hose trocken und setzte mich aufrechter hin. McGee schnappte sich die Fernbedienung, drückte einen Knopf und auf dem großen Plasmabildschirm erschien das Bild von Nigel Wilder in der Uniform der Marines. Die Mütze verdeckte teilweise seine schwarzen Haare und er blickte eine Spur kalt in die Kamera, wollte damit allen anscheinend zeigen, dass er nicht wirklich einverstanden war, dass er in Zukunft seinem Vaterland dienen musste.
Da sich Ziva und Tim mit den Kollegen des Toten beschäftigt hatten und ich mit seinem Leben, machte ich den Anfang. Ich schnappte mir die Akte von meinem Tisch, überflog noch einmal die wichtigsten Informationen und sah schließlich zu Gibbs, der ein wenig ungeduldig zwischen McGees und meinem Platz stand.
„Nigel Wilder, 29 Jahre alt. Er wäre nächste Woche 30 geworden, hätte sich nicht ein eifersüchtiger Kerl dazu entschlossen, ihn umzubringen“, begann ich und erhielt prompt einen scharfen Blick aus funkelnden blauen Augen seitens Gibbs. „Tschuldigung. Also, wo war ich? Ah ja. Wilder wurde in Kansas City geboren, zog aber mit seinen Eltern nach Washington, als er nicht einmal ein Jahr alt war. Sein Vater war bei den Marines, starb aber bei einem Training in den Bergen. Bis zu seiner Verhaftung wegen Einbruchs gibt es nichts Interessantes, Nigel war durchschnittlicher Schüler, hat kein College besucht und sich mit Gelegenheitsjobs durchgeschlagen. Seit er bei den Marines war, hat er in diesem schäbigen Apartment gewohnt, wo seine Leiche vom Hausmeister gefunden worden ist. Seine Mutter lebt noch und verdient sich mit Putzen ein wenig zu ihrer Pension dazu. Ob Nigel Wilder jemanden falsch angesehen hat, kann ich dir aber nicht sagen, Boss“, fügte ich hinzu, setzte ein Grinsen auf und legte die Akte auf den Tisch zurück.
Mir entging nicht, dass Jethros Mundwinkel amüsiert zuckten und er mit einem Rucken seines Kopfes andeutete, dass ich fortfahren sollte. Ich verschränkte die Hände vor meinem Bauch und lehnte mich gemütlich in dem Stuhl zurück. „Wilder hat sich zum Petty Officer hochgearbeitet und großes Talent in der Lagerverwaltung gezeigt. Er hat zwar die Grundausbildung absolviert, wurde aber nie für einen Kampfeinsatz vorgesehen. Seit zwei Jahren arbeitete er in Quantico, hat es aber vorgezogen, nicht auf dem Stützpunkt zu wohnen und ich denke, wir wissen alle warum. Wäre herausgekommen, dass Wilder homosexuell war, wäre seine Karriere bei den Marines vorbei gewesen.“ „Vielleicht hat es ja jemand herausgefunden, nur unser Toter wollte sich nicht mit ihm einlassen“, warf McGee ein und gab Ziva ein Zeichen, dass sie übernehmen sollte.
Diese stand auf und ging zu Tim hinüber, an dessen Schreibtisch sie sich leicht anlehnte. „Wir haben mit den Kollegen und seinem Vorgesetzten geredet“, sagte die junge Israelin und verzog unwillkürlich ihren Mund. „Ein wirklich ungemütlicher Zeitkamerad, denkt er ist der Beste und kann mich einfach so zum Abendessen einladen.“ Ich konnte mir ein Grinsen nur schwer verkneifen und selbst Gibbs hob seine Augenbrauen. „Es heißt Zeitgenosse“, korrigierte ich sie automatisch. „Wo ist da der Unterschied?“ fragte sie und schüttelte ihren Kopf. „Und ich werde gleich beweisen, dass ich ebenfalls kein angenehmer Zeitgenosse bin, wenn ihr nicht sofort aufs Thema zurückkommt“, mischte sich Jethro mit knurriger Stimme ein, die mich unwillkürlich aufrechter hinsetzen ließ. McGee rückte prompt mit seinem Stuhl ein paar Zentimeter aus seiner Reichweite und Ziva verschränkte demonstrativ ihre Arme vor der Brust.
„Es war das Übliche“, fuhr Tim eilig fort, um seinem Boss keine weitere Gelegenheit zu geben, sauer zu sein. „Nigel Wilder kam mit jedem gut aus, war aber eher zurückhaltend. Er ging nur selten mit seinen Kameraden am Abend einen trinken und wenn er sich doch einmal entschieden hatte, etwas zu feiern, dann im Übermaß. Meistens litt er am darauffolgenden Tag stundenlang an einem Kater. Sein Vorgesetzter war sehr zufrieden mit ihm und wollte ihn für eine Beförderung vorschlagen. Wilder kam pünktlich zur Arbeit und ging pünktlich wieder nach Hause. Er machte nur selten Überstunden, meistens wenn er seine Mutter mit dem zusätzlichen Geld unterstützen wollte.“
„Wenn jemand gewusst oder einen Verdacht gehabt hat, dass er homosexuell ist, hat er es nicht erwähnt“, sagte Ziva und runzelte leicht ihre Stirn. „Aber wir wissen ja, dass dieses Thema nicht gerade Gesprächsstoff Nummer eins bei den Marines ist“, fügte sie hinzu und blickte bedeutungsschwer zwischen Gibbs und mir hin und her. „Also gibt es keinen Hinweis darauf, wer sein Freund sein könnte“, sagte Jethro und fuhr sich durch seine Haare. „Außer Abby findet noch etwas in dem Müllberg, den wir gesammelt haben“, erwiderte ich und lehnte mich ein weiteres Mal gemütlich zurück. „Oder Darlene weiß vielleicht etwas.“ „Wer ist Darlene?“ fragte Ziva sofort.
„Die Besitzerin des Sexshops, in dem wir gestern waren“, antwortete ich und sah hoffnungsvoll zu Gibbs. „Wir könnten ihr einen Besuch abstatten.“ Das Grinsen, das meine Lippen umspielte, ließ ihn sofort erkennen, dass ich bei meinem Vorschlag einen Hintergedanken hatte. Ich hatte Jethros Bemerkung von Fesseln, die keine Spuren hinterließen, nicht vergessen. Er schluckte sichtlich und überlegte ein paar Sekunden lang, bis er seinen Kopf schüttelte. „Nein, Tony, dass werden Ziva und McGee übernehmen“, erwiderte er schließlich und das Grinsen verschwand aus meinem Gesicht. Die Augen der jungen Israelin leuchteten hingegen auf, während Tim ein wenig auf seinem Stuhl herumrutschte.
„Aber warum…?“ begann ich, wurde jedoch sofort unterbrochen. „Du weißt genau, wie Darlene jedes Mal reagiert, wenn sie uns sieht, Tony“, erklärte Jethro und kam zu mir herüber, so als wollte er mit seiner körperlichen Nähe meine Enttäuschung wieder gut machen. „Sie wird sich eher auf uns konzentrieren als auf die Fragen. Und was die andere Sache angeht“, fügte er hinzu und beugte sich ein wenig nach unten, „das werden wir garantiert bald nachholen.“ Mich überlief ein Schauder und jetzt war ich es, der schlucken musste. „In Ordnung. Ich nehme dich beim Wort“, sagte ich eine Spur heiser. „Das kannst du auch.“ Gibbs richtete sich wieder auf und ging zu seinem Platz zurück.
„Wir fahren zu Wilders Mutter. Vielleicht weiß sie, mit wem ihr Sohn seine Freizeit verbracht hat.“ „Ich bitte dich, Jethro, niemand würde so etwas freiwillig seiner Mutter anvertrauen“, meinte ich, öffnete aber trotzdem die Schreibtischschublade, um meine Waffe herauszuholen. „Eltern bekommen aber oft mit, was ihre Sprösslinge so treiben“, mischte sich McGee ein. „Jedenfalls war das bei mir so. Sie wussten sofort wenn ich eine neue Freundin hatte, noch bevor ich es ihnen erzählt habe.“
„Wie viele Freundinnen hattest du denn?“ fragte Ziva, während sie zu ihrem Tisch ging, um ihre Sachen zu holen. Die Aussicht, offiziell in einen Sexshop gehen zu können, gefiel ihr anscheinend. Und da sie derart gelassen wirkte, schien es nicht das erste Mal zu sein, dass sie einen solchen Laden besuchte.
„Ein paar“, antwortete er ausweichend, nahm seine Waffe und befestigte sie an seinem Gürtel. „Nur ein paar?“ wollte ich grinsend wissen und schnappte mir meinen Rucksack. „Ich war eben nicht so ein Casanova wie du, Tony.“ „Wohl wahr. Aber jetzt bin ich schon lange kein Casanova mehr.“ „Das will ich auch hoffen“, brummte Gibbs und wartete darauf, dass ich endlich meine Sachen beisammen hatte.
„Ich liebe es, wenn du eifersüchtig wirst“, meinte ich und mein Grinsen wurde breiter. „Du bekommst dann jedes Mal diesen entschlossenen Zug um deinen Mund, was ich einfach unwiderstehlich finde.“ Ich nahm seine rechte Hand in meine und zerrte ihn richtiggehend zum Fahrstuhl, während Ziva und McGee uns kopfschüttelnd nachsahen. Mir war es nur recht, dass sich meine Kollegen ein wenig Zeit ließen, so konnte ich mit Jethro alleine mit dem Aufzug fahren und mir hoffentlich einen heißen Kuss stehlen. Jens Regel, nicht mitten im Büro herumzuknutschen, konnte echt nervig sein und so blieb nur die kleine Kabine oder die Toilette. Wobei ich den Fahrstuhl eindeutig bevorzugte…

Fortsetzung folgt...
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